Das im laufenden Alphabet nicht Verzeichnete ist im Register des Schlußbandes aufzusuchen.
5 Seiten, 52'433 Wörter, 371'933 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Das im laufenden Alphabet nicht Verzeichnete ist im Register des Schlußbandes aufzusuchen.
(hierzu Karte »China und Japan«), das zweitgrößte Reich in Asien, das in seinen Anfängen als Einheitsstaat wahrscheinlich in das 3. Jahrh. v. Chr. zurückreicht.
Übersicht des Inhalts: | |
---|---|
Lage und Grenzen | S. 1 |
Bodengestaltung | 2 |
Bewässerung | 2 |
Klima | 2 |
Naturprodukte | 3 |
Bevölkerung, Kultur | 5 |
Auswanderung | 8 |
Religionen | 8 |
Unterrichtswesen | 9 |
Landwirtschaft, Industrie | 10 |
Handel und Verkehr | 12 |
Staatsverfassung | 13 |
Heerwesen | 15 |
Geschichte | 16 |
China umfaßt das Hochland Zentralasiens und seine östlichen Stufenländer, indem es sich durch 56 Längengrade (79-134° östl. L. v. Gr.) vom Westende des Karakorum bis zum Japanischen Meer, 5000 km weit, und durch 34 Breitengrade (18° 9' bis 52° nördl. Br.) vom Südende der Insel Hainan bis zur russischen Grenze im N., 3700 km weit, erstreckt. Der Flächeninhalt dieses ungeheuern Ländergebiets wird zu 11,574,356 qkm (210,266 QM.), die Zahl der Einwohner auf 371 Mill. berechnet; doch soll letztere auf Grund neuester Nachforschungen nur 250 Mill. betragen. Die Grenzen des Reichs lassen sich nur im allgemeinen angeben. Die Nordgrenze gegen Sibirien wird im O. (seit dem Vertrag von 1858) durch den Ussuri und den Amur bezeichnet; weiter westlich sind deutliche Grenzlinien der Argun und Onon, zwischen welchen die Grenze etwas südlich vom 50. Breitengrad unterm Tarai-Nor hinzieht; westlich der Selenga sind das Sajanische Gebirge, einige Zweige des Altai und des Alatau als Grenze zu betrachten. Früher zog von hier die Grenze zuerst in südwestlicher, dann südlicher Richtung bis zum 38.° nördl. Br. weiter. Jetzt bildet etwa vom 82.° östl. L. v. Gr. und 43.° nördl. Br. an der Thianschan die Südgrenze, wendet sich dann östlich vom 92.° östl. L. südlich und wieder westlich, so daß die Kuku-Nor-Mongolen und Tibet zu China, Turkistan aber außerhalb desselben fallen. Im S. ist der Himalaja die Grenze gegen Britisch-Indien, Nepal und Bhutan; sie senkt sich südlicher gegen Birma, Siam und Anam, doch hat nur gegen das letzte infolge des mit Frankreich abgeschlossenen Vertrags eine Grenzregulierung stattgefunden. Die ganze übrige Grenze bildet das Meer: zunächst das Südchinesische (Nanhai) mit dem Busen von Tongking, dann das Ostchinesische Meer (Tunghai), weiter nördlich das Gelbe Meer (Wanghai) mit dem Golf von Petschili und der Koreabai. Die gesamte Länge der Küstenlinie schätzt man auf 5570 km. Die Bestandteile des chinesischen Reichs in diesem Umfang sind:
Landesteile | QKilom. | QMeilen | Bewohner |
---|---|---|---|
Eigentliches China | 4,024,690 | 73092 | 350,000,000 |
Mandschurei | 982,472 | 17,899 | 12,000,000 |
Mongolei | 3,377,283 | 61,335 | 2,000,000 |
Tibet | 1,687,898 | 30,654 | 6,000,000 |
Dsungarei | 383,300 | 6,969 | 600,000 |
Ostturkistan | 1,118,713 | 20,317 | 580,000 |
Zusammen: | 11,574,356 | 210,266 | 371,180,000 |
Das seit dem 17. Jahrh. bestehende Vasallenverhältnis von Korea (s. d.) ist seit 1876 sehr gelockert worden. Da das eigentliche China und die Nebenländer Chinas nach Naturbeschaffenheit und Nationalität ungemein verschieden sind, auch in der lokalen und Provinzverwaltung vielfach Selbständigkeit bewahrt haben, so werden sie am zweckmäßigsten in besondern Artikeln besprochen, und wir beschäftigen uns hier nur mit dem eigentlichen China.
Der Name China ist vermutlich aus dem Namen der alten Dynastie Thsin (255-209 v. Chr.) gebildet, der sich bei uns nach dem Vorbild der Portugiesen in der Schreibweise China eingebürgert hat; die chinesische Bezeichnung für China als Staat ist Tschungkuo (»Reich der Mitte«). Das eigentliche China umfaßt den südöstlichen Teil des gesamten chinesischen Reichs, der sich östlich von den Alpen Tibets zwischen dem südlichen Abfall der mongolischen Hochebene im N. und den Grenzen Hinterindiens im S. bis an das Meer im O. und S. ausdehnt und ein gegliedertes, aber von Natur geschlossenes Ganze bildet. Hierzu kommen noch zwei weitere Stücke Landes, die, teils im S. der Mandschurei und am Südrand des mongolischen Hochlandes (jenseit der Chinesischen Mauer) gelegen, teils keilförmig in die westlichen Nebenländer hineingreifend, von der Regierung dem unmittelbar regierten Reichsgebiet einverleibt wurden, sowie außerdem auch die beiden Inseln Hainan und Formosa. Die Landmasse des eigentlichen China, abgesehen von jenem keilförmigen Anhängsel, hat demnach ihre Ausdehnung zwischen 20 und 41° nördl. Br. und zwischen 98 und 125° östl. L. v. Gr.; sie ist von N. nach S. wie von O. nach W. etwa 2200 km lang und
Maßstab 1:18.500.000.
Die den Europäern und Amerikanern geöffneten Handelhäfen sind unterstrichen. Die Abkürzung: ts. bedeutet in China: tschou. Jap. S. = franz. j.
Dampferlinien
(E.) = Englische, (D.) = Deutsche, (F.) = Französ., (A.) = Amerikan. (J.) = Japan.
Kabel
Zum Artikel »China«.
umfaßt mit der zu Kuangtung gehörigen Insel Hainan (36,195 qkm) und dem zu Fukian gehörigen Formosa (38,803 qkm) ein Areal von 4,024,690 qkm mit 350 Mill. Einw., welche sich auf die 18 Provinzen des Reichs wie folgt verteilen:
Provinzen | QKil. | Bewohner |
---|---|---|
Petschili | 148357 | 28000000 |
Schantung | 139282 | 29000000 |
Schansi | 170853 | 14000000 |
Honan | 173350 | 23000000 |
Kiangsu | 103959 | 37800000 |
Nganhui | 139875 | 34200000 |
Kiangsi | 177656 | 23000000 |
Fukian | 157320 | 14800000 |
Tschekiang | 92383 | 8100000 |
Hupei | 179946 | 27400000 |
Hunan | 215555 | 18700000 |
Schensi | 210340 | 10200000 |
Kansu | 674923 | 9285377 |
Setschuan | 479268 | 35000000 |
Kuangtung | 269923 | 19200000 |
Kuangsi | 201640 | 7300000 |
Jünnan | 317162 | 5600000 |
Kueitschou | 172898 | 5300000 |
Die Bevölkerungszahlen beziehen sich, mit Ausnahme der für Tschekiang und Setschuan auf v. Richthofens Schätzungen fußenden, auf den Zensus von 1812. Schätzungen der Bevölkerung wurden schon in den allerfrühsten Zeiten vorgenommen, als Grundlage diente die Zahl der Familien, der Steuerpflichtigen u. a.; die erste Zählung nach Individuen geschah auf Anregung der französischen Missionäre 1749 und ergab 177 Mill. Einw., es folgten noch acht, deren letzte (1794) 333 Mill. Seelen ergab. Bis 1852 sollte die Bevölkerung auf 420 Mill. angewachsen sein, danach haben aber Hungersnot und die Taiping-Rebellion viele Millionen dahingerafft. Da die Bevölkerungsstatistik hauptsächlich von solchen Beamten beeinflußt wird, die von ihren Unterbeamten eine nach der Einwohnerzahl der Distrikte bemessene Steuer erheben, da ferner in den sehr häufigen Fällen der Unterstützungsbedürftigkeit notleidender Provinzen die von der Zentralregierung auszusetzenden Fonds nach der Bevölkerungszahl bemessen werden, so liegt es im Interesse gewisser Parteien, die Bevölkerung größer zu machen, als sie in Wirklichkeit ist. China ist noch immer unvollkommen bekannt; die Ufer des Jantsekiangflusses und die Küstenprovinzen sind allein ausführlicher beschrieben. v. Richthofen ist 1868-71 allerdings bis tief in das Innere vorgedrungen, und die Ergebnisse seiner Reisen liegen bis jetzt in vier Bänden vor, die eine außerordentliche Bereicherung unsrer Kenntnis Chinas enthalten, die aber auch durch die Anregung unzähliger neuer Fragen und Einführung neuer Gesichtspunkte beweisen, wie gering unser jetziges Wissen ist.
Der Oberflächengestaltung nach zerfällt das Reich in ein Hochgebirgsland (im W. und NW.) und in ein Stufen- und Tiefland (im SO. und O.). Man nimmt an, daß das südliche Gebirge mit dem Himalaja zusammenhänge. Diese Südkette (Nanling, Nantschang) streicht unterm 26.° nördl. Br. und trennt die südlichen Provinzen von den nördlichen. In der Mitte von Kueitschou sollen noch Gipfel von Schnee und Gletscher sein; das Gebirge, das nur von wenigen Pässen durchschnitten wird, bildet die Sprachgrenze zwischen den nördlichen und südlichen Dialekten. Das zweite Parallelgebirge, von Richthofen unter dem Namen Funiuschan (statt Peling) eingeführt, scheint der östliche Ausläufer des mächtigen Kuenlün in Zentralasien zu sein und erhebt sich 1220-1520 m Höhe, während die Pässe in 300 und 450 m Höhe liegen. Zwei Dritteile der ganzen Fläche des eigentlichen China sind Bergland. Nach den Verhältnissen der Höhe können wir drei große Regionen unterscheiden:
1) Das Alpenland im W. und NW. begreift die Provinzen Schensi, Kansu, Schansi, Setschuan, Jünnan und Kueitschou.
2) Die Stufenländer der Südkette (Nanling, Nantschang) fallen nach S. dem Meer zu terrassenförmig ab und ebenso nördlich. Dieser oft kahlen und unfruchtbaren Region gehören an die Provinzen Kuangsi, Kuangtung, Fukian, Tschekiang; die Binnenprovinzen Honan, Kiangsi und Nganhui, welche zum Teil den zweiten innern Terrassenabfall bilden, nehmen am Bergcharakter teil, gehören aber der größern Fläche nach zur nächsten Abteilung.
3) Das Tiefland, die große Alluvialebene zu beiden Seiten des untern Jantsekiang, des Huangho und Peihoflusses, nach O. dem Meer zu sich öffnend, auf den übrigen Seiten von den Abhängen des Alpenlandes begrenzt, ist ein weites seenreiches, oft sumpfiges Kulturland, meist aus Löß bestehend, auf welchem die Dichtigkeit der Bevölkerung und die sorgfältige Bodenbearbeitung eine Höhe erreicht haben wie wohl nirgends sonst. Zu dieser Region gehören die Hauptproduktionsgebiete von China, die Provinzen Hupei, Teile von Hunan, Kiangsi und Nganhui, Kiangsu, Schantung und Petschili.
Die Bewässerung ist in China reichlicher, sowohl durch Flüsse wie durch Kanäle, als wohl in irgend einem andern Lande; die Kanäle fangen aber bei der schlechten Wirtschaft der Regierung zu verfallen an und sind teilweise schon unbenutzbar. China hat zwei große Flußsysteme, das des Huangho und des Jantsekiang. Der Huangho (»gelber Fluß«) mündet in den Golf von Petschili, etwas südlich des 38.° nördl. Br. Seine Länge wird auf 4000-4200 km geschätzt, sein Stromgebiet auf 1,850,000 qkm (33,600 QM.). Mit Dampfern kann er nur stellenweise im Mittellauf befahren werden, vom Meer aus ist er nicht schiffbar. An einer Stelle an seinem Ausfluß setzt der Strom über eine seichte Barre. Sein Wasser dient vor allem der Bewässerung; weithin verheerend wirkt er durch seine Überschwemmungen, gegen welche riesige Erdwerke angelegt sind (vgl. Huangho). Der zweite große Strom Chinas, der Jantsekiang (von den Chinesen auch Takiang, »großer Fluß«, oder Tschangkiang, »langer Fluß«, genannt), hat eine Länge von etwa 5300 km (mit den Krümmungen) und ein Stromgebiet von über 1,870,000 qkm (34,000 QM.). Er vereinigt sich mit dem Jalungkiang unter 26° 30' nördl. Br. und 101° 52' östl. L. v. Gr.; die Quellen beider Flüsse liegen in Tibet. Der Strom ist für Dampfer kaum über Itschang (Provinz Hupei) hinaus schiffbar, für Barken noch über Sutschou in Setschuan hinaus. Er ist die Hauptverkehrsader mit dem Innern des Landes; die größten Handelsstädte liegen an ihm, und die Hauptsumme des chinesischen Kapitals ist hier aufgehäuft. Zerstörend wirkt er durch den außerordentlich starken Wechsel im Wasserstand. Von Itschang ab beträgt sein Gefälle 17 cm auf 1000 m, d. h. es ist fast doppelt so stark als das des Nils und Amazonenstroms, dreimal so groß als das des Ganges. Auch er überschwemmt und verheert im Sommer große Strecken der obern Provinzen, insbesondere von Hupei und Nganhui. Um einen Begriff von den riesigen Dimensionen zu ermöglichen, in welchen sein Steigen stattfindet, sei erwähnt, daß 23. Juli 1869 in Hankeou die Differenz zwischen dem damaligen und dem mittlern Wasserstand während des Winters 11,6 m betrug; 103 Tage lang (bis 4. Okt.) war die europäische Ansiedelung der Überschwemmung preisgegeben, über 40,000 Einwohner der Chinesenstadt flüchteten sich nach den Hügeln. Der Strom wird seit Eröffnung des Hafens Itschang an der Grenze von Setschuan 1877 bis zu diesem Punkt
Dampfschiffen befahren. Die Mündung des Flusses bildet jetzt einen einzigen großen Arm, etwas südlich vom 32.° nördl. Br.; früher waren es drei Arme, von denen einer sich in die Hangtschoubai ergoß. Er erfährt auch in Tiefe und Fahrwasser so große Veränderungen, daß sich die 1842 für das Delta aufgenommenen englischen Admiralitätskarten bereits 1858 unbrauchbar erwiesen (vgl. Jantsekiang). Von den übrigen Flüssen ist der längste der Sikiang, der im südöstlichen Jünnan entspringt und südlich von Kanton mündet; seine Länge beträgt einschließlich der Krümmungen 1700 km und läßt sich mit der des Don und Tigris vergleichen. Für größere Fahrzeuge schiffbar ist er nur bis zur Grenze von Kuangsi, sein Oberlauf ist selbst kleinen Schiffen unzugänglich. Schiffbar ist dagegen bis über Nanning hinaus ein südlicher Nebenfluß, der Jükiang (beschrieben von Moß, Narrative, etc., of an exploration of the West River, Hongkong 1870). Der Peiho oder Nordfluß, welcher an Peking vorbei strömt, hat seinen Ursprung im südlichen Randgebirge der Mongolei; er hat bei Tiëntsin, dem Hafenort von Peking, 54-73 m Breite; seine durchschnittliche Tiefe zwischen hier und Taku beträgt 3,6-5,5 m. Der Fluß wird mit Barken bis Tungtscheu befahren; das Einlaufen in seine Mündung erschwert eine Barre.
Mit Landseen ist die Ebene übersäet; der größte, der Tungting, liegt südlich am Jantsekiang; der zweitgrößte, ebendort, ist der Pojangsee; im N. des Flusses liegt der Kaojusee. Ein Netz von Kanälen, das an Ausdehnung und vielfachster Verzweigung seinesgleichen nicht hat, bedeckt das Tiefland; sie dienen statt der sehr seltenen Kunststraßen in ergiebiger Weise dem Transport von Personen wie Waren und sind zugleich für die Bewässerung von höchster Wichtigkeit. Der größte und wichtigste, zu dem sich die andern wie Äste und Zweige verhalten, ist der 1100 km lange und 80-330 m breite Kaiserkanal (meist Jünho, »Beförderungsfluß«, genannt), der, seit dem 7. Jahrh. n. Chr. nicht durch Ausgrabung, sondern durch Aufdämmung angelegt, aber erst unter der Mongolenherrschaft vollendet, mit dem Peiho in Verbindung steht, den Huangho wie Jantsekiang quer durchschneidet und bis vor kurzem die große Kommunikationslinie des Reichs bildete; jetzt gibt dieser Riesenbau nur noch Zeugnis von einstiger Größe und gegenwärtigem Verfall. Der veränderte Lauf, den der Huangho nahm, verursachte den ersten großen Schaden am Kanalbau; da Reparaturen unterblieben, so befindet sich der Teil nordwärts vom alten Bette des Stroms in einem ganz verwahrlosten Zustand. Der südliche Teil hat bisher noch einen regelmäßigen Verkehr gestattet; aber wenn der Erhaltung dieses Werkes von seiten der Regierung keine Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Vorschläge der fremden Ingenieure wie bisher mit Geringschätzung zurückgewiesen werden, so ist nicht nur der Einsturz eines Teils des Dammes, der den Kanal vom Kaojusee trennt, in Bälde zu befürchten, sondern auch einer der fruchtbarsten Landstriche Chinas der Überschwemmung preisgegeben. Einen großen Teil seiner Wichtigkeit wird der Kaiserkanal durch die projektierte Eisenbahn von Schanghai nach Tiëntsin verlieren.
Die Küste ist durch eine Menge von Buchten und Baien, von Vorsprüngen und kleinen Halbinseln in hohem Maß gegliedert; so besonders auf der Strecke von Hainan bis zur Mündung des Jantsekiang. Von da bis nördlich von Liaotung hin ist das Ufer bedeutend flacher und wegen seiner Untiefen für die Schiffer gefährlich. Das Lotsenwesen ist von den unter der Leitung des fremden Zolldienstes stehenden Hafenbehörden geordnet. Für die Beleuchtung der Meeresküste sowie des Jantseflusses ist durch (1885) 75 Leuchtstationen und eine große Zahl von Bojen und andern Warnungszeichen gesorgt (s. »List of Chinese Lighthouses, Buoys and Beacons«, Schanghai, jährlich erscheinend). Zwischen den Mündungen der beiden großen Ströme gibt es nur wenige gute Häfen, dagegen bietet die aus lehmfarbigen Klippen bestehende Küstenstrecke von Ningpo bis Hongkong gute und sichere Ankergründe. Große Gefahren bringen die Cyklone oder Taifuns (»Wirbelstürme«), welche in ihrem Bereich alle Schiffe, Häuser etc. vernichten. Größere Golfe sind der von Liaotung und von Petschili im N., der von Tschekiang an der Ostküste und die Busen von Kanton und Tongking an der Südseite. Unter den zahlreichen Inseln, welche die Küste umsäumen, sind außer Hainan und Formosa die Inselgruppen im Golf von Kanton und im Golf von Hangtschou (worunter die größte Tschouschan) hervorzuheben.
Das Klima eines Landes von solcher Ausdehnung wie China ist begreiflicherweise sehr verschieden. Seine Jahrestemperatur wechselt zwischen der von Unteritalien oder des nördlichen Afrika und jener von Stockholm; die Wintertemperatur seines nördlichen Strichs kommt ungefähr jener der nördlichen Länder Österreichs gleich. Die jährliche Durchschnittstemperatur wechselt von 10° C. in Peking (40° nördl. Br.) bis 21° in Kanton (23° 12' nördl. Br.). Die Sommertemperatur ist fast in ganz China sehr hoch, so daß sie im Schatten bis auf 38° steigt; das Mittel ist für Peking 25,6,° in Kanton 34,8° C.; am mittlern Jantsekiang wird die Wärme schon im Mai drückend bei mittlern Tagestemperaturen von 27-30° C. Die Wintertemperatur wechselt in den nördlichen Provinzen im Mittel zwischen 2 und 14° C.; der Winter beginnt hier im November und Dezember und endet im März und April. Im mittlern China dauert der Winter von Anfang Dezember bis Ende Februar. Im südlichen China beträgt die Wintertemperatur in den Niederungen meist 15°; im Januar und Februar sinkt sie auf 10°, auch noch tiefer; es fällt nur in den höchst gelegenen Orten Schnee, und es bildet sich selten eine Eiskruste von ½ cm Dicke. Das Charakteristische im Klima Ostasiens ist die Herrschaft des Monsuns. Im Winter weht fast ausschließlich der Nordostmonsun, dabei klarer Himmel, wenig Niederschlag, hoher Barometerstand; im Sommer wird der südwestliche Seewind weit in das Land hineingezogen, Niederschläge finden periodisch statt und nicht in kleinen, unregelmäßigen Zwischenräumen, wie in Europa; die Regenzeiten wiegen im Sommer vor, dagegen ist in den innern Provinzen, wie Setschuan, die Verteilung des Regens auf die Jahreszeiten fast genau umgekehrt; auch hier ist das Klima aber noch mild, die kühlsten Sommer hat im S. die Provinz Jünnan.
Die mineralischen Schätze Chinas sind sehr bedeutend. Gold kommt teils im Quarz, teils im Sande der Anschwemmungen des Jantsekiang, Schantung, Schengking, des Minflusses, auf der Insel Hainan, in Kuangtung, Jünnan und Kueitschou vor; von dort und aus den Bergwerken der Mandschurei stammt der größte Teil des auf die chinesischen Märkte und nach Indien gelangenden Goldes. Silber kommt aus Kuangtung, von Hainan, aus Kuangsi, Jünnan, Honan, Schensi und Kansu; die Verhüttung der reichen silberhaltigen Bleierze von Schantung ist aber
untersagt. Salz wird aus dem Seewasser an den Küsten und aus Solquellen, Steinsalz im W., besonders in Setschuan und Jünnan, gewonnen; die Salzgewinnung aus Seewasser ist bedeutend. Das Salz ist kaiserliches Monopol, von 600 g wird durchschnittlich eine Abgabe von 2½ Pf. erhoben. Steinkohlen sind über ein Areal von über 200,000 QM. verbreitet; v. Richthofen hat nachgewiesen, daß keiner der 18 Provinzen Kohlenfelder fehlen. Auch der Norden der Insel Formosa hat Steinkohlenlager. In größter Ausdehnung hat man Kohle im nördlichen China aufgefunden. Den ersten Rang nehmen die Südhälfte von Schansi (83,000 qm), das südliche Hunan (600,000 Ton. jährlich), ferner Kuangtung und Kiangsi ein. Aber obwohl der Abbau sehr leicht und jedem freigegeben ist, wird der Preis doch durch Zwischenhändler so hoch hinaufgetrieben, daß in den Seestädten englische Kohle billiger ist als einheimische; neuerdings macht japanische und australische Kohle Konkurrenz. Der Gebrauch der Steinkohle läßt sich schon im 3. Jahrh. v. Chr. nachweisen; gegenwärtig wird dieselbe in der Haushaltung als Brennmaterial vorwiegend im N., ungern in den weiter südlich gelegenen Provinzen verwandt, wo sie oft durch Holzkohle ersetzt wird. Eisen ist sehr verbreitet, die mächtigsten Lager kommen zusammen mit Steinkohle vor; nach Plinius bezog bereits der römische Markt das beste Eisen von den Serern. Eine große Menge Menschen findet jetzt wie im Altertum in den Eisenwerken von Schansi Beschäftigung, aber die bergmännische Bearbeitung der Felder wie die Verarbeitung des Erzes ist noch eine höchst primitive; auch Kuangtung und Kuangsi erzeugen Eisen, das hauptsächlich in den Kurzwarenwerkstätten der großen Fabrikstadt Fuschan bei Kanton zur Verwendung kommt. Reiche Lager von Kupfer (Jünnan und Kueitschou), Quecksilber, Zinn, Nickel sowie von wertvollen Steinen finden sich an vielen Stellen.
Die Pflanzenwelt wechselt nach den verschiedenen Teilen. Im südlichen Küstengebiet gedeihen Palmen, Zuckerrohr (besonders in Formosa), Bananen, Bataten, Yams und andre Gewächse warmer Länder. Zwischen dem 25. und 35.° nördl. Br., im Tiefland (besonders in den Niederungen der großen Flüsse), wird Reis gebaut; auch gibt es hier Orangen, Zitronen, auch wohl noch Zuckerrohr. Wichtige Ausfuhrprodukte sind: der vegetabilische Talg vom Talgbaum (Stillingia sebifera), der in der Umgebung von Ningpo in großer Menge kultiviert wird; Kampfer aus dem östlichen China und besonders von Formosa; Zimt vom Cassia oder Zimtbaum in Jünnan, Kuangtung und Kuangsi (der chinesische Zimt ist weniger aromatisch, aber billiger als jener von Ceylon und Malabar). Die eigentliche Charakterpflanze Chinas sowie sein Welthandelsartikel ist die Theepflanze: ihr Anbau zieht sich über 28 Breiten und 30 Längengrade hin, sie gedeiht aber am besten im mittlern China zwischen 27 und 30° nördl. Br., wo die mittlere Jahrestemperatur zwischen 16,7 und 20° C. schwankt, und wo auf starken Regenfall heiteres Wetter und Hitze folgen, das eine ebenso nötig zum üppigen und raschen Wachstum der Blätter wie das andre für den Wohlgeruch und die Güte der Qualität. Die Baumwollstaude wird vorzüglich im mittlern China gebaut; ihr Produkt ist kürzer als das der amerikanischen und ägyptischen, auch nicht reinlich bereitet und fand nur zur Zeit des nordamerikanischen Kriegs Absatz nach Europa. An Arzneipflanzen ist China reich; der Rhabarber ist vorzüglich, eine Menge andrer sind erst in den letzten Jahrzehnten bekannt geworden (vgl. den offiziellen Katalog der von der chinesischen Zollbehörde ausgestellten Handelsprodukte bei der Wiener Weltausstellung von 1873). Der Mohnbau zum Zweck der Gewinnung von Opium, der bereits während der ersten Hälfte des 18. Jahrh. über Tibet von Indien aus in China eingeführt sein soll, nimmt jetzt einen bedeutenden Teil der Ackerfläche von Setschuan und Jünnan ein und verbreitet sich allmählich über alle Provinzen des Reichs; an Stärke steht aber das chinesische Produkt dem indischen bedeutend nach. Hirse und Weizen sind die Hauptcerealien, Roggen scheint nicht gebaut zu werden; an Gemüsearten ist ein großer Reichtum. Die Weinrebe, die im 2. Jahrh. v. Chr. vom General Tschangkhien aus Zentralasien in China eingeführt wurde, kommt wild vor, wird jedoch auch gezogen; die Trauben werden aber nur in frischem Zustand genossen. Der Maulbeerbaum wird bei der großen Seidenkultur überaus häufig angebaut, der nützliche Bambus findet sich in allen Dörfern; die Wälder sind im Rückgang begriffen.
Was das Tierreich betrifft, so hat sich aus den kultivierten und dicht bevölkerten Provinzen längst alles Wild in die entlegenern Landstriche zurückgezogen. Von reißenden Tieren zeigt sich noch am häufigsten der Tiger, der in der Nähe von Amoy noch in den letzten Jahren gejagt wurde; Bären kommen im W. vor, Affen im SW. und auf der Insel Hainan. Der Riesensalamander, von dem man bisher nur die Sieboldia maxima Japans kannte, wurde neuerdings auch in China entdeckt. Jagdbare Tiere sind: Hirsche, wovon einige Arten China eigentümlich sind, auch Rehe, Hasen, sehr schöne Fasanen, zahllose wilde Enten etc. Elefanten und der Schabrackentapir (Tapirus indicus) werden in Jünnan angetroffen, das Moschustier in den westlichen Provinzen. Geflügel ist zahlreich, ebenso Hunde und Katzen. Zu den Haustieren gehört im N. das zweihöckerige Kamel; eine Art Pony, das kleine mongolische Pferd, bildet dort Steppenherden oder wird als Haustier in Ställen gehalten. Sonst wird Viehzucht im großen nur im nordwestlichen China getrieben, wo die Tataren große Schaf und Rinderherden halten. Büffel und Ochsen, von denen es zwei Varietäten gibt, mit und ohne einen kleinen Schulterhöcker, werden nur zum Ackerbau gezogen; sie nähren sich im Sommer vom Gras zwischen den Feldern oder auf den an den Kanälen noch übriggelassenen Bodenflächen, auf welchen sie an einer Schnur herumgeführt werden; im Winter bildet Reis und Weizenstroh, Ölkuchen etc. ihr Futter. Esel und Maultiere sind in der Provinz Schantung und in andern hügeligen nördlichen Provinzen vielfach im Gebrauch. Überall findet man kleine, kurzbeinige, leicht Fett ansetzende Schweine von runder Körperform mit eingebogenem Rücken und sparsamer schwarzer Haarbedeckung; man gibt ihnen grob gemahlene oder zerstampfte Bohnen in einer mit verschiedenen Küchenabfällen vermischten Flüssigkeit. Schafe sind im südlichen China ziemlich selten, doch sind die mongolischen Hämmel berühmt. Enten werden im mittlern und südlichen China in enormen Quantitäten gezogen, und der Kormoran wird in den Gewässern der mittlern Provinzen zum Fischfang abgerichtet. Die Bienenzucht ist namhaft nur in Hunan und Hupei; Baumwachs kommt von einem Insekt (Coccus pela), welches auf Eschen lebt. Die Seidenraupe wird im ganzen Reiche gezogen (s. unten). Fische finden sich in unermeßlicher Menge und bilden einen Hauptartikel der Nahrung; zu den China eigentümlichen Arten gehören die 1611 nach Europa gebrachten Goldfische. Die künstliche Fischzucht ist den Chinesen schon
seit den frühsten Zeiten bekannt (vgl. die Kataloge und Spezialschriften, betreffend die von der chinesischen Zollbehörde veranstaltete Ausstellung chinesischer Fischereiartikel bei Gelegenheit der ersten internationalen Fischereiausstellung in Berlin 1880). An den Südküsten sind Austern sehr gewöhnlich. An Schmetterlingen und Käfern sind China viele Arten eigentümlich. Heuschreckenschwärme sind selten; der erste, den die Geschichte verzeichnet, fand 706 v. Chr. im nördlichen China statt. Jährlich richten dagegen die wilden Schweine große Verheerungen an, die besonders im W. der großen Ebene sehr zahlreich sind und ungestört sich vermehren können, da die Chinesen keine Jagdliebhaber sind.
