Chasaren
(Chazaren), ein altes Volk vom uralisch-finnischen Stamm, im N. des Schwarzen und Kaspischen Meers, nach Saint-Martin mit den Agazzir oder Katziri des Jornandes und der Byzantiner identisch, war schon geraume Zeit vor dem 7. Jahrh. an den Ufern des Kaspischen Meers im nordwestlichen Teil Kaukasiens mächtig, dehnte sich dann zwischen 642 und 668 infolge der großen bulgarischen Wanderung weiter über die Ländereien am Asowschen Meer aus und beherrschte zu Anfang des 8. Jahrh. auch die Taurische Halbinsel.
Nachdem die Chasaren
die
Slawen am
Dnjepr und an der
Oka unterworfen und tributpflichtig gemacht hatten, drangen
sie nach W. bis zu den
Karpathen vor und erstiegen darauf in der zweiten Hälfte des 9. Jahrh. die höchste
Stufe ihrer Macht.
Ihr
Reich erstreckte sich damals vom
Jaik bis zum
Dnjepr und
Bug, vom Kaspisee,
Kaukasus und
Schwarzen
Meer
bis zur mittlern
Wolga, zum Quellgebiet des
Donez und über
Kiew
[* 2] hinaus bis zur
Oka. Die Chasaren
schließen die
Reihe der
Völker finnischen
Ursprungs, welche von dem 3. bis zum 9. Jahrh. nacheinander in den ungeheuern
Ebenen des südlichen Rußland zwischen der
Wolga und der untern
Donau geherrscht haben.
In dem Chasaren
reich waren alle
Religionen geduldet.
Juden,
Christen,
Moslems und Anhänger des mittelasiatischen Naturkultus
lebten in friedlichem
Verkehr miteinander. Die
Familie des
Chakan und die
Großen des
Volkes bekannten sich ursprünglich zum
Islam, traten aber später zum
Judentum über. Da
Richter und Beamte
aus den verschiedensten
Religionen aufgestellt
waren, so ward jedem das
Recht durch seine Glaubensgenossen gesprochen, während für die Streitigkeiten der Anhänger verschiedener
Religionen eine gemischte Behörde angeordnet war.
Die Chasaren
fürsten standen gewöhnlich in gutem Einvernehmen mit dem byzantinischen
Reich.
Ihre alte Hauptstadt war Balandshar
(das jetzige
Astrachan).
Später ward unter Mithilfe byzantinischer Baukünstler eine neue
Residenz, Sarkal
(»weiße Stadt«, das jetzige Bjelajaweza, in der
Nähe der katschalinischen Kosakenstaniza), erbaut, die jedoch schon um 1300 in
Trümmern lag. Mit den griechischen
Baumeistern kam auch wohl
Konstantin aus Thessalonich (Kyrillos) in das
Land der Chasaren
und
bekehrte nach der
Sage das ganze
Volk zum
Christentum.
Das Andenken der Chasaren
herrschaft hat sich bis auf den heutigen
Tag in mehreren russischen Ortsnamen erhalten. Swajatoslaw,
der erste russische Beherrscher mit slawischem
Namen (965), schlug die Chasaren
selbst in einer blutigen
Schlacht und eroberte ihre
Festung
[* 3] Sarkal. Wahrscheinlich haben die
Russen damals alle chasarischen Gebiete an dem östlichen
Gestade
von
Asow und
Taman erobert. Nur in der
Krim
[* 4] blieb noch ein
Schatten
[* 5] der chasarischen Macht übrig, der aber (1016) ebenfalls
den vereinigten
Kräften der Griechen und
Russen unter Motislaw von Tamatarcha, dem Sohn
Wladimirs, unterlag. Reste des
Volkes,
namentlich des sich zum
Mosaismus bekennenden Teils, sollen nach einigen die
Karaiten (Karaim) im südlichen
Rußland und den ehemaligen polnischen
Ländern sein.
Vgl. Frähn, Excerpta de Chasaris (Petersb. 1821);
Derselbe, Ibn Foszlan (das. 1823);
Harkavy, Mitteilungen über die Chasaren.
(»Russische
[* 6]
Revue« 1875 u. 1877).