Chelczicer
Brüder, religiöse Gemeinschaft, s. Böhmische Brüder.
Chelczicer Brüder
7 Wörter, 68 Zeichen
Chelczicer
Brüder, religiöse Gemeinschaft, s. Böhmische Brüder.
Brüder, auch Mährische Brüder, eine religiöse Gemeinschaft, die im 15. Jahrh. in Böhmen [* 3] auftrat und aus den Kreisen der Utraquisten (s. Hussiten) hervorging. Ihre ersten Anfänge weisen auf Peter von Chelczicky (seine Anhänger heißen deshalb Chelczicer Brüder). Obgleich Laie, gewann Peter als bedeutender Denker zahlreiche Anhänger, in deren Gemeinschaft der Grundsatz herrschte, daß der Reiche in freiwilliger Armut seine Güter nur für die Brüder verwalten solle.
König Georg Podiebrad wies den Brüdern 1457 auf dem Lititzer Gute Kunwald bei Senftenberg Wohnsitze an.
Trotz Verfolgungen wuchs ihre Zahl immer mehr und 1467 entschlossen sich die Brüder auf einer Versammlung zu Lhotka bei Reichenau,
nach apostolischem Muster eine Ordnung der Einrichtung der ersten Kirche herzustellen. Durchs Los bestimmten sie drei aus ihrer
Mitte zu Priestern und von diesen wiederum einen als Bischof; diese ordinierte ein Bischof der Waldenser.
Gegen die anfangs herrschenden strengern
Grundsätze erhob sich bald eine mildere Partei. Diese gelangte 1494 auf der Synode
zu Reichenau zur Herrschaft unter Lukas von Prag,
[* 4] der als zweiter Begründer der Brüder
unität bis an seinen Tod
großen Einfluß hatte, obgleich auf seinen Antrieb die oberste Leitung statt einem Bischof einem engern
Rat von vier Senioren übertragen ward.
Die strengere Partei bestand noch etwa 50 Jahre lang neben der Brüder
unität (Unitas fratrum) unter dem Namen der Amositen
oder «Kleinern Partei». Weder die friedlichen Bekehrungsversuche der Dominikaner (um 1500), noch die blutigen Verfolgungen
unter König Wladislaw II. (1503-16) führten die Brüder zur kath. Kirche zurück. Auch Luther gegenüber, mit dem sie mehrfach
verhandelten, bewahrten die Brüder, solange Lukas an ihrer Spitze stand, ihre Eigentümlichkeit in Beibehaltung des Cölibats,
der Siebenzahl der Sakramente, der kath. Abendmahlslehre, in Verwerfung der Rechtfertigung allein aus dem Glauben
und Forderung apostolischer Lebenszucht.
Nach Lukas' Tod (1528) verloren die Brüder immer mehr ihren eigentümlichen Charakter und wandten sich, um Duldung zu gewinnen, erst der luth., später mehr der reform. Lehrweise zu. So schlossen die aus Anlaß erneuerter Verfolgung 1548 nach Polen ausgewanderten Brüder 1570 mit den Lutheranern und Reformierten den Vergleich von Sandomir, auf Grund dessen ihnen in dem Dissidentenfrieden 1572 Duldung zugesichert ward. Demselben Zweck diente in Böhmen die Confessio Bohemica (1575), ein Vergleich der Brüder mit den Lutheranern, Reformierten und Calixtinern, auf Grund dessen Kaiser Rudolf II. 1609 den Majestätsbrief ausstellte.
Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) hatte die fast gänzliche Vernichtung der Brüder in Böhmen zur Folge. Nur im stillen konnten sie sich sammeln und ihr Bischof Amos Comenius (s. d.) mußte 1627 sein Vaterland verlassen; doch erlebten sie in der Stiftung der erneuerten Brüdergemeine (s. d.) unter Zinzendorf eine zweite Blüte. [* 5] Vereinzelte Überreste der alten Böhmische kamen auch unter Joseph II. wieder zum Vorschein, mußten sich aber zu einer der beiden allein geduldeten evang. Konfessionen, [* 6] der Augsburgischen oder Helvetischen, bekennen.
Die Eigentümlichkeit der Brüder liegt weniger auf dem Gebiete der Lehre [* 7] als darin, daß sie in Nachahmung apostolischer Kirchenverfassung und Kirchenzucht eine Erneuerung des ganzen Lebens im Geiste des Christentums erstrebten; und wirklich gelang es ihnen wie kaum einer andern Gemeinschaft, die Grundsätze des Christentums im Leben zur Durchführung zu bringen; eigentümlich blieb ihnen das Verbot des Eides, des Kriegsdienstes und der Übernahme von Staatsämtern.
Vgl. von Zezschwitz, Die Katechismen der Waldenser und Böhmische (Erlangen [* 8] 1863);
Gindely, Geschichte der Böhmische (I. Abteil, von «Böhmen und Mähren im Zeitalter der Reformation», in 2 Bdn., Prag 1857);
Palacky, über die Beziehungen und das Verhältnis der Waldenser zu den ehemaligen Sekten in Böhmen (ebd. 1869);
Goll, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der Böhmische (ebd. 1878);
Jos. Müller, Die Deutschen Katechismen der (in den «Monumenta Germaniae paedagogica», 4. Bd., Berl. 1887).