Die Bevölkerung Chinas (vgl. S. 1 und 2) bestand ursprünglich aus tibetischen, birmanischen und siamesischen Stämmen, deren Überreste, die Sisan, Lolo und Miaotse, wir heute in Jünnan, Kueitschou und im NW. der Provinz Kuangtung sehen. Sie wurden in ihre jetzigen Wohnsitze zurückgedrängt durch ein von NW. (nach der chinesischen Mythologie vom Kuenlün) einwanderndes Volk, welches gegenwärtig den Grundstock der mit allerlei andern mongolischen Elementen vermischten eigentlichen Chinesen bildet. Später kamen als Eroberer die Mandschu hinzu, ein zum tungusischen Zweig der Altaier gehöriger Stamm, welche sich des Throns bemächtigten und heute in den wichtigern Städten, wo sie die sogen. Tatarenstadt bewohnen, die Besatzung bilden. Außer diesen sämtlich der großen mongolischen Rasse und, mit Ausnahme der Mandschu, den Völkern mit einsilbigen Sprachen angehörigen Stämmen wohnen einige Tausende von Nichtchinesen in den dem fremden Handel geöffneten Traktatshäfen (s. unten). Die Zahl dieser letzten belief sich im Januar 1885 auf nur 6364 (2704 Engländer, 554 Deutsche, 790 Japaner, 21 Amerikaner, 424 Franzosen, 286 Spanier u. a.).
Die eigentlichen Chinesen (s. Tafel »Asiatische Völker«, Fig. 17) sind selten über 1,52 m groß, die Frauen meistens noch kleiner. Das Gesicht ist rund; die Augen sind klein, eng geschlitzt, weit voneinander abstehend, stets schwarz, häufig schief gestellt und mit dicken Augenbrauen überzogen; die Backenknochen sind hervorstehend; die Nase ist klein und gedrückt, die Stirn niedrig und unbedeutend; die Lippen sind dicker als bei den Europäern; selten bedeckt ein meist dünner Bart Kinn und Oberlippe; das Haar ist straff und schwarz. Das Haupthaar wird seit der Eroberung Chinas durch die Mandschu (1744) geschoren bis auf einen Büschel am Scheitel, der in einen Zopf gebunden wird und über den Rücken frei herabhängt. In der Muskelbildung stehen die Chinesen den kaukasischen Rassen nach; eine gewisse Schlaffheit der Gesichtsmuskeln verleiht dem Mann einen weibischen Typus. Die Bewohner des nördlichen China sind im allgemeinen stärker gebaut als jene der mittlern und südlichen Provinzen; die letztern sind auch dunkler als die mehr rötlichen Bewohner des Nordens, während die des mittlern China blaßgelb sind. Die Bewohner der Gebirge zeichnen sich unvorteilhaft durch Roheit und Unzugänglichkeit aus. Der gesellschaftlichen Stellung nach werden vier Volksklassen unterschieden: Gelehrte, Ackerbauer, Handwerker und Kaufleute. Geburtsadel spielt gegenüber dem Einfluß des Beamtenstandes eine geringe Rolle. Nicht die Prinzen, sondern die mit öffentlichen Ämtern bekleideten Männer bilden die Aristokratie; kaiserliche Prinzen ohne ein Amt sind Nullen, um die sich niemand kümmert. Würden und Titel sind nicht erblich. Der Gelehrtenstand, der geachtetste unter allen Ständen, ergänzt sich aus allen Schichten der Bevölkerung, aus Armen und Reichen. Nur Gelehrte und die aus ihnen hervorgegangenen Regierungsbeamten gelten als höhere Klassen. Da aber alle Klassen dem Geld nachstreben und sich viele Gelegenheiten finden, die fehlenden Vorbedingungen zum Regierungsamt durch Geschenke etc., statt durch Wissen, sich zu verschaffen, so fehlt es dem Wohlhabenden nicht an Stützen zur Erklimmung der Stufe eines angesehenen Mannes. Die niedern Grade sind mit zeitlichen Gütern nicht reichlich bedacht und neigen in ihrem Leben wie in ihren Bestrebungen mehr zur Einfachheit hin. Die Sklaverei, wenn auch nicht im Sinn der Negersklaverei, ist eine hergebrachte Einrichtung des chinesischen Haushalts; der als Kind gekaufte Sklave wird, wie der servus der Römer, als Glied der Familie betrachtet, kann aber auch weiter verkauft werden. Der zum Frondienst verurteilte Verbrecher wird dauernd seiner persönlichen Freiheit beraubt. Im 3. Jahrh. n. Chr. wurde den Armen erlaubt, ihre Kinder zu verkaufen; hieraus entstand die Privatsklaverei. Diese Kaufsklaven werden meist wie Kinder behandelt und sind gegen Mißhandlung durch Gesetze geschützt. Die weiblichen Haussklaven gehen mit der Verheiratung in die Gewalt des Mannes über. Beschränkungen im Genuß des vollen Bürgerrechts erleiden die Schauspieler und Prostituierten, die Scharfrichter, Gefängniswärter und unter den Dienern der Großen diejenigen, welche ihren Herren auf der Straße vorausgehen, um ihnen die gebührende Achtung zu verschaffen. Ihre und ihrer Kinder Ehre gilt bis in die dritte Generation als gemindert und zwar bei Schauspielern und Prostituierten, weil sie schamlosen Herzens seien, bei den übrigen, weil sie ein hartes Herz zeigen.
Die Sprache der Chinesen besteht aus einsilbigen Wörtern. Bildung der Wörter aus den Wurzeln derselben, wie in unsern Sprachen, ist dem Chinesischen vollkommen fremd; die bestimmte Bedeutung der Wörter im Satz wird durch ihre Stellung hervorgebracht, welche strengen Gesetzen unterworfen ist. Diese im Prinzip überall gleiche Sprache zerfällt in die Schriftsprache und die Umgangssprache. Die Umgangssprache besteht aus zahlreichen Dialekten, welche in Aussprache und Artikulation so sehr voneinander abweichen, daß die Angehörigen einer Provinz die einer andern oft kaum verstehen. Dies ist namentlich in den südlichen Provinzen der Fall. Allgemein verbreitet ist das sogen. Kuānhoá (»gemeinsame Verkehrssprache«); sie ist das Idiom der nördlichen Provinzen und als solches die Sprache des Hofes, der Beamten und der gebildeten Klassen. Die chinesische Schrift, deren Erfindung in ein hohes Altertum zurückverlegt wird, ist aus einer Bilderschrift, aus der unmittelbaren Wiedergabe der Anschauungen der Gegenstände selbst, hervorgegangen. In der ältesten Zeit schrieb man mit einem Bambusgriffel, der in schwarzen Firnis getaucht wurde; später trat an Stelle des Firnisses eine dicke Flüssigkeit, in welche fein geriebene Teile eines schwarzen Minerals eingemengt waren; endlich seit 220 n. Chr. begann man Tusche zu verfertigen und zwar aus Rückständen einer unvollkommenen Verbrennung von Firnis und Fichtenzweigen, während jetzt die beste aus dem Ruß von Schweinefett gewonnen wird; der Pinsel ersetzt den Bambus.
Die geistige Befähigung der Chinesen ist nicht gering: sie haben ganz selbständig auf eignem Boden, ohne anregende Berührungen mit fremden
Völkern, eine Reihe überraschender Erfindungen gemacht, eine umfassende, besonders encyklopädische, Litteratur hervorgerufen sowie in staatlichen Einrichtungen Größeres geschaffen als alle andern asiatischen Nationen. Diese Kultur darf uns aber doch keine besonders hohe Meinung von ihren Anlagen geben. Sie sind nicht umsichtig, orientieren sich schwer und erhalten ihre Ideen immer ausschließlich auf bestimmte Zwecke konzentriert; sie vergessen bei Verfolgung einer Aufgabe, deren Lösung im allgemeinen oder in einem gewissen Sinn sie sich vorgenommen haben, alles andre, führen dafür aber das Begonnene oft bis in die kleinsten Details mit staunenswerter Genauigkeit und unermüdlicher Geduld aus. Alles in China bewegt sich in bestimmten Geleisen. Den Charakter der Chinesen kennzeichnet Gleichgültigkeit. Fleißig, nüchtern und mäßig in Speise wie Trank, im Sinn auf das Praktische gerichtet, machen sie als Kaufleute den Europäern auch aus Nationalgefühl erfolgreiche Konkurrenz. Feine und gefällige Umgangsformen findet man durchgehends in den östlichen Provinzen und im mittlern China; Zudringlichkeit und Unfreundlichkeit treten bei den Bewohnern des Südens hervor; geistig tief stehen und roh in Manieren sind die Bewohner des Westens. Diese Verschiedenheit spricht sich auch im Benehmen gegen die Europäer aus, die bald artiger, bald grober Behandlung ausgesetzt sind. Die Gebildeten sind den Europäern oft übelwollend. Treubruch und Verschmitztheit sind im Verkehr mit Europäern Grundzüge aller Chinesen.
Die Kleidung ist nach den Provinzen verschieden, doch hat sie einen durchaus ständigen Zuschnitt und ständige Bestandteile. Der gemeine Mann trägt Jacke und Beinkleid, der Reichere während des Sommers Beinkleid und ein langes, weites Obergewand von Seide oder Leinwand ohne Kragen, mit weiten Ärmeln, das für gewöhnlich frei herunterhängt, aber auch durch einen seidenen Gürtel zusammengehalten wird. An letzterm werden der Fächer in seidener Scheide, ein gestickter Tabaksbeutel, eine Taschenuhr in einem gestickten Beutel, eine Dose mit Feuerstein und Stahl getragen, zuweilen auch ein Messer in einer Scheide und ein Paar Eßstöckchen. Als Kopfbedeckung tragen die Beamten im Sommer kegelförmige Kappen aus Bambusgefäde, auf der Spitze mit einem Knopfe versehen, der den Rang des Trägers anzeigt, und von dem ein Büschel von karmesinroter Seide oder roten Pferdehaaren herunterhängt. Die Landleute tragen im Sommer große, schirmartige Bambushüte, gegen regnerische Witterung eine Art Rohrgestell, an welchem das Wasser abläuft. Der Stoff ist meist Baumwollzeug. Der komplette Anzug eines Arbeiters kommt auf 4-5 Mk. zu stehen und hält sechs Monate aus. Tuch wird nur von Wohlhabenden getragen. Um der Kälte zu begegnen, tragen die niedern Volksklassen im Winter drei oder mehr baumwollene Kleider übereinander oder wattieren sie mit Baumwollabfall; Reichere kleiden sich in Tuch und Pelz. Die Feier- und Staatsanzüge sind außerordentlich kostbar und möglichst reich mit Seide und Gold bestickt, die Tressen sind jedoch vielfach falsch. Strümpfe, meist aus Baumwolle oder aus Seide gewebt oder auch aus Baumwollzeug zusammengenäht, werden allgemein getragen, schmiegen sich jedoch in der Form nicht dem Bein an und werden unter dem Knie mit farbigem Strumpfband befestigt. Die Schuhe sind aus baumwollenem oder seidenem Oberzeug gefertigt und mit papierener oder lederner Sohle versehen; Reiche tragen im Winter Schuhe von Tuch, Atlas oder Samt. Der Landmann geht großenteils barfuß, die Lastträger pflegen Sandalen von Stroh anzulegen. Vom Tragen weißer Wäsche, ebenso von Tisch und Betttüchern wissen die Chinesen nichts, wie denn überhaupt Reinlichkeit weder in der Kleidung noch am Körper den Chinesen nachzurühmen ist. Die Frauentracht ist ähnlich wie die der Männer, nur von größerer Länge und Weite; ein Schleier wird nie getragen, Augenbrauen, Wange und Lippen werden geschminkt; das Haar wird, je nach dem Geschmack; bei Verheirateten in allerlei künstlichen Gestalten zusammengeordnet, mit Gold und Silbernadeln, mit Goldplättchen und Perlen sowie mit natürlichen und künstlichen Blumen aufgeschmückt; die Unverheirateten lassen es in langen Zöpfen herabhängen. Die Männer scheren das Haar am Vorder- und Hinterkopf kahl ab, während es um den Scheitel in einen Zopf zusammengebracht wird, der lang über den Rücken herabhängt. Dieser Zopf, der jetzt als wesentlicher Bestandteil eines echten Chinesen angesehen wird, ist übrigens keine uralte Kleidungssitte, sondern erst durch das jetzige Herrscherhaus eingeführt worden. Vor dem 40. Lebensjahr einen Schnurrbart, vor dem 60. weitern Bart zu tragen, ist gegen die Sitte. Neben dem Zopf gehören zu den Seltsamkeiten der Chinesen noch die lang gezogenen Nägel an der linken Hand und die verkrüppelten Füße der Frauen, indem man bei den Mädchen das Wachstum des Fußes durch Einzwängung dergestalt erstickt, daß er, mit dem Schuh bekleidet, wie eine Art Huf erscheint und zum ordentlichen Gang seine Fähigkeit verliert.
Die Wohnungen der Chinesen sind sehr verschiedener Art. Auf den Flüssen und in den großen Häfen leben viele ganz auf Schiffen, neben dem Wohnschiff befinden sich oft andre als Schweinestall oder Gemüsegarten. Andre leben auf festgelegten Flößen. Die Häuser sind einstöckig, höchstens zweistöckig und der Mehrzahl nach entweder bloß in ihrer Hinterwand oder in zwei Seitenwänden aus gebrannten oder ungebrannten Ziegelsteinen gebaut, sonst teils aus Brettern, teils aus mit Lehm angestrichenem Flechtwerk oder aus Matten zusammengefügt und sehen meist ärmlich und schmutzig aus. Der Boden ist nicht gedielt und uneben; statt Glas bedeckt Papier die Fensteröffnungen, und die Stuben sind stets ungenügend beleuchtet und gelüftet. Der Hausrat besteht aus wenigen Stühlen und Tischchen; als Bettstelle dienen im südlichen und mittlern China gewöhnlich zwei Schemel und einige daraufgelegte Bretter, auf welche zu unterst Stroh oder eine Strohmatte und darüber eine feine Binsenmatte zu liegen kommt; Federbetten sind unbekannt. Das Gebäude ist im Viereck um einen Hof in der Mitte aufgeführt. Das nächste Zimmer am Eingang dient zur Aufnahme von Besuchen und als Eßzimmer; weiter hineinwärts liegen die Gemächer für das weniger öffentliche Leben, deren Zugänge durch Vorhänge geschlossen sind. Diese Häuser haben bei Vornehmen eine besondere Ahnenhalle, wo die Stammtafeln des Hausstandes hängen, Weihrauch brennt und auf Tischchen zierliche Schälchen mit Thee und Schüsselchen mit gesottenem Reis stehen. Auch in den Städten sind die Häuser nur selten aus Stein gebaut, mitunter aber zweistöckig; die öffentlichen Gebäude weisen mehr Umfang als Pracht auf. Die mit den Wohnungen der Reichern verbundenen Parke und Gärten sind geschmackvoll angelegt. Die Angaben der Reisenden über die Bevölkerung der großen Städte weichen oft außerordentlich voneinander ab und sind ganz unzuverlässig. Als größere Städte sind bekannt: Peking, Kanton, Siantan, Singan, Tschangtschou, Tiëntsin, Tschingtu, Hankeou, Wutschang, Futschou,
Hangtschou, Schoahing, Sutschou, Wentschou und Nanking. Alle chinesischen Städte sehen einander sehr ähnlich. Sie enthalten gewöhnlich einen viereckigen Kern, von hohen Mauern, zuweilen auch von Gräben umgeben, die in gehöriger Entfernung von Türmen flankiert sind. Das Innere dieser Städte dient nur den Beamten zur Wohnung; die Plätze sind daher öde, und Verkehr fehlt. Sitz des Handels dagegen sind die Vorstädte, hier herrscht Leben und reges Treiben. Die Straßen sind auch hier meist krumm und eng, selten breiter als 3-4 m, ja im S. vielfach noch enger und für Wagen nicht passierbar. Daher fehlt es sehr an Lüftung; Wasserabzüge sind nur teilweise vorhanden, und gewöhnlich verpestet noch Unrat die Straßen. Selten entstehen aber bei dem Gedränge Unfriede und Unordnung, und des Nachts herrscht eine merkwürdige Ruhe. Bei Feuersbrünsten zeigen die Regierungsbeamten große Thätigkeit.
Ein Grundzug für das häusliche und gesellige Leben in China liegt in der Gestaltung des Familienlebens. Der Hausvater ist im vollsten Sinn des Wortes Hausherr, mit unumschränkter Gewalt über alle Glieder seiner Familie bekleidet; er ist aber auch mitverantwortlich für ihre Vergehungen und wird gestraft, wenn ein Familienglied sich eines Verbrechens schuldig macht. Natürlich liegt auch die Verheiratung der Kinder ganz in den Händen des Vaters. Die Mutter teilt alle Ehrerbietung, welche dem Vater zu teil wird, und muß, wenn sie Witwe wird, vom Sohn zeitlebens erhalten werden. Man wünscht sich Söhne; der Unsitte der Tötung (Ertränkung) und Aussetzung neugeborner Mädchen, welche nach frühern Berichten unter den untern und mittlern Ständen fast Regel sein sollte, ist durch Errichtung von Findelhäusern, die als Wohlthätigkeitsanstalten durch Subskription seitens der Wohlhabenden erhalten werden, einigermaßen entgegengearbeitet worden. Die Mädchen erhalten jedoch eine schlechte Erziehung, wenige können lesen und schreiben; bei den Ärmern hilft die Frau tüchtig in der Wirtschaft mit. Die Verheiratung findet schon in frühen Lebensjahren des Mannes statt, weil er, um eine Frau zu erhalten, keinen selbständigen hinlänglichen Erwerb zu haben braucht, indem die Frau mit ihm in das Hauswesen seiner Eltern eintritt. Die Verlobungen erfolgen sehr häufig schon im zarten Kindesalter; ja man hat Beispiele kennen gelernt, daß wenige Tage alte Mädchen mit noch Ungebornen feierlich verlobt wurden. Die Verlobungen werden ganz allein durch Unterhändler zwischen den beiderseitigen Eltern abgemacht. Nach der Hochzeit kehrt die junge Frau auf einige Tage ins elterliche Haus zurück. Der Gehorsam, welchen die Frau ihrem Mann und zugleich dem Vater und der Mutter desselben schuldig ist, kennt keine Ausnahmen. Scheidung ist zugelassen; die Sitte erlaubt selbst, daß der Mann seine Frau mit ihrer Zustimmung einem andern Mann als Weib verkauft. Die reichern Klassen leben oft in Vielweiberei, namentlich wenn die erste Frau kinderlos geblieben ist. Indes steht die zweite nur im Verhältnis einer Magd, bis sie nach der Geburt eines Sohns der ersten Frau mehr zur Seite tritt. Wiederverheiratung ist nur den Männern gestattet; Frauen geben sich zuweilen beim Tode des Mannes unter großen Zeremonien durch Gift u. dgl. den Tod. Der Eintritt in das Jünglingsalter wird bei Knaben (vom 12.-15. Jahr) durch die Mützenverleihung gefeiert; bei Mädchen gilt als entsprechendes Zeichen die Schmückung mit der Nadel, dem Kopfputz der Frauen. Sehr zahlreich sind die Zeremonien bei der Leichenbestattung wohlhabender Personen; Arme werden ohne Pomp bestattet und meist am dritten Tag. Bei Reichen steht die Leiche im wohlverkitteten Sarg oft 40 Tage und länger über der Erde; Männer werden in kostbare Seidenstoffe gekleidet, Frauen in Weiß und Silber und in einen hölzernen Sarg gelegt, der in feierlichem Zug zum Begräbnisplatz geleitet und in die Erde versenkt wird, nachdem die bösen Geister ausgetrieben sind. Die Gräber werden öfters im Jahr geziert, wobei Opfer dargebracht werden. Die Trauerzeit für Vater und Mutter, eigentlich drei Jahre, wird gewöhnlich auf 27 Monate abgekürzt; doch dürfen Kinder des Trauerhauses nicht vor Ablauf von drei Jahren heiraten. Trauerfarben sind weiß, blau und aschgrau. Der Nachlaß gehört den Söhnen gemeinsam, die Ahnentafel bleibt aber im Gewahrsam des ältesten, der oft auch doppelten Anteil hat.
Die Nahrung der Chinesen ist sehr mannigfach; der gewöhnliche Mann ißt so ziemlich alles, was genießbar ist. Man ißt dreimal des Tags, um 8, 12 und 5 Uhr, zur Zeit der Reispflanzung vier bis fünfmal; Ärmere lassen es bei nur zwei Mahlzeiten, um 10 und 5 Uhr, bewenden. Im mittlern und südlichen China genießt der Arbeiter in den niedern fischreichen Gegenden fast täglich Fische und ein- bis viermal im Monat Schweinefleisch, dazu Reis; morgens nimmt er Thee, zur Hauptmahlzeit Reisbranntwein. Zur Kost der Wohlhabenden gehören alle Fleischsorten, besonders das gebratene und gesalzene Fleisch der Schweine, Hühner und Enten. Im nördlichen China sind Hirse, Mais, Weizen, Rind- und Schöpsenfleisch Hauptnahrungsmittel. Die Fleischspeisen sind schmackhaft zubereitet, beliebt sind besonders Schinken, doch halten die strenggläubigen Buddhisten das Fleisch essen für zu sinnlich und insbesondere das Rindfleischessen für undankbar gegen die guten Dienste, welche Büffel und Ochsen in der Landwirtschaft leisten. Eine Spezialität sind Bohnenkäse und Fadennudeln aus Weizenmehl. Der Theekonsum ist nach v. Richthofen zwar enorm, der ärmere Mann betrachtet ihn jedoch als Luxus und begnügt sich mit Aufguß über Blätter von Artemisia- und Ribes-Arten, die wild auf den Feldern wachsen, und selbst mit heißem Wasser allein. Dies ist sogar in Theedistrikten zu beobachten; der Gebrauch des Thees scheint daher durch die Schädlichkeit des Wassers hervorgerufen worden zu sein, da es meist kein andres Trinkwasser gibt als solches, das über Reisfelder gelaufen ist. Theehäuser sind an den Landstraßen vielfach aus Mildthätigkeit erbaut, ein meist altes Weib reicht den Reisenden unentgeltlich Thee. Die Gasthäuser sind billig, aber widerlich schmutzig. Abweichend von allen übrigen Asiaten, genießt der Chinese seine Mahlzeit auf einem Stuhl sitzend; statt einer Gabel bedient er sich zweier kleinen Stäbchen von Bambus oder Elfenbein, mit denen er aus den suppenartig bereiteten Gerichten alle festen Stücke geschickt herauszufischen versteht. Aus Reis und Hirse wird eine Art Branntwein hergestellt, die in allen Schichten der Bevölkerung beliebt ist und warm in kleinen Tassen gereicht wird, um die Stelle des Weins zu vertreten. Trunksucht ist im allgemeinen kein Laster der Chinesen; dagegen herrscht das verderbliche Opiumrauchen unter allen Klassen trotz der ernstlichen Gegenanstrengungen der Regierung; Opium, geraucht, entnervt gleich Absinth. Tabakrauchen und Schnupfen sind verbreitet, aber der chinesische Tabak sagt in der landesüblichen Zubereitung dem europäischen Geschmack nicht zu. - Bewegung von einem Ort zum andern findet, wenn immer möglich, zu Wasser statt, sonst zu Fuß oder in Tragsesseln aus
Bambus; im N. sind zweiräderige Karren im Gebrauch. Alle Anstalten zur Beförderung sind Unternehmungen einzelner; das gut organisierte Regierungspostwesen dient nur zur Beförderung amtlicher Depeschen und Korrespondenzen. Die Warenbeförderung wird auf dem Landweg, im S. mittels Schiebkarren, im N. mittels zweiräderiger, von Pferden oder Ochsen gezogener Karren bewerkstelligt. Träger, Esel und Maultiere, im W. Kamele, sind jedoch die meist benutzten Transportmittel.
Öffentliche Schaugepränge sind beliebt; alle öffentlichen Feste (der Neujahrstag, das Fest der Drachenboote, gestiftet zu Ehren des im 4. Jahrh. v. Chr. lebenden Kinjuen, das Laternenfest am 15. des ersten Monats, das Fischerfest) geben Veranlassung zu allgemeiner Freude und Heiterkeit. Das Spazierengehen ist den Chinesen kein Bedürfnis, dagegen sieht man häufig Erwachsene einen Lieblingsvogel im Käfig stundenlang spazieren tragen. Leibliche Übungen werden nur vom Militär vorgenommen; doch ist das Ballspiel beliebt, wobei der Ball an der Erde mit den Füßen hin- und hergestoßen wird. Die Neigung zum Hasardspiel ist allgemein. Das Schachspiel ist bei den Chinesen seit undenklichen Zeiten üblich, weicht aber vom indischen und abendländischen bedeutend ab (»Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 24, S. 172). Kinder und Erwachsene vertreiben sich die Zeit gern mit Spielzeug; mechanische Spielereien mit überraschendem Effekt sind sehr gesucht, einen lohnenden Einfuhrartikel bilden Spieldosen. Theatervorstellungen sind überall ein Hauptvergnügen, auch Gaukler aller Art sieht man sehr gern. Eine besondere Belustigung für groß und klein ist ferner das Steigenlassen von Papierdrachen in allerlei Gestalt, die nach den chinesischen Berichten der berühmte General Hansi 206 v. Chr. erfunden haben soll. Bewunderungswürdiges, zuweilen Unerklärliches leisten endlich die Chinesen in der Kunst der Feuerwerke. Als Eigentümlichkeit in der Sitte und Anschauung der Chinesen sei noch erwähnt, daß sie beim Schreiben die Wörter nicht in wagerechten, sondern in senkrechten Linien aneinander fügen, dabei aber rechts anfangen; daß sie nicht den Nordpol des Magnets, sondern dessen Südpol gelten lassen etc.
Obschon die Liebe zur Heimat der Auswanderung aus China entgegenwirkt, so treibt doch die Übervölkerung mancher Gegenden des Landes und die häufig dort auftretende Hungersnot alljährlich Tausende von Chinesen in die Fremde; sie verlassen jedoch ihr Vaterland nur in der Absicht, nach einigen Jahren dahin zurückzukehren. Begräbnis in der Fremde gilt als Unglück; man sucht es dadurch zu beseitigen, daß man den Toten wenigstens in heimatliche Erde legt, deren Import sich nach allen Punkten lohnt, wo chinesische Arbeiter sind. Nach Hinterindien und dem Ostindischen Archipel waren Auswanderungen schon lange im Gang, bereits 1832 schätzte man die Zahl der Chinesen außer Landes zu 3 Mill. Die Entdeckung des Goldes führte Ende 1848 die ersten Chinesen nach Kalifornien, 1850 wurde der Zuzug bedeutend; von 1821 bis 1883 sind 288,643 Chinesen in die Vereinigten Staaten eingewandert, von denen jedoch viele wieder in ihre Heimat zurückkehrten; nach dem Zensus von 1880 befanden sich 104,541 in China. Geborne in der Union, der größte Teil (90,149) in den pazifischen Staaten. In Kanada befanden sich 1881 nur 4383 Chinesen. Hier machte sich zuerst eine Bewegung gegen die chinesische Einwanderung geltend, die 1876 in Britisch-Columbia verboten wurde; 1879 geschah dasselbe in den Vereinigten Staaten, doch erhielt das Verbot auf die Drohung Chinas, amerikanischen Waren den chinesischen Markt zu sperren, bisher nicht Gesetzeskraft. Nach Australien war die chinesische Auswanderung zur Zeit der großen Goldfunde eine sehr starke, auch hier hat man durch eine Kopfsteuer und andre Maßregeln die chinesische Einwanderung zu beschränken gesucht; 1881 zählte man nur 43,706 Chinesen auf dem Australkontinent und in Neuseeland. Dem Inselreich Hawai, wo man 1883: 15,993 Chinesen zählte, hat diese Einwanderung den schrecklichen Aussatz gebracht. In neuester Zeit suchen Peru und im Hinblick auf die bevorstehende Emanzipation seiner Sklaven auch Brasilien die chinesische Auswanderung zu sich zu lenken.
Was die Religion und ihre Stellung zum Staat betrifft, so entspricht auf den ersten Blick China den Wünschen eines modernen Staatsbürgers, da es kein Glaubensbekenntnis, keine feierliche Verpflichtung fordert, sich zu irgend einer bestimmten Religion zu bekennen. Praktisch genießt aber der Bekenner des Konfutsianismus politisch höheres Ansehen. Das Christentum ist der chinesischen Regierung deswegen besonders anstößig, weil es die Mitglieder mittels eines feierlichen Ritus, eines Sakraments, aufnimmt, als sollte man einer Art geheimer Gesellschaft angehören (vgl. Friedr. Müller, Reise der österreichischen Fregatte Novara, ethnographischer Teil, Wien 1868). Im einzelnen sind zu trennen: die alte Religion, die Lehren des Konfutse, die Lehren des Laotse, der Buddhismus und die durch gegenseitige Einwirkung dieser Religionssysteme aufeinander entstandene gegenwärtige Volksreligion. Die alte Religion des einzelnen war fast ausschließlich Ahnenkultus, der noch heute charakteristisch für chinesische Verhältnisse ist. Menschen und Naturgeister werden nicht gänzlich getrennt gedacht; die ganze Natur ist von Geistern (Schin) belebt. Der Himmel (Thian) ist das Höhere, die Erde (Ti) das Niedrigere. An der Spitze aller Geister steht der Himmel oder, wie man auch sagt, der Schangti, der »höchste Herrscher« oder Gott; in der philosophischen Sprache werden diese beiden Gegensätze durch Yang und Yin, etwa das männliche und weibliche oder das lichte und dunkle Prinzip, ausgedrückt. Durch die Zusammenwirkung von Himmel und Erde entstehen alle Wesen und das vorzüglichste derselben, der Mensch. Beim Tod erfolgt die Auflösung des Menschen in einen himmlischen und irdischen Teil; die Vorstellungen über diesen Unterschied sind zahlreich, doch herrscht in allen Äußerungen darüber wenig Klarheit. Auch über die Vorstellungen, welche sich die alten Chinesen von dem Zustand der Toten machten, finden sich nur wenige bestimmte Angaben. Die verstorbenen Herrscher werden als dem obern Kaiser (Gott) im Himmel zur Seite stehend gedacht; an andern Stellen wird der Aufenthaltsort der Toten unter die Erde verlegt, und dies ist jedenfalls später die herrschende Meinung geworden. Der Kaiser und die Ahnen aller werden noch als wirksam in Bezug auf das Schicksal ihrer Nachkommen auf Erden gedacht. Von Belohnung oder Bestrafung ist nirgends die Rede, die Gestorbenen bleiben in demselben Verhältnis zu ihren Fürsten etc. wie auf Erden; noch 621 v. Chr. wurden Menschen mit dem Fürsten begraben, um ihn in der andern Welt zu bedienen; auch gab man zu demselben Zweck hölzerne Menschengestalten ins Grab mit. Im einzelnen durchgebildet ist die Lehre von der Fortdauer nach dem Tod nicht, die Annahme einer Seelenwanderung findet sich nirgends. Ein Priesterstand fehlte;
der Kaiser, die Vasallenfürsten, zuletzt der Hausvater versahen die religiösen Zeremonien. Vgl. Plath, Religion und Kultus der alten Chinesen (Münch. 1862-63); »Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 21. - Die Religion, zu welcher sich jetzt der Kaiser, alle Staatsbeamten und die Gelehrten bekennen, und neben der alles andre Religionswesen als ketzerisch gilt, da das Staatsgebäude darauf aufgebaut wurde, ist die Lehre Konfutses (Confucius'), der 551-478 v. Chr. lebte und aus der Familie Kung entsprossen war, die ihren Stammbaum bis 1121 zurückzuführen vermochte; seine Geburtsstadt ist Kiufu in der Provinz Schantung, sein Geburtsort eine Höhle. Konfutse nimmt in seinen Schriften nirgends auf eine Schöpfung, einen Schöpfer oder auf eine sittliche Weltordnung Bezug und gibt nur durchaus weltliche Sittenlehren; sein Moralgebäude entbehrt jedes idealen Strebens, es läßt uns kalt (s. Konfutse).
