Catalani
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Angelica, Opernsängerin, geboren im Oktober 1779 zu Sinigaglia unweit Ancona, [* 2] kam als Pensionärin in das Kloster Santa Lucia bei Rom, [* 3] wo sie als Chorsängerin bereits Aufsehen erregte. In ihrem 14. Jahr war ihre Stimme vollkommen ausgebildet, und sie verließ nach eignem Willen sowie auf den Rat ihres Musiklehrers Boselli das Kloster, um sich für das Theater [* 4] vorzubereiten. Nachdem sie 1795 in Venedig [* 5] debütiert und hier sowie in den andern großen Städten Italiens [* 6] glänzende Erfolge errungen hatte, erhielt sie 1801 ein Engagement in Lissabon, [* 7] wo sie fünf Jahre hindurch das Publikum entzückte. Im J. 1806 ging sie, nachdem sie sich mit einem Herrn v. Valabrègue, einem ehemaligen französischen Kapitän, vermählt hatte, über Madrid [* 8] und Paris [* 9] nach London. [* 10]
Der Eindruck, den sie hier machte, übertraf alles je Dagewesene, und ihr Gesang begeisterte fortdauernd die höchsten wie die untersten Stände. Nach einem achtjährigen Aufenthalt, während dessen sie sich ungeheure Summen Geldes erworben hatte, wandte sie sich wieder nach Paris, wo sie eine Zeitlang die Direktion der Italienischen Oper übernahm. Während der Hundert Tage ging sie nach Belgien, [* 11] kehrte dann nach Paris zurück und übernahm zum zweitenmal die Leitung des italienischen Theaters, konnte sich aber mit den ihr vorgesetzten Behörden nicht vertragen und legte deshalb nach kurzer Zeit ihr Amt nieder. Im J. 1816 trat sie eine Kunstreise an, besuchte die Hauptstädte Deutschlands, [* 12] Dänemark, [* 13] Schweden [* 14] und Italien [* 15] und wurde überall mit unerhörtem Enthusiasmus aufgenommen.
Als sie 1818 Europa [* 16] wiederum bereiste, hatte sie schon bedeutend an Macht ihrer Stimme verloren und schwächte dadurch den Eindruck ihres ersten Auftretens. Vier Jahre später jedoch trat sie wieder mit dem frühern Erfolg in London auf, und erst 1827, nachdem sie noch in Polen, Rußland und zuletzt in Berlin [* 17] gesungen, nahm sie von der Öffentlichkeit Abschied. Sie lebte später teils auf ihrem Gut bei Florenz, [* 18] wo sie auch eine Gesangschule stiftete, in der sie jungen Mädchen unentgeltlichen Unterricht erteilte, teils zu Paris, wo sie an der Cholera starb.
Trotz mancherlei technischer Mängel war ihr Vortrag von so unbeschreiblichem Reiz, daß sie Kenner wie Laien unwiderstehlich zu fesseln wußte. Besonders leistete sie als Koloratursängerin Erstaunliches; in chromatischen Läufen z. B., sowohl auf- als absteigend, war ihre Sicherheit auch im schnellsten Tempo unfehlbar. Wie ihr Organ bezüglich der Geläufigkeit mit der der Instrumente wetteifern konnte, bewies sie unter anderm durch den Vortrag Rodescher Violinvariationen, welches Kunststück von spätern Sängerinnen vielfach, doch nie mit ähnlichem Erfolg, versucht worden ist. Von Charakter edel und großartig, ließ sie die in ihrer Künstlerlaufbahn erworbenen Schätze größtenteils den Bedürftigen zu gute kommen, und wenn sie z. B. in einer einzigen viermonatlichen Londoner Saison 240,000 Frank einnahm, so beziffert sich anderseits die von ihr den Armen gespendete Summe auf mehr als 2 Millionen.