Château
d'Oex, deutsch Oesch (Kt. Waadt, Bez. Pays d'Enhaut). 961 m. Kreis, Gemeinde und Bezirkshauptort des Kantons Waadt, an den Strassen Bulle-Saanen und Château d'Oex-Les Mosses-Aigle, im Thal und am rechten Ufer der Saane, ungefähr halbwegs zwischen Gsteig (Châtelet) u. Bulle; 11,5 km w. Saanen, 28 km ssö. Bulle und 35,5 km nö. Aigle. Das Dorf als solches zählt in 67 Häusern 427 reform. Ew.; die Kirchgemeinde umfasst die ganze politische Gemeinde ohne L'Etivaz, das eine Kirchgemeinde für sich bildet.
Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen
Bulle-Saanen und
Aigle-Château d'Oex. Elektrische Beleuchtung. Filiale der Kantonalbank,
Ersparniskasse des
Pays d'Enhaut. 2 Zeitungen. Im Jahr 1903 wird eine elektrische Bahn den
Ort einerseits über
Montbovon und
den
Col de Jaman mit
Montreux, anderseits über
Saanen und
Erlenbach mit
Thun und eine von
Montbovon abgehende
Zweiglinie über
Bulle und
Châtel
St. Denis mit
Vevey verbinden. Die Gemeinde, die grösste des Kantons, umfasst 7 Unterabteilungen,
sog. «établées» (von étable = Stall; schon im 14. Jahrhundert so geheissen): 1. Château
d'Oex mit
Les Bossons, dem Dorf
Château
d'Oex,
Le Petit Pré,
Le Pré Chrétien,
Les Quartiers,
Sur les Riaux u. La
Villa d'Oex;
2. Entre deux Eaux mit Les Chabloz, Les Crêts, Gérignoz und Les Moulins;
3. L'Etivaz mit den Weilern Le Contour und Le Devant de l'Etivaz, Le Plan de l'Ouge und Vers l'Eglise oder Vers la Chapelle;
4. La Frasse mit La Frasse und Le Pré;
5. Le Mont mit Les Granges und dem Weiler Le Mont;
6. Le Monteiller mit Delà le Mont und dem Weiler Le Monteiller;
7.
Sous le Sex mit der Hauptsiedelung
Les Combes.
Im ganzen 569
Häuser, 2891 reform. Ew. Château
d'Oex liegt in einer grossen Flyschmulde, die durch kleine
Falten aus roten Kreideschichten da und dort gegliedert erscheint und auf deren einer die Pfarrkirche steht.
Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Viehzucht und Futterbau. Nachdem das Gras zweimal geschnitten worden, dient der letzte Wuchs, der sogen. repas, dem Vieh nach seinem Niederstieg von den benachbarten Alpweiden, der am Dionysiustag (9. Oktober) erfolgt, zur Spätherbstweide. Gemüse und Kartoffeln gedeihen gut, während der Anbau von Korn, Gerste und Hafer mehr und mehr verschwindet; die Obstbäume (Aepfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen) leiden zeitweise unter Spätfrösten des Frühjahrs.
Die Wälder bestehen hauptsächlich aus
Fichten; einige Lärchen,
Eichen,
Buchen, Föhren und
Arven. Elektrizitätswerk des
Pays d'Enhaut; zahlreiche
Sägen; Bausteinbrüche und Kalkgruben. Château
d'Oex ist wichtiges Fremdenzentrum, besonders seit
es sich dank der durch die Kette der
Vanils vor N.-Winden geschützten Lage und der Abwesenheit von Nebel zu einem seit 1880 mehr
und mehr geschätzten Winterkurort entwickelt hat. Zahlreiche Pensionen. Kirche und
Kapelle; englische
Kapelle
mit eigenem Pfarrer.
Ausser mehreren Primarschulen ein Progymnasium (halb klassisch, halb real), das sog. Institut Henchoz, das 1850 von den Brüdern Henchoz gestiftet worden ist und Mädchen wie Knaben aufnimmt. Von gemeinnützigen Anstalten und Vereinen bestehen ein 1870 eröffnetes Krankenhaus;
ein 1880 gegründetes Altersasyl;
ein 1851 gegründeter Unterstützungsverein;
eine 1828 gegründete Industriegesellschaft, die an bedürftige und würdige junge Leute beider Geschlechter zur Erlernung eines Handwerks und weiterer Ausbildung in der Fremde oder zur Vollendung ihrer Studien Stipendien verabreicht;
eine 1898 gegründete gemeinnützige Gesellschaft.
Der Name Château
d'Oex wird verschieden abgeleitet: entweder von
Ogo oder Hochgau (=
Pays d'Enhaut), oder
^[Supplement: zu Unrecht!] von Ochia (= grüne Wiesenfläche;
Ouchy), oder endlich von Oesch, (gotisch atisks, althochdeutsch
ezzisc, mittelhochdeutsch esch, oesch), einer ursprünglich ebenfalls
Wiesen und
Weiden beigelegten Bezeichnung («Azweide»),
mit der der
Ort heute noch in deutscher Sprache
(Schloss an der Oesch) geheissen wird. Urkundliche Formen: 1115 Ogoz, Oit; 1228
Ogo,
Oiz.
