Cesarotti
(spr. tsche-), Melchiore, berühmter ital.
Dichter und Gelehrter, geb. zu
Padua
[* 3] aus einer alten, aber armen
Familie, erhielt sehr jung den Lehrstuhl der
Rhetorik
am
Seminar zu
Padua, folgte aber 1762 einem
Ruf als
Lehrer in das Patrizierhaus Grimani nach
Venedig,
[* 4] wo er seine
Tragödien nebst
zwei Abhandlungen:
»Sopra l'origine ed i progressi dell' arte poetica« und
»Sopra, il diletto della tragedia«,
drucken ließ. Hier lernte
er den soeben erschienenen
»Ossian« des
Macpherson kennen, ging sogleich an die Erlernung des
Englischen
und veröffentlichte schon nach sechs
Monaten eine ausgezeichnete italienische Übersetzung des Gedichts in reimlosen
Versen
(Padua 1763, 2 Bde.; vollständiger 1772, 4 Bde.;
Nizza
[* 5] 1780, 3 Bde.;
Mail. 1826-27, 4 Bde.), welche allgemeines Aufsehen erregte
und nicht wenig dazu beigetragen hat, der italienischen
Poesie neues
Leben einzuhauchen. Besonders bewunderte man an derselben
die
Harmonie des Versbaues. Im J. 1768 erhielt Cesarotti
die Professur der griechischen und hebräischen
Sprache
[* 6] zu
Padua und ward 1779 beständiger
Sekretär
[* 7] an der
Akademie der
Wissenschaften und
Künste. In
¶
mehr
dieser Stellung verfaßte er außer einigen andern Werken auch seine Übersetzung der »Ilias« mit ausführlichen kritischen Erörterungen (Padua 1786-94, 10 Bde.; das. 1798-1802, 10 Bde.), die aber wegen der ganz außerordentlichen und meistens völlig ungerechtfertigten Freiheiten, die er sich darin erlaubte, als ein völlig verfehltes Werk betrachtet werden muß, wogegen allerdings der litterarische Apparat, womit er dieselbe begleitete, seiner fast beispiellosen Vollständigkeit wegen sehr schätzbar ist.
Sein sehr weitläufig angelegter »Corso ragionato della letteratura greca«, welchen er um dieselbe Zeit begann, ist unvollendet geblieben. Auf Veranlassung seiner Akademie schrieb er seinen vortrefflichen »Saggio sulla filosofia delle lingue applicato alla lingua italiana« (Padua 1785, 8 Bde.; Pisa [* 9] 1800) und als neuernanntes Mitglied der Arcadia zu Rom [* 10] den nicht weniger geschätzten »Ragionamento sulla filosofia del gusto«. Im Auftrag der republikanischen Regierung verfaßte er seinen »Saggio sugli studii«, die »Instruzione d'un cittadino á suoi fratelli meno istruiti« und den »Patriotismo illuminato«.
Napoleon I. ernannte ihn zum Ritter und später zum Kommandeur des Ordens der Eisernen Krone und verlieh ihm
einen Jahrgehalt, wofür sich ihm Cesarotti
durch sein Gedicht »Pronea«,
welches 1807 erschien, dankbar erwies. Er starb auf seinem Landgut Solvaggiano. Außer den oben genannten Werken
hat man von ihm noch eine gleichfalls mit weitläufigem Kommentar begleitete Übersetzung des Demosthenes,
eine Reihe verschiedener kleiner Abhandlungen, eine Anzahl Gedichte und eine reiche Sammlung von Briefen. Der große Ruhm, dessen
Cesarotti
bei Lebzeiten genoß, hat sich zwar nicht erhalten, immerhin aber gehört er zu den um die Wissenschaften verdientesten
Männern seiner Nation. Eine noch von ihm selbst begonnene Gesamtausgabe seiner Werke wurde nach seinem
Tod von G. Barbieri vollendet (Pisa 1800-1813, 42 Bde.). Eine Auswahl derselben erschien
Mailand
[* 11] 1820, 4 Bde., und Bologna 1882 in 1 Band.
[* 12]