Er hat die Volksanschauungen richtig wiedergegeben, denn es fehlte, wie bereits gezeigt, auch der alten Religion das Bewußtsein einer Vergeltung der gerechten und ungerechten Handlungen. Die Pietät war und blieb der Grundzug des chinesischen Lebens, die Ahnentafel das Familienheiligtum. Die Gewalthaber, voran Kaiser, Fürsten, Staatsbeamte, sind wie in der alten Religion, so noch jetzt die vornehmsten Priester. Den Göttern bringt der gemeine Mann selbst die Opfer dar, doch gibt es auch Berufspriester, die vom Geschäft des Opferns etc. leben; indes lauten die Nachrichten über sie nicht günstig, und man muß sie als Schwarzkünstler qualifizieren. Die Opfergaben bestehen in Ochsen, Schafen, Schweinen, Seidenzeugen. Für die Tötung der Tiere bestehen keine Vorschriften. Sie werden alle gekocht, um nach dem Segen zum Verzehren bereit zu sein. Die Opferhandlung ist stets ein Fest und wird im Tempel, bei besondern Anlässen auch im Freien vorgenommen. Die Andächtigen vereinigen sich dabei unter mancherlei Zeremonien. Wallfahrten wird ein großer Wert beigelegt; jeder größere Ort hat seinen Confuciustempel. Vgl. J. ^[James] Legge, The life and teachings of Confucius (Lond. 1867). -
Das dritte China eigentümliche Religionssystem ist das des Laotse, Ehrenname des gelehrten Lipejang, der im 7. Jahrh. v. Chr. lebte und der Stifter der Taossesekte wurde, die auch in Japan und Hinterindien Verbreitung fand. Die gegenwärtigen Taosselehren haben sich jedoch von ihrem Original bedeutend entfernt. Laotse hat im Taoteking seine Lehren niedergelegt; er will die höchste sittliche Vollkommenheit in jedem schaffen durch wahre Erkenntnis eines höchsten Wesens, die nur durch Intelligenz und durch das Bewahren dieses Gottes im Herzen erreicht wird, was allein durch Herzensreinheit, Geistesruhe und Herrschaft über die Begierden möglich ist. Die Anhänger der Taossesekte haben aber die ursprünglichen erhabenen Lehren ihres Stifters praktisch zu einem wahren Zerrbild umgebildet. Schon im 13. Jahrh. sind sie berühmt als Adepten der »geistigen Alchimie«, welche die in der physischen Welt waltenden Geheimnisse des lange dauernden sowie des ewigen Lebens und andrer Gaben zu erforschen strebten; jetzt sind sie einem groben Mystizismus ergeben. Ihre Hauptsitze sind in der Provinz Kiangsi; sie stehen übrigens in geringem Ansehen.
Der Buddhismus (hier Religion des Fo genannt) kam 65 n. Chr. von Indien nach China. Er ist in der ihm zu teil gewordenen Verunstaltung rohes Heidentum und Götzendienst. Die Indolenz und das Cölibat der Priester machen diese den Anhängern des Confucius verächtlich, wie nicht minder ihre freiwillige Armut und ihr lästiges Betteln. Ihr Gottesdienst ist aber prunkhaft, der Klerus und die Bettelmönche sind überaus zahlreich vertreten (weiteres s. Buddhismus). Über das Zahlenverhältnis der Anhänger dieser drei Hauptreligionen, die in viele Sekten gespalten sind, lassen sich noch keine bestimmten Angaben machen. Nach der großen Menge buddhistischer Klöster zu schließen, mit denen das Land übersäet ist, und bei der übereinstimmenden Angabe, daß die untern Volksklassen sich durchgehends zum Buddhismus bekennen, kann die Mehrzahl des Volkes als Buddhisten gelten; vom Reste darf nur eine verhältnismäßig geringe Zahl als Laotse-Anhänger gerechnet werden. -
Man würde aber die Zustände in China falsch beurteilen, wenn man annehmen wollte, daß die Chinesen in scharfem und bewußtem Gegensatz hinsichtlich ihrer religiösen Anschauungen leben: auf der Basis des für China typischen Ahnenkultus hat sich eine Volksreligion gebildet, die im ganzen überall die gleiche ist, wenn sie auch aus verschiedenen Quellen entsprungen ist. Bei den niedern Klassen zeigt sich diese Volksreligion als Aberglaube, bei den Gebildeten hat sie einer flachen Aufklärung mit allerlei nach Religion und Sekte wechselnder Tugendschwätzerei Platz gemacht. Die Opfer für Ahnen und Geister sind allgemein; der Glaube an Seelenwanderung, eine der alten Religion, wie erwähnt, ganz fremde und entgegengesetzte Vorstellung, kam mit dem Buddhismus ins Land und beherrscht die Anhänger aller Sekten und Religionen. Der Islam zählt in den westlichen Landesteilen etwa 3-4 Mill. Anhänger, nicht 30-40 Mill., wie fälschlich meist angegeben wird (vgl. Palladius in den Arbeiten der Mitglieder der russischen geistlichen Mission zu Peking, Bd. 4), und eine noch nicht näher zu bestimmende Zahl in Jünnan. Von Juden findet sich eine kleine Gemeinde zu Kaifungfu in Honan. Das Christentum endlich, das bereits um 636 durch nestorianische Christen, 1294 durch Franziskaner, später (seit 1556) besonders durch die Jesuiten in China verbreitet wurde, zählt trotz aller Verfolgungen, die 1722 begannen, zwischen 1746 und 1773 besonders heftig waren und als Insulten, wie Verweigerung der Genugthuung für Unbilden, noch jetzt nicht selten sind, nach dem Baseler »Evangelischen Missionsmagazin« 1881: 1,094,000 Katholiken (41 Bischöfe, 664 europäische und 559 eingeborne Priester) und 19,000 evangelische Christen (2237 deutsch-evangelische, die übrigen englische). Vgl. J. ^[James] Legge, The religions of China (Lond. 1880); Pitou, La Chine, sa religion, ses mœurs, ses missions (Genf 1880).
So eigentümlich wie die Religion ist das Unterrichtswesen in China. Allgemeine Schulbildung für das männliche Geschlecht ist nicht, wie vielfach angenommen, Reichsordnung, daher es auch keine staatlichen Elementarschulen gibt und kein Schulzwang stattfindet. Es geschieht aber von den Privaten viel für den Unterricht; gewöhnlich vereinigen sich mehrere Familien, oder es nimmt der »Stamm« einen Lehrer an, dem die Knaben, nicht auch die Mädchen, im Alter von 5-6 Jahren so lange anvertraut werden, bis sie lesen und schreiben können; es wird weder Mathematik noch Naturgeschichte gelehrt. Etwa 10 Proz. der Landbevölkerung sollen lesen und schreiben können, eine Kenntnis, die bei der Schwierigkeit der chinesischen Sprache selbst bei großem Fleiß gegen fünf Jahre in Anspruch nimmt und den Verstand in hohem Grad schärft. Erst bei der Erwerbung der litterarischen Grade spricht die Regierung ein
gewichtiges Wort mit. Es gibt drei Grade: Ssiutsai (»Kandidat«), Tschüjen (etwa »Doktor«) und Tschinschih (etwa »Professor«). Hauptaufgabe der Schüler ist Aneignung sämtlicher Schriftsammlungen des Konfutse; der zweite und dritte Grad befähigen zu Staatsämtern; man bereitet sich zum Studium vor in den vom Staat und von Stiftungen unterhaltenen Seminaren zur Unterstützung junger Gelehrten; die Prüfungsarbeiten sind in Klausur zu fertigen, worüber, wie über die Notenerteilung, ins Kleinliche gehende Bestimmungen bestehen. Geld, Verwandtschaft und Empfehlung verhelfen jedoch vielen Unwissenden zur Auszeichnung durch diese drei Grade; überhaupt laufen dabei die gröbsten Betrügereien unter. Die Graduaten sind infolge davon vielfach ziemlich ungebildet. Die zu Tausenden durchfallenden Kandidaten werden Schullehrer, Notare, Schreiber etc. Einziges Ziel des Unterrichts ist, das bestimmte überkommene Maß von Kenntnissen und Wissenschaften dem nachwachsenden Geschlecht zu übermitteln; Schulbesuch der Mädchen ist Ausnahme. Das Wissen auch der Gebildetsten geht über den Bereich ihres Landes selten hinaus. Neuerdings bereitet sich darin eine Änderung vor, 1867 erfolgte die Errichtung eines Kollegiums für fremde Wissenschaften (Tungwenkuan) in Peking, einer Art Universität mit europäischen und amerikanischen Professoren. 1872 war 1 Mill. Doll. zur Ausbildung junger Chinesen im Ausland (Amerika und Europa) angewiesen.
In der Zeitrechnung bedient man sich eines 60-jährigen Cyklus, der aus einer sechsmaligen Kombination des Dezimalcyklus mit der fünfmaligen des Duodezimalcyklus gebildet ist. Die Tage, von Mitternacht zu Mitternacht, werden in zwölf Stunden geteilt; eine Einteilung der Monate in Wochen ist nicht gebräuchlich. Geometrie und Algebra sind dem Chinesen etwas Fremdes. Im gemeinen Leben hilft man sich mit einem Rechenwerkzeug. Beruf für die Kunst verraten die Chinesen nicht. Sie besitzen Geschick in Bildungen aus weicher Masse, dabei kann aber von einer ausdrucksvollen plastischen Darstellung des Körpers nicht die Rede sein, weil man von nackten Bildern nichts weiß, sondern das Ganze auf gefällige Herstellung der Kleiderhülle hinausläuft. Die Gebilde ihrer Malerei treten schattenspielartig vor das Auge; alles wird mit ängstlichster Treue dargestellt, aber von perspektivischer Darstellung haben sie meist keinen Begriff. In besonderer Schätzung stehen leicht in Wasserfarbe und indischer Tusche hingeworfene Bilder auf feinem Papier oder auf Seide. Als Meister zeigt sich der Chinese in der Gartenkunst, indem er die anmutigsten und geschmackvollsten Gruppierungen von Bäumen und Rasen zu stande zu bringen weiß, obschon seine Vorliebe für das Zwerghafte auch hier störend eingreift. Die Baukunst der Chinesen steht ganz im Dienste des Bedürfnisses und trägt den Charakter der Einförmigkeit. Keine Religionsgemeinschaft hat architektonisch bedeutsame Tempel aufzuweisen. Die Musik der Chinesen ist unharmonisch, wiewohl ihre Instrumente zahlreich sind und aus Laute, Guitarre, Flöte und andern Blasinstrumenten, dreisaitigen Geigen, einer Drahtharmonika, die mit zwei Bambusstäbchen geschlagen wird, Glocken, Trommeln, Pauken etc. bestehen (vgl. Plath in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 116 ff.); für Akkorde, Melodie oder Harmonie haben sie gar kein Verständnis. Daß man selbst tanze, statt sich vortanzen zu lassen, ist ihnen unbegreiflich. Sehr beliebt sind Schauspiele, doch geht es dabei nicht ohne Gemeinheiten und Obscönitäten ab. Die Frauenrollen dürfen, seitdem der Kaiser Kienlung im 18. Jahrh. eine Schauspielerin geheiratet hat; nur von Jünglingen gespielt werden. Die Schauspieler selbst aber sind nicht geachtet (s. oben). Über die dramatischen Dichtungen der Chinesen sowie über die Litteratur derselben überhaupt s. Chinesische Sprache und Litteratur. Über die Kulturverhältnisse der Chinesen vgl. Doolittle, The social life of the Chinese (Lond. 1866, 2 Bde.); Gray, a history of the laws, manners and customs of the people (das. 1878); Katscher, Bilder aus dem chinesischen Leben (Leipz. 1881). Der Sinologie gewidmete periodische Publikationen sind: »The China Review« (zweimonatlich, Hongkong); »The Chinese Recorder« (Schanghai); »Journal of the China branch of the R. Asiatic Society«.
Die vorzüglichste und zugleich in höchsten Ehren stehende Beschäftigung der Chinesen ist der Landbau. Das Land wird als dem Kaiser gehörend betrachtet; seit dem Ende der dritten Dynastie (4. Jahrh. v. Chr.) erhebt jedoch der Staat nur noch eine Abgabe, während früher ein Teil für den Landesfürsten bebaut wurde, und der Grundbesitzer ist jetzt nicht weiter beschränkt, als daß er des Landes bei Nichtanbau verlustig wird. (Über Grundeigentum vgl. v. Sacharow, Arbeiten der russischen Gesandtschaft in Peking über China, Bd. 1.) In der Ebene ist das Land sehr parzelliert, hier kann eine Familie von fünf Mitgliedern sich von 1-2 Hektar Ackerbodens ernähren; ein Pachter würde aber mindestens 2 Hektar haben müssen, da der Pachtzins durchschnittlich ein Dritteil des Ertrags ausmacht. Ein Besitzer von 6 und mehr Hektar gilt als ein vermögender Mann; man findet übrigens Besitzungen von 600 und, in hügeligen Gegenden, von 12-1800 Hektar. Bei Bearbeitung des Bodens werden am meisten Hauen und Rechen verschiedenster Konstruktion verwendet; Pflüge und Eggen sind nur auf größern Gütern im Gebrauch. Das Getreide wird entkörnt durch Ausschlagen, durch Austreten von Tieren oder mit Dreschflegeln. Zum Enthülsen von Reis oder Mahlen von Getreide dienen Mühlen, welche durch Menschenhände, Büffel oder Wasser bewegt werden, zur Entkörnung und Reinigung der Baumwolle einfache, unsern Anforderungen nicht genügende Geräte. Charakteristisch für die Chinesen sind die sorgfältige Sammlung allen Düngers, seine Anwendungsweise (Überrieselung mit flüssigem oder pulverisiertem Dünger nach der Aussaat) und die ergiebige Düngung. Fruchtwechselwirtschaft ist Regel; man läßt jedoch nicht die Pflanzen »den Boden sich gegenseitig vorbereiten«, sondern man bereitet ihnen den Standort durch zusagende Düngung. Der Ackerboden besteht meist aus jüngstem Alluvium; mit Ausnahme des nördlichen China kann überall das ganze Jahr hindurch im Feld gearbeitet, ja im südlichen China auch gesäet, gepflanzt und geerntet werden; namentlich sind es die verschiedenen Gemüsearten, die man auch mitten im Winter für die Nahrung einsammelt. Die Hauptarbeiten beginnen im März und enden im November. Es wird meist in Drillen gesäet und gepflanzt; Gewinnung von Unterfrüchten wird allgemein angestrebt. Die Düngerarten werden hinsichtlich ihrer Dungkraft meist klassifiziert wie folgt: Ölkuchen; menschliche Exkremente (nur verdünnt angewandt); Schweinedünger (getrocknet und im zerkleinerten Zustand ausgestreut); Büffel- und Ochsendünger sowie Ziegen- und Pferdedünger (selten, meist in flüssigem Zustand verwandt); Wasserpflanzen (sehr zahlreich angewandt); Asche (meist mit anderm Stoffe
vermischt); gebrannter Kalk; in Fäulnis übergegangene Fische. Das wichtigste Bodenprodukt des südlichen und mittlern China ist Reis, in zweiter Reihe Zuckerrohr und in der Nähe der Küste Baumwolle; im nördlichen China werden statt Reis Hirsearten (Kaoliang), dann Weizen und Hülsenfrüchte gebaut. Von Gemüse, Wurzel- und Knollengewächsen werden enorme Quantitäten gewonnen. Von der Kultur des Theestrauchs wurde bereits oben gehandelt; er erfordert kräftige Düngung, fleißige Bodenbearbeitung und wird im siebenten Jahr seines Wachstums nahe am Boden abgeschnitten, damit die Stümpfe neue Schößlinge treiben und zartere Blätter liefern. Die Theeblätter werden für den eignen Gebrauch sehr einfach zubereitet. Man läßt sie an einem luftigen Ort oder an der Sonne verwelken (aber nicht austrocknen), erhitzt sie dann unter beständigem Mischen auf einem seichten Bambusgeflecht über Kohlenfeuer, rollt sie, indem man über sie, während sie noch warm sind, die flach aufgelegten Hände im Kreis herumführt, und trocknet sie dann an einem luftigen Orte. Der zum Export bestimmte Thee wird von den Händlern in eignen Öfen wiederholt (bis viermal) stark erhitzt, geröstet, mit wohlriechenden teuern Blüten vermischt und an der Luft ausgetrocknet. Auch Öl gebende Pflanzen werden vielfach angebaut; unter den Gespinst- und Faserpflanzen sind neben der Baumwollstaude Hanf, darunter das sogen. chinesische Gras (Boehmeria nivea), und Jute die wichtigsten. Blauer Farbstoff wird aus Indigofera tinctoria, Polygonum tinctorium etc. im südlichen und mittlern China gewonnen. Die Kunstgärtnerei wird sowohl im Freien als in geschlossenen Räumen mit vieler Sachkenntnis und Sorgfalt betrieben. Die Forstwirtschaft wird dagegen ganz vernachlässigt; auch der eigentliche Wiesenbau, verbunden mit Heugewinnung, wie die Viehzucht (s. oben) sind den Chinesen fremd. Eine besondere Wichtigkeit hat für China der Seidenbau, der auf einer hohen Stufe der Entwickelung steht; die meiste und beste Seide liefern die mittlern Provinzen und die Umgegend von Kanton. Der Maulbeerbaum erfreut sich einer sachkundigen und sorgfältigen Pflege, die Seidenraupenzucht ist aber weniger fortgeschritten. Eine Besonderheit ist hier wie in Japan der Eichenspinner. Alle Zweige der Landwirtschaft leiden unter mancherlei vermeintlichen Erfahrungsregeln. Die Fischerei und zwar das Fischen von Pflanzen wie von Süßwassertieren und einigen Seetieren beschäftigt eine große Menge von Leuten und liefert für die Nahrung der Menschen wie für Düngung der Felder enorme Massen; die Fischerei wird häufig mittels eines abgerichteten Kormorans (Seeraben) ausgeübt. - Zu den Landplagen, welche oft Mißwachs und Hungersnot zur Folge haben, gehören vor allen die Überschwemmungen, weil der Reis meist in den Flußthälern angebaut wird; aber auch Dürre verdirbt die Ernten auf weite Strecken, da jahrhundertelang fortgesetztes Abholzen, ohne für Nachwuchs zu sorgen, dem Lande die regenbildenden Einflüsse der Wälder entzogen hat. Für Zeiten der Hungersnot hat die Regierung wie die Privatwohlthätigkeit Speicher angelegt, wo ein Teil der in Reis entrichteten Grundsteuer oder angekaufte Frucht aufbewahrt wird, bis Mißernte unentgeltliche Abgabe oder Verkauf unter dem Marktpreis nötig macht. Vgl. Plath, Die Landwirtschaft der Chinesen (Münch. 1874).
Die technischen Fertigkeiten der Chinesen sind seit 1873 auf den verschiedenen Weltausstellungen durch ausgestellte Gegenstände und eingehende Kataloge (meist durch Arbeiten der Mitglieder des chinesischen Seezolldienstes entstanden) der europäischen Welt näher gerückt worden. Die Papierbereitung geht zurück bis 153 n. Chr.; man verwendet jetzt dazu Hanffasern, junge Bambussprosse und Bambusfaser, die Rinde des Papierbaums (Broussonetia papyrifera), Baumwolle, Maulbeerbaumrinde, Rotang (sogen. Spanisches Rohr), Meeralgen, Reis-, Weizenstroh u. dgl. Die sehr dauerhaften Sorten werden zu Fenstern und Regenschirmüberzügen verarbeitet, dienen auch, mit Harz bestrichen, als Zunder etc. Der Gebrauch des Holzstockdrucks reicht bis ins 6. Jahrh. unsrer Zeitrechnung zurück; 992 wurden zum erstenmal Schriften durch Steindruck vervielfältigt. Letterndruck wurde im 11. Jahrh. erfunden, kam aber bei den großen Schwierigkeiten, welche die chinesische Sprache dem Druck mit beweglichen Typen entgegenstellt, erst seit 1662 in Anwendung, als unter dem aufgeklärten Kaiser Khanghi europäische Missionäre es dahin brachten, daß 250,000 bewegliche Letternstücke in Kupfer gestochen wurden; doch konnten nur wenige Abzüge gemacht werden, da die Typen bald darauf von unehrlichen Beamten veruntreut wurden. Neuerdings werden in Hongkong, Schanghai und andern Küstenplätzen chinesische Zeitungen sowie in deren Offizinen herausgegebene andre Werke, auch Bibelübersetzungen, Missionsschriften etc. mit beweglichen Lettern gedruckt. Eine bedeutende Zukunft hat für China wegen der eigentümlichen Schrift- und Litteraturverhältnisse die Photolithographie, die schon jetzt dazu dient, die seltenen, teuern Palastausgaben der hauptsächlichsten historischen und andrer Werke fehlerlos zu vervielfältigen. Schießpulver wurde von den Chinesen zwar lange vor Berthold Schwarz erfunden; es ward jedoch nicht zum Schießen, sondern als Material zu Feuerwerkskörpern verwendet, bis das Beispiel der Europäer seinen Nutzen zu Kriegszwecken lehrte. Feuerwerkskörper werden fabrikmäßig in der Nähe von Kanton produziert und bilden einen bedeutenden Ausfuhrartikel nach den Vereinigten Staaten. Unter den Metallwaren der Chinesen sind ihre weittönenden Gongs zu erwähnen. Chinesisches Email hat jetzt noch seinen besondern Wert; an Porzellan wird heutzutage wenig mehr als Fabrikware geliefert; Form und Ornamentation sind bei den Japanern in dieser Branche viel vorzüglicher, wenigstens was die im Handel vorkommenden Fabrikate betrifft, wenn auch für eigentliche Articles de vertu China immer noch der klassische Boden ist. Besondere Aufmerksamkeit erregen die Lackwaren, die an Zierlichkeit und Sauberkeit nichts zu wünschen übriglassen und in solcher Vollendung nur durch mühsames, wiederholtes Abhobeln, Abschaben und Glätten dargestellt werden können. Alle diese Industrien, wozu unter andern auch die Elfenbeinschnitzereien gehören, werden nicht so geheimnisvoll betrieben, daß ein intelligenter Europäer nicht in das Wesen ihres Betriebs eindringen könnte; das Geheimnis der chinesischen Überlegenheit scheint vielmehr darauf zu beruhen, daß bei diesen Artikeln viel geduldige Handarbeit erfordert wird, wie z. B. beim Schnitzen der bekannten Elfenbeinkugeln, und daß die beispiellos niedrigen Lohnverhältnisse in China europäische Konkurrenz bei dem jetzt so leichten Warenverkehr nicht aufkommen lassen. Die Schiffbaukunst hat nur in den kaiserlichen Werften unter europäischen Lehrern Fortschritte gemacht. Die Schiffe für den Handel zur See wie auf den Flüssen, die Dschonken, sind lange Kuffe ohne Kiel, mit Mattensegeln aus Bambus und plumpen, ungeschickten Steuerrudern, die sich auf der offenen See nicht gut zu halten vermögen. Die chinesischen Händler selbst befrachten jetzt mit Vorliebe
europäische Fahrzeuge, deren größere Sicherheit und Seetüchtigkeit, verglichen mit den gebrechlichen Dschonken, die im Jahr nur eine vom Monsun abhängige Reise zu vollführen befähigt sind, sie bald erkannten. Der Bestand der chinesischen Dschonkenflotte ist gänzlich unbekannt, von Schiffen europäischer Bauart besaß die große China Merchants' Steam-Navigation Company 1877: 33 Dampfer mit 22,910 Ton., welche indes während des Kriegs mit Frankreich in amerikanische Hände übergingen.
Der Handel, für welchen der verschmitzte, ausdauernde und genügsame Chinese, der im Verkehr mit Fremden seinen Landsleuten nicht Konkurrenz macht, sondern einmütig mit ihnen gegen jene vorgeht, vorzüglich paßt, ist auf dem Land als Kleinhandel sehr belebt; Märkte sind in jeder kleinen Stadt mehrere im Monat, in großen Städten öfters unter großem Zudrang von Händlern und Käufern. Die Höhe für den Wert dieses Binnenhandels ist nicht zu bestimmen; die willkürlichen Zölle der Mandarinen sind ein bedeutendes Hindernis seiner vollen Entwickelung. Der Handel mit dem Ausland war bisher mit wenigen Ausnahmen ausschließlich in den Händen europäischer und amerikanischer Handelshäuser; der Verkehr darf aber bloß an bestimmten Plätzen stattfinden und ist nur unter starker Beiziehung der eingebornen Händler möglich. Bis zum Frieden von Nanking (1842) war für den Landweg nur Maimatschin, Kiachta gegenüber an der Nordgrenze der Mongolei, für den Seeweg nur Kanton Ausfuhrstation unter hemmenden Bedingungen. Im genannten Frieden wurden außer Kanton noch Amoy, Futschou, Ningpo, Schanghai zu Freihäfen erklärt u. neuerdings im Frieden von Tiëntsin (1858) und später eine Anzahl noch andrer Häfen (Swatau, Takao, Tamsui, Tschingkiang, Kiukiang, Hankeou, Tschifu, Niutschuang, Tiëntsin, Kiungtschau, Itschang, Wuhu, Wentschou und Pakhoi) dem europäischen Handel geöffnet (s. unten, Geschichte), so daß jetzt im ganzen 19 Vertragshäfen dem Verkehr offen stehen. Infolge des kürzlich (1885) mit Frankreich abgeschlossenen Friedensvertrags steht die Eröffnung von zwei Handelsplätzen an der Grenze von Anam in Aussicht. Der auswärtige Handel hat sich mit der allmählichen Eröffnung des Landes für Fremde erstaunlich gehoben. Im J. 1814 wertete der Gesamthandel erst 3,75 und 1827: 5 Mill. Pfd. Sterl.; 1833 erlosch das Privilegium der Ostindischen Kompanie, und die Handelsumsätze hoben sich bis 1856 auf 17,5 Mill. und erreichten 1869: 42,6 Mill. Pfd. Sterl. In den letzten Jahren hat der Wert des ausländischen Handels betragen in Haikuan Taels:
Jahr | Einfuhr | Ausfuhr | Zusammen |
---|---|---|---|
1881 | 91910877 | 71452974 | 163363851 |
1882 | 77715228 | 67336846 | 145052074 |
1883 | 73567702 | 70197693 | 143765395 |
1884 | 72760758 | 67147680 | 139908438 |
Im J. 1884 stellte sich der Wert des Handels mit den wichtigsten Verkehrsgebieten in Tausenden von Haikuan Taels wie folgt:
Einfuhr | Ausfuhr | Zusammen | |
---|---|---|---|
England und seine Kolonien | 65709 | 40240 | 105949 |
Europa ohne England u. Rußland | 1752 | 10071 | 11823 |
Rußland inkl. Sibirien | 258 | 5488 | 5746 |
Vereinigte Staaten | 2418 | 8280 | 10698 |
Japan | 3655 | 1795 | 5451 |
Die Hauptartikel der Einfuhr bilden Opium (1884: 26,2 Mill.), Baumwollwaren (22,1 Mill.), Wollwaren (3,7 Mill.), Metalle (4,1 Mill.), wogegen auf diverse andre Waren 16,5 Mill. fallen. Von der Ausfuhr entfallen etwa 80 Proz. auf Thee und Seide; 1884 betrug die Ausfuhr von schwarzem, grünem und Ziegelthee 29,1, von Rohseide und Seidenwaren 23,2 Mill. Haikuan Taels; nächstwichtig sind Zucker, Häute, Felle, Baumwolle, Matten und einige Droguen. Weit über die Hälfte des ganzen Verkehrs nimmt seinen Weg über Schanghai. In Bezug auf die Opiumeinfuhr ist England bekanntlich in zwei Lager geteilt: die philanthropische Partei, von welcher die Einfuhr indischen Opiums in China als eine Versündigung am Geiste des Christentums angesehen wird, und die Partei der praktischen Politiker, die in den Einnahmen, welche der indischen Regierung aus der Mohnkultur zufließen, ein Bedürfnis des Landes erblicken, dessen Abschaffung der Kolonie unersetzlichen Schaden thun würde. Die chinesische Regierung ist im Begriff, diese geteilte Stimmung zu benutzen, indem sie dem von Jahr zu Jahr wachsenden Konsum durch Erhöhung der Einfuhrsteuer sowie durch außerordentliche Belastung der einheimischen Produktion steuern will, ohne dadurch die auch für China unentbehrliche Opiumsteuer, die 1880 an Einfuhrzoll allein 13½ Mill. Mk. einbrachte, zu verlieren.
Im J. 1884 liefen in den Vertragshäfen ein und aus: 23,755 Schiffe mit einem Gehalt von 18,806,788 Ton.; hiervon waren 14,141 englische, 1758 deutsche, 2381 amerikanische Schiffe; 4625 fielen auf die chinesische Flagge, die seit einer Reihe von Jahren in Gestalt einer sich alljährlich weiter ausdehnenden Dampfschiffahrtsgesellschaft, der China Merchants' Steam-Navigation Company, den fremden Reedereien Konkurrenz machte, jedoch bei Ausbruch des französischen Kriegs ihre Dampferflotte an eine amerikanische Firma verkaufte. Man nimmt an, daß demnächst, da der Friede geschlossen, ein Rückkauf stattfinden wird, wodurch sich die oben für amerikanischen Verkehr mitgeteilten Ziffern auf etwa 600 Schiffe reduzieren, während auf die chinesische Flagge über 6000 zu rechnen sein würden. Diese Dampfer, die vor Ausbruch des Kriegs als chinesisches Eigentum von europäischen Kapitänen kommandiert wurden, haben ihre Fahrten bereits auf amerikanische und englische Häfen ausgedehnt, und es will scheinen, als ob von dieser Seite her dem Handel der Europäer ein größerer Feind erstehen wird, als es seiner Zeit die Abgeschlossenheit des chinesischen Innern gewesen ist. Sollte es chinesischen Kaufleuten gelingen, auf dem Markt von London mit Thee und Seide festen Fuß zu fassen, so würde ein Umschwung bevorstehen, der für viele in diesem Handel interessierte Häuser leicht verhängnisvoll werden könnte. Der allgemeine Zug der Verdrängung der Segelschiffe durch größere Dampfer macht sich auch hier und zwar seit der Eröffnung des Suezkanals in besonders hohem Maß geltend. Scheinbar leidet darunter augenblicklich die deutsche Schiffahrt, deren Fahrzeuge hauptsächlich der Klasse der Segelschiffe angehören; doch hat man neuerdings allerorten Dampfer für den fernen Osten wie Australien gebaut, welchem Zug ja auch die deutsche Reichsregierung durch subventionierte Dampferlinien gerecht geworden ist.
