Chasseron
(spr. schass'róng), ein jurassischer Bergrücken des schweizer. Kantons Waadt, 11 km nordwestlich von Yverdun am Neuchâteler See, 1611 m hoch, mit herrlicher Fernsicht.
Chasseron
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Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Chasseron
(spr. schass'róng), ein jurassischer Bergrücken des schweizer. Kantons Waadt, 11 km nordwestlich von Yverdun am Neuchâteler See, 1611 m hoch, mit herrlicher Fernsicht.
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Chasseron
(Kt. Neuenburg
und Waadt).
Kette und Gebirgsgruppe des schweizerischen Jura. Wie beim Chasseral unterscheidet man auch hier eine
besondere Chasseron
-Gruppe, die, zwischen der Orbe und Areuse gelegen, sich durch ihren Bau sehr deutlich von den umgrenzenden
Mulden (Ebene von Yverdon im S., Val de Travers im N. und Val de Noirvaux im NW.) abhebt. Sie besteht aus der eigentlichen Chasseron
-Kette
oder -Falte und zwei ihr im N. und S. vorgelagerten und mit ihr
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verknüpften Parallelfalten. Deren n. beginnt bei Noiraigue an den Oeuillons und folgt dem N.-Hang der Chasseron
falte bis Buttes,
wo sie in das Plateau von La Côte aux Fées übergeht. Vom Soliat, Mont Mouron (1371 m) und Chasseron
trennt sie die Mulde
von Les Rhuillières (Nouvelle Censière und Montagnette), wo untere Kreide (Valangien-Neocom) ansteht.
Diese Falte scheint am S.-Hang des Val de Travers verworfen oder überschoben zu sein, wie dies die Verhältnisse beim Wasserfall
von Môtiers zeigen. Im S. schliesst sich der Chasseron
gruppe die Fortsetzung der Kette des Suchet an, die von der Klus oder
Gorge de Covatannaz über Mauborget bis zum Mont Aubert (1342 m) reicht und als sehr regelmässig gebaute
Falte vom Chasseron
durch die Mulde von Provence-Bullet getrennt ist.
Die eigentliche Chasseron
kette endlich, deren Sequan-Kamm im SW. die Gipfel Mont Chasseron
und Mont Cochet krönen, kann als
die sw. Fortsetzung oder zum mindesten Ablösung der Chasseral-Chaumont-Kette gelten oder umgekehrt. Am
Knotenpunkt (S.-Rand des Val de Ruz am Wald von Serroue über Corcelles) sind die ersten Jurafalten bemerkenswert flach gelagert;
beim Schloss Rochefort steigen sie wieder an, werden aber sofort von der von senkrechten Felswänden der untern Kreide und
des obern Jura umgrenzten Klus der Gorges de l'Areuse quer durchschnitten.
Ihre unmittelbare Fortsetzung bilden die Montagne de Boudry und darauf der Creux du Van, wo das ursprüngliche Malmgewölbe zu einem grossartigen, nach O. offenen Zirkus oder Halbkreis ausgefressen ist, der nach S., N. und W. vollständig von Felswänden umschlossen wird. Dem obern Rand dieser Wanne (van) entlang verläuft auf eine Länge von ca. 1 km die Grenze zwischen den Kantonen Waadt u. Neuenburg. Höchster Punkt des Randes in 1465 m (im obern Malm). Der breite Bergrücken, der von da bis zur Tête à l'Ours (1316 m) nach W. zieht, ist ganz mit trockenen Bergweiden bestanden, deren Einförmigkeit nur hie und da von einigen Baumgruppen und isolierten Meierhöfen (Les Grandes und Les Petites Fauconnières, La Rougemone 1368 m, La Bolennaz 1296 m, Les Praz Joly, La Rusillonne etc.) unterbrochen wird.
Bei der eben genannten Tête à l'Ours beginnt eine Senke, die schliesslich zur grossen, in die Kette s. von Môtiers eingeschnittenen Argovien-Combe von La Vaux führt. Hier, auf Waadtländer Boden, eine Reihe von Höfen und Meiereien: La Redallaz, La Thormandaz, L'Abays, La Rondaneire (1299 m) und La Vaux (1234 m). In den Wiesen öffnen sich im Mergelboden grosse Trichter (hier embossus = emposieux geheissen). Die zwei die Combe von La Vaux umrahmenden Sequan-Kämme sind beiderseits stark bewaldet: Bois des Joux, Bois du Devens, Bois de la Calame und Bois de la Vaux.
