Chiavenna
(spr. kjaw-, Clavenna, Kläfen), Stadt in der ital. Provinz Sondrio, nördlich vom Comersee, 300 m ü. M., in einem fruchtbaren, von schneeigen Felsengipfeln umschlossenen Thalkessel (Valle San Giacomo) an der Mera reizend gelegen, ist eine alte, wohlhabende Stadt mit sechs Kirchen (am bedeutendsten ist die San Loretokirche mit schlankem Glockenturm von 1538), umfangreichen Trümmern eines Schlosses der graubündischen Familie Salis und spärlichen Resten der alten Feste, in welcher 1175 Friedrich Barbarossa den Fußfall vor Heinrich dem Löwen [* 2] gethan haben soll, um diesen für den Heereszug gegen die Lombarden zu gewinnen.
Die Stadt hat (1881) 2848 Einw., welche Baumwoll-, Seiden- und Papierindustrie sowie Bierbrauerei [* 3] betreiben; außerdem wird das aus dem in der Nähe brechenden Lavezstein (einem grünlichen Gemenge von Talk und Chlorit) gedrechselte Geschirr viel versandt und lebhafter Handel mit Früchten und Wein getrieben. An den Gebirgsgehängen finden sich zahlreiche Klüfte, sogen. Ventaroli (»Atemlöcher«),
welche zu
Wein- und Bierkellern benutzt werden. Chiavenna
bildet einen wichtigen Alpenschlüssel, da die
Straßen von
Mailand
[* 4] über
den
Comersee und die
Alpenstraßen über den
Splügen und den
Septimer hier zusammentreffen; daher auch bedeutender
Verkehr und
seit neuerer Zeit starker Fremdenbesuch. 4 km östlich liegt der
Hügel
Conto, unter dessen Gipfelsturz
in der
Nacht des
der
Flecken
Plurs (Piuri) mit 2430
Menschen verschüttet wurde. - Chiavenna
bildete frühzeitig (nach einigen
schon 1039) eine eigne
Grafschaft, die unter
Kaiser und
Reich stand. 1200 und 1338 rissen es die
Herzöge von
Mailand
an sich und
gaben es der
Familie Balbioni zu
Lehen.
Bis 1512 blieb Chiavenna
mit dem benachbarten
Veltlin ein Zankapfel zwischen den
Herzögen von
Mailand, den
Bischöfen von
Chur
[* 5] und dem Kanton Graubünden,
[* 6] bis letzterer es eroberte (1576) und mit aller Macht behauptete. 1620 erhoben sich Chiavenna
,
Veltlin und
Bormio gegen
Bünden und
rangen bis 1635, jedoch vergebens, nach Unabhängigkeit. Von 1797 bis zur Errichtung des
Königreichs
Italien
[* 7] machte Chiavenna
einen Teil der
Cisalpinischen Republik, dann des
Departements dell'
Adda aus; auf dem
Wiener Kongreß wurde
es mit der
Lombardei vereinigt und kam mit dieser 1859 zu
Italien.
Piano di Chiavenna
heißt der flache und versumpfte Thalgrund
zwischen Chiavenna
und dem
Comersee; er erreicht diesen zuerst am
Lago di
Mezzola, den die seitlich vorrückenden
Alluvionen der
Adda
von dem
Rumpf des Seebeckens abgetrennt haben.