Gegen Eisenbahnen hat sich China lange hartnäckig verschlossen; eine 1876 eröffnete Linie von Schanghai nach Kangwan (9 km) mußte schon nach wenigen Monaten wieder beseitigt werden. Aber 1881 wurde die Herstellung von Schienenwegen für
Truppentransporte seitens der Regierung in Aussicht genommen und 1884 entsprechende Pläne vorbereitet. Vor zwei Jahren erlangten englische Ingenieure die Erlaubnis zum Bau einer Eisenbahn von Schukautschung bei Tiëntsin zu den Kohlenminen von Kaiping (13 km), die auch gelegentlich zur Personenbeförderung benutzt wird. Die erste Telegraphenlinie wurde 1874 eröffnet, dieselbe diente aber, wie einige kleinere darauf folgende, nur dem lokalen Bedürfnis. Die erste Linie für den internationalen Dienst (Schanghai-Tiëntsin, 1510 km) datiert von 1881, darauf folgten rasch die Linien Tiëntsin-Taku und Tiëntsin-Peking; augenblicklich (1885) steht Schanghai mit den wichtigsten Vertragshäfen in Verbindung, und ein Drahtnetz über alle Teile des Reichs dürfte nicht lange aus sich warten lassen. Die Insel Formosa hat gleichfalls eine Telegraphenlinie. Die unterseeischen Linien an den Küsten befinden sich sämtlich im Besitz fremder Gesellschaften.
Münz- und Währungsverhältnisse. Die einzigen Münzen, welche in China selbst geprägt werden, sind die Käsch oder Tungtsin aus Kupfer von verschiedenem Werte; durchschnittlich gehen 1120 auf einen mexikanischen Dollar. Der Haikuan Tael ist eine Rechnungsmünze, deren Wertverhältnis zum mexikanischen Dollar durch Verträge festgestellt ist. Der Haikuan Tael, in dem die Zölle bezahlt werden und die Werte der Zollstatistik berechnet sind, gilt etwas über 1½ mexikan. Dollar, was im Durchschnitt der Kursschwankungen für 1884: 5 Shill. 7 P. = 5,60 Mk. = 7,06 Frank ergibt. Mexikanische Dollars zirkulieren vorwiegend in den südlichen Vertragshäfen, in Schanghai nur für den Kleinverkehr. Größere Zahlungen erfolgen in Silberbarren (engl. shoes), die von einer Bank nach ihrem Gehalt gestempelt sind; solche Barren wiegen gewöhnlich 50 Taels à 37,783 g. Kleinere Zahlungen macht man mittels kleiner Stücke ungestempelten Silbers, die bei jeder Zahlung gewogen werden; doch sind die Handelsusancen in diesem Punkt sehr verschieden. Im Innern sind Silberbarren und Kupferkäsch (oder Sapeken) noch immer die Hauptzahlmittel. Geldtransaktionen mit London und Paris vermitteln nach dem Kurs des Schanghai Tael (5 Shill. = 6,38 Fr.) die in den Vertragshäfen etablierten sechs englischen Banken und eine französische (Comptoir d'Escompte de Paris). Einheimische Banken bestehen in sehr großer Zahl; von der Regierung zur Erhebung der Taxen und Steuern verwendet, ist es ihnen gestattet, gegen einige Sicherheit für den Ankauf von Landesprodukten Noten auszugeben, die auf starkes, grobes Papier gedruckt und, um der Fälschung vorzubeugen, mit einer Menge Stempel versehen sind. Dies Papiergeld zirkuliert in Abschnitten von 100 bis zu 1000 Käsch und ist außerordentlichen Schwankungen unterworfen. Regierungspapiergeld gab es früher gleichfalls, schon seit der Dynastie Thang (7.-10. Jahrh.); es kam aber durch die betrügerischen Manipulationen der Mongolenkaiser (1280-1333) in Mißkredit und wurde abgeschafft. Das chinesische Banksystem datiert bis ins 1. Jahrh. v. Chr. zurück, und die chinesischen Bankiers, die meist zugleich Pfandleiher sind, bilden eine einflußreiche Gilde.
Maße und Gewichte. Längenmaß ist das Tschih (3,55 m) = 10 Tsuns = 100 Fens, Wegmaß das Li = 360 Pus = 556,5 m, Landmaß das Mou = 6,13 Ar, Hohlmaß das Scheng = 10,51 Lit. Einheitsgewicht ist für gewöhnliche Ware das Tschin oder Katti = 604,53 g = 16 Liangs oder Taels (100 Tschin = 1 Tan oder Pikul), für wertvollere der Liang oder Tael = 37,783 g.
Die Staatsverfassung Chinas ist monarchisch und den Staatsgrundgesetzen nach, wie sie in den ersten vier Büchern des Konfutse enthalten sind, patriarchalisch; in Wirklichkeit ist die Regierung jedoch in eine Willkürherrschaft der Provinzvorstände ausgeartet. An der Spitze steht der Kaiser, er wird als der Vater seines Volkes betrachtet und besitzt über alle seine Unterthanen unumschränkte Gewalt. Er ist ein geistliches Oberhaupt, wie viele europäische Herrscher es sind, zugleich höchster Richter und Anführer im Krieg. Man verehrt den Kaiser in abgöttischer Weise, indem man sich in den Staub wirft, sobald er erscheint, ja sogar vor dem leeren Thron. Nie läßt er sich öffentlich sehen, ohne daß Scharen von Polizeidienern voraufgehen und eine ungeheure Leibgarde folgt. Das Recht der Nachfolge beruht nicht auf der Erstgeburt, sondern der Kaiser wählt sich seinen Nachfolger unter den Söhnen seiner ersten drei Gemahlinnen; jedoch wird seine Wahl erst bei seinem Tod bekannt gemacht. Die Mitglieder der kaiserlichen Familie genießen als solche nur geringe Auszeichnung von seiten des Staats. Die Regierung des Landes ist eine ziemlich verwickelte. Ein umfassendes Staatshandbuch in 920 Bänden, das Tatsing Huitien, ist ausschließlich der Darstellung der Regierungsverhältnisse gewidmet. Staats- und Hofämter, auch Zivil- und Militäranstellungen sind oft in Eine Hand gelegt; für die Kultus- und Unterrichtsanstalten bestehen besondere Behörden. Seit Beginn des 18. Jahrh. werden die wichtigsten Staatsangelegenheiten von einem Kabinett von Ministern unter dem Titel Künkitschu in Gegenwart des Kaisers meist in den frühen Morgenstunden (von 5 bis 6 Uhr) verhandelt. Nächst diesem, dem »hohen Rat«, steht nominell die oberste Leitung der Verwaltung bei der »innern Ratskammer« (Nuiko) von vier Mitgliedern (zwei von tatarischer und zwei von chinesischer Abkunft). Unter den Befehlen dieser Mitglieder arbeiten die sechs Regierungsabteilungen, welche die innern Angelegenheiten besorgen. Es sind dies folgende sechs Tribunale (Liupu): für Zivilbeamte, deren Ernennung etc.; für Finanzen (das fremde Seezollwesen untersteht dem auswärtigen Amt); für Gebräuche und Zeremonien; für Kriegswesen; für Strafsachen; für öffentliche Arbeiten. Für die Nebenländer (Mongolei etc.) besteht das Fremdenamt (Lifanjuan). Im J. 1860 wurde das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (Tsunglijamen) eingesetzt, dem die von Europäern geleiteten Anstalten unterstellt sind. An die Zentralverwaltung berichtet der »Rat der öffentlichen Zensoren« (Tutschajuen). Diese höchst merkwürdige Institution zählt etwa 60 Mitglieder unter 2 Präsidenten (der eine von chinesischer, der andre von tatarischer Abkunft). Ihre Mitglieder besitzen das Vorrecht, gegen jede Regierungsmaßregel auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiet zu remonstrieren und dem Kaiser Gegenvorstellungen zu machen. Dieser Rat hat seine Vertreter in jeder Provinz, die teils den Sitzungen der Provinzialbehörden anwohnen, teils die Provinz bereisen und über ihre Wahrnehmungen an den Rat berichten. Zu den Instituten der Zentralverwaltung gehört noch eine Art kaiserlicher Akademie der Wissenschaften, das Kollegium der Hanlin, bestehend aus den ersten wissenschaftlichen Autoritäten des Landes.
Die Mandschurei ist administrativ in drei Teile geteilt: einen südlichen (Schingking), einen mittlern (Kirin) und einen nördlichen (das chinesische Amurgebiet), jeder unter einem Gouverneur. Die
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Forschungsreisen, s. Asien (Bd. 17, S. 58).
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Die Kämpfe Chinas gegen seine europäischen Feinde haben nicht nur zur teilweisen Erschließung des einst so unzugänglichen Landes für die Europäer geführt, sie haben auch wesentlich dazu beigetragen, den konservativen Ideen der Chinesen eine neue Richtung zu geben. Wie bisher jedem Kriege eine Reihe wichtiger Veränderungen folgte, so sind seit dem letzten Kriege mit Frankreich einige unter den maßgebenden Politikern Chinas zu der Überzeugung gekommen, daß der Eisenbahnbau heutzutage für das große Reich, besonders in strategischer Beziehung, eine Notwendigkeit ist. Unter den einflußreichen Staatsmännern des Landes sind nicht alle mehr so kurzsichtig, daß sie sich gegen jede Neuerung sträuben und sich damit begnügen, ihr Land mit fremden Kanonen verteidigen zu lassen. Der liberale Politiker dagegen studiert alle Hilfsmittel europäischer Überlegenheit, um schließlich den Feind mit seinen eignen Waffen zu bekämpfen, zu denen man jetzt auch die Eisenbahnen rechnet. So hat denn das Jahr 1888 einen kleinen Anfang gesehen; eine kurze Strecke wurde von Tientsin bis zu den Kohlenminen von Kaiping in der Provinz Tschili fertiggestellt und dem Verkehr übergeben. Die Hoffnungen, die der Europäer an dieses Ereignis knüpfte, daß nun binnen kurzem China von einem Netze von Eisenbahnen umspannt sein würde, haben sich zunächst nicht erfüllt; selbst nicht, nachdem im April 1889 der bis dahin unmündige Kaiser Kuangsii die Zügel der Regierung selbst in die Hand genommen hatte. Zwar wurde der Bau einer den ganzen Norden des Reiches durchkreuzenden Linie, eine Bahn von Peking nach Hankow, ins Auge gefaßt; doch scheiterte der bereits vom Kaiser gutgeheißene Plan an der Warnung einiger Patrioten alten Stiles und an der Unmöglichkeit, in China selbst die nötigen Gelder aufzutreiben. Trotzdem sind weitere Fortschritte nur eine Frage der Zeit. Sehr viel wird hierzu das Vorgehen Rußlands mit seiner sibirischen Eisenbahn beitragen; denn China ist sich des Vorsprungs wohl bewußt, den auf diese Weise das mächtige und vor allen andern gefürchtete Nachbarreich gewonnen hat. Ähnlich wie der Telegraph, der seit Jahren von China Besitz genommen hat, nicht etwa durch ein Reichsgesetz eingeführt worden ist, so dürfte sich auch die Verbreitung der Eisenbahnen von einem kleinen, lokalen Anfang aus vollziehen.
Seit dem im April 1890 erfolgten Tode des Marquis v. Tsêng, der nach seiner Rückkehr von seinem Gesandtschaftsposten in England und Frankreich die Hauptvermittlerrolle zwischen europäisch-fortschrittlichen und chinesisch-konservativen Ideen übernommen hatte, ist der trotz hohen Alters noch rüstig wirkende Vizekönig der Provinz Tschili, Li Hungtschang, als einzige Stütze von eingreifendem Wirken für die Einführung europäischer Kultur übriggeblieben. Er erwarb sich seine ersten bedeutendern Verdienste bei der Unterdrückung der Taiping-Rebellen; nachdem er das Glück gehabt, im J. 1870 einen jahrelang vergeblich bekämpften Aufstand mohammedanischer Unterthanen im Nordwesten des Reiches zu unterdrücken, wurde er als Nachfolger des berühmten Staatsmannes Tsêng Kwofan, Vaters des verstorbenen ehemaligen Gesandten Marquis von Tsêng, zum Generalgouverneur (Tsungtu, von Europäern meist durch »Vizekönig« übersetzt) der Metropolitanprovinz Tschili ernannt. Dort schuf er sich eine Stellung, wie sie wohl selten ein Minister seines Ranges auf so lange Zeit bewahrt hat. Gegenüber dem aus mandschurischen Elementen bestehenden Kaiserhof ist Li Hungtschang als geborner Chinese der mächtigste Vertreter seiner Nation, und die kluge Vorsicht, mit der er es verstanden hat, seine unabhängigen, dem europäischen Fortschritt huldigenden Bestrebungen mit den Traditionen der chinesischen Regierungsformen zu vereinigen, hat ihm bald die Rolle des ersten Staatsmannes namentlich im diplomatischen Verkehr mit fremden Nationen gesichert.
Nächst ihm gehört zu den Freunden europäischen Fortschritts als einer der mächtigsten der jetzige Vizekönig der beiden Provinzen Hupe und Hunan, Tschang Tschihtung, der sich im besondern als ein wichtiger Vorkämpfer im Interesse der Eisenbahnfrage erwiesen hat. Wie die meisten höhern Beamten Chinas ein hervorragender Gelehrter und Mitglied der Akademie von Peking, genoß er schon als solcher bedeutenden Rufes, als eine mit Geschick verfaßte Denkschrift über die russischen Beziehungen zu China im J. 1879 die Veranlassung zu seinem Eintritt in die höhere politische Laufbahn wurde. Vom Amte eines Zensors wurde er zu der wichtigen Stellung eines Gouverneurs der Provinz Schensi berufen, wo er durch die energische Rücksichtslosigkeit, mit der er die Krebsschäden des dort wuchernden Beamtenschlendrians zu beseitigen suchte, seine Thatkraft bewies. Während des Streites mit Frankreich um die Herrschaft in Tongking (1884) wurde Tschang zum Vizekönig der wichtigen Grenzprovinzen Kuangtung und Kuangsi ernannt, wo er durch Errichtung von Kriegsschulen für Landheer und Marine mit Heranziehung europäischer Kräfte, Versuche zur Anlage einer Kanonengießerei, Gewehrfabrik etc. fördernd im Sinne des europäischen Kulturfortschritts wirkte. Unter seinen Auspizien wurde in Kanton eine Münze eingerichtet, die, zunächst mit der Herstellung von Kupfermünzen beschäftigt, seit August 1890 die Prägung silberner Thaler vom Werte der im Lande kursierenden mexikanischen Dollars sowie der nötigsten silbernen Scheidemünze unternahm, eine Neuerung, die sich in aller Stille vollzogen hat und doch einen Umschwung von unabsehbarer Tragweite für die wirtschaftlichen Verhältnisse Chinas veranlassen kann. Mancherlei industrielle Schöpfungen europäischen Stiles entstanden unter seinem Schutze. Als im J. 1889 die verschiedenen Statthalter im Reiche aufgefordert wurden, Denkschriften über die Einführung von Eisenbahnen in China einzureichen, da trat Tschang Tschihtung energisch für die geplante Linie Hankow-Tientsin ein. Die Folge war seine Berufung zum Vizekönig in Hupe und Hunan, wo er an Ort und Stelle die beste Gelegenheit zur Ausführung seiner Pläne gehabt haben würde, wenn nicht der Gedanke, daß nur chinesische Fonds dazu verwendet werden sollen, bisher sich als ein unüberwindliches Hindernis erwiesen hätte.
Als ein wichtiges Versuchsfeld für den modernen Fortschritt im europäischen Sinne, zugleich auch für die Kolonisationsbestrebungen der Regierung, dürfen wir die Insel Formosa betrachten. Es ist merkwürdig, daß ein von der Natur so reich ausgestattetes Land in der unmittelbaren Nachbarschaft des seiner Zeit in Ostasien allmächtigen Reiches, das seine Flotten unterjochend und erobernd über den Indischen Archipel bis in die indischen Kulturgebiete entsandte, den Chinesen während dieser ganzen Periode so gut
wie unbekannt bleiben konnte. Von wilden, wahrscheinlich schiffbrüchigen Philippinen, möglicherweise gleichzeitig lutschuischen, japanischen und karolinischen Elementen ausgehend, hatte sich auf der Insel seit Jahrhunderten eine Urbevölkerung gebildet, die den Chinesen bereits im 12. Jahrh. durch Raubzüge nach dem nahen Festland unter dem Namen Bisêyeh (Bisaya?) bekannt wurde. Aber erst im 17. Jahrh., als bereits Spanier und Holländer darum kämpften, wurde China auf den wertvollen Besitz aufmerksam, der, anfänglich von dem Führer einer vom Reiche abtrünnigen Seeräuberkolonie als Ausgangspunkt seiner feindlichen Angriffe ausersehen, erst im J. 1682 dem chinesischen Reiche einverleibt wurde. Im J. 1874 von den Japanern und 1884 von den Franzosen angegriffen, zog die bis dahin als Anhängsel an die Provinz Fukien vernachlässigte Insel die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich. Der Wunsch, dieses den feindlichen Angriffen ganz besonders ausgesetzte Gebiet zu befestigen und mit chinesischen Elementen zu bevölkern, mag die Erhebung Formosas zu einer selbständigen Provinz veranlaßt haben. Wegen der nimmer endenden Kämpfe mit den Urbewohnern im Innern wie auch wegen der nötigen Verteidigungsmaßregeln gegen etwanige Angriffe zur See ist ein militärischer Gouverneur zum Regenten der Insel ausersehen worden. Liu Mingtschuan, einer der erprobtesten Generale der chinesischen Armee, wurde 1884 mit der Verteidigung Formosas gegen die französischen Angriffe beauftragt. Demnächst zum Gouverneur der neuen Provinz ernannt, hat er, unterstützt durch europäische Ratgeber, unablässig im Sinne des Fortschritts zu wirken versucht. Seinem vorurteilsfreien Vorgehen ist es zuzuschreiben, daß wir auf der abgelegenen Insel so mancherlei finden, wonach wir uns im übrigen China vergeblich umsehen. Telegraphen verbinden den Norden und Süden der Insel sowie die Insel mit dem Festland; eine Eisenbahn verbindet den Hafen von Kelung u. seine ergiebigen Kohlenbergwerke mit dem Innern. Alljährlich werden neue Gebiete den sich auf die innern Gebiete zurückziehenden Wilden abgerungen, die im Kampfe mit den Mongolen ihrem Untergang entgegensehen. In der Nähe von Tamsui, dem hauptsächlichsten Vertragshafen, wurde eine neue Hauptstadt, Taipefu, gegründet, wo der Gouverneur residiert. Die frühere Hauptstadt Taiwan heißt seitdem Tainan (»Süden von Tai«, im Gegensatz zu Taipe, »Norden von Tai«), wie auch die ganze Insel nicht mehr Taiwan, sondern Taischöng, d. h. Provinz Tai, genannt wird. In der Nähe der neuen Stadt befindet sich ein Arsenal unter der Leitung eines Deutschen (Graf Butler). Der Gouverneur unterstützt, wenn auch nicht mit gleichem Erfolg, viele Neuerungen im Sinne des Westens. Der alte chinesische Kurierdienst mußte europäischen Posteinrichtungen weichen. In den sehr ergiebigen Theedistrikten wurde ein englischer Theepflanzer aus Indien angestellt, um die Theeerzeuger mit der bessern indischen Methode bekannt zu machen; doch sind bisher diese Versuche an dem Widerstand der eingebornen Zwischenhändler gescheitert. Versuche, die Seidenkultur in Formosa einzuführen, haben gleichfalls zu keinem nennenswerten Resultat geführt; ebenso ist die Einführung europäischer Hilfsmittel in der Zuckererzeugung im Süden der Insel an der Hartnäckigkeit der Bewohner gescheitert. Die Ureinwohner würden der chinesischen Herrschaft viel leichter zugänglich sein, wenn nicht Eigennutz gar zu oft die lokalen Beamten verlockte, die von der Regierung für die Förderung der Beziehungen zu den Wilden ausgesetzten Gelder zu unterschlagen. Mangel an Erfahrung und die oft sich kreuzenden Ratschläge der chinesischen Umgebung des Gouverneurs haben bei diesem mit so großer Energie betriebenen Kulturschub selbstverständlich manchen Fehltritt zur Folge gehabt; Liu Mingtschuan ist augenblicklich seines Ranges beraubt, aber in seiner Stellung belassen, und es fragt sich, ob das Ergebnis der gegen seine Verwaltung bevorstehenden Untersuchung der Fortsetzung einer für den Fortschritt Chinas so unendlich wichtigen Politik günstig sein wird.
Chinas Verhältnis zu Korea, das nicht mit Unrecht das Bulgarien des fernen Ostens genannt worden ist, hat sich in den letzten Jahren wieder mehr befestigt. Die koreanischen Zölle stehen unter der Leitung des chinesischen Seezolldienstes, womit ja schon ausgesprochen ist, daß der Kernpunkt aller Macht, die hauptsächlichste Quelle der Finanzen, in chinesischen Händen ist. Ob Korea je zum Zankapfel des fernen Ostens zu werden bestimmt ist, muß die Zukunft lehren.
Werfen wir einen Blick auf den Handel Chinas in den letzten Jahren, so müssen wir zwar zugestehen, daß uns die Statistik ein stetiges Wachsen im Produktenaustausch nachweist. Doch sind davon nicht alle Gebiete betroffen. Das Wachsen in der Ausfuhr von Thee z. B. entspricht nicht den Erwartungen im Vergleich mit andern Positionen und namentlich mit dem Fortschritt der Theekultur in den Konkurrenzländern. Angeregt durch eine ausführliche Denkschrift des Generalinspektors der Zölle, Sir Robert Hart, sieht die chinesische Regierung mit großer Besorgnis, wie der indische Theemarkt allmählich von den großen theetrinkenden Völkern, namentlich England, Besitz ergreift; fester noch wurzelt der chinesische Theehandel in Amerika. Während die indische Ausfuhr mit Riesenschritten vorwärts drängt, droht die chinesische stillzustehen, ja zurückzugehen. Die vom Generalinspektor der Zölle veröffentlichte Statistik weist für das Jahr 1890 eine Einfuhr im Werte von etwa 500 Mill. Mk. und eine Ausfuhr von etwa 480 Mill. nach; die Zolleinnahmen repräsentieren für die letzten drei Jahre einen Durchschnitt von etwa 100 Mill. Mk. jährlich, wovon nahezu 30 Mill. auf die Einfuhr und Verbreitung indischen Opiums entrichtet wurden. Die Seezolleinnahmen bilden für China immer noch die wichtigste Finanzquelle, die auch bei Staatsanleihen als Grundlage dient. Die Staatsschuld ist im Verhältnis zu andern Ländern gering zu nennen; eine bedeutende Vergrößerung derselben ist jedoch nicht zu vermeiden, wenn China durch Umstände zum Eisenbahnbau und zur Einführung andrer kostspieliger Kulturelemente getrieben wird. Vermehrt haben sich die Zolleinnahmen nicht nur durch Zunahme des Handels, sondern besonders auch dadurch, daß die Erhebung des Binnenzolles (Likin) auf Opium der fremden Zollverwaltung übertragen worden ist, woraus eine Mehreinnahme von durchschnittlich 18 Mill. Mk. erwachsen ist; ferner durch die Eröffnung neuer Zollämter. Zu diesen gehörten in erster Linie die Grenzstationen Kowloon und Lappa in der Nähe von Hongkong und Macao, die sich lediglich mit der Zollerhebung vom Handel der von jenen Kolonien aus mit den chinesischen Häfen verkehrenden Dschunken beschäftigen. Wichtig ist diese Neuerung dadurch, daß ein wichtiger Bestandteil des chinesischen Handels, der sich früher jeder Kontrolle durch die europäischen Beamten entzog, jetzt in die Statistik aufgenommen ist, wodurch diese für die Kenntnis des chinesischen Außenhandels nahezu erschöpfend geworden ist. Durch einen in den letzten Jahren abgeschlossenen Vertrag ist Portugal in die Reihe der
Vertragsmächte eingetreten, und Macao, wofür die Portugiesen seit seiner Besetzung im Anfang des 16. Jahrh. an die Chinesen eine jährliche Grundpacht zahlen mußten, ist den erstern als portugiesische Kolonie definitiv abgetreten. Ferner wurden auf Grund des Friedens mit Frankreich Zollstationen an der Grenze von Tongking eröffnet, nämlich Lungtschau in der Provinz Kuangsi und Mêngtsu in der Provinz Jünnan. Im folgenden sind einige der hauptsächlichsten Positionen des Ein- und Ausfuhrhandels für ganz China, einschließlich der neueröffneten Zollstationen, jedoch ausschließlich des Grenzverkehrs in Zentralasien, der Mongolei etc. gegeben (1 Pikul = 133⅓ Pfund avoirdupois. 1 Haikuan Tael = etwa 5 Mk.).
Einfuhr 1889 | Menge | Wert Haik. Taels |
---|---|---|
Baumwollwaren | - | 36135596 |
Opium | 76040 Pikul | 30444869 |
Metalle | - | 6728394 |
Reis | 4270878 Pikul | 6021090 |
Wollwaren | - | 3975476 |
Petroleum | 20655413 Gallons | 2875490 |
Fischereiprodukte | 279750 Pikul | 2634563 |
Kohlen | 370569 Tonnen | 2376777 |
Rohe Baumwolle | 113545 Pikul | 1213349 |
Zündhölzchen | 3378284 Groß | 1123022 |
Farben (Anilin) | - | 683252 |
Parfümerien | - | 616474 |
Nähnadeln | 1873873 Mille | 242375 |
Wein, Bier u. a. Spirituosen | - | 209557 |
Seife | . | 205843 |
Uhren | 65521 Stück | 142391 |
Ölfarben | 9326 Pikul | 141436 |
Nephrit | 5484 - | 134625 |
Farben (ausschließl. Anilin) | 11788 - | 48422 |
Indigo | 877 - | 2944 |
Ausfuhr 1889 | ||
Thee | 1548880 - | 25832961 |
Rohseide | 92606 - | 24783194 |
Seidenzeuge | 12779 - | 6874690 |
Baumwolle | 504419 - | 5044806 |
Zucker | 990017 | 2723062 |
Strohborde | 88403 - | 2033775 |
Feuerwerkskörper | 134078 - | 1214893 |
Papier | 191140 - | 1422825 |
Wolle (Kamel- etc.) | 102181 - | 934106 |
Tabak | 69569 - | 905935 |
Pelzwerk | - | 750892 |
Häute | 60975 - | 701890 |
Porzellan, Thonwaren | 268757 - | 638428 |
Matting | 231600 Rollen | 629913 |
Matten | 24263750 Stück | 611038 |
Grastuch | 4407 Pikul | 403198 |
Galläpfel | 38157 - | 383095 |
Cassia Lignea | 58219 - | 268580 |
Moschus | 28 - | 228503 |
Fächer | 28256437 Stück | 226115 |
Konserven | 25615 Pikul | 223446 |
Federn, Enten etc. | 38099 - | 216522 |
Nanking | 6112 - | 210829 |
Rhabarber | 6039 - | 206978 |
Galgant | 10815 - | 8052 |
Strohhüte | 6389845 Stück | 60453 |
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Erst im August 1890 ist ein erneuter Fortschritt in der Erschließung Chinas zu verzeichnen, in dem Tschunking am Jantsekiang, etwa 75 deutsche Meilen flußaufwärts von Itschang und 325 Meilen von Schanghai entfernt, durch die Ernennung eines fremden Zolldirektors und andrer Zollbeamter endgültig als 20. Vertrags Hafen eingerichtet und 1. März 1891 eröffnet wurde. Für die Reorganisation von Armee und Marine, Anlage von Küstenbefestigungen etc. nach europäischem Muster bringt die Regierung fortdauernd große Opfer; auch einiger andrer wichtiger Neuerungen müssen wir gedenkende eine kleine, aber thatkräftige fortschrittliche Partei trotz des hartnäckigen Widerstandes der konservativen Mehrheit durchzusetzen gewußt hat. Ein entschiedener Erfolg und ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte des chinesischen Finanzsystems ist die schon in unserm vorigen Jahresbericht (Bd. 18, S. 154) erwähnte Einführung von geprägten Silbermünzen, während bis vor kurzem das Land nur gegossene (keine geprägten) Kupfermünzen im Wert von ¼ Pf., Käsch genannt, besaß. Seit 1890 prägt nun die neue Münze von Kanton, welche die größte ihrer Art sein soll, Stücke von 1 Doll. (im Wert gleich dem mexikanischen Dollar), 50, 20, 10 und 5 Cents. Auf der einen Seite zeigen die Münzen einen geringelten Drachen, auf der andern eine entsprechende Inschrift in Mandschu und Chinesisch. Der Eisenbahnbau trifft dagegen immer noch auf den schärfsten Widerstand der konservativen Kreise. Das bereits genehmigte Projekt des fortschrittlich gesinnten, thatkräftigen Generalgouverneurs Tschang Tschihtung, eine Bahn von Lukaukian (Peking) nach Hankeou, die den ganzen Norden des Reiches in einer Länge von etwa 750 deutschen Meilen durchkreuzte, zu bauen, mußte scheitern, nicht bloß weil nur einheimische Kapitalien verwendet und keine fremde Anleihe aufgenommen werden sollten, sondern auch, weil der Genannte nur Schienen aus einheimischem Eisen zu verwenden beabsichtigte. Das Schansi-Eisen ist aber einesteils gar nicht dazu geeignet und andernteils teurer als fremdes Eisen. Auch ein äußeres Ereignis, der Brand des (aus dem 1500 n. Chr. stammenden) Himmelstempels 18. Sept. 188 während eines Gewitters (wahrscheinlich hatte die konservative Partei den Tempel in Brand stecken lassen), mußte als Vorwand für das Fallenlassen des Bahnbauprojektes dienen.
Dagegen haben die Fortschrittler den Bau und die Eröffnung einiger kleinerer Strecken wirklich durchgesetzt. Noch 1888 wurde die Strecke von Tientsin und Taku nach den Kohlenminen von Kaiping in der Provinz Petschili fertiggestellt; für den Bau derselben und Ausmessung der Verlängerung nach Tungtschau (Peking) und Ankauf von Material wurde eine auswärtige fünfprozentige Anleihe von 6 Mill. Mk. aufgenommen. Für das erste Betriebsjahr zahlte die Kaiping-Eisenbahngesellschaft eine Dividende von 7,2 Proz. pro Aktie. Am 7. Juli 1890 autorisierte der Kaiser durch ein Dekret zur Aufnahme einer auswärtigen Anleihe für den Bau einer Strecke
Nintschiang-Kirun, deren Kosten auf 150 Mill. Mk. veranschlagt werden. Am 31. Dez. 1890 fand die Eröffnung der Strecke Kaiping-Sinsi, etwa 3 deutsche Meilen in der Verlängerung über Kaiping hinaus, statt, und Anfang 1891 der Linie Kelung-Taipefuh auf der Insel Formosa, 7-8 deutsche Meilen lang. Die Tientsin-Bahn wird rüstig weiter gebaut: bis Schanghai-Kwang, dem Ende der großen Mauer, am Golf von Petschili, sind die Ausmessungsarbeiten bereits beendet und ist mit dem Bau von Brücken angefangen worden; man hofft bis Mitte oder Ende 1892 die Strecke fertigstellen zu können. Über Schanghai-Kwang hinaus wird die Fortsetzung bis Mokauging bei Niutschuang erfolgen, so daß also letzterer Ort in direkte Verbindung mit Peking kommen wird. Es ist somit zu erwarten, daß der Bau von Bahnen zwar langsam, aber beständig fortschreiten wird. Ein treibender Faktor wird dabei vor allem das transsibirische Eisenbahnunternehmen Rußlands und die nach Vollendung desselben von seiten des mächtigen Nachbars fortwährend drohende Invasionsgefahr sein.
