Titel
Chevalier
(spr. schwaljeh), 1) Michel, franz. Nationalökonom, geb. zu Limoges, besuchte das dortige Collège, sodann die polytechnische Schule in Paris [* 3] und von 1825 an eine bergmännische Bildungsanstalt und erhielt kurz vor der Julirevolution eine Anstellung als Ingenieur im Norddepartement. Dem Saint-Simonismus zuneigend, schrieb er, nachdem er aus Gesundheitsrücksichten sein Amt niedergelegt hatte, mehrere Artikel in die Saint-Simonistischen Blätter: »Organisateur« und »Globe«.
Nach dem
Ausbruch des Zerwürfnisses zwischen
Bazard und
Enfantin folgte er dem letztern 1832 nach dessen Niederlassung (»la
Retraite«) zu
Ménilmontant und lieferte für das
»Livre nouveau«, eine Art Simonistischen
Testaments, eine »Esquisse de géologie
poétique«. Als die
Gesellschaft
Enfantins wegen Gefährdung der öffentlichen
Sittlichkeit unter
Anklage
gestellt wurde, ward auch Chevalier
zu einjähriger
Haft verurteilt.
Noch vor Beendigung derselben wieder freigelassen, wandte sich
Chevalier
vom
Saint-Simonismus praktischen
Studien zu und erhielt von der
Regierung den Auftrag, das
Kanal- und Straßenbauwesen
Nordamerikas
einzusehen.
Von dieser Reise, die von 1833 bis 1835 dauerte und auch nach Mexiko [* 4] und Cuba ausgedehnt wurde, lieferte er in das »Journal des Débats« interessante Berichte, die 1836 gesammelt unter dem Titel: »Lettres sur l'Amérique du Nord« (4. Aufl., Par. 1842, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1837, 4 Bde.) erschienen. Im Frühjahr 1837 nach England gesandt, um über die ausgebrochene Handelskrisis zu berichten, erhielt er durch einen Sturz aus dem Wagen eine Kopfwunde, zu deren Heilung er die Pyrenäenbäder besuchen mußte.
Sein Augenmerk war fortan vornehmlich auf Hebung [* 5] des Eisenbahnwesens wie überhaupt auf Hebung der wirtschaftlichen Interessen seines Vaterlandes gerichtet. Im J. 1838 wurde er zum Staatsrat im außerordentlichen Dienst, 1840 zum Professor der Nationalökonomie am Collège de France und 1841 zum Oberingenieur des Bergbaues ernannt. Vom Departement Aveyron 1845 in die Kammer abgeordnet, zeigte er sich hier dem Freihandel günstig und wurde deshalb nicht wieder gewählt.
Nach dem Staatsstreich vom wurde er Staatsrat im ordentlichen Dienst, 1860 Senator. An dem Abschluß des englisch-französischen Handelsvertrags von 1860, welchen er mit seinen britischen Gesinnungsgenossen Cobden und Bright vorbereitete, nahm er einen hervorragenden Anteil, wie er überhaupt im Senat wie in der Presse [* 6] nachdrücklich für den Freihandel eintrat. Demgemäß befand er sich denn auch nach dem Sturz des Kaiserreichs auf seiten der Freihändlerischen Opposition und bekämpfte die von Thiers angebahnte Handelspolitik.
Von seinen frühern Schriften sind noch hervorzuheben: »Des intérèts matériels en France« (1837, 7. Aufl. 1843; deutsch, Stuttg. 1838);
»Histoire et description des voies de communication aux États-Unis« (1840-42, 2 Bde.);
die »Essais de politique industrielle« (1843);
»Cours d'économie politique« (Bd. 1 u. 2, 1842-44; Bd. 3: »La monnaie«, 1850 u. öfter; deutsch von Horn, Leipz. 1856);
»L'isthme de Panama, [* 7] suivi d'un apercu sur l'isthme de Suez« (1844).
Nach der Revolution von 1848 trat er besonders gegen die sozialistischen Theorien von Louis Blanc in die Schranken in den »Questions de travailleurs« (deutsch von Hauser, Aachen [* 8] 1848) sowie in der »Revue des Deux Mondes« und im »Journal des Débats«. Eine Reihe von in diesen Zeitschriften veröffentlichten Artikeln erschien gesammelt unter den Titeln: »Lettres sur l'organisation du travail« (1848) und »Questions politiques et sociales« (1852). Besondere Hervorhebung verdient seine offizielle Mitwirkung bei den Weltausstellungen in London [* 9] (1862) und Paris (1867). Er leitete die Veröffentlichung der umfangreichen über die letztere herausgegebenen Berichte und schrieb zu denselben eine vortreffliche Einleitung, welche von Horn unter dem Titel: »Die Weltindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts« (Leipz. 1869) ins Deutsche [* 10] übersetzt wurde. Er starb in Montpellier. [* 11]
2) Sulpice, franz. Zeichner, s. Gavarni.