An dieser Stelle, s. Fleurier, erreicht die Chasseron
kette zwischen dem Synklinalthal von La Montagnette einer- und demjenigen
von Bullet anderseits, ihre grösste Breitenentwicklung von ca. 4 km; die Falte wird in ihrem weitern
Verlauf gegen WSW. immer höher, bildet den Grat des Chasseron
(1611 m) und endigt, sö. Sainte Croix, mit dem bis zum Gipfel
mit Bergweiden und am S.-Hang mit dem Wald der Grande Joux bestandenen Mont Cochet (1485 m), dessen äussere Bedeckung und innerer
Bau genau denjenigen des SW.-Endes des Chasseral (am Wald von Engollon ö. Le Pâquier) entsprechen. Auf
den mergeligen Sequanwiesen des Chasseron
rückens leben wie in den Alpen Tausende von Arionta arbustorum, der durch kleine
und stark konische Schale ausgezeichneten Varietät der Wegschnecke. Hier gedeiht auch in Menge das Alpen-Windröschen (Anemone
alpina), dessen schwefelgelber Varietät (var. sulphurea) der kühle Mergelboden ganz besonders zusagt.
Der n. Schenkel der Chasseron
falte zieht als jurassischer Kamm von den Meierhöfen von Beauregard (Gemeinde Fiez) über die Montagne des Lisières
(1330 m) und die Roche Blanche (1473 m) zum Mont de la Mayaz (1470 m), wo sie von tiefen und wilden Schluchten
angefressen wird, die ins Thal von Noirvaux und zum Bach von Buttes absteigen. Der Mont de la Mayaz mit der Vy d'Amont verbindet
in mehr oder weniger unterbrochenem Zirkus diesen eben besprochenen N.-Schenkel der Falte mit dem ihrem S.-Schenkel angehörenden
Mont Cochet. Zwischen der Roche Blanche im N. und dem eigentlichen Mont Chasseron
im S. ist im mergeligen
und zementreichen Argovien und in dem der Länge nach in Steilwänden aufgeschlossenen Doggergewölbe ein tiefer Erosionseinschnitt
eingesenkt, das Thal von La Deneyriaz mit den gleichnamigen Waldungen und Meierhöfen. Eine Reihe
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von weitern Hütten stehen hinter dem Kamm des eigentlichen Chasseron
in der Fortsetzung dieser Argovien-Combe gegen Sainte Croix:
La Merlaz (1336 m), Le Sollier (1365 m) und Les Auges (1273 m). Bei allen findet man viele Fossilien. Das Dorf Sainte Croix
selbst steht in einer hochgelegenen Kluse der Chasseron
kette, wo wiederum der untere Malm (Argovien) und
sogar noch der Dogger angeschnitten sind. Am Mont des Cerfs schliesst sich das Gewölbe, das sich dann allmählich gegen SW.
senkt, in den Wald von La Limasse bei Les Gittes oder Les Gittaz und endlich nahe Jougne in das französische Plateau von Malvilain
übergeht. Die Gesamtlänge der Falte, die die am innern Rand des Schweizerischen Jura so scharf ausgeprägte
Chasseron
kette bildet, beträgt von Serroue bis Malvilain mehr als 40 km.
[Dr Louis Rollier.]
(Le), früher Sucheron geheissen (Kt. Waadt, Bez. Grandson). Langer Felskamm des schweizerischen Juragebirges, Fortsetzung des Creux du Van; nö. Sainte Croix, 12 km von Yverdon, 7 km von Fleurier und 4 km von Sainte Croix. Vom Mont des Cerfs durch den Col des Etroits getrennt, den die Strassen von Sainte Croix nach Pontarlier und ins Val de Travers überschreiten. Der Kamm gipfelt in drei verschiedenen Punkten: dem Mont Cochet (1485 m) über Sainte Croix, den Petites Roches (oder Petit Chasseron; 1587 m) und dem Signal oder Bec du Chasseron (1611 m). Nach NW. zweigen sich zum Eingang ins Thal von La Deneyriaz der Mont de la Mayaz (1470 m) und die Roche Blanche (1473 m) ab. Der SO.-Hang des Chasseron ist sanft geneigt und mit schönen Bergweiden und grossen bis zur Hochfläche von Les Rasses absteigenden Waldungen bestanden; am NW.-Hang bilden die Schichtköpfe eine über den Steilhängen des Thales von La Deneyriaz bis zu 200 m Höhe sich erhebende Felswand.