Mit dem Telegraphen haben sich die Chinesen schneller ausgesöhnt. Seit dem Bau der ersten Linie Schanghai-Tientsin 1881 hat sich das Telegraphennetz über das ganze Reich ausgedehnt. 1890 messen die Linien mehr als 3000 deutsche Meilen, und zwar erstreckt sich das Netz von Helampo an der russischen Grenze bis zum Süden der Insel Hainan (50-18° nördl. Br.) und von Tingyneh an der Burmah-Jünnan-Grenze bis nach Ninguta Khoton in der Mandschurei (98-130° östl. L.). Andre, zum Teil sehr lange Strecken sind im Bau begriffen. Mitte 1890 zählte man etwa 160 Telegraphenstationen, darunter alle Vertragshäfen, mit Ausnahme von Wentschou. Die Linien sind teilweise kaiserlich, teilweise Eigentum von Privatgesellschaften. Allgemeinen Widerspruch unter der östlichen Handelswelt rief die Ende 1889 in Tschifu unterzeichnete chinesisch-dänisch-russische Telegraphenkonvention hervor, welche die Rate von 2 Doll. pro Wort auch nach Fertigstellung der Telegraphenlinie Peking-Kiachta aufrecht erhalten und ein 14jähriges Monopol schaffen wollte, wonach der Preis der Depeschen für Rußland sich bedeutend geringer stellte als für die übrigen Länder und der Handel erstern Landes einseitig auf Kosten der andern begünstigt wurde. Bei Gelegenheit des Weltpostkongresses in Wien im Mai 1891 wurde auch China zur Teilnahme aufgefordert, und man erwartete, daß es sich dem Weltpostverein anschließen würde.
Doch schlug China die Einladung ab, und es bleibt daher vorläufig noch beim alten.
Am 12. Dez. 1890 erschien ein kaiserliches Edikt, das eine neue Ära für den Verkehr des Hofes von Peking mit den Vertretern der ausländischen Mächte herbeizuführen schien. Schon längst hatten letztere darauf gedrungen, vom Kaiser in gebührender Weise in Audienz empfangen zu werden, doch hatten seit der letzten, 1873 für die Europäer unter ziemlich demütigenden Bedingungen stattfindenden Audienz die Verhandlungen zu keinem Resultat geführt. Obiges Edikt des jugendlichen Kaisers Kwang-sü, der bekanntlich im April 1889 mündig wurde und die Zügel der Regierung übernahm, ordnete den jährlichen Empfang der Repräsentanten der Vertragsmächte an. Das Tsunglijamen (Auswärtige Amt) bestimmte nun, daß der Empfang nicht im kaiserlichen Palast selbst, sondern wie 1873 außerhalb desselben im Tsekwangko (»Halle der Purpurhelle«) stattfinden sollte, welche Halle eigentlich für den Empfang der
Gesandten der tributpflichtigen Vasallenstaaten bestimmt war. Auf den Protest des diplomatischen Korps ging das Tsunglijamen nicht ein, und um die ganze Frage nicht wieder bis auf unbestimmte Zeit zu vertagen, fügten sich die fremden Minister und wurden 5. März 1891 im Tsekwangko vom Kaiser in Audienz empfangen.
Ereignisse von größter Tragweite für den innern Frieden Chinas sowie für sein Verhältnis zu den Vertragsmächten traten im Mai 1891 und den folgenden Monaten ein. Nachdem schon Ende 1889 sich Feindseligkeiten des chinesischen Pöbels gegen die fremden Missionen gezeigt hatten und 10. März 1890 in Wutschang (gegenüber Hankeou) Plakate angeheftet worden waren, die zur Vernichtung der Ausländer aufforderten, erfolgte plötzlich 10. Mai 1891 in Wuhu, einem Vertragshafen am Jantsekiang, ein Pöbelaufstand, der 12. Mai zur Zerstörung der daselbstbefindlichen katholischen Mission, des englischen Konsulats und einer Anzahl andrer fremder Gebäude führte; die Fremden mußten sich der Wut des Pöbels durch die Flucht entziehen. Am 13. wurde die Ruhe wiederhergestellt. Anlaß zum Aufstand gaben falsche Beschuldigungen, die man gegen die Missionare, welche Kinder stehlen und töten und zu medizinischen Zwecken verwerten sollten, vorbrachte. Der fremdenfeindliche Geist verbreitete sich aber nach diesem ersten Ausbruch im Innern Chinas immer weiter und rief einen Aufstand nach dem andern im Jantsethal hervor. An fast allen Orten richteten sich die Störungen zuerst gegen die französischen Missionsanstalten. Die wahre Ursache der Unruhen wird von vielen in der Thätigkeit geheimer Gesellschaften, namentlich der berüchtigten Kolao-Huei, gesucht. Wie sehr in ihnen der Haß gegen die fremden »Barbaren« auch obwaltet, so seien doch die Angriffe auf Leben und Eigentum derselben nur Mittel zum Zweck, sie würden nämlich zugleich mit der Absicht ins Werk gesetzt, die Regierung in Konflikt mit den auswärtigen Mächten zu bringen, was notwendig zur Schwächung der Macht und des Ansehens der chinesischen Regierung führen würde; diese Machtlosigkeit soll dann dazu benutzt werden, die verhaßte Mandschudynastie zu stürzen und eine rein chinesische Dynastie an Stelle der letztern zu setzen. Das fremde diplomatische Korps richtete Anfang Juni an das Tsunglijamen eine Note, worin es die Zentralregierung darauf aufmerksam machte, daß sie für den Schutz oer Ausländer Sorge zu treffen habe, und darauf erfolgte am 13. ein Edikt des Kaisers, welches die Beamten zum Schutz der Fremden und Schadenersatz für die verursachten Verluste an Eigentum auffordert. Dies Edikt erwies sich jedoch als totes Schriftstück, dem die Regierung nicht die geringsten Thaten folgen ließ, weil sie selbst sich auf die Treue ihrer Truppen, namentlich in Hunan, dem Zentrum der Empörung, nicht verlassen kann. Unter dem Druck der fremden Minister wurde daher die Lage in Peking immer bedenklicher. Die Minister verlangten Unterdrückung der geheimen Gesellschaften, Eröffnung der Provinz Hunan für den Handel, Degradierung der bei den Aufständen beteiligten Mandarinen, vollen Schadenersatz und Garantie für die Zukunft. Im Ablehnungsfalle wurde eine feindliche Flottendemonstration der vereinigten Mächte England, Rußland, Frankreich, Deutschland und Amerika in Aussicht gestellt, und die nötigen Kriegsschiffe machten sich bereits zur Aktion fertig. Die chinesische Regierung war auf alle Weise thätig, die Flottendemonstration zu hintertreiben und Aufschub der
Forderungen zu erlangen, indem sie die Mächte von ihrem guten Willen zu überzeugen und darzuthun suchte, daß eine kriegerische Aktion das ganze Reich in Aufruhr und die Dynastie zum Sturz bringen werde. Doch würden die gewöhnlichen Schachzüge chinesischer Diplomatie dieses Mal nutzlos gewesen sein, wenn nicht fast gerade im entscheidenden Augenblick die Aufmerksamkeit der Mächte nach einem andern Punkt gerichtet worden wäre. Das Vorrücken Rußlands in die Steppen von Pamir erschien den Mächten wichtiger als die Aufrechterhaltung des europäischen Prestige in China, und aus der Flottendemonstration isi nichts geworden. Dieser indirekte Sieg der chinesischen Diplomatie ist um so mehr zu bedauern, als nach neuesten Ergebnissen die Regierung an den Aufständen weit mehr mitschuldig war, als vorher allgemein angenommen wurde. Der Aufstand in Itschang ist geradezu von Regierungstruppen veranlaßt worden. Es steht fest, daß bis jetzt die Schuldigen nicht bestraft und noch kein Pfennig Entschädigung gezahlt worden ist.
Gegenüber den Verheerungen, denen die nördlichen Gebiete Chinas durch die Überschwemmungen des Huangho im Laufe der letzten Jahre ausgesetzt waren, hat sich der heutige Stand chinesischer Wasserbaukunst machtlos erwiesen. Doch sprechen auch andre Umstände mit, unter denen die Unehrlichkeit der mit den Wasserbauten beauftragten Beamten eine große Rolle spielt, und bei dem herrschenden System ist die Regierung außer stände, dieser bekannten Krebsschäden Herr zu werden. Das einzige Mittel, das dem Übel gründliche Abhilfe verschaffen würde, wozu sich jedoch die Regierung schwerlich entschließen wird, ja angesichts der herrschenden Stimmung im Volke kaum entschließen darf, ist die Verwaltung des Wasserbauwesens durch Europäer. So ist auch im Interesse Chinas selbst das Ende 1890 erfolgte Ausscheiden des um die Flotte hoch verdienten englischen Kapitäns Lang zu bedauern, der, zur Stellung eines chinesischen Admirals befördert, sich durch kränkende Zurücksetzung veranlaßt sah, in sein Vaterland zurückzukehren. Wieviel noch für eine starke chinesische Flotte zu thun übrigbleibt, das beweist die Frechheit der Seeräuberbanden in den Gewässern von Kanton. Diese gipfelte in dem Überfall des großen Passagierdampfers Namoa 10. Dez. 1890 unweit Hongkong. Den Bemühungen der englischen Polizei gelang es später, der Rädelsführer habhaft zu werden, und die chinesischen Behörden des Festlandes in der Nähe Hongkongs konnten ein großartiges Exempel in Gestalt einer Massenhinrichtung statuieren.
In den letzten beiden Jahren hat China das Unglück gehabt, mehrere seiner bedeutendsten Staatsmänner, die der europäerfreundlichen Fortschrittspartei angehörten, durch Tod oder Rücktritt zu verlieren. Nachdem im April 1890 der bedeutendste chinesische Staatsmann, Marquis Tseng-kwosan (Bd. 15 und 17), gestorben war, folgte ihm sein Bruder Tseng-kwo-tschüan, Generalgouverneur der beiden Kiang-Prouinzen, im November d. J. im Tode. Am 1. Jan. 1891 starb der Vater des gegenwärtigen Kaisers, I-huan, Prinz Tschun, der 7. Sohn des Kaisers Taukwang (1821-51) im 52. Lebensjahr. Prinz Tschun stand mit der Exkaiserin-Regentin an der Spitze der Fortschrittler, und seiner Thätigkeit ist vieles von den Erfolgen in der Eisenbahnfrage 2c. zu verdanken.
Im Mai 1891 trat der Gouverneur der Satrapie Formosa, Liu Mingtschuan, aus
Gesundheitsrücksichten seinen wichtigen Posten ab und hat sich in den Ruhestand zurückgezogen. Es ist dies für den Fortschritt in hohem Maße zu bedauern, da er unter den Gouverneuren wohl der europäerfreundlichste war und die Fähigkeit hatte, viele wichtige Neuerungen in der Verwaltung durchzuführen. Seine vielfachen Verdienste um die wirtschaftliche Hebung Formosas sind schon in unserm vorjährigen Bericht (Bd. 18, S. 155) gewürdigt worden. Eine allgemeine Empörung der Ureinwohner im Süden der Insel unterdrückte er im Februar und März 1891 durch Waffengewalt. Sein Nachfolger ist Schao, der in den 70er Jahren als Sekretär bei der chinesischen Gesandtschaft in Berlin und Petersburg fungierte und 1882-84 das Amt des Tautai von Schanghai bekleidete.
Den größten Verlust nach dem Marquis Tseng erlitt China durch den Tod des Gouverneurs der Provin; Schantung, Tschang Yao, gest. 22. Aug. 1891. Er war einer der wohlwollendsten Beförderer westländischer Kultur. In den 70er Jahren war er Höchstkommandierender der Kwantung-Truppen, 1881 wurde er Gouverneur von Sinkiang, 1885 Gouverneur von Kuangsi, 1886 Gouverneur von Schantung. Sein größtes Verdienst besteht in Versuchen zur Regulierung des Flußlaufes des Huangho (Gelber Fluß). Seit 1888 fungierte er auch als assistierender Direktor der Admiralität zu Peking, und seine freimütige Kritik des großen Flottenmanövers, das im Frühjahr 1891 unter dem Kommando des Vizekönigs Li Hungtschang im Golf von Petschili stattfand, scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Der Nachfolger dieses verdienten Staatsmannes, der sichere Anwartschaft auf die höchsten Ämter des Reiches hatte, und der, erst 50 Jahre alt, infolge eines Karbunkels unerwartet schnell dahingerafft wurde, ist Fujun, der bisherige Schatzmeister der Provinz, ein Mongole.
Die beiden bedeutendsten noch lebenden und der Fortschrittspartei angehörenden Staatsmänner sind die schon in unserm vorjährigen Bericht genannten Generalgouverneure Li Hungtschang und Tschang Tschihtung. Eine der neuesten Schöpfungen des erstern ist der Kriegshafen Port Arthur in der Provinz Liantan, der zum Schutze der Mündung des Peihoflusses und somit von Peking und Tientsin dienen soll. Die Arbeiten wurden im Laufe von 5 Jahren ausgeführt, die starken Befestigungen sind größtenteils mit Kruppschen Geschützen armiert; der Hafen ist als Hauptstation des Peiyang oder Nordgeschwaders bestimmt. Tschang Tschihtung wurde schon oben bei der Eisenbahnfrage erwähnt, deren mächtigster Beförderer er geworden ist. Zur Ausführung seines Lieblingsplanes, das Material für den Eisenbahnbau 2c. aus heimischen Quellen zu liefern, hat er in Wutschang große Stahl- und Eisenwerke einrichten lassen, die aber für den gedachten Zweck noch keineswegs ausreichen.
Der Außenhandel Chinas hat in den letzten Jahren einige nicht unbedeutende Veränderungen erlitten durch den Rückgang der Einfuhr von Opium und der Ausfuhr von Thee, was sich aus den Berichten des statistischen Bureaus der Seezölle ergibt. Als Hauptgrund für den Rückgang der Opiumeinfuhr ist der Mitbewerb des einheimischen Produkts zu betrachten, das viel billiger ist als das fremde.
Auch nationale Unglücksfälle, wie die Überschwemmungen und Dürren 1888, wodurch ein Teil der Bevölkerung verarmte, haben eingewirkt; außerdem wird viel Opium nach der Provinz Kuangtung eingeschmuggelt. Zur Preisvergleichung des fremden
und einheimischen Produktes mögen folgende Angaben dienen:
Indisches Opium (auf dem Schanghai-Markt, ohne Zoll und Likin
Bestes einheimisches Opium
Über »Likinzölle«" s. Bd. 4, S. 15.
Durch ein Edikt des Gouverneurs von Fukian ist die Kultur der Mohnpflanze freigegeben worden; es soll für einheimisches Opium ein Zoll von 40 Taels pro Pikul erhoben werden.
Ganz bedeutend ist der Abfall des Theehandels. Der chinesische Thee wird auf den europäischen Märkten durch den Thee aus Indien und Ceylon verdrängt und ist in Gefahr, vom englischen Markte (die Engländer sind die Hauptabnehmer des chinesischen Thees) ganz zu verschwinden. Die Steuer auf chinesischen Thee ist zu hoch, etwa 30 Proz., während der indische zollfrei ausgeführt wird; eine Reduktion der Steuer ist unumgänglich nötig. Die Ausfuhr betrug 1886: 2,217,295 Pikul, 1889: 1,877,331 Pikul. Einen kleinen Aufschwung zeigen wieder die beiden letzten Jahre, nämlich in der ersten Hälfte jeden Jahres seit 1888 wurden ausgeführt:
^[Tabelle siehe Faksimile]
Im Wachsen ist dagegen die Ausfuhr an Seide begriffen. Aus Schanghai u. Kanton, den beiden Hauptausfuhrhäfen, wurden im ersten Halbjahr ausgeführt:
^[Tabelle siehe Faksimile]
Das Jahr 1890 zeigte, den ganzen Außenhandel betrachtet, gegen 1889 einen Zuwachs in der Einfuhr und Abfall in der Ausfuhr, wofür als Gründe besonders Überschwemmungen in Tschili, die Konkurrenz des indischen Thees und das schnelle Steigen des Silberwertes anzuführen sind. Es betrugen:
^[Tabelle siehe Faksimile]
Einen großen Aufschwung hat der Außenhandel Chinas in der ersten Hälfte des Jahres 1891 genommen. Es beliefen sich nämlich die Zolleinnahmen für das erste Halbjahr in 1890 auf 9,989,000 Taels, in 1891 auf 11,150,000 Taels. Der Schiffsverkehr ist im Steigen begriffen, besonders im letzten Jahre. In den 19 Vertragshäfen klarierten ein und aus 1889: 29,145 Schiffe mit 23,517,884 Ton., 1890: 31,133 Schiffe mit 24,876,459 T. Die Zunahme des Jahres 1891 ist zu erkennen aus der Einklarierungsziffer der ersten Halbjahre, 1890: 5,884,678 T., 1891: 6,412,274 T. Den größten Verkehr haben englische, chinesische und an dritter Stelle deutsche Schiffe, alle übrigen Nationen sind in geringerer Zahl vertreten. Anfang 1891 veröffentlichte das Finanzministerium zu Peking einen Bericht über die Einkünfte des Reiches im J. 1890. Dieselben beliefen sich auf nicht mehr als 71 ½ Mill. Taels, also etwa 350 Mill. Mk., und zwar aus folgenden Quellen:
Seezölle | 15000000 Taels | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Likinsteuer | 13000000 | ||||||||
Salzzölle | 12000000 | ||||||||
Grundsteuer | 10000000 | ||||||||
Beiträge von Thee- und Salzkaufleuten | 3500000 | ||||||||
Einheimische Zölle | 3000000 | ||||||||
Andre Steuern | 15000000 | ||||||||
Zusammen: | 71500000 Taels | ||||||||
Das Steuererhebungssystem ist jedoch höchst unvollkommen. Die Steuern sind an die hohen Mandarinen verpachtet, und die mit der Erhebung betrauten Beamten lassen den größern Teil in ihren eignen Taschen verschwinden. So kommt es, daß obige an die Zentralregierung abgeführte Summe jedenfalls nicht einmal der Hälfte der thatsächlich erhobenen Steuern entspricht. Aber selbst die Privaterpressungen der Mandarinen mit eingerechnet, ist die Besteuerung Chinas noch eine sehr geringe, indem pro Kopf nicht einmal 2 Mk. Steuern erhoben werden.
Im Verhältnis Chinas zu Korea hat sich in letzter Zeit nichts Wesentliches geändert. Bei Gelegenheit der Kondolenzgesandschaft, welche der Hof von Peking an den koreanischen König Ende 1890 schickte, kam die Frage der Suveränität Koreas wieder in lebhafte Erörterung, denn das den chinesischen Gesandten gegenüber beobachtete Zeremoniell wurde von vielen auf Unterordnung des koreanischen Hofes unter den chinesischen gedeutet. In der That jedoch bewahrt Korea seine volle Unabhängigkeit, woran auch der Umstand nichts ändert, daß es seine Zölle unter Leitung des chinesischen Seezolldienstes gestellt hat; letzteres war nötig, wenn die Regierung überhaupt etwas von den einkommenden Geldern sehen
wollte.
Heerwesen.
Seit 1870 hat die bewaffnete Macht des chinesischen Reiches unter Leitung des Vizekönigs Li eine völlige Umgestaltung erfahren. Die Kerntruppe und das Armeekorps, welchem die Verteidigung sämtlicher Zugänge zur Hauptstadt Peking obliegt, ist die Armee der schwarzen Fahne. Dies Korps von 50,000 Mann ist von europäischen, vornehmlich deutschen Offizieren vorzüglich eingeschult, angemessen uniformiert und ausreichend bewaffnet. In den letzten 2 Jahren nach Entlassung vieler ausländischer Offiziere soll die Geschicklichkeit der Truppen in der Handhabung der Schußwaffen merklich nachgelassen haben und besonders Peking nicht hinreichend geschützt sein. Ein weiteres Armeekorps ist die Pekinger Feldtruppe, in welche die ausgesuchten, best- und hochgewachsenen Leute der Mandschuarmee eingereiht sind. Es besteht ebenfalls aus 50,000 Mann, ist sehr gut exerziert und mit dem Gebrauch der Hinterlader gründlich vertraut. Ein Teil bildet die Garnison Pekings, der größte Teil hat seinen Posten in Kalgan, nordwestlich von der Hauptstadt und an der großen Chinesischen Mauer. Eine dritte Abteilung ist die Garnison der Mandschurei, 70,000 Mann, denen die Bewachung der russischen und der koreanischen Grenze obliegt. Durch Einreihung der Mongolenstämme und Manoschubannerträger kann die Stärke des Korps mindestens um das Dreifache erhöht werden. Das Korps zerfällt in zwei Abteilungen und steht unter dem unnüttelbaren Befehl des Vizekönigs der Mandschurei. Die vierte Hauptabteilung des Heeres ist das Korps der neuen Provinzen, welches 40,000 Mann zählt und die Befestigungen Chinas in Mittelasien bewacht. Die Gesamtstärke des neuen stehenden chinesischen Heeres umfaßt über 200,000 Mann, die fortwährend unter Waffen sind, wird von einigen sogar auf 300,000 Mann geschätzt und kann mit Einschluß der Reserven und neuen Aushebungen leicht auf 1 Mill. Soldaten gebracht werden. Bis 1865 war der chinesische Soldat zugleich Polizeidiener, Vollzugsbeamter der Gerichte und Steuereinnehmer und lebte mit seiner Familie kümmerlich von einem
niedrigen Solde u. dem Ertrag eines kleinen Gemüsegartens. Heutzutage ist er ausschließlich Soldat, lebt ohne Familie, und die Regierung ernährt und kleidet ihn. Sein Aussehen ist ein überaus stattliches und regelrechtes. Die Uniform bildet eine Vereinigung europäischer und mongolischer Kleidungsformen. Die Blouse und holzbesohlten Schuhe, die untertassenartige Kopfbedeckung und das offene, flatternde Untergewand der Offiziere sind nach ausgesprochen chinesischem Muster. Die Zuavenhosen, Gamaschen und Waffenröcke mit Gürtel sind europäisch, ebenso die Seitenwaffe und das Hinterladegewehr. Disziplin, Dienst, Übungen, Manöver, Regimentseinteilung wurde von europäischen, vorzugsweise deutschen Lehrmeistern eingeführt und gründlich eingelernt. - Über die Missionsthätigkeit in China vgl. Mission.
heißt in England das Porzellan; daher China clay - Porzellanthon - ein in England vorfindlicher blendend weißer, voluminöser, sehr plastischer, etwas fetter Thon; derselbe wird wegen seiner vielseitigen Brauchbarkeit nach andern Ländern, auch nach Deutschland ausgeführt, wo der Zentner 3-4½ Mk. zu stehen kommt. Man braucht sie bei uns in der Fabrikation des Ultramarins, ferner als Zusatz zu Satinierfarben, die dadurch beim Reiben einen schönern Glanz annehmen, in Zeugdruckereien zur Farbenverdickung, hauptsächlich aber als Zusatz zum Papierzeug, um dem Papier mehr Schwere und Körper zu geben. - Zollfrei.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Staat im östl. Asien (hierzu zwei Karten: China, Korea und Japan und Östliches China mit Korea). Der Name ist chinesisch Tschung-kwo, Land der Mitte, dichterisch Tschung-hwa, Blume der Mitte. Ta-tsing-kwo, das Reich der «großen Hellen», d. h. des Herrscherhauses der Mandschu, bezeichnet das ganze Chinesische Reich. Auch Thien-hia, «Himmels-Unterlage», Welt, wurde namentlich, ehe die Begriffe des Volks vom Auslande sich erweiterten, für das Reich gebraucht. Wenn auch Tschung-kwo-jên, «Mittelländer», die gewöhnliche Bezeichnung für «Chinese» ist, so wird doch im N. der Ausdruck Han-shön viel gebraucht, in Kanton Tang-schan, jener in Beziehung auf das Herrscherhaus der Han (206 v. Chr. bis 221 n. Chr.), dieser auf das der Tang (618-907 n. Chr.). Der Name Serer, welchen Griechen und Römer, namentlich seit dem 1. Jahrh. vor unserer Zeitrechnung, dem Volke gaben, von welchem die Seide und das serische Eisen zu ihnen kam, mag ursprünglich ein Volk des mittlern Asiens bezeichnet haben, doch wurde er auf die eigentlichen Chinesen jedenfalls übertragen; ja man hat vor nicht langer Zeit röm. Münzen von dreizehn Kaisern von Tiberius an in Schan-si gefunden, wo Gewinnung und Verarbeitung des Eisens sehr alt sind. Dieses dürfte etwa auf die Zeit der Antonine führen, unter denen 166 die sog. röm. Gesandtschaft nach China stattfand. Daneben finden sich schon im «Periplus» des Erythräischen Meers und bei Ptolemäus die Namen Thin, Thinai. Während die erstere Quelle auf das Land Tsin im nachmaligen Schen-si hinzuweisen scheint, hat das von Ptolemäus an die Küste des südöstl. Asiens versetzte Thinai zu den verschiedensten Vermutungen Anlaß gegeben. Der Name Tschina findet sich in Indien schon im Gesetzbuch des Manu und im Mahâbhârata vor und wird von vielen auf die Chinesen, von Richthofen wegen seiner Verbindung mit den Tulhára und Darada auf Schina in Dardistan gedeutet. Die Araber, denen das Land im 9. Jahrh. auf dem Seewege bekannt geworden war, nannten es Ssin (vermutlich nach dem Tschina der Inder und Malaien); aber erst durch die Entdeckungsfahrten der Portugiesen wurde der Name China auch in Europa verbreitet. Noch Marco Polo hatte wenigstens den nördl. Teil des Landes Kathai benannt nach dem Namen Khatai, welchen es bei den Türken führte. Noch jetzt heißt es bei den Mongolen Kítat (eigentlich Mehrzahl von Kitan) und bei den Russen Kitai, eigentlich nach dem tungusischen Stamme der Kitan, welcher vom 10. bis zum 12. Jahrh. im Norden C.s herrschte. Bei den Mandschu hießen die Chinesen Nikan, bei den Birmanen Tarok; das Bogdo der mongol. und tungusischen Völker (eigentlich «heilig» vom sanskritischen bhagavat) bezeichnet den Kaiser von China.
Lage und Grenzen. Das Chinesische Reich in seinem ganzen Umfange liegt zwischen 18 und 53° nördl. Br. und 74 und 135° östl. L. von Greenwich und ist nach dem Russischen und Britischen das größte der Erde, da dasselbe etwa einen Flächeninhalt von 11115650 qkm besitzt, von denen 4004650 auf das eigentliche China kommen. Zum Reiche gehören die Mandschurei (s. d.), die Mongolei (s. d.), Tibet (s. d.), die Dsungarei (s. d.) und Ost-Turkestan (s. d.), das frühere Kaschgarien. Korea (s. d.) war früher Vasallenstaat, dagegen gehören Cochinchina (s. d.) und die Liu-kiu-Inseln (s. d.) nicht mit zu dem Chinesischen Reiche, obgleich ihre Beherrscher zu dem Kaiser von China früher in einem losen Verhältnisse der Vasallenschaft standen. Das Chinesische Reich wird gegenwärtig nördlich von Sibirien sowie von dem Flusse Amur, nordöstlich von dem Flusse Ussuri und dem Seedistrikt des russs. Amurlandes (s. d.), östlich vom Japanischen Meere, dem Meerbusen von Pe-tschi-li, dem Gelben Meere und der chines. Ostsee, südöstlich vom Südchinesischen Meer, südlich von Tongking, Birma, dem Gebiete der Katschin, der brit.-ind. Provinz Assam, von Bhotan und Nepal, westlich von einem Teile der brit.-ind. Provinz Pandschab, von Ladak, Westturkestan und Russisch-Centralasien begrenzt.
Das eigentliche China (mit Liau-tung, Hai-nan und Formosa, aber mit Ausschluß der früher getrennt gewesenen Gebiete von Ost-Turkestan) liegt etwa zwischen 18 und 45° (Ajar-nor), im NO. 43° nördl. Br., sowie zwischen 98° in der Mitte, 85° im NW. und 127' östl. L. von Greenwich. Im N. haben die Grenzen der Provinzen Pe-tschi-li und Schan-si längst die große Mauer überschritten; dagegen trennt die Mauer noch Schen-si und den östl. Teil von Kan-su
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von den Gebieten der Mongolen. Der westl. Teil dieser Provinz erstreckt sich nach NW. bis über Su-tschou hinaus. An der schmälsten Stelle der Provinz (westlich von Liang-tschou) wendet sich die Grenze nach S., überschreitet den Hoang-ho südwestlich von Si-ning und erreicht die Provinz Sze-tschwan. Von hier aus wird die Grenze zwischen China und Tibet verschieden angegeben, je nachdem man das Gebiet der Minjak und von Batang zu China oder Tibet rechnet. Der letzte Teil der Westgrenze zwischen China und Oberbirma verläuft südlich, zuerst zwischen Lu-tse-kiang (Saluën) und Lan-tsan-kiang (Mekong), dann zwischen Saluën und Irawadi. Die Südweststrecke liegt wenig südöstlich von Bhamo. Die Südgrenze erstreckt sich durch die Gebiete der Schan nördlich von Birma, zum Teil an unbedeutenden Flüssen und Höhenzügen entlang, während ihr südöstl. Teil, der Kwang-si und Kwang-tung von Tongking trennt, durch bedeutende, noch wenig bekannte Gebirge gebildet wird. Die am Südmeer (Nan-hai) gelegene Südküste und die am Ostmeer (Tung-hai) nach N. laufende Ostküste (letztere bis auf die Halbinsel Lai-tschou) sind bis etwa 30° nördl. Br. gebirgig, von da an am Gelben Meere (Hoang-hai) entlang flach bis zur Halbinsel Schan-tung. Letztere ist im S., O. und an dem östl. Teile ihrer Nordküste gebirgig; dann zieht sich das flache Meeresufer westlich und nördlich bis etwa 40° nördl. Br., bis 41° folgt eine bergige Küste, dann umschließt flaches Ufer die Nordseite des Golfes von Liau-tung, um an dessen Ostseite Bergen Platz zu machen, welche auf der von den Engländern Regent’s Sword genannten Halbinsel hoch und steil in das Meer abfallen. Von da läuft eine gebirgige Küste bis zur Mündung des Ja-lu-kiang,des Grenzflusses zwischen Korea und China. Indes wird die Provinz Sching-king oft vom eigentlichen China abgetrennt und zur Mandschurei gerechnet, sodaß die Grenze unter 40° nördl. Br. von der Westseite des Golfes von Liau-tung aus nach NW. bis zum Sira-muren-Fluß ziehen würde. Von der großen Anzahl Inseln vor den Küsten sind nur Hai-nan und Formosa bedeutend. Die chines. Küste bat viele mehr oder weniger geschützte Häfen, von denen namentlich einige in Flußmündungen und oberhalb derselben gelegene auch den Zugang tiefer gehender europ. Schiffe gestatten.
