(spr. schángbör), berühmtes Schloß im franz. Departement Loir-et-Cher, Arrondissement Blois, das »Versailles
der Touraine« genannt, liegt in der Mitte eines 5500 Hektar großen, von Mauern umgebenen, sandigen Parkes,
welcher 5 Meiereien und 14 Teiche einschließt. Das Schloß, ein schöner Renaissancebau, ist 156 m lang und 117 m breit, wird
von vier runden, 19,5 m im Durchmesser haltenden Türmen flankiert und macht mit seinen zahlreichen Türmchen, Erkern, Giebeln
und Schornsteinen einen phantastischen Eindruck. Es enthält 440 Zimmer und Säle mit teilweise alter Einrichtung
und historischen Porträten, eine schöne Kapelle mit Oratorium und eine kunstvoll konstruierte Wendeltreppe mit Doppelspirale.
Der Bau des Schlosses ward 1526 von Franz I. begonnen und beschäftigte zehn Jahre lang unausgesetzt 1800 Arbeiter. Die innere
Ausschmückung konnte erst unter den nachfolgenden Königen vollendet werden. Das Schloß blieb zeitweilige
Residenz der Könige von Frankreich bis auf Ludwig XV., der es dem Marschall von Sachsen zum Geschenk machte. Auch der Polenkönig
Stanislaus Leszczynski wohnte mehrere Jahre hier. 1792 plünderte es ein Pöbelhaufe; späterhin ward es als Nationaleigentum
verkauft. 1809 schenkte es Napoleon I. dem General Berthier, von dessen Witwe es 1821 eine Gesellschaft Legitimisten
für 1¾ Mill. Frank erstand und dem Herzog von Bordeaux verehrte, welch letzterer sich später hiernach Graf von (s. unten)
nannte. Derselbe verwendete ansehnliche Summen zur Restauration des Schlosses. Am 9. Dez. 1870 fand bei Chambord ein
Gefecht zwischen Hessen und Franzosen statt.
Vgl. La Saussaye, Le château de Chambord (8. Aufl., Par. 1859).
(spr. schángbör), Heinrich Karl Ferdinand Marie Dieudonné von Artois, Herzog von Bordeaux, Graf von, Sohn des
am 13. Febr. 1820 ermordeten Herzogs Karl Ferdinand von Berri, wurde 29. Sept. 1820 zu Paris geboren und erhielt den
Titel eines Herzogs von Bordeaux. Da seine Geburt den Fortbestand der legitimen Dynastie sicherte, ward er als »ein von
Gott geschenktes Wunderkind« gefeiert, und als die öffentliche Meinung sich gegen die Absicht des Ministeriums Richelieu,
für das »Kind von Frankreich« die Domäne Chambord anzukaufen, erklärte, so geschah deren Erwerbung durch einen
Verein von Legitimisten, der die Domäne dem Prinzen am Tag seiner Taufe (1. Mai 1821) schenkte.
Nach der Julirevolution dankten zwar Karl X. und der Herzog von Angoulême zu gunsten des unmündigen Prinzen ab, doch zu spät,
und derselbe mußte ebenfalls ins Ausland gebracht werden. Mit der Erziehung des Prinzen, der nach Prag gebracht
ward, wurden Jesuiten und die legitimistischen Generale d'Hautpoul und Latour-Maubourg unter Oberleitung des Barons Damas betraut,
daher die Richtung desselben eine ultramontane und absolutistische ward. Nach Karls X. Tod (6. Nov. 1836) wurde Chambord von den Legitimisten
als der rechtmäßige König Heinrich V. angesehen.
Nach längern Reisen in verschiedenen Ländern Europas, während welcher er sich 1841 durch einen Sturz vom Pferde so verletzte,
daß er einen hinkenden Gang behielt, und 1843 in Belgrave Square in England einen Huldigungsbesuch von 300 Legitimisten aus
Frankreich empfing, ließ er sich in Görz nieder und nahm nach dem Tode des Herzogs von Angoulême den
Titel
eines Grafen von Chambord an. Das Vermögen von 5 Mill. Frank, das ihm der Herzog von Blacas hinterlassen, erlaubte ihm eine fürstliche
Hofhaltung. Am 16. Nov. 1846 vermählte er sich mit der Prinzessin Maria Theresia von Modena und nahm seinen
Aufenthalt in Frohsdorf bei Wien.
Die Ehe blieb kinderlos. Sowohl nach der Februarrevolution als nach dem Sturz des zweiten Kaiserreichs 1870 versuchte die legitimistische
Partei Chambord als Heinrich V. auf den Thron zu erheben und die Orléanisten durch eine Fusion, welche der Familie Orléans das Thronfolgerecht
sicherte, dafür zu gewinnen. Beide Male scheiterte der Versuch, 1873 an der Weigerung des Grafen, die Trikolore anstatt des
weißen Lilienbanners anzunehmen und sich auf eine Verfassung im voraus zu verpflichten.
Vielmehr stützte sich Chambord einzig und allein auf die klerikale Partei, und dadurch machte er seine Thronbesteigung unmöglich.
Geistig unbedeutend und äußerst bigott, aber gutherzig und edelmütig, zog er das Leben eines reichen
Landedelmanns den Gefahren des französischen Throns vor. Er starb 24. Aug. 1883 in Frohsdorf und wurde in Görz bestattet. Da er
keine männlichen Leibeserben hinterließ, erlosch mit ihm die ältere Linie der Bourbonen, und seine Thronansprüche
gingen auf die Orléans über.
Graf von.
Vgl. Nouvion und Landrodie, Le comte de Chambord, Biographie (Par. 1886);
Dubosc de Pesquidoux, Le comte
de Chambord d'après lui-même (das. 1887).