Charĭten
(in der Einzahl
Charis), in der griech. Mythologie göttliche Wesen, welche als Personifikation der
Anmut,
Heiterkeit und Lieblichkeit in der Natur wie im Menschenleben zu betrachten sind. Die Homerische
Poesie hat sie noch in unbestimmter
Mehrzahl aufgefaßt (eine der «jüngern Chariten»
[* 3] wird
in der Ilias Pasithea genannt), bei Hesiod aber erscheinen sie in der Dreizahl: Aglaïa (d. h.
Glanz), Euphrosyne (Frohsinn) und
Thalia (blühendes
Glück),
Töchter des Zeus
[* 4] und der Eurynome.
Diese Zahl und Benennung ist dann die allgemein übliche in der
Poesie und der bildenden Kunst geworden, welche letztere sie
in älterer Zeit bekleidet,
später ganz nackt in jungfräulich schlanken Formen, meist mit verschlungenen
Armen zu einer Gruppe vereinigt, darstellte. Nach Pausanias, der als ihre Eltern Helios
[* 5] und
Aigle nennt, wurden in einigen
Gegenden
Griechenlands, abweichend von der gewöhnlichen
Tradition, nur zwei Chariten
verehrt; so in
Sparta, wo sie Kleta und
Phaënna, und in
Athen,
[* 6] wo sie
Auxo und
Hegemone genannt wurden.
Doch ist diese Angabe wahrscheinlich irrig. Wie es scheint, wurden die Chariten
auch in
Attika in der Dreizahl verehrt, und führten
dort
Namen, welche auch den drei Horen
[* 7] beigelegt wurden:
Thallo,
Auxo und Karpo, d. h. die Göttin der
Blüte,
[* 8] des Wachstums und der
Früchte, während
Hegemone ein
Name der
Hekate
[* 9] war, welche mit den Chariten
zusammen verehrt wurde. (Vgl. Robert,
De Gratiis Atticis, in den «Commentationes
in honorem Mommseni» (Berl. 1877.) - In
Rom
[* 10] sind die Chariten
(hier Grazien [Gratiae] genannt)
niemals Gegenstand religiöser Verehrung gewesen, sondern nur nach griech.
Vorbildern von Dichtern und Künstlern gefeiert worden. Aus dem
Altertum erhalten ist ein die drei Chariten
darstellendes Relief
im kapitolinischen Museum zu
Rom und die, allerdings verstümmelte, Marmorgruppe in der
Opera del Duomo zu Siena, die 1460 im
Palazzo Colonna in
Rom gefunden wurde. In der modernen Plastik sind die Chariten
dargestellt von
Canova und
Thorwaldsen.