Oberflächengestaltung. Mindestens fünf Sechstel des Landes werden von Gebirgen und Hochland eingenommen. Von jenen ist vor allen der eine Fortsetzung des Kuën-lun bildende Tsin-ling zu erwähnen. Derselbe läuft in beinahe westl. Richtung durch Schen-si und fällt etwa 113° östl. L. von Greenwich steil ab, erreicht eine Höhe von etwa 3300 m und bildet eine scharfe Grenze zwischen dem nördl. und mittlern China sowie die Wasserscheide zwischen dem Hoang-ho und dem Jang-tse-kiang. Durch die nördl. Provinzen Kan-su, Schen-si, Schan-si und einen Teil von Pe-tschi-li und Ho-nan erstrecken sich große Hochebenen, unterbrochen durch von SW. nach NO. gerichtete Gebirge und abwechselnd mit großen Senkungen, von denen das Thal des Wei-ho die wichtigste ist. Das Hochland hat wegen seines steilen Abfalles nach der Ebene des untern Hoang-Ho von dort aus das Ansehen eines hohen Gebirges, und sein Rand wird mit dem Namen Tai-hang-schan auf der Grenze von Pe-tschi-li bezeichnet. Jenseit der Ebene erhebt sich das Land mehrmals zu hohen Gebirgen in Schan-tung, unter denen der Tai-schan, einer der heiligen Berge, bis über 1500 m ansteigt, während der Hwai-ho durch niedrigere Gebirge von der Niederung des Jang-tse-kiang geschieden ist. Südlich von ihm herrschen teils Bergketten mit der auch in Hinterindien auftretenden Richtung N. zu W. nach S. zu O. vor (in Jün-nan), teils, und zwar vorzugsweise, mit der Richtung von SW. nach NO., welcher Richthofen deshalb den Namen des «sinischen Systems» gegeben hat. Diese Gebirge schließen Becken von teilweise sehr beträchtlicher Meereshöhe (bis über 1800 m) ein. Die Wasserscheide zwischen dem Jang-tse-kiang und dem Si-kiang, welche einer andern Richtung folgt, hat früher zu der irrigen Annahme eines Nan-ling genannten quer laufenden Gebirges geführt, obwohl dieses Wort nichts als den «Südpaß», oder die «Südpässe» bezeichnet. Auch der auf chines. Karten öfter wiederkehrende Ausdruck «Schneeberg» (Süe-schan) hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben. Im NW. erreichen jedoch einige Gebirge die Schneegrenze, oder überragen sie sogar bedeutend (Kiu-ting-schan im nördl., Ta-liang-schan im südl. Sze-tschwan), und auch der Tsin-ling erhebt sich mit dem Pai-schan noch über 3300 m. Zuverlässigere Angaben über bedeutendere Erhebungen liegen durch Richthofens Forschungen aus dem nördlichen China noch folgende vor: Kulu-schan an der Nordwestgrenze von Schan-si über 2350 m, Wu-tai-schan im östl. Schan-si über 3490 m, Tai-jo-schan in Schan-si 2100-2400 m, Sung-schan in Ho-nan, 113° östl. L. von Greenwich, an 2400 m, Pai-jün-schan in Ho-nan über 2400 m, ferner im N. der Fung-hwang-schan an der Grenze von Korea und der I-wu-lu-schan an der von Liau-si und Sching-king. Im S. finden sich auf chines. Karten unzählige Namen, wie: der Thien-tai-schan, welcher von SW. nach NO. Tsche-kiang durchzieht, der den Bohea-Thee erzeugende Wu-i-schan im NO. von Fu-kien, der berühmte zu mehr als 1200 m geschätzte Lo-fou-schan im nordöstl. Kwang-tung, der Kiu-lien-schan an der Grenze von Kwang-tung und Kiang-si, der große und der kleine Mei-ling, weniger hohe als wichtige Pässe, welche aus Kwang-tung nach Kiang-si und Hu-nan führen, der Jün-nan-Paß (etwa 1000 m) zwischen Phu-an-ting in Kwei-tschou und Phing-i-bien in Jün-nan, der Jü-lung oder Süe-schan im nördl. Jün-nan, der Pa-schan in Sze-tschwan. Zu den fünf heiligen Bergen (wu jo) gehören: der Tai-schan in Schan-tung, der Höng-schan in Hu-nan, der Hwa-schan in Schen-si, der Höng-schan in Pe-tschi-li und der Sung-schan in Honan. - Auf Formosa ist der Morrison-Berg (3917 m), auf Hai-nan der Wutschi-schan oder «Fünf-Finger-Berg» im Innern zu erwähnen. Thätige Vulkane dürften in dem eigentlichen China nicht bestehen.
Bewässerung. Das an der ausgedehnten Küste zahlreiche Buchten bildende Meer, die vielen großen Flüsse, künstliche Wasserwege zwischen denselben und bedeutende Seen sind von jeher der Schiffahrt sehr günstig gewesen. Das Meer nimmt an der Jang-tse-kiang-Mündung und weiter nördlich eine gelbliche Farbe an und wird deshalb das «Gelbe Meer» (Hoang-hai) genannt. Der Unterschied von Ebbe und Flut ist teilweise sehr bedeutend, wechselt aber mit der Jahreszeit und den Winden. Im Meerbusen von Hang-tschou steigt das Wasser zuzeiten plötzlich 6 m (nach ältern Nachrichten sogar 12 m) und bildet eine für die Schiffahrt äußerst gefährliche beinahe senkrechte Wand (Wu-sung an der Mündung des Schang-hai-Flusses 4,5 m, Hongkong 2,3 m, Kanton 1,5 bis 3 m, Scha-tou bei Springflut 2,1 m, Amoy
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4,4 bis 4,8 m, Ning-po 2,7 m, an der Mündung 3,8 m Springflut, Nan-king 3,0 bis 4,5 m im Sommer, Ta-ku [Mündung des Pei-bo] 3,6 m Springflut). Von den Strömen gehören der Jang-tse-kiang (s. d.) und der Hoang-ho (s. d.) zu den größten der Welt; der dritte an Größe, der Si-kiang (Tschu-kiang), steht ihnen bedeutend nach. Der Liau-ho (s. d.), der Pei-Ho (s. d.), der Jang-tse-kiang, der sich in seine Mündung ergießende Shang-hai-Fluß (Hwang-phu oder Wu-sung-kiang), der Jung-kiang bei Ning-po, der Min-kiang bei Fu-tschou, die Mündung des Han-kiang bei Scha-tou und der Tschu-kiang werden auch von europ. Schiffen befahren. Ferner der Hwai-ho, welcher sich früher mittels des Hung-tse-Sees in den ehemaligen Unterlauf des Hoang-ho ergoß, der Tsien-tang bei Hang-tschou, der Ou-kiang bei Wen-tschou und der Kiu-lung-kiang bei Amoy.
An Landseen ist China reich, namentlich in einigen der nördlichen und mittlern am Meere oder am Jang-tse-kiang gelegenen Provinzen. Zu den umfangreichsten gehören der Tung-ting-hu (s. d.) bei Hochwasser, der Po-jang-hu (s. d.) und der Tai-Hu (s. d.), reckts vom Jang-tse-kiang, und die mit diesem durch den Großen Kanal in Verbindung stehenden Kau-ju-hu und Hung-tse-hu. Daneben bestehen schon seit ältester Zeit zahllose, längere und kürzere, die niedrig gelegenen Gegenden nach allen Richtungen hin durchschneidende Kanäle, wie der sich längs der Küste durch 10 Breitengrade, von Peking bis Hang-tschou erstreckende, den Pei-ho mit dem Hoang-ho und Jang-tse-kiang in Verbindung setzende Große oder Kaiserkanal (s. d.). Von Heilquellen sind namentlich die vielbenutzten heißen Schwefelquellen (z. B. bei Ning-hai in Schan-tung und Tang-schan bei Peking) zu erwähnen.
Klima. Durch die Ausbreitung des Landes wie durch die große Verschiedenheit der Bodenerhebung wird eine große Ungleichheit der klimatischen Verhältnisse bedingt. Im allgemeinen ist das Klima ein durch die östl. Lage dieses Landes stark beeinflußtes kontinentales mit heißen Sommern und kalten Wintern. Diese Erscheinung zeigt sich besonders im N., wo die Niederschläge im Sommer leicht zu das waldarme Land verwüstenden Wolkenbrüchen ausarten, während im Winter große Trockenheit herrscht und im Frühjahr der von der Mongolei herabwehende Wind Himmel und Erde häufig in eine ungeheure Staubwolke hüllt. In Peking beträgt, bei einer mittlern Jahrestemperatur von 11,6° C., die mittlere Temperatur des Winters -4,2, die des Sommers +25,4°; in Kanton steigt das Thermometer, bei einer mittlern Jahrestemperatur von 21,2° C., während der heißesten Monate auf 34,3°, sinkt aber während der kältesten auf -15°. Der Unterschied zwischen der größten Hitze und größten Kälte in Peking beträgt über 51°, in Schang-hai über 47°, in Kanton über 33°. In Peking friert der Kaiserkanal bis auf den Grund, und bei Ta-ku das Meer vor der Mündung des Pei-ho so fest zu, daß man sich weit auf dasselbe hinauswagen kann. Die Temperatur von Peking kann als die des nördlichsten, die von Kanton als die des südlichsten Teils betrachtet werden. In den südlichsten, innerhalb der Tropen gelegenen Landesteilen bestehen nur zwei Jahreszeiten, die trockne, von Oktober bis April während des Nordostmonsuns, und die nasse oder Regenzeit unter vorherrschenden Südwestwinden von April bis Oktober. Der zwischen dem Wendekreise und dem 30. Parallelkreise gelegene subtropische Strich bildet den Übergang zu den nördlichern Gegenden. Auch in diesen fällt häufig Regen, der im Sommer zur Abkühlung der Temperatur beiträgt. Die Nord- und Nordostwinde zeichnen sich durch Trockenheit und Kälte aus. Zu erwähnen sind auch die besonders von August bis Oktober auf dem Chinesischen und Gelben Meere vorkommenden Drehstürme oder Cyklone, chines. Siü-fung oder Tai-fung (s. Taifune), deren verderbenbringende Gewalt sich oft weit in das Land hinein erstreckt.
Mineralreich. An Gesteinen bietet sich die größte Mannigfaltigkeit dar; doch sind es großenteils die ältesten und ältern Schichten, namentlich Gneis (in Schan-tung und am Tsin-ling) und die dem cambrischen Zeitalter angehörigen, von Richthofen, da sie vorzugsweise in China auftreten, «sinische» genannten Schichten. Der Reichtum an Steinkohlen wird wohl kaum von irgend einem andern Land erreicht; wegen mangelnder Verkehrswege sind dieselben jedoch an der Küste erst in geringem Maße wettbewerbsfähig geworden. Ausnahmen bilden die Gruben von Kai-ping im nordöstl. Pe-tschi-li und die von Ki-lung im N. von Formosa, welche durch Eisenbahnen mit der Küste verbunden sind. Leicht von der See aus zugänglich sind die Kohlenwerke vou Wu-hu-schwei am Golf von Liau-tung. Weiter im Innern liegen die von Sai-ma-ki an der Grenze von Korea und Pön-si-hu. In Liau-si befinden sich solche im NW. von Kin-tschou-fu, in Pe-tschi-li bei Schi-mön-tsaï und Kai-ping im NO., Tschai-tang, Jang-kia-fang, Fang-schan, Si-wan, Hu-tai, Mön-tou-kou westlich und südwestlich von Peking, bei Ta-tung-fu im nördl. Schan-si. Namentlich aber sind die Kohlenfelder des südöstl. Schan-si zu erwähnen, deren Ausdehnung bei einer Mächtigkeit von 6 bis 9 m auf über 33000 qkm geschätzt wird. Hier finden sich Eisenerze und Anthracit dicht nebeneinander (bei Lo-phing). Auch der Bezirk von Tai-jüën-fu enthält Kohlengruben. In Ho-nan finden sich solche bei Hwai-king und Schu-tschou, in Schan-tung bei Po-schan-hien, Tschang-kiu-hien und Wei-hien, in Kiang-su nordöstlich von Nan-king, in Hu-pe nordöstlich von Hwang-tschou-fu, in Kiang-si bei Lo-phing-hien, in Hu-nan im Thale des Lui-ho (7 Grubenorte), ferner bei Kwei-jang-hien und Siang-hiang-hien, in Kwang-tung bei Schao-tschou-fu. Der Name der Steinkohle bei findet sich schon in einem Werke des 3. Jahrh. v. Chr. Der Gebrauch derselben zum Heizen hatte schon Marco Polos Verwunderung erregt. - Auch Eisen findet sich in großer Menge. Die Werke von Lo-phing, Tai-jang und Nan-tsun, schon hervorragend durch die Vorzüglichkeit der Erze, gewinnen an Bedeutung durch die dort leicht zu beschaffende Kohle. Das Schmelzen geschieht ohne Hochöfen nach einem uralten Verfahren. Gold wird immer noch bei niedrigem Wasserstande am Jang-tse-kiang gewaschen, dessen oberer Lauf danach den Namen Kin-scha-kiang (Gold-Sand-Strom) erhalten hat. Gold und Silber, welche bis vor kurzem nicht gemünzt wurden, und Kupfer, welches in ziemlicher Menge in Jün-nan gewonnen wird, werden eingeführt, Zinn aus Jün-nan wird in Pak-hoi ausgeführt; anderseits wieder führt man Banka-Zinn ein. Gold und Silber kommen aus Sze-tschwan, Jün-nan, Kwang-tung und Kwang-si. Quecksilber giebt es in Sze-tschwan, Kwang-tung, Kwei-tschou und Kan-su; Blei (mit Silber) in Ho-nan, Bleiglanz in Tsche-kiang, Fu-kien und Sze-tschwan. Ferner kommen zahlreiche Arten von Granit, Por-
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phyr und Marmor, Jaspis, Achat, Bergkrystall, Amethyst, Chalcedon, Opal, Lasurstein, Türkis, Bildstein, Speckstein, Nierenstein (Nephrit, Jade, chines. jü) vor, von eigentlichen Edelsteinen Rubin, Saphir und Topas. Neben einer rötlichen Alaunerde findet sich die echte Porzellanerde namentlich auf dem Kao-ling in der Gegend von King-te-tschin in Kiang-si, dann bei Schu-tschou in Ho-nan, Lung-tsüan in Tsche-kiang u. s. w. Wenn auch Steinsalz nicht gewonnen wird, so liefern doch die in Sze-tschwan und Jün-nan bis zu 5-600 m hinabgeführten Brunnen nach Art der artesischen die Sole für das aus dieser zu siedende Kochsalz. Aus vielen dieser Bohrlöcher entströmt zugleich brennendes Gas. Diese werden Ho-tsing, d. h. Feuerbrunnen genannt. Das entzündbare Gas, welches durch Bambusröhren geleitet wird, dient namentlich zum Kochen des Salzes. In Schan-si wird Salz an dem sog. «Salz-See» von Lu-tsun gewonnen. In einigen Küstenprovinzen, besonders in Kiang-su, nördlich vom Jang-tse-kiang, wird viel Seesalz gewonnen. Neuerdings lieferten die Silberwerke von Schehol (Tscheng-te), nördlich der Großen Mauer, in Pe-tschi-li unter Leitung fremder Bergbeamten eine gute Ausbeute. Die Goldwerke von Mo-ho am Amur sollten im Frühling 1889 täglich durchschnittlich 50 Unzen einbringen. In Schan-tung, wohin vor langen Jahren schon einmal das Gerücht großen Goldreichtums Goldgräber aus Kalifornien gezogen hatte, ist man bei Ning-hai auf ergiebige Adern gestoßen, welche einheimische Unternehmer neuerdings (seit Herbst 1890) ausbeuten wollen. In Jün-nan werden die Kupferwerke teils durch eine unter Staatsaufsicht stehende Aktiengesellschaft ausgebeutet, teils wird im Westen die Ausbeutung noch freigelassen, teils gewonnenes Kupfer zu bestimmten Preisen angekauft, um an die Münze in Peking abgeliefert zu werden.
Pflanzenwelt. Die Flora von China ist sehr mannigfaltig. In den südlichsten Provinzen ist sie eine tropische, der hinterindischen verwandte, weiter nordwärts eine subtropische, zugleich Palmen (Chamaerops excelsa Thbg.) und prachtvolle Nadelhölzer, wie Cunninghamia sinensis Salisb., Salisburia adiantifolia Sm., die Theestaude, Azaleen, Kamelien u. a. enthaltend. Noch weiter nördlich (33-40°) folgt die der wärmern gemäßigten Zone mit einer beträchtlichen Anzahl den mitteleuropäischen entsprechender Arten, während sie sich in den westl. Grenzprovinzen von China dem Hochgebirge anpaßt. Im allgemeinen zeichnet sich die chines. Flora durch eine auffallende Menge schönblühender Gewächse sowie durch einen verhältnismäßig größern Reichtum an Gattungen als an Arten aus. Eigentliche Kulturpflanzen sind Reis, Weizen, Hirse, Mohn zur Gewinnung des Opiums, Baumwolle und Ginseng (Jên-schen, Schön-schön, ein Genußmittel, s. Aralia), ferner Mais, Tabak, Indigo, Erdnuß und im S. Zuckerrohr. Die für den innern Bedarf wie als Ausfuhrartikel überaus wichtige Theepflanze (s. Thee) ist in erster Linie mit den Nahrungspflanzen zu nennen. Für die Ernährung der Seidenraupen wird der weiße Maulbeerbaum, für die Bereitung des Papiers der Papiermaulbeerbaum (Broussonetia papyrifera L.), für die Gewinnung von Pflanzenwachs Stillingia sebifera Willd., für die Bereitung des Lackfirnisses Rhus succedanea L. in großer Menge angepflanzt. Von den vortrefflichsten, die ausgebreitetste Anwendung findenden Arten des Bambusrohrs kommen ganze Wälder vor, aber in Fülle nur in den subtropischen Südprovinzen, obwohl die Zwergbambuse gerade in Ostasien am weitesten auf der Erde nach N. vordringen, so hat das südliche China auch sonst eine Menge nützlicher Gewächse vor den nördl. Provinzen voraus, besonders Sorten von Apfelsinen (Citrus), den Kampferbaum, Ingwer und den Guajavabaum (s. Psidium). Weit verschieden von dieser schönen und nutzbringenden Flora des eigentlichen Chinesischen Reichs ist die der westlichen, jenseit der Randgebirge Innerasiens liegenden weiten Gebiete unter chines. Oberhoheit; dieselbe ist meist dürftig und teilweise für Nomadenvölker allein geeignet. (S. Gobi, Mongolei, Tibet.)
Tierwelt. Die Fauna C.s ist in merkwürdiger Art zusammengesetzt aus orient.-ind. und sibir.-europ. Elementen, und wenn zwar die erstern im S. vorherrschen, so gehen doch auch einzelne Formen nördlich bis über die Grenze des Landes hinaus. Die Inseln Hai-nan und Formosa sowie die Provinzen an der Südküste, Kwang-si, Kwang-tung und Fu-kien, haben noch eine ganz ind. Tierwelt: Affen, Lemuren (Nycticebus), fliegende Hunde (Pteropus), Viverren, Elefant, Nashorn, Schuppentier, Pfauen und echte Hühner (Gallus) sind alles tropisch-orient. Tiere. Sehr reich ist der ganze Südteil des Landes an prachtvollen Fasanenformen, von denen manche, z. B. der Goldfasan (Thaumalea picta L.), ziemlich weit nach N. gehen. Besonders gut vertreten erscheinen auch die Insektenfresser, namentlich maulwurfsartige Formen. Der Tiger kommt durch das ganze Reich und zwar in zwei Rassen vor: im S. als der indische, im N. als der sibirische; auch der Panther wird im größten Teile angetroffen. In den Bergwäldern der Westprovinzen giebt es Bären, Moschustiere, Steinböcke, wilde Hunde, Waschbärhunde (Nyctereutes procyonoides Gray) und Katzen. Antilopen, Hirsche und zwar neben dem gewöhnlichen auch charakteristische nur hier vorhandene geweihlose Formen (Hydropotes und Lophotragus), Rehe, Luchse, Dachse, Marder, Wiesel u. s. w. haben eine weitere Verbreitung, finden sich aber vorzugsweise in den mittlern und nördl. Provinzen. Die meisten derselben sowie zahlreiche Arten von Strich-, Zug- und Strandvögeln, ebenso die Enten, Gänse, Schwäne, Pelikane und andere Wasservögel, von denen die vielen Landseen in den mittlern Provinzen belebt werden, sind mit ähnlichen Arten des mittlern Europa entweder identisch oder ihnen doch sehr nahestehend. Für die Gebirge im S. sind noch die Sonnenvögel (Liotrichidae) charakteristisch und für die Wüsten im N. Fausthühner (Syrrhaptes) und zahlreiche Lerchen. Die Meeresküste gleichwie auch alle Flüsse und Landseen sind außerordentlich fischreich. Auch zwischen den Süßwasserfischen daselbst und den europäischen zeigt sich eine große Analogie. Es finden sich aber sogar Fischformen, welche nur noch in Nordamerika verwandte Arten haben, so der Löffelstör (Polyodon) im Jang-tse-kiang (gladius Mart.) und im Mississippi (folium, Lacèp.[korrekt Lacép.).] Amphibien, besonders geschwänzte, sind gut vertreten; im westl. Teil wird der große japan. Salamander (Cryptobranchus japonicus, v. d. H.) angetroffen. Schlangen sind im S. häufig, in den nördl. Gegenden nur durch 4-5 Arten repräsentiert. Die Insektenfauna ist sehr gemischt und ind.-tropische Tagfalterformen gehen bis in das Thal des Amur. Seidenzucht wird seit uralter Zeit ge-
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trieben, auch Fischzucht (Goldfische). Die Zahl der Haussäugetiere ist nur eine geringe. Der Büffel, zur Bebauung der Reisfelder dienend, nimmt die erste Stelle unter ihnen ein. Die in China gezüchteten Pferde sind klein und häßlich, werden auch hauptsächlich nur als Lasttiere gebraucht. Die für die Kavallerie dienenden werden jetzt meistens aus der Mongolei und wurden früher aus der Dsungarei und Ostturkestan eingeführt. Zweihöckerige Kamele werden in den nördl. Provinzen für den Verkehr mit der Mongolei und zur Beförderung der Steinkohlen nach Peking gehalten.
Bevölkerung. Die Bevölkerung des Chinesischen Reichs wird jetzt auf 361 ½ Mill. geschätzt, von denen etwa 11 ½ Mill. auf die tributären und Vasallenstaaten kommen. Die Zählung des J. 1812 ergab 360443000 Seelen für die 18 Provinzen ohne Sching-king, 1844 wurde sie auf 367 Mill. geschätzt. Im J. 741 betrug die Einwohnerzahl nach der Landesgeschichte nur zwischen 48 und 49 Mill. Die eigentlichen Chinesen, der merkwürdigste Zweig der mongol.-turan. Völkerfamilie, sind nicht ursprüngliche Bewohner dieses Landes, sondern in vorhistor. Zeit von ihrem frühern Wohnsitze in Innerasien, wahrscheinlich der Gegend des Nordwest-Endes der nachmaligen Großen Mauer, dem obern Laufe des Hoang-ho folgend, in dasselbe eingewandert, um sich zuerst in der Provinz Schen-si niederzulassen. Die frühere Bevölkerung war wahrscheinlich wenig zahlreich und ging im N. in dem Maße, als die Einwanderer an Zahl, Macht und Bildung zunahmen, bis zu gänzlicher Verschmelzung in denselben auf. Der S. wurde erst spät dauernd unterworfen, wenn man von den noch immer mehr oder weniger unabhängigen, namentlich die Gebirge von Kwei-tschou, Jün-nan und Kwang-si bewohnenden Miao-tze absieht. So verschwanden die Zhung im W., die Ti im N., die I im O., während der Name der Ureinwohner des S. Man (Man-tze) sogar ein Spitzname auch für die dort wohnenden Chinesen wurde, sodaß man Man-zi, den Namen, welchen Marco Polo dem südlichen China gab, davon abgeleitet hat. Auch die spätern Beimischungen infolge der Herrschaft türk., tungus. und mongol. Stämme im nördlichen China seit dem 4. Jahrh. mußten chines. Sprache und Sitte weichen. Die Bevölkerung des eigentlichen China ist also trotz ihrer ungeheuern Menge eine, mit Beziehung auf physische Bildung, Sprache, geistige Anlagen und Charakter auffallend gleichartige. Gegenwärtig genießen zwar die Mandschu noch einige Sonderrechte, haben aber ebenfalls Sitten und Sprache der Chinesen (auch in der südl. Mandschurei) angenommen. Die Mischlinge von Türken, Mongolen und Chinesen im NW. bekannten sich, wenn auch die Sprache der letztern redend, zu einem nicht unbedeutenden und einflußreichen Teile vor dem letzten Aufstande noch zum Islam. In dem an Kuku-nor grenzenden Teile von Kan-su haben sich noch Tanguten, eine Mischung von Tibetanern und Mongolen, erhalten. Die seit dem vorigen Jahrhundert bedeutend nach W. vorgerückte Grenze von Sze-tschwan schließt viele tibetan. Stämme (Si-fan) ein. Von den teilweise noch unabhängigen Stämmen der Miao-tze sind nach Edkins in Kwei-tschou die Lo-lo mit den Birmanen, die Tschung mit den Lao und den Siamesen verwandt. Sonst wohnen dort noch die Sung, die Tschai, die Long, die Tsing-tschu-lung und die (Khi-)Lau, die weißen Miao, die blauen Miao, in Jün-nan schwarze und weiße Lo-lo, Thu-liao, Tho-lao, Lo-bu, Ai-lao und Kwei-lo-man, in Kwang-si Tung und Jao, letztere auch im nordwestl. Kwang-tung, auf Hai-nan die noch wenig bekannten Li, in Formosa die mit den Ureinwohnern der Philippinen und den Malaien verwandten Favorlang, Sakam und Sideia. Nach neuern Forschungen von Edkins und Dr. F. Müller bedienen sich die von den Chinesen Pa-i genannten Eingeborenen, welche sich selber Luk-tai («Kinder der Freien oder Siamer») nennen und namentlich in Jün-nan zu Hause sind, einer der birmanischen ähnlichen Schrift; der Pa-pai der Chinesen, welche zu den Laos gehören, hat dagegen eine der siamischen verwandte Schriftgattung. - Hinsichtlich der Leibesbildung finden sich bei den Chinesen durchgängig folgende Eigentümlichkeiten: die Haare sind schwarz und glatt; der Bartwuchs ist im allgemeinen schwach; die Augen, fast immer mit dunkler Pupille, erscheinen infolge einer eigentümlichen Faltenbildung des obern Augenlides enggeschlitzt und schiefstehend. Die Hautfarbe zeigt alle Schattierungen von dem zarten, gelblichen Weiß der vornehmen Frauen bis zu dem gesättigten, bräunlichen Gelb der Fischer und Ackerbauer in den südl. Küstenprovinzen. (Vgl. Tafel: Asiatische Völkertypen, Fig. 9, 10.) Die Übervölkerung der südl. Küstengebiete hat die Einwohner seit Jahrhunderten in Menge zur Auswanderung getrieben. Namentlich ist dieses mit Fu-kien der Fall, von wo sie sich teilweise nach Kwang-tung richtete, wo diese Einwanderer Hakka, «Gäste», genannt werden, teilweise nach Formosa, welches erst seit dem 17. Jahrh. mehr und mehr vom Festlande aus besiedelt wurde. Aber auch in weit entlegene Länder drang der Strom dieser Auswanderer, nach Vorder- und Hinterindien, den malaiischen Inseln, den Molukken, Borneo, den Philippinen, Japan und in neuerer Zeit nach Kalifornien, Peru und Australien. (S. Chinesenfrage.) In einigen Städten, wie Singapur und Bangkok, bilden die Chinesen einen Hauptteil der Bevölkerung. Die Einwohnerzahl der Städte wird bald über-, bald unterschätzt. Die bevölkertsten Städte sind: Peking, Nan-king, Kanton, Wu-tschang (mit den gegenüberliegenden Städten Han-jang und Han-kou), die Marktörter Fu-schan und King-te-tschin, Tien-tsin, Schang-hai, Hang-tschou, Amoy, Futschou u. a. - Was Gemütsart und Geistesanlagen der Chinesen anlangt, so rühmt man ihnen im ganzen große Arbeitsamkeit und Genügsamkeit nach. Das Bewußtsein vom Alter der chines. Bildung artete bisher leicht in einen übertriebenen Stolz allem Ausländischen gegenüber aus.
Landwirtschaft. In der Landwirtschaft sind die Chinesen die Lehrmeister von ganz Ostasien geworden. Die Geschichte des Ackerbaues führen sie bis auf Schen-nung, den zweiten der mythischen Herrscher, zurück. In den ältesten Zeiten war der Grund und Boden Gemeingut aller; jeder Mann von 20 bis 30 Jahren, der über die zur Bebauung und Erhaltung erforderlichen Kräfte und Fähigkeiten verfügte, konnte so viel Land occupieren, als ihm gut dünkte. Eine Wandlung dieser Verhältnisse hatte das Regierungssystem der Hia-Dynastie (2207-1766) zur Folge, indem das Wahlreich in ein erbliches überging und der jeweilige Herrscher durch Verteilung von Grund und Boden an die angesehensten Familien diese dauernd an sich und sein Haus zu fesseln suchte. Es entstand ein so kompliziertes Vasallensystem, daß man im 11. Jahrh. an 1800 Fürstentümer und Feudalherrschaften zählte.
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Eine weitere Folge war ein eigener Modus der Feldverteilung an die einzelnen Bauern: das sog. kommunale oder Brunnenfeldersystem (Tsing-tien). Jedes Quadrat-Li (zu 900 Mou) wurde in 9 gleiche Quadrate geteilt, von denen das mittlere Eigentum des Staates blieb und für diesen bebaut werden mußte, die umliegenden acht jedoch acht Familien zur Bebauung übergeben wurden. Erst im 3. oder 4. Jahrh. v. Chr. wurde diese alte Güterverteilung aufgehoben und ein volles Privateigentum an Grund und Boden ermöglicht. Dem rapiden Verfall, in den die Landwirtschaft infolgedessen geriet, konnten die verschiedensten Maßregeln nicht Einhalt thun, bis endlich die Ming-Dynastie (1368-1644) nach Vertreibung der Mongolen einen selbständigen Bauernstand dadurch wieder großzog, daß die ziemlich großen Kronländereien an einzelne Familien verpachtet wurden. Die Maßregel bewährte sich, und um eine rasche Ausdehnung der Kronländereien zu ermöglichen, wurde gesetzlich verordnet, daß mit Ausnahme des Adels jedermann das 100 Mou übersteigende Grundeigentum gegen eine billige Entschädigung der Regierung überlassen müsse. In weiterer Ausbildung bestehen diese Agrarverhältnisse noch heute. Dem Staate gebührt das wirkliche Eigentum an Grund und Boden (tien-ti), nur das Nutznießungsrecht (tien-mien) kann von Privaten frei veräußert und erworben werden, mit der Beschränkung jedoch, daß jeder Familie ein unverletzliches und unveräußerliches Erbgut (früher 30, gegenwärtig nur etwa ¾ ha) verbleiben muß. Die Bodenbearbeitung selbst ist eine äußerst intensive und trotz der sehr primitiven Ackergeräte (Pflug, Egge) eine rationelle zu nennen. Namentlich setzte eine ausgezeichnete Düngungs- und Bewässerungsmethode den Chinesen in den Stand, den noch ziemlich jungen Alluvialboden der großen Ebene fruchtbar zu machen. Da Viehzucht wenig betrieben wird, dienen als Dungmittel menschliche Exkremente, Ölkuchen, Wasserpflanzen, Asche, Kompost, Abfälle u. s. w. Was die Bewässerung betrifft, so weiß schon das Tschou-li von einer wohlorganisierten Feldbewässerung und einem ausgebildeten Kanalisationssystem zu erzählen. Eine besondere Eigentümlichkeit, die Terrassierung, findet sich besonders in volkreichen Gegenden, wo die Abhänge der Hügel und Berge in Terrassen geebnet sind, welche gleichfalls - allerdings mit großer Mühe - ertragfähig gemacht werden. Von Bodenprodukten sind hauptsächlich Thee, Reis, Hirse, Mais, Hafer, Gerste, Hülsenfrüchte, Gemüse, in den südl. Gegenden das Zuckerrohr und die Baumwollstaude zu erwähnen. Die Obstbaumzucht ist arg vernachlässigt.
