Chaos
(griech.), bei Hesiod der leere, unermeßliche
Raum, welcher vor allen
Dingen war und die
Nacht und den
Erebus gebar;
bei Ovid die verworrene, formlose
Urmasse, welche die rohen
Stoffe der künftigen Weltbildung und der zu erzeugenden einzelnen
Gestalten
in sich trug. Über diese stark sinnliche
Ansicht der griechischen und römischen
Mythe erhebt sich die hebräische
Schöpfungsgeschichte, welche in Ergründung des Uranfangs der
Dinge bis zur möglichst weiten
Abstraktion, dem
Nichts, emporsteigt.
Eine orphische
Kosmogonie macht zum
Prinzip aller
Dinge ein ewiges, ungebornes, unendliches Chaos
, das weder hell
noch dunkel, weder trocken noch feucht, weder warm noch kalt war, sondern alles
als eine gestaltlose
Masse
in sich vereinigte,
bis es sich nach der
Zeiten Verlauf zur Eiform bildete, woraus ein Mannweib, als der
Grund aller
Dinge und aus feinern
Stoffen
gebildet, hervortrat. Dieses Mannweib schied die
Elemente und schuf aus zweien derselben
(Luft und
Feuer)
den
Himmel
[* 3] und aus zwei andern
(Erde und
Wasser) die
Erde.
Hier ist Chaos
die ungeschiedene, formlose Urmaterie, wie sie sich noch
Apollonios von Rhodus und Ovid dachten. Die ionischen
Philosophen nahmen entweder das
Wasser
(Thales) oder die
Luft
(Anaximenes) oder das
Feuer
(Herakleitos) für
das mit Unbegrenztheit und ewiger Bewegungsthätigkeit begabte Urwesen an und scheinen, jene einzelnen
Elemente dem Chaos
unterlegend,
bei diesen
Worten von der
Idee eines all
umfassenden
Elements ausgegangen zu sein. So erhielt das
Wort Chaos
bei den
Philosophen die
Bedeutung des
Alls, des
Universums, des alles
, was in ihm ward, umfassenden
Raums, der alles
umfassenden
Natur. Da das Chaos
, das älteste der
Wesen, nie mit klar hervortretenden
Charakter der Persönlichkeit, sondern bald als völlig
regungslos, bald als im innern
Kampf seiner widerstreitenden
Elemente begriffen gedacht wurde, so bedeutet es auch sprichwörtlich
eine ordnungslose, verwirrte
Masse, Gemengsel, Gewirr etc.