^[Supplement: pagus Ausicensis. Dies ist die Latinisierung von
Osco, Osgo.] Die ersten Ansiedler
im Thal waren
Gallo-Römer
mit einem starken Prozentsatz von Burgundern; sie besassen schon im 12. Jahrhundert Kirche (genauer Standort nicht bekannt)
und Burg (1289: Castrum Doyz), die auf der
Château Côtier geheissenen Anhöhe stand und einen Raum von
etwa 500 m2 umfasste. Es stehen davon noch einige Reste.
Das Land war zuerst (von 1000-1554) Eigentum der
Grafen von
Greierz, die hier einen Burgvogt bestellten und nach Bedürfnis
Truppen aushoben. Einige Bürger von Château
d'Oex kämpften und starben bei
Laupen (1339), wo der welsche Adel von
den Bernern aufs
Haupt geschlagen wurde; andere nahmen an den häufigen Fehden gegen die Leute der
Ormonts-Thäler und die
Ober
Walliser teil, wieder andere standen 1476 bei
Murten mit den Bernern und Freiburgern gegen Karl den Kühnen. Am ging
das Greierzerland an Freiburg
und Bern
gemeinschaftlich über.
Bei der 1555 erfolgten Teilung der Beute zwischen beiden Städten kam das
Pays d'Enhaut zu Bern,
das die Reformation mit Gewalt
einführte und die Thalschaft der Reihe nach von 44 Landvögten verwalten liess. Nach dem Sturze
Berns wurde Château
d'Oex
wider den Willen seiner Bewohner endgiltig dem Kanton Waadt
zugewiesen, an dessen Regierung sich die letztern aber
bald gewöhnten. Château
d'Oex ist dreimal vom Feuer zerstört worden: am und Zur Zeit
dieses letzten
Brandes, der auch die über dem Dorfe gelegene Kirche nicht verschonte, war hier der bekannte
Dekan
Bridel Ortspfarrer, durch dessen
¶
mehr
unermüdliche Tätigkeit dem Hilfskomitee Gaben im Werte von 205000 Franken zuflossen.
Für den Botaniker bildet Château
d'Oex den Mittelpunkt einer Reihe von interessanten Exkursionen. Das tief eingeschnittene
Saanethal erfreut sich dank seiner OW.-Orientierung und des ihm von den begleitenden Bergketten gewährten Windschutzes eines
milderen Klimas, als das der Mehrzahl der übrigen in gleicher Höhe gelegenen Standorte ist. Man findet
daher hier in der Umgebung von Château
d'Oex in nahe an 1000 m Meereshöhe eine ganze Anzahl von südlichen Pflanzenarten:
Clematis alpina, Cytisus alpinus, Peucedanum austriacum, Juniperus Sabina, Acer italum etc. In der Nachbarschaft (Cray, Les
Vanils, Corjon, Gummfluh) reiche alpine Flora. Alpenrose, Edelweiss und Alpendistel werden von den hier zur
Kur weilenden Fremden mit Vorliebe gesammelt. Wahre Blumengärten sind die Alpweiden am Lac Lioson, an der Kette von Chaussy,
von La Pierreuse, die im Uebrigen auch ihrer prachtvollen Aussicht wegen häufig besucht werden. An der Pierreuse finden sich
der seltene und schöne Alpenmohn und Pedicularis versicolor.
In geologischer Hinsicht bildet das Thal von Château
d'Oex eine doppelte Flyschmulde (eocäne Schiefer, Sandsteine und Konglomerate),
die stark mit Moränen und Alluvionen überführt ist. Eingesenkt ist die Mulde zwischen die jurassische Kette des Vanil Noir
im N. und die Kette der Gastlose (Leitmaire und Rochers de la Braye) im SO. mit ihren durch die verschiedene
Faciesausbildung ihrer Gesteine bedingten Gegensätzen. (Vergl. den Art. Präalpen). Letztere ist bemerkenswert durch eine
bis zu den Rochers de la Braye reichende verwickelte Ueberschiebung, während die des Vanil Noir in sehr regelmässige Falten
gelegt erscheint.
Heimat einiger allgemein bekannter Männer, wie des Architekten Perronnet, des Botanikers Favrod, des
zur Zeit der französischen Revolution eine Rolle spielenden Ramel, des Gouverneurs von Transsilvanien Geneyne und der Bankiers
Gebrüder Henchoz, der Gründer des Institut Henchoz. (Vergl. Château
d'Oex et le Pays d'Enhaut vaudois; notice historique
et description, publiée par le club de Rubly. 1882.)
[Eug. de la Harpe.]