Industrie. Die chines. Industrie reicht in ein sehr hohes Alter zurück; für ihre große Bedeutung in alter Zeit spricht am besten die Thatsache, daß Korea und Japan ihre gesamte gewerbliche Thätigkeit von den Chinesen gelernt haben. Allerdings übertrafen die Schüler sehr oft die Meister, um so mehr jetzt, wo das chines. Kunstgewerbe erheblich zurückgegangen ist. Die ostasiat. Industrie ist bis auf den heutigen Tag Hausindustrie geblieben. In vielen Fällen ist der Bauer selbst auch Handwerker, indem er über den Winter die gewonnenen Rohstoffe verarbeitet. Selbst die Montanindustrie arbeitet mit den denkbar einfachsten Mitteln. Die Gewinnung ist freilich keine schwierige, die jährliche Ausbeute an Erzen und Kohlen steht aber noch in keinem Verhältnis zu dem thatsächlichen Reichtum des Landes. Besonders Kohle sickert China eine große Zukunft. Salz wird aus Meerwasser durch Einwirkung der natürlichen Sonnenwärme oder durch künstliche Mittel gewonnen. Die Textilindustrie erhält durch die Seidenkultur ihre hauptsächlichste Nahrung; Baumwolle, Hanf und Chinagras werden überall verarbeitet. Am meisten wird diese Industrie in Kanton, Fat-schan und in der zwischen beiden Städten gelegenen Gegend betrieben, wo Tausende von Leuten mit dem Weben, Färben und Sticken der verschiedenartigsten Stoffe und Posamentierwaren beschäftigt sind. Die einstmals so ruhmreich betriebene Kunst des Metallschmiedens und Bronzegießens, welche die Japaner mit so großem Erfolg übernommen haben, ist heute zum großen Teil ganz vergessen. Einen matten Schimmer ehemaliger Herrlichkeit weist noch die heutige keramische Industrie auf. Die Porzellanmanufaktur, welche in Europa bekanntlich erst Anfang des 18. Jahrh. aufkam, kannten die Chinesen bereits im 7. Jahrh. Der Hauptsitz dieser Industrie ist seit alters her King-te-tschin in der Provinz Kiang-si (unweit des Po-jang-Sees), das in frühern Jahren über 3000 Öfen und eine Mill. Arbeiter beschäftigte. Viele der Farbenkombinationen und Glasuren, welche man an den alten Vasen, Kannen, Tassen, Schalen, Tellern u. s. w. bewundert, sind dem Gedächtnis der heutigen Generationen verloren gegangen, ja auch gewisse Kunstfertigkeiten selbst, wie die Verfertigung des berühmten dünnen und durchsichtigen Spitzenmuster-Porzellans. Die Lackindustrie, welche die Chinesen durch Verwertung des Saftes der Raus vernicifera, zuerst hervorriefen, hat längst in Japan eine neue Heimat gefunden. In C. blüht sie um Kanton, Fu-tschou und Su-tschou; den Hauptmarkt für diese wie für alle andern kunstgewerblichen Artikel bildet Kanton. Einem ziemlich ausgedehnten Industriezweige gab auch die Verfertigung von Kuriositäten ans Holz, Elfenbein, Krystall, Nephrit, Gold und Silber, Email u. s. w. das Leben. Außerdem finden sich noch hier und da kleinere Industriezweige, wie die Flechterei von Körben, Matten, Hüten, Erzeugung von Zuckerwaren u. s. w. Über Papier und Buchdruck s. unten unter Kulturzustand (S. 201 a).
Handel. Der Handel mit dem Auslande ist in stetem Zunehmen begriffen. Dem fremden Handel sind 20 Häfen geöffnet: 1) Kanton, 2) Amoy, 3) Fu-tschou, 4) Shang-hai, 5) Ning-po (seit dem Frieden von Nan-king 1842), 6) Tien-tsin, 7) Niu-tschwang, 8) Tschi-fu, 9) Thai-wan (Takao), 10) Tam-sui, 11) Scha-tou, 12) Han-kou, 13) Kiu-kiang, 14) Tschin-kiang, 15) Khiung-tschou auf Hai-nan infolge des Vertrages von Tien-tsin 1858 (Khiung-tschou erst seit 1. April 1876 wirklich eröffnet), 16) I-tschang und 17) Wu-hu am Jang-tse-kiang, 18) Wen-tschou in Tsche-kiang, 19) Pak-hoi (Pei-hei) in Kwang-tung, infolge des Vertrags von Tschi-fu (1876), 20) Tschung-king (1891). Hierzu kommen Lappa bei Macao, Kau-lung seit 1887 und folgende Jang-tse-Häfen, in denen Waren aus Schiffen fremder Bauart gelöscht werden dürfen: 1) Ngan-king (An-king), die Hauptstadt von Ngan-hwei, 2) Ta-tung zwischen Ngan-king und Wu-hu, 3) Wu-hüe oberhalb Kiu-kiang, 4) Lu-ki-kou oberhalb Han-kou, 5) Scha-schi bei King-tschou in Hu-pe. Seit 1. Juni 1889 ist das Grenz-Zollamt von Lung-tschou, seit 28. Aug. das von Möng-tze geöffnet, beide infolge des 26. Juni 1887 in Peking unterzeichneten zweiten Zusatzartikels zum franz.-chines. Friedensvertrag. Ersteres liegt
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unterhalb Langson am Sung-ki, welcher zum Stromgebiet des Si-kiang gehört, im Bezirk Tai-ping in Kwang-si, letzteres, in drei Tagereisen von Man-hao, dem Ende der Schiffbarkeit des Roten Flusses, zu erreichen, ist eine zu Lin-ngan in Jün-nan gehörige Kreisstadt. Im Juli 1889 war der erste franz. Dampfer bis nach Lao-kai gelangt. Die fremden Zollämter unterstehen dem Inspector General of Customs in Peking. Die jährlichen Handelsberichte aller Zollämter werden in den «Returns of Trade and Trade Reports» zusammengestellt. Hierin bestehen die einzigen zuverlässigen Nachweise über den chines. Handel. Die Zölle betragen im ganzen 5 Proz. des zur Zeit des Vertrags von Tien-tsin zuerkannten Wertes, bei Opium 30 Taels für 100 chines. Pfund. Nach obiger Quelle, welche die Berichte der genannten 20 fremden Zollämter nebst denen der Zollämter von Kau-lung, Lappa, Möng-tze und Lung-tschou zusammenfaßt und nur ausnahmsweise die Ladungen von Schiffen einheimischer Bauart mit einbegreift, ergeben sich für Einfuhr und Ausfuhr folgende Werte. Der Wert des Handelsverkehre für 1892 von 308434712 Taels (gegen 308203367 für 1891) ergiebt sich aus dem Werte der Einfuhr fremder Waren von 143291149 Taels (gegen 142052907), worunter 135101198 Taels neu eingeführter (gegen 134003863), und dem Werte der Ausfuhr von 165143563 Taels (gegen 165550460), bestehend aus 102583525 Taels (gegen 100947849) für Ausfuhr ins Ausland und 62560038 Taels für den Küstenhandel u. s. w. (gegen 64602611).
Ein Bild von dem Anteil der einzelnen Staaten an dem Handel von 1892 in den Vertragshäfen u. s. w. giebt folgende Tabelle (Wert in Taels):
Länder | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
Großbritannien | 28870150 | 10476249 |
Über Hongkong | 69816916 | 40701434 |
Ostindien | 13861094 | 1402891 |
Singapur und Straits Settlements | 1919768 | 1404389 |
Australien, Neuseeland u. s. w. | 320169 | 1625807 |
Südafrika | - | 214501 |
Britisch-Amerika | 694904 | 159151 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 6061900 | 10784655 |
Südamerika | - | 268 |
Europa (Kontinent ohne Rußland) | 5128142 | 17166540 |
Rußland über Odessa zur See | 391044 | 1955460 |
Rußland und Sibirien (über Kiachta) | - | 4062629 |
Russische Mandschurei | 159709 | 1025161 |
Japan | 6702302 | 8053732 |
Über Macao | 3178519 | 1684635 |
Philippinen | 43726 | 160815 |
Cochinchina, Tongking und Annam | 200108 | 196808 |
Siam | 37147 | 345288 |
Java und Sumatra | 21421 | 433172 |
Asiatische Türkei, Persien, Ägypten, Algerien und Aden | 15653 | 729940 |
Der russ. Überlandhandel steht nur teilweise unter der Aufsicht der fremden Zollbehörden. Von den Tien-tsin erreichenden Waren werden zwei Drittel des Einfuhrzolles erhoben, und derselbe Satz besteht für das Kia-jü-kwan an der großen Mauer bei Su-tschou. Der Grenzverkehr ist bis 100 Li von der Grenze zollfrei; vorläufig gewährte der Vertrag von 1881 noch Zollfreiheit bis an die große Mauer. An 35 Stellen von Zuruchaitujewsk über Kiachta nach Westen dürfen die Waren die Grenze überschreiten. Russ. Konsulate bestehen außer in Fu-tschou, Shang-hai, Han-kou und Tien-tsin auch in Urga, Kaschgar, Kuldscha und Tschugutschak (Tar-bagatai). Die Errichtung von Konsulaten ist noch vorbehalten für Kobdo, Uljassutai, Gutschen (Ku-tschöng), Urumtschi, Turfan, Chami und Su-tschou. Außer den Fremdenzöllen besteht noch ein besonderer Tarif für gewisse russ. Waren. Die Opiumeinfuhr über die russ.-chines. Grenze ist verboten.
Die Opiumeinfuhr betrug 70928,95 Pikul (zu 100 chines. Pfund) im Werte von 27418152 Taels im J. 1892 (gegen 77226,86 Pikul im Werte von 28333156 Taels im J. 1891). Die Einfuhr ind. Opiums nahm wegen der Beschränkung des Opiumhandels durch die ind. Regierung ab, während die des pers. Opiums ein wenig zunahm. Der Wert der ind. Baumwollgarne betrug im J. 1892 schon 21056464 Taels (gegen 19396855 im J. 1891 und 17507547 Taels im J. 1890), der der eingeführten Baumwollwaren überhaupt 52707432 Taels. Wollwaren wurden 1892 eingeführt im Werte von 4794230 Taels (gegen 4695256 im J. 1891), Metalle im Werte von 7130866 Taels (gegen 7254448), Reis im Werte von 5826455 Taels (gegen 6597259), amerik. Steinöl im Werte von 4081706 Taels (gegen 4308839), russ. Steinöl im Werte von 967847 Taels (gegen 958212), Fische u. s. w. im Werte von 2686228 Taels (gegen 2640444), Zucker im Werte von 2447807 Taels (gegen 1774111), Steinkohlen im Werte von 2007685 Taels (gegen 1708293), Zündhölzer im Werte von 1423896 Taels (gegen 1506591) bei Zunahme der Ware von 4894611 auf 5227598 Gros. - Ausgeführt wurde Thee zu 25983500 Taels für 1622680,82 Pikul im J. 1892 (gegen 31028584 Taels für 1750034,01 Pikul im J. 1891), der niedrigste Stand seit neun Jahren. Die Ausfuhr von schwarzem Thee nach Odessa betrug 1892 nur 117254,35 Pikul (gegen 189025 Pikul im J. 1891), was mit der Hungersnot in Südrußland zusammenhängen soll; 367707,70 Pikul wurden teils über Tien-tsin, teils von Han-kou den Han-kiang hinaus bis Fan-tsching und von da über Land nach Kiachta, wovon 89706,58 Pikul schwarzer, das übrige meist Ziegelthee, 50855,03 Pikul nach der russ. Mandschurei befördert. Großbritannien ist mit 361457,61 Pikul beteiligt, Hongkong mit 138473,85 Pikul (großenteils schwarzem Thee), auf die Vereinigten Staaten kommen 307923,44 Pikul (großenteils grüner Thee). Seide und Seidenzeuge wurden 1892 ausgeführt im Werte von 38292130 Taels (gegen 36902026 im J. 1891), wovon auf weiße Rohseide kamen 23810567 Taels (gegen 22109749), auf gelbe Rohseide 2032252 Taels (gegen 2405742), auf wilde Seide 1479225 Taels (gegen 1513670). Bedeutend hat die Ausfuhr von Baumwolle zugenommen; im J. 1892 wurde für 5089361 Taels (gegen 3841129 im J. 1891) ausgeführt und zwar großenteils nach Japan. Zucker wurde 1892 ausgeführt für 2073402 Taels (gegen 2594460 im J. 1891). Die Ausfuhr von Strohflechten, nicht unwichtig für die deutsche Strohhuterzeugung, hatte 1892 einen Wert von 2056856 Taels (gegen 1605234 im J. 1891). Von den von jeher vorzugsweise aus China bezogenen Waren ist die Ausfuhr von Cassiarinde (früher von beinahe zehnfachem Belang) und Kampfer etwas gestiegen, erstere von 405265 Taels im J. 1891 auf 589329 Taels im J. 1892, letztere von 279250 Taels auf 307992 Taels; die von Porzellan und Töpferwaren von 808239 Taels auf 1084008 Taels. Die Fächer sind von 32993263 Stück zu 466048 Taels auf 26089749 zu 350665 Taels gesunken. Unter den Waren, die jetzt aus Japan eingeführt werden, sind Zündhölzer zu erwähnen. Die Einfuhr von Gold betrug 1892: 7,3 Mill., von Silber 4,8 Mill. Taels.
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Das Deutsche Reich hat ein Generalkonsulat in Shang-hai und Konsulate in Amoy, Thai-wan, Kanton, Fu-tschou, Tien-tsin und Tschi-fu, Vicekonsulate in Han-kou, Scha-tou (Swatow), Khiung-tschou, Ning-po, Niu-tschwang und Tam-sui. Die Klagen werden bei den Konsulaten angebracht, und die letzte Instanz ist in der Heimat des Beklagten. Auch Chinesen pflegen diesen Weg einzuschlagen, obgleich die Beihilfe der chines. Behörden zugleich angesprochen werden kann. Chinesen werden von Fremden in ihrem Konsulat und bei dem dazu bestimmten Beamten verklagt, und ein Beamter des Konsulats wirkt als Beisitzer, in zweiter Instanz ein höherer Beamter (Tao-tai) und der Konsul. Weitere Berufungen gehen nach Peking, wo die Gesandten und das Auswärtige Amt weiter beschließen.
In den Vertragshäfen hat sich die Zahl der Fremden und der von solchen geleiteten Geschäfte sehr vermehrt; man führt 579 der letztern (Banken, Groß- und Kleinhandelshäuser u. s. w.) und 9945 der erstern an (Handelsbeflissene, Ärzte, Missionare und Geistliche u. s. w.). Hiervon kommen 363 Häuser und 3919 auf das Britische Reich, 31 und 1312 auf die Vereinigten Staaten von Amerika, 78 und 732 auf das Deutsche Reich, 29 und 862 auf Frankreich, 15 und 143 auf Rußland, 4 und 315 auf Spanien (Philippinen), 3 und 142 auf Dänemark, 1 und 286 auf Schweden-Norwegen, 4 und 212 auf Italien, 36 und 1087 auf Japan, 7 und 659 auf Portugal (Macao), 4 und 82 auf Österreich-Ungarn, 2 und 108 auf Länder ohne Vertrag mit China, 2 und 73 auf die Niederlande, 12 einzelne auf Belgien, 1 auf Brasilien.
Banken und Geldwesen. Die einheimischen Banken sind zahllos und geben Bankscheine mit Vermerk der Verfallzeit aus, deren Zahl die der Regierung weit übersteigt, hier und da auch für geringe Beträge, wozu auch Bambusbrettchen mit nur örtlichem Umlauf dienen. Ausländische Banken sind in den Vertragshäfen besonders in Shang-hai. Im Kleinhandel gebraucht man Messingmünzen von weniger als Pfennigwert (s. Cash); bei größern Zahlungen gestempelte Silberschuhe (jüan-pao) bis zu 50 Taels (s. Tael) an Wert oder Silberstücke nach Gewicht. Das Kupfergeld war bisher gegossen worden, bis der frühere Oberstatthalter von Kanton, Tschang, dort eine großartige Münze nach europ. Muster errichtete. Erst Mitte 1890 wurde auch Silbergeld geprägt, das teils dem in den Küstenorten üblichen mexik. Dollar mit 70 Proz. Silber und Teilen desselben (½ mit 86 Proz., 1/5, 1/10, 1/20 mit 82 Proz.) entspricht. Da die kaiserl. Genehmigung erfolgt ist, kann man auf eine weitere Verbreitung des neuen Geldes rechnen.
Verkehrswesen. Der Schiffsverkehr (ohne Kau-lung und Lappa bei Makao) für 1892 ergiebt folgendes Bild:
Nationalität | Von und nach China ein- u. ausgelaufene Schiffe | Proz. nach Tonnengehalt | Küstenschiffahrt ein- u. ausgelaufene Schiffe | Proz. nach Tonnengehalt | |
---|---|---|---|---|---|
Großbritannien | 4355 | 70,1 | 14618 | 64,2 | |
China | 518 | 4,1 | 14014 | 27,8 | |
Deutschland | 974 | 10,3 | 1042 | 3,2 | |
Japan | 482 | 6,2 | 237 | 0,8 | |
Frankreich | 143 | 3,6 | 1 | - | |
Vereinigte Staaten von Amerika | 38 | 0,4 | 73 | 0,1 | |
Übrige Nationen | 398 | 5,3 | 1034 | 3,9 | |
Zusammen | 6908 | 100,0 | 31019 | 100,0 |
Die Häfen zeigen eine Zunahme des Verkehrs gegen das Vorjahr, besonders Niu-tschwang; nur Amoy, Khiung-tschou und Tschi-fu weisen einen Rückgang auf. Von den fremden Nationen ist Großbritannien am stärksten vertreten; in der Küstenschiffahrt steigt der Verkehr chines. Fahrzeuge von Jahr zu Jahr. Von den 37927 Ein- und Ausfahrten des J. 1892 waren die verschiedenen Flaggen folgendermaßen beteiligt:
Vertragshäfen (von Nord nach Süd) | Ein- und ausgelaufen Fahrten | Mill. t | Darunter Dampfer Fahrten | Mill. t | Unter deutscher Flagge Fahrten | t |
---|---|---|---|---|---|---|
Niu-tschwang | 856 | 0,66 | 754 | 0,61 | 232 | 166822 |
Tien-tsin | 1298 | 1,01 | 1198 | 0,97 | 58 | 32650 |
Tschi-fu | 2623 | 2,15 | 2540 | 2,11 | 218 | 164118 |
I-tschang | 4359 | 0,24 | 262 | 0,13 | - | - |
Han-kou | 2198 | 1,48 | 1387 | 1,37 | 4 | 4596 |
Kin-kiang | 2254 | 2,37 | 2166 | 2,36 | 2 | 2218 |
Wu-hu | 3202 | 2,63 | 2388 | 2,59 | 32 | 28700 |
Tschin-kiang | 4169 | 3,16 | 2692 | 2,94 | 72 | 66554 |
Shang-hai | 6396 | 6,54 | 5671 | 6,32 | 531 | 425206 |
Ning-po | 1161 | 0,98 | 849 | 0,94 | 8 | 4236 |
Wen-tschou | 89 | 0,02 | 72 | 0,02 | - | - |
Fu-tschou | 686 | 0,59 | 571 | 0,53 | 34 | 17574 |
Tam-sui | 286 | 0,16 | 268 | 0,16 | 15 | 6377 |
Thai-wan (Takao) | 189 | 0,11 | 168 | 0,11 | 19 | 11391 |
Amoy | 1939 | 1,75 | 1776 | 1,68 | 119 | 74657 |
Scha-tou | 1903 | 1,83 | 1899 | 1,83 | 54 | 48064 |
Kanton | 3491 | 3,24 | 3485 | 3,24 | 230 | 202786 |
Khiung-tschou | 625 | 0,34 | 625 | 0,34 | 294 | 164364 |
Pak-hoi | 203 | 0,09 | 203 | 0,09 | 94 | 45820 |
Zusammen | 37927 | 29,44 | 28974 | 28,41 | 2016 | 1466133 |
Nach Tschung-king durften Dampfer noch nicht fahren. Der früher beanstandete Verkehr kleiner Dampfboote auf den schmalen Wasserläufen im Innern nimmt immer mehr zu, namentlich in Kwang-tung; seit Anfang 1889 war auch das Befahren des Si-kiang seitens chines. Dampfer gestattet. Von unmittelbarer Wichtigkeit für den Weltverkehr ist die endlich in Angriff genommene Baggerung der Wu-sung-Barre bei Shang-hai, welche lange als ein vom Himmel gesandter Küstenschutz betrachtet worden war und während des Krieges zum Entsetzen der fremden, Einsprache erhebenden Bevölkerung durch versenkte Schiffe hatte verstärkt werden sollen. Am 18. Mai 1889 wurde unter großen Festlichkeiten das Werk endlich begonnen. Auch zur Ausbaggerung des Gelben Flusses hat sich der Statthalter von Schan-tung eine Anzahl Bagger kommen lassen. Die Schiffahrt war unterhalb Tien-tsins noch Mitte 1890 durch Versandung verhindert, und man mußte nördlich der Mündung bei Pei-tang Güter löschen, bis die andere Gefahren bringenden Regen des folgenden Sommers diese Not beseitigten. Anfang 1890 mußte der Kaiserkanal (s. d.), auf dem in den beiden vorigen Jahren keine Reisflotten befördert waren, vertieft werden.
Der innere Verkehr wird im mittlern China vorzugsweise zu Wasser bewerkstelligt; sonst bedient man sich auch der Maultiere und im Norden der Kamele.
Eisenbahnen. Ende 1890 waren im ganzen 200 km Eisenbahnen vorhanden. Die Anlage von Eisenbahnen ist bei dem Fanatismus der Bevölkerung sehr schwierig. Die erst 30. Juni 1876 eröffnete kurze Bahnlinie vom Hafen in Shang-hai nach Kiang-wan wurde bereits 1877 von der Bevölkerung wieder zerstört. Alle weitern Bemühungen, die Regierung zu thatkräftigem Vorgehen zu bewegen, blieben erfolglos. Die Regierung konnte sich nicht entschließen, den Ausbau der vier großen Linien von
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Tschin-kiang (in Kiang-su) nach Peking, von Hankou nach Peking, von Peking nach der Mandschurei und nach der Provinz Kan-su zu übernehmen und die Herstellung anschließender Nebenbahnen Privatgesellschaften zu übertragen, obschon diese Bahnen für die Verteidigung des Landes und zur Abwehr von Hungersnöten unentbehrlich sind. Nur eine Kohlenbahn (11 km) für die Ausbeutung der Kohlenlager bei Tang-schan (Provinz Pe-tschi-li) wurde einem engl. Unternehmer genehmigt und 1880 eröffnet. 1886 wurde diese Linie von der Chinesischen Eisenbahngesellschaft übernommen, dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht und weiter geführt. Die Strecke Tang-schan-Jen-kwang (37,6 km) heißt Kai-ping-Bahn, die westl. Verlängerung über Ta-ku nach Tien-tsin (77,5 km), deren Teilstrecken bis Lu-tai im Mai 1887, bis Ta-ku bez. Tang-ku im Okt. 1888 und bis Tien-tsin im Nov. 1888 eröffnet wurden, heißt Tien-tsin-Ta-ku-Bahn. Die Verbindung mit der Kai-ping-Bahn wurde im Dez. 1888 fertiggestellt, und die östl. Verlängerung von Tang-schan nach Kai-ping (8,86 km) unter dem Namen «Neue Kai-ping-Bahn» im Dez. 1889 eröffnet. Hiermit war die erste größere Eisenbahn mit 11 Stationen vollendet und ein wichtiger Schritt zur weitern Entwicklung des Eisenbahnbaues gethan. Die der Gesellschaft Ende 1888 erteilte Genehmigung zum Weiterbau der Bahn in der Richtung auf Peking wurde zwar später wieder zurückgezogen, indes ist die östl. Verlängerung von Kai-ping aus vorläufig bis zur Hafenstadt Schan-hai-kwan am Endpunkte der großen chines. Mauer genehmigt und von Ku-je bis Lwan-tschou (32 km) eröffnet. Auch wird mit Rücksicht auf den Bau der großen Sibirischen Eisenbahn (s. d.) aus strategischen Gründen eine Verlängerung der Linie Kai-ping-Schan-hai-kwan über Niu-tschwang und Mukden vorläufig bis Kirin in der Mandschurei geplant. Neuerdings sind seitens der Regierung jährlich etwa 2 Mill. Taels für Eisenbahnzwecke zur Verfügung gestellt worden, wozu die einzelnen Provinzen beisteuern sollen. Eine chines. Gesellschaft hat inzwischen die Genehmigung zum Bau einer Bahn von Kau-lung (gegenüber Hongkong) nach Kanton (204 km) nachgesucht. Außerdem ist in der Provinz Schan-tung die Herstellung einer schmalspurigen (1 m) Bahn von den Kohlengruben bei Liu-kou nach dem Hafen Hu-tou-je (85 km) an der Südseite des Golfs von Pe-tschi-li geplant. Der Verkehr auf der Bahn Kai-ping-Tien-tsin hat sich lebhaft entwickelt; die chines. Gesellschaft erzielte auf der Kai-ping-Bahn in den ersten Jahren sogar eine Verzinsung des Anlagekapitals (250000 Taels) von 7,2 Proz. Dieses günstige Ergebnis ist nur dadurch erreicht worden, daß alle Reparaturen u. s. w. von den Arbeitern der im Bau befindlichen Tien-tsin-Ta-ku-Bahn besorgt wurden; nach Fertigstellung der letztern, deren Bau infolge des sumpfigen Bodens und der vielen Brückenbauten im Rohbau allein 1,3 Mill. Taels gekostet hat, ergab sich im Betriebsjahre 1888-89 ein Fehlbetrag, obschon der Güterverkehr nicht nachgelassen hatte. Eine Eisenbahnschule, die der Oberstatthalter Li-hung-tschang 1890 in Tien-tsin in Verbindung mit der dereits bestehenden Kriegsschule begründete, ist dazu bestimmt, die nötigen technischen Hilfskräfte für den Eisenbahnbau und -Verkehr heranzubilden.
Der Merkwürdigkeit halber sei noch erwähnt, daß sich im Garten des kaiserl. Palastes zu Peking eine kleine Eisenbahn befindet, auf der drei von dem franz. Syndikat geschenkte Wagen durch Menschenkräfte bewegt werden; auch wird auf einem Exerzierplatz in der Nähe des bei Peking gelegenen Lustschlosses Wan-schou-schan eine Eisenbahn von etwa 5 km Länge gebaut, auf der eine Lokomotive und drei Wagen Verwendung finden sollen. Augenscheinlich sollen diese Anlagen die Vorurteile besiegen helfen, die in China gegen Eisenbahnen herrschen und die Entwicklung des Eisenbahnnetzes bisher verhindert haben. (S. auch Formosa.)
Post und Telegraph. Unsere Post wird durch die verschiedenen Versandgeschäfte ersetzt, deren Schilder die Richtung angeben, in der sie Sendungen befördern. Unter dem Kriegsministerium stehen die Ti-tang oder Oberpostverwalter für die verschiedenen Provinzen in Peking und den Hauptstädten der letztern. Tausende von Botenämtern sind von Tagereise zu Tagereise über das Land zerstreut, wo die zu benutzenden Pferde bereit stehen. Andere als amtliche Sendungen werden nur ausnahmsweise befördert. In Shang-hai ist neben der engl., der franz., der amerik. und der deutschen Post eine solche für die fremde Gemeinde, welche durch die verschiedenen Gelegenheiten (Küsten- und Stromdampfer u. s. w.) auch Sendungen ins Innere befördert. Auf Formosa hat der Statthalter eine Art Botenpost für den allgemeinen Gebrauch errichtet. - Außer den Kabeln der Eastern-Extension Telegraph Company und der Great-Northern Telegraph Company, welche die Küstenplätze mit Japan, Sibirien und Europa verbinden und den seit 1874 und 1877 bestehenden Telegraphenlinien zwischen Fu-tschou, dem Pagoda-Ankerplatz und dem Arsenal, zwischen Tien-tsin und dem Arsenal und zwischen Tam-sui und Thai-wan giebt es nunmehr lange Telegraphen-Verbindungen im Norden von Port-Arthur auf der Liau-tung-Halbinsel bis nahe an den Amur, oder wahrscheinlich schon bis zum Anschluß an der russ. Grenze mit Abzweigungen nach Korea und Tien-tsin, von Tien-tsin nach Peking und Pao-ting, von Tschi-fu nach Tsi-nan, von Shang-hai nach Han-kou, I-tschang und Tschung-king, von Kanton nach Lung-tschou und Möng-tze, welches wieder über Jün-nan-fu mit Tschung-king in Verbindung steht. Von Wu-tschou geht ein Zweig nach Kwei-lin ab. Formosa und Hai-nan sind mit dem Festland verbunden.
Seit 1881, wo der erste Landtelegraph Shang-hai mit Tien-tsin verband, ist jetzt eine einheimische Telegraphenverwaltung hinzugetreten, welche unter dem Tao-tai von Tschi-fu Schöng steht, dem Lieutenant H. Bohr und H. China Böjessen, beide Dänen, als Oberverwalter und Oberingenieur beigegeben sind. Bis 1890 waren Strecken von 34900 Li (2,78 = 1 engl. Meile) mit Leitungen und Drähten von 49464 Li Länge versehen, wozu noch die Strecke bis zum Amur (5000 Li) und die im Bau befindliche von Pao-ting-fu bis Kia-jü-kwan (bei Su-tschou) im Nordwesten (4029 Li) kommen. Bis auf etwa 10 Dänen sind die Angestellten Chinesen. Gegen die in den Köpfen der Anwohner spukenden Geister des «Windes und Wassers» (föng-schwei) mußten die Anlagen anfangs gelegentlich durch Truppen geschützt werden.
Im Frühjahr 1890 hatte sich in Kanton eine einheimische Gesellschaft für elektrische Beleuchtung gebildet, und selbst in Peking, wo vor etwa zwei Jahrzehnten die Gasanlage eines reichen Mannes der Südstadt von den Nachbarn mit Erfolg beanstandet worden war, ist das elektrische Licht bis in die Wohnungen kaiserl. Prinzen gedrungen.
