(lat.), Fall, Vorfall, Begebenheit. Casus im grammatikalischen Sinn s. Kasus. Casus belli, Kriegsfall, in welchem ein
Staat sich veranlaßt sieht, an einen andern den Krieg zu erklären;
casus conscientiae, Gewissensfall;
casus dabilis,
ein gegebener, angenommener Fall;
casus fatalis, Schicksals