Schon seit Langem hat seine freie Lage dem Chasseron eine grosse Anzahl von Besuchern zugeführt. Vom diluvialen Rhonegletscher sind an seinen Hängen erratische Blöcke bis in Höhen von 1300 m abgelagert worden. Schon von den Römern muss der zwischen ihren Lagern von Eburodunum (Yverdon) und Ariolica (Pontarlier) gelegene Chasseron begangen worden sein; sie sollen hier sogar einen Wachtturm und Tempel errichtet haben. 1897 ist auf dem Gipfel ein Gasthaus eröffnet worden, wo die den Sonnenaufgang erwartenden Gäste übernachten können; ca. 50 Minuten unter dem Gipfel ein weiteres, kleines Wirtshaus mit Gelegenheit zum Uebernachten.
Die Rundsicht vom Chasseron (Panorama 1893 von Jaccard-Lenoir aufgenommen) ist eine ungemein ausgedehnte und der centralen Lage des Berges gegenüber dem schweizerischen Mittelland wegen allen übrigen Aussichtspunkten des Jura überlegene. Anderswo mag vielleicht der Rahmen von grösserem malerischem Reiz sein, nirgends aber ist der Umfang des Panoramas ein ausgedehnterer. Der Gipfel des Chasseron ist von der Jungfrau wie vom Mont Blanc gleich weit entfernt (je 115 km), der mittlere Radius der Aussichtsweite beträgt 150 km und ihre mehr als 220 km entfernten Endpunkte werden durch Säntis, Schwarzwald, Vogesen, Côte d'Or und La Meije bestimmt. Der Blick erstreckt sich auf das Gebiet von 15 schweizerischen Kantonen.
Der Chasseron kann in 1½ Stunden von Sainte Croix, in 2 Stunden von Mauborget und in 3 Stunden von Fleurier aus bestiegen werden. An schönen Sonntagen wird der Berg oft von mehr als hundert Spaziergängern besucht. Nahe unter dem Gipfel ist eine ziemlich schöne Sammlung von römischen Münzen und Medaillen aufgedeckt worden, die heute im Museum von Sainte Croix aufbewahrt wird.
In botanischer Hinsicht ist der Chasseron durch das Vorkommen von mehreren für den Jura ausserordentlich interessanten Arten bemerkenswert. Im Juni sind die Bergweiden auf dem Gipfel übersät mit Mengen von Alpen-Windröschen (Anemone alpina) und Narzissenblütigem Windröschen (Anemone narcissiflora), später erscheinen Türkenbund (Lilium martagon), Eisenhut (Aconitum napellus) u. a. Man fühlt sich gleichsam auf eine Alpweide versetzt, und dies um so mehr, als sich auf den Schutthalden und in Felsrissen um den Gipfel noch eine grosse Anzahl anderer alpiner Species finden: Ranunculus alpestris, Thlaspi alpestre, Helianthemum alpestre, Aster alpinus, Gnaphalium norvegicum (eine für den Jura äusserst seltene Art), Potentilla alpestris, Campanula thyrsoidea, Myosotis alpestris, Dryas octopetala u. a. ^[Note:] Die letztgenannte ist leider auf den Aussterbeetat gesetzt, da sie die Grundlage für die Mischung des sog. Chasseronthees bildet und deshalb eifrig und nicht immer mit der nötigen Sorgfalt gesammelt wird.
Dieser Thee (im Uebrigen nur eine etwas andere Mischung des als Volksarzneimittel so beliebten Schweizer- oder Kräuterthees) kann aber nicht, wie dies Grenier in seiner Flore de la chaîne jurassique behauptet, als Ersatz für den chinesischen Thee gelten. Er wird als Stimulans hauptsächlich gegen Erkältungen gerne genommen und besteht ausser der schon genannten achtkronblätterigen Dryade aus einem Gemisch von Waldmeister, Ziegenbart, Majoran, wildem Quendel (Thymus serpyllum), echtem Wundklee, Wermut und ¶