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Verfassung und Verwaltung. Das eigentliche China wurde, seitdem die gegenwärtige Dynastie 1644 zur Herrschaft gelangte, in 18 und mit Sching-king in 19 Provinzen eingeteilt, während es unter der vorhergegangenen Dynastie Ming nur 15 zählte. Die 18 innern Provinzen, die wieder in 288 Bezirke (fu, tschi-li-tschou, tschi-li-ting u. s. w.) und 1431 Kreise (hien, tschou u. s. w.) zerfallen, sind: Pe-tschi-li, Kiang-su, Ngan-hwei, Schan-si, Schan-tung, Ho-nan, Schen-si, Kan-su, Tsche-kiang, Kiang-si, Hu-pe, Hu-nan, Sze-tschwan, Fu-kien, Kwang-tung, Kwang-si, Jün-nan, Kwei-tschou. Jeder Verwaltungsbezirk ist nach dem (befestigten) Hauptort genannt. Neuerdings wurde Thai-wan (Formosa) von Fu-kien abgetrennt, und die wiedereroberten Gebiete im N. und S. des Thien-schan wurden als Sin-kiang («Neue Grenze») mit Kan-su vereinigt.
Die höchste geistliche und weltliche Macht übt der Kaiser aus, gewöhnlich Thien-tze, d. h. Sohn des Himmels, aber auch Hwang-ti, der erhabene Herrscher, genannt. Die Gesetzgebung erfolgt durch ihn, aber auf Anregung und unter Verantwortlichkeit der Minister; alle Gesetze und Verfügungen werden im Staatsblatt «King-Pau» veröffentlicht. Äußeres Zeichen seiner Würde ist die gelbe Kleidung. Der Kaiser wählt seinen Nachfolger aus seinen Söhnen oder, wenn solche nicht vorhanden sind, aus seinen nächsten männlichen Verwandten. Der Kaiser genießt eine außerordentliche Verehrung, ist aber fortwährend einem sehr strengen Ceremoniell unterworfen. Die höchsten Reichsbehörden sind: 1) Das Ministerium des kaiserl. Hauses, chines. Tzung-shön-fu, unter dem die sämtlichen Mitglieder der kaiserl. Familie mit Bezug auf Einkünfte, Gerichtsbarkeit (gemeinsam mit dem Hing-pu) und Beaufsichtigung stehen. Einige Prinzen von Geblüt gehören zu dieser Behörde. 2) Der «Geheimrat», chines. Nei-ko, einst Hauptstelle der Gesetzgebung und Verwaltung, jetzt auf die Bekanntmachung der kaiserl. Erlasse beschränkt, sechs hohe Würdenträger, je drei mandschuischer und chines. Abstammung. Vier von ihnen führen den Titel Ta-hio-schi (Große Lehrherren), die beiden andern Hie-pan-ta-hio-schi (Große Lehrherren zur Aushilfe). Außerdem gehören noch 10 Hio-schi dazu. 3) Der Heeres- oder Kriegsrat (Kün-ki-tschu), der in den siebziger Jahren fast nur aus den Mitgliedern des Auswärtigen Amtes bestand, scheint in neuerer Zeit den Geheimrat in seinen Befugnissen ersetzt zu haben. Unter diesen höchsten Reichsbehörden stehen sechs Ressortministerien, chines. Liu-pū, nämlich: 1) das des Personals der Staatsbeamten für alle Zweige der Provinzialverwaltung, chines. Li-pu; 2) das der Finanzen, chines. Hu-pu; 3) das des Ritus und der Ceremonien, chines. Lī-pu; 4) das des Krieges, chines. Ping-pu; 5) das der Justiz, chines. Hing-pu und 6) das der öffentlichen Bauten, chines. Kung-pu. Jedes dieser Ministerien besteht aus 2 Präsidenten (Schang-schu), die mitunter zugleich Mitglieder des Geheimrats und Kriegsrats sind, und 4 Vicepräsidenten (Schi-lang), je zur Hälfte Mandschu und Chinesen, und ist innerhalb seines Ressorts von den andern unabhängig. Daneben besteht das Amt für innere Angelegenheiten Nei-wu-fu, dem der Hofhaushalt anvertraut ist. Für die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten wurde 1861 eine Behörde eingesetzt, Tsung-li-jamên, welche meist aus Präsidenten der Ministerien besteht. Unter ihr steht das von einem Europäer verwaltete Seezollamt (Hai-kwan). Seit 1885 besteht eine Art Marineministerium (Hai-pu).
Außer den sechs Fachministerien und den höchsten Reichsbehörden giebt es in Peking noch verschiedene andere, den letztern mehr bei- als untergeordnete, minder umfangreiche Behörden. Hiervon sind die wichtigsten: 1) Das allein aus Mandschu und Mongolen bestehende Bureau für die fremden Kolonien, chines. Li-fan-jüen. 2) Der Hof der kaiserl. Censoren Du-tscha-jüēn, der nach Mißbräuchen der Verwaltung forscht und selbst den Kaiser tadeln darf; mit dem Hing-pu wirkt er als höchster Berufungsort. Er besteht aus je einem Mandschu und Chinesen als Tu-jü-schi und je zwei als Fu-tu-jü-schi. 3) Der Hof der Tung-tschöng-schi, deren Hauptgeschäft die Empfangnahme und erste Prüfung aller von Beamten des Civil- und Militärdienstes an den Kaiser gerichteten Vorstellungen, Bittschriften u. s. w. ist. 4) Der Hohe Appellhof, Ta-li-sse. 5) Die kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Han-lin-jüen, deren Geschäft in der Redaktion aller die Reichsgeschichte und Landeslitteratur betreffenden Dokumente sowie der Beaufsichtigung der Prüfungen besteht. 6) Die kaiserl. Bibliothek. 7) Das Amt der Geschichtschreiber des Hofs, Khi-kü-tschu-kwan. 8) Das Amt der Geschichtschreiber des Reichs, Kwo-schi-kwan, beide in enger Beziehung zu der Akademie der Wissenschaften stehend. 9) Die Intendantur der Opfer, Tai-tschang-sse, speciell mit den Einzelheiten der Vorbereitung und Leitung der Opferbräuche beauftragt. 10) Das Sternwartenamt, Khin-thien-kien. 11) Das Kwo-tze-kien, eine Art Lehranstalt für Beamte, sowie mehrere andere von minderer Wichtigkeit. Alle Beamten, im allgemeinen Kwan genannt, zerfallen in neun Klassen, von denen jede wieder aus einer obern und einer untern Abteilung besteht, sodaß im ganzen 18 Abstufungen gebildet werden. Die neun Klassen unterscheiden sich durch die Farbe und das Material der Knöpfe auf ihren Hüten (einfache und verzierte Koralle, hellblau, dunkelblau, Bergkrystall, weiß, Gold), ferner durch die Stickerei des Brustlatzes (verschiedene Vögel bei Bürgerlichen, Vierfüßer bei Kriegsbeamten). Die Abscheidung zwischen ihnen ist eine sehr scharfe und tritt in der großen Ehrerbietung, welche jede niedrigere Klasse schon gegen die nächsthöhere an den Tag legt, deutlich hervor. Diese Klasseneinteilung der Staatsbeamten bezweckt indessen nur eine persönliche Auszeichnung und ist von ihrem Amte meist unabhängig. Es können nämlich Kwan der höhern Klassen verhältnismäßig niedrige Ämter bekleiden und solche aus niedrigen Klassen zu hohen Ämtern befördert werden, ohne darum aus ihrer Klasse zu scheiden. Die Verleihung dieser Auszeichnung hängt allein von der Gnade des Kaisers ab, der nicht selten die Degradation eines Beamten in eine einen oder auch mehrere Grade niedrigere Rangklasse als Strafe verfügt. Die Kwan des Civildienstes haben vor denen derselben Rangklasse des Militärdienstes den Vorrang.
Das Staatswappen (s. umstehend), zugleich Symbol der kaiserl. Familie, ist ein Drache mit fünf Krallen an den Füßen und eine geflammte Kugel. Gelb ist die kaiserl. Farbe. In der viereckigen Flagge erscheint der Drache blau in gelbem Felde. - Über Heerwesen s. Chinesisches Heerwesen.
Finanzwesen. Die Finanzen leiden durchweg an dem Mangel einer ausreichenden Kontrolle und an dem Übelstande, daß die Einhebung der Einkünfte teilweise verpachtet wird. Die Einnahmen bestehen aus
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^[Staatswappen - Beschreibung s. vorherige Seite]
1) der Grundsteuer, welche teils in Silber, teils als Reistribut nach Peking gelangt, 2) dem Salzmonopol, 3) den Zolleinnahmen und zwar den unter einheimische Verwaltung gestellten für den Binnen- und den seit 1860 unter ausländische Verwaltung gestellten für den Außenhandel, 4) dem Li-kin, einer 1853 zuerst eingeführten und später verallgemeinerten Abgabe auf Waren, welche in Transit nach dem Innern gehen, und 5) verschiedenen kleinen von den Ortsbehörden eingehobenen Taxen und Licenzgebühren, deren Ertrag jedoch unbedeutend ist. Das Budget (in Taels zu 4,9 M.) zeigt folgendes Bild:
Einnahmen.
Grundsteuer, in Silber | 24 Mill. Taels |
---|---|
Grundsteuer, als Reistribut | 7 " " |
Salzmonopol | 9,5 " " |
Zollcinnahmen (einheim. Adm.) | 5 " " |
Zolleinnahmen (internat. Adm.) | 20 " " |
Li-kin | 9,5 " " |
Ausgaben.
Kaiserl. Hof | 12 Mill. Taels |
---|---|
Gehalte der Militär- und Civilbeamten | 8 " " |
Heer | 46 " " |
Marine | 13 " " |
Öffentliche Bauten | 4 " " |
Diverse | 4 " " |
Das Deficit von 12 Mill. Taels muß durch Kontributionen von den Provinzen gedeckt werden; doch hat die Regierung seit 1874 auch Staatsanleihen im Gesamtbetrage von über 7 Mill. Taels gemacht. Von den in den letzten Jahren gemachten Anleihen soll die in Hongkong erhobene für die Eisenbahn von Tien-tsin nach Tung-tschou bestimmt gewesen sein (Jan. 1888). Auch der frühere Oberstatthalter von Kwang-tung und Kwang-si, Tschang, hatte bei einer deutschen Gesellschaft eine solche gemacht. Die kaiserl. Regierung schloß im Jan. 1887 mit deutschen Banken eine Anleihe ab. Von der im Jan. 1890 in Shang-hai eröffneten deutsch-asiat. Bank wird eine Beteiligung am Eisenbahnbau erhofft.
Justizwesen. Die öffentliche Rechtsprechung ist in den untern Instanzen mit der Verwaltung verbunden. Das Institut der Advokaten ist unbekannt, die Richter erhalten eine feste Besoldung und sind nicht auf Sporteln hingewiesen, sodaß die Rechtspflege, etwaige Mißbräuche abgerechnet, bis auf die Kosten der schriftlichen Aufsetzung der Klage, die aber auch außerhalb des Gerichtshofes geschehen kann, unentgeltlich geschieht. Doch sind Beschwerden wegen Erpressungen häufig. Gerichtshöfe niedrigsten Ranges, unsern Friedensgerichten entsprechend und oft nur aus einer Person bestehend, finden sich selbst in kleinern Ortschaften und der Ortsvorsteher ist zugleich der Richter. In allen Rechtssachen ist die Berufung auf höhere Instanzen zulässig, wer aber nur aus Prozeßsucht diesen Weg mit ungerechten, augenscheinlich nicht zu gewinnenden Sachen verfolgt, wird bestraft. Mit Bezug auf Kriminalfälle, namentlich wo es sich um Todesurteile handelt, verfährt die chines. Justiz mit größter Vorsicht, und die Sache geht, bevor das Endurteil gefällt wird, durch fünf bis sechs einander übergeordnete Gerichte. Wegen etwaiger Ausnahmefälle in unruhigen Zeiten muß nach Peking berichtet werden. Die erste Instanz bilden die Kreisrichter (tschi-hien), die zweite die Bezirksverwalter (tschi-fu), die dritte der dem Statthalter der Provinz beigegebene An-tscha-schi, die vierte die S. 199 a genannte Behörde des Hing-pu und der Tu-tscha-jüēn (s. S. 199 b), welche früher mit einer dritten Ta-li-sse genannten Behörde die Schen-fa-sse oder drei Gerichtsbehörden bildeten. Mit Ausnahme der nicht für Aufschub geeigneten Fälle werden alle von den verschiedenen Gerichtshöfen ausgesprochenen Todesurteile nur einmal im Jahre, an einem vom Kaiser hierzu bestimmten Tage, im ganzen Reiche zugleich vollzogen. Bevor die Urteile dem Kaiser zur Unterzeichnung vorgelegt werden, gelangen sie noch einmal zur Revision an ein höchstes aus neun Mitgliedern bestehendes Tribunal, nämlich aus je einem Mitgliede des Justizministeriums und der fünf übrigen Ressortministerien, des Hofs der kaiserl. Censoren, des Hohen Kassationshofs und des Hofs der Referendare bei dem Geheimrat. Alle Gerichtsverhandlungen werden schriftlich niedergelegt. Das jetzt geltende Strafgesetzbuch Ta-tsing-lü-li (Gesetze des Mandschu-Herrscherhauses), 1810 von G. Th. Staunton aus dem Chinesischen in das Englische und 1812 von F. Renouard de Sainte-Croix aus dem Englischen in das Französische übertragen, ist allgemein verbreitet. Dasselbe enthält in 436 Titeln nicht nur alle eigentlichen Strafgesetze, sondern auch zahlreiche polizeiliche und andere sich auf das häusliche und Familienleben, die genaue Inachtnahme der althergebrachten Sitten und Gebräuche, die im Umgänge mit andern zu beobachtende Etikette und ähnliche Verhältnisse beziehende Bestimmungen. Ein besonderes bürgerliches Gesetzbuch besteht nicht.
Kulturzustand. Die hoch entwickelte Civilisation der Chinesen ist nicht nur uralt, sondern auch von der aller übrigen Kulturvölker durchaus abweichend, und diese Eigentümlichkeit hat sich durch vier Jahrtausende zu bewahren gewußt, ohne deshalb in der Gegenwart nicht mehr lebenskräftig zu erscheinen. Diese Civilisation, die sich im Laufe der Zeit über einen großen Teil von Asien ausbreitete, ist eine durchaus einheimische, von den Chinesen ohne irgend eine Übertragung oder Beihilfe von einem andern Volke selbst erzeugte.
Erfindungen. Nach manchen chines. Schriftstellern fällt der Ursprung der chines. Schrift in das Zeitalter des sagenhaften Fu-hi um 2850 v. Chr. Nach dem ältesten chines. Geschichtswerke, dem Schu-king, war etwa 2000 v. Chr. eine Schrift vorhanden. Es ist eine alte Überlieferung, daß in China die erste Gedankenvermittelung in die Ferne, ähnlich wie in Peru, durch Knotenschnüre geschah. Daß die chines. Schriftzeichen, welche aus einer Verbindung von Bilder- und Lautzeichen bestehen, ägypt. Ursprungs seien, ist ohne Grund vermutet worden. Bis zur Einführung des Seidenpapiers bediente man sich dünner Bambusbretter zum Schreiben. Man nimmt an, daß man zuerst die Schriftzeichen einritzte, und die Erfindung des Pinsels wird gewöhnlich dem Möng-tien (246-205 v. Chr.) zugeschrieben. Das Schi-ki (91 v. Chr.) ist bereits in «Rollen» (küan) geteilt und die Geschichte der ältern Han bedient
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sich in Beziehung ans ein 126 v. Chr. hinterlassenes Schriftstück desselben Ausdrucks. 105 n. Chr. war die Erfindung des Tsai-lun schon bekannt, vermöge deren Papier aus Baumrinde und Lumpen verfertigt wurde. Diese wichtige Erfindung wurde im 6. Jahrh. ergänzt durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Erhalten sind noch Holzdruckausgaben der Geschichte der spätern Han von 1167 und 1242. Ein im 11. Jahrh. versuchtes Verfahren mit beweglichen Schriften erwies sich als unbrauchbar; ausgedehnterer Gebrauch von solchen wurde erst in neuerer Zeit durch europ. Einfluß gemacht. - Die Seidenzucht war nach dem Schu-king schon zur Zeit des Jü bekannt. - Über die Anwendung der Magnetnadel, die schon im 12. Jahrh. v. Chr. bekannt gewesen sein soll, finden sich 121 n. Chr. genauere Angaben. Die Erfindung des Schießpulvers durch die Chinesen ist eine offene Streitfrage. Jedenfalls scheinen sie eine Art Griechisches Feuer schon früh gekannt zu haben. Der Gebrauch desselben zu Geschützen, welcher zur Zeit der Eroberung durch die Mongolen stattgefunden zu haben scheint, wurde bei diesen durch den Uiguren Ali-jaja eingeführt, stammt also von den Arabern. Im 17. Jahrh. besorgten die Jesuiten die Herstellung von Geschützen. Die Chinesen verfertigten bereits vor mehr als drei Jahrtausenden eherne und bronzene Gefäße, namentlich künstlich gravierte und ciselierte Vasen, von denen eine Anzahl, deren Schönheit mit der griechischer und etruskischer wetteifern kann, noch jetzt im kaiserl. Museum zu Peking aufbewahrt wird; sie wissen die verschiedenartigsten Gegenstände von Holz, Leder u. s. w. mit reichen Vergoldungen und den schönsten, dauerhaftesten Lackfarben zu überziehen und die künstlichsten Schnitzwerke aus Elfenbein, Holz und Speckstein darzustellen; aber bis jetzt ist selten ein Kunstwerk von höherer Auffassung aus ihren Händen hervorgegangen. Über die Verfertigung des chines. Porzellans sowie über die Kunst der Chinesen s. Chinesische Kunst. - Man nimmt an, daß es zur Zeit der Tschou schon gemünztes Geld gab. Die alten Nachahmungen von Kleidungsstücken (pu) und Messern (tao) weichen schon zur Zeit der Han den runden Kupfer- oder Messingstücken mit dem Loche in der Mitte zum Aufreihen, wie sie etwa noch heute sind, tragen aber erst seit dem 4. Jahrh. Zeitangaben auf der Vorderseite. Gold und Silber wurden nur ganz ausnahmsweise geprägt, Papiergeld gab es schon seit der Zeit der Sungdynastie. - Von den in China üblichen Spielen sind zu erwähnen: das Fingerspiel (die Morra der Italiener von altröm. Ursprung bei letztern), das Schachspiel (ursprünglich indisch, hier in besonderer Gestalt), das Kartenspiel (vielleicht chines. Ursprungs), das Wei-ki (bei uns unter dem japan. Namen Go bekannt).
Die Zeitrechnung ist, obschon im Schu-king von einem Jahre von 366 Tagen die Rede ist, erst in der Zeit des Geschichtschreibers Sse-ma-tsien (um 104 v. Chr.) eine einigermaßen sichere, auf der Bekanntschaft mit den Völkern des Westens beruhende. (Vgl. Chalmers, Astronomy of the ancient Chinese, in Legges «Chinese Classics», Lond. 1861). Das Jahr beginnt mit dem ersten Neumond nach Eintritt der Sonne in das Zeichen des Wassermanns, hat 354 oder 355 Tage und zerfällt in 12 stets mit dem Tage des Neumondes anfangende Monate von 29 bis 30 Tagen. Infolge hiervon wird alle 2-3 Jahre ein überschüssiger Monat erhalten, in welchem die Sonne in kein neues Zeichen des Tierkreises tritt. Dieser Monat wird der Schaltmonat und erhält den Namen des vorhergehenden mit dem Zusätze Zhun. Das Schaltjahr enthält also 383 oder 384 Tage. Der Jupiter, dessen Umlaufszeit man schon früh beobachtete, heißt der Jahresstern. Der Tag zerfällt in 12 Stunden (aber erst zur Zeit der Han nach Chalmers); ihre Namen jedoch finden sich schon im Schu-king zusammen mit einer Reihe von 10 Zahlen, die früher schon für Tage gebraucht waren, zu einem Kreise von 60 Tagen verbunden (1 tze, 2 tschou. 3 jin, 4 mao, 5 schön, 6 sse, 7 wu, 8 wei, 9 tschou, 10 ju, 11 sü, 12 hai mit 1 kia, 2 ji, 3 ping, 4 ting, 5 mou, 6 ki, 7 köng, 8 sin, 9 shön, 10 kwei verbunden zu 1 kia-tze, 2 ji-tschou bis 60 kwei-hai). Die Anwendung eines Kreises von 60 Jahren findet sich mit augenscheinlich ausländischen Namen erst bei Sse-ma-tsien (s. oben). Jene früher für Tage gebrauchten Namen finden sich zwar in den Bambusbüchern vor, welche 297 n. Chr. im Grabe des Königs Siang von Wei (gest. 295 v. Chr.) gefunden sein sollen und mit Hwang-ti beginnen; aber auch da ist ihr erstes Vorkommen in diesem Sinne erst unter Jao zu finden, wie man glaubt, durch spätere Einschiebung. Jetzt ist diese ihre Verwendung allgemein. Das Jahr 1882 christl. Zeitrechnung war das 19. des 77. chines. Cyklus. In ganz alter Zeit bedienten sich die Chinesen auch noch eines durch Ausgleichung des Mond- mit dem Sonnenjahre gebildeten 19jährigen Cyklus. Der Monat wird teils halbiert, teils in Dekaden eingeteilt. Der Tag zerfällt in 12 Doppelstunden, chines. Schi, welche von 11 Uhr abends gezählt werden. Vgl. Ideler, Über die Zeitrechnung der Chinesen (Berl. 1839) und Biot, Études sur l'astronomie indienne et chinoise (Par. 1862).
Bei ihren Rechnungen, selbst den kompliziertesten, bedienen sich die Chinesen des bei allen mongol. Völkern und teilweise selbst bei den Russen gebräuchlichen Rechenbretts, chines. Swan-phan.
Stände. Die Jahrtausende alte Einteilung des Volks in die vier Abteilungen (sse-min) der Schi oder Beamten, Nung Landwirte, Kung Werkleute und Schang Handelsleute hat nie die Bedeutung der ind. Kasten gehabt. Indes sind die Kwan-shön der Beamten sowie diejenigen, welche durch die Prüfungen zu einer der oben genannten Würden gelangt sind, vor der Prügelstrafe geschützt, die auch an Mandschu nur durch die Peitsche statt des üblichen Bambus vollzogen werden darf. Die Gelehrten- und Beamtenlaufbahn steht dem ganzen Volke offen, nur daß z. B. Söhne von Schauspielern und Diener von Beamten ausgeschlossen sind. - Den Namen Wang, welcher einst die Herrscher C.s bezeichnete, führen außer mongol. Fürsten nur die nächsten Verwandten des Kaiserhauses und zwar sind im allgemeinen Tsin-wang die Söhne von Kaisern, Sün-wang die Söhne der vorigen, Belle die Söhne von Sün-wang; dann folgen Betze, vier verschiedene Arten von Kung und vier Arten Tsiang-kün (Oberbefehlshaber). Die Nachkommen des ersten Mandschu-Kaisers tragen einen gelben Gürtel, die übrigen Verwandten einen roten als einzige Auszeichnung, die noch dem zwölften der oben namhaft gemachten Glieder bleibt. - Von den Namen der alten Lehnsmannen der Tschou, deren Macht Tsin-schi-Hwang-ti gebrochen hatte, nämlich Kung, Hou, Po, Tze, Nan (mit den engl. Namen Duke, Marquis, Earl, Viscount und Baron verglichen), ist seit der Zeit der Han wieder Gebrauch
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gemacht worden und auch das jetzige Herrscherhaus hat sie beibehalten (mit je drei Abstufungen). Hierzu kommen noch vier andere Adelsnamen. Der Adel wird teilweise erblich verliehen, ist aber an keinen Grundbesitz geknüpft. Der einzige Kung, von welchem wir sichere Nachrichten haben, ist heutzutage der in Schan-tung ansässige Nachkomme des Kung-tze (Confucius). Schon unter Han-phing-ti im J. 1 n. Chr. war Kung-tze nachträglich zum Kung ernannt und diese Würde ist dann für die ältesten Söhne des Hauses erblich geworden. Nach Edkins beträgt der Grundbesitz mindestens 70-80000 Morgen. Doch sollen der Nachkommen des Kung-tze zwischen 20 und 30000 sein, von denen viele arme Leute sind. Bis auf gewisse äußerliche Ehrenbezeigungen und etwa die oben bezeichneten Vorrechte, welche für das kaiserl. Haus und die Beamten gelten, sind keine weitern mit dem Adel verbunden.
Alle Verhältnisse des socialen und staatlichen Lebens bewegen sich noch gegenwärtig in den starren, unveränderlichen Formen, welche vielleicht Jahrtausende v. Chr. festgesetzt wurden. Diesem Formzwange ist jeder Chinese von seiner Geburt bis zu seinem Tode unterworfen. Für die Aufrechthaltung und pünktliche Inachtnahme des von den ältesten Vorfahren überkommenen Ceremoniells bei allen Ereignissen des privaten und öffentlichen Lebens sorgt das Ministerium des Ritus in Peking. Die Feststellung der Ehe als Staatsinstitut soll schon von Fu-hi, dem ersten Herrscher der halb-mythischen Periode, herrühren und ihm werden mehrere noch jetzt bestehende Gesetzesbestimmungen, wie die, daß kein Mann eine Frau gleichen Familiennamens heiraten darf, zugeschrieben. (Nach den ursprünglichen «100 Sippennamen» Po-sing wird das Volk Po-sing genannt. Auf den Sippennamen sing folgt, wie in Ungarn und Japan, der besondere Name Ming, oder der Rufname Hao.) Die Ehe trägt einen ernsten, strengen Charakter; die Frau ist ihrem Manne zu Unterwürfigkeit, Treue und Gehorsam verpflichtet, aber keineswegs als rechtlose Sklavin desselben, sondern in gesicherter und gesetzlich festgestellter Stellung. Die Kinder beweisen ihren Müttern dieselbe Liebe, Verehrung und denselben Gehorsam wie ihren Vätern. Bleibt die Frau während einer Reihe von Jahren unfruchtbar, so darf der Mann eine oder mehrere Nebenfrauen nehmen, die aber der eigentlichen Frau untergeordnet sind. Die Zahl der Nebenfrauen des Kaisers war häufig eine sehr große. Die Nebenfrau ersten Ranges (Kwei-fe) wird durch die Geburt eines Thronfolgers zur zweiten Kaiserin (Hwang-ho), weitere Rangstufen sind die der Fe und Pin. Zu ihrer Bedienung und Bewachung werden in der Haushaltung des Kaisers, aber ausschließlich nur dort, Eunuchen verwandt, welche zuerst in der Zeit der Tschou in Gebrauch kamen, seitdem fortwährend, nur ab und zu zeitweilig unterdrückt, eine sehr wichtige und einflußreiche Rolle gespielt haben und selbst bei Staatsumwälzungen thätig gewesen sind. Der zuerst 934 n. Chr. aufgekommene Gebrauch, die Füße der Kinder weiblichen Geschlechts durch feste Einwicklungen am Wachstum zu verhindern, fällt bei denjenigen, die gezwungen sind, ihrem Erwerb nachzugehen, fort. Die Mandschu, Mongolen und Tataren haben diesen Gebrauch niemals angenommen, dagegen den Gebrauch der Zöpfe eingeführt. Das Töten und Aussetzen von Kindern weiblichen Geschlechts soll besonders in den großen Seestädten des Südens öfter vorkommen, wenn die Eltern zu arm sind, um eine größere Anzahl Kinder zu ernähren.
Religion. Die älteste und ursprüngliche Religion bestand in einem Naturkultus, in welchem der Himmel, chines. Thien, als Sitz der Gottheit, mit letzterer identifiziert wurde und die Himmelskörper, die Elemente sowie alle heil- oder verderbenstiftenden Naturkräfte Gegenstände der Anbetung bildeten. Dieser Naturkultus, zu dem, außer den Chinesen, sich auch alle übrigen Völker des mittlern und östl. Asien bekannten, bis sie zum Buddhismus oder zum Islam übertraten, wurde nach der Überlieferung zuerst von dem halbmythischen Fu-hi zur Reichsreligion erhoben und in bestimmte Formen gebracht, welche sich großenteils bis in die Gegenwart erhalten haben. Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele und an ein Leben nach dem Tode fand in dieser ältesten Religion der Chinesen wenig Raum, wogegen aber schon frühzeitig die göttliche Verehrung und Anbetung der Seelen der Vorfahren und anderer um den Staat und das Gemeinwohl verdienstlicher Personen hinzutraten. Mit dem ausschließlichen Rechte, seine Ahnen zu verehren, verband sich bei den Kaisern dasjenige, den von ihnen anerkannten frühern Herrschern überhaupt an ihren Gräbern Opfer darzubringen, als Zeichen ihrer göttlichen Sendung; hierbei aber wurde ein himmlischer Urahn Schang-ti als «oberster Herrscher» angenommen, dessen Verehrung sich mit der des Himmels vermischte. Der oftmalige Wechsel der Herrscherhäuser läßt jedoch nicht zu, den Namen der Kaiser «Thien-tze» (Sohn des Himmels) so wörtlich zu nehmen, wie es bei den Ten-o (Thien-wang, «Himmelskönigen») Japans der Fall ist. Himmel und Erde wurden nicht bildlich dargestellt, wohl aber die Götter der Berge, der Donnergott u. s. w. Die Stadtgötter stellen um das Gemeinwohl verdiente Menschen vor, die von den Kaisern dazu ernannt werden, wie es den letztern auch zusteht, widerwillige Gottheiten, wie z. B. von Flüssen, zu strafen. Uralt ist die Verehrung der Berge, namentlich die der ebengenannten fünf. - Neben diesem alten Glauben entstanden im 6. Jahrh. v. Chr. fast gleichzeitig: die Lehre vom Tao, deren vielfach mißverstandener Stifter unter dem Beinamen Lao-tze (s. d.) von seinen vorgeblichen Anhängern vergöttert worden ist, und die Moralphilosophie des Kung-tze, in europäisierter Form Confucius (s. d.). Der Buddhismus (s. d.), 61 n. Chr. unter der Regierung des Kaisers Ming-ti zuerst eingeführt, verbreitere sich bald, besonders unter den niedern Volksklassen, wurde aber, anstatt auf die Denkweise des Volks einzuwirken, durch das specifisch chines. Element selbst umgestaltet.
Das Christentum gelangte zuerst in der ersten Hälfte des 7. Jahrh. durch die Nestorianer nach China, wie die berühmte Inschrift von Si-ngan-fu in chines. und syr. Sprache bezeugt. Jahrhundertelang war diese Lehre in China verbreitet worden. Noch die ersten abendländ. Glaubensboten, welche während der Mongolenherrschaft erst das innere Asien, dann China besuchten, hatten nestorianische Gemeinden angetroffen. 1307 ernannte Papst Clemens V. einen Erzbischof für die christl. Gemeinde in Peking, die aber nur bis 1369 bestand. Die neue Verbreitung des Christentums in China beginnt erst im 16. Jahrh., nachdem die Portugiesen den Seeweg nach Indien um das Vorgebirge der Guten Hoffnung aufgefunden hatten und 1516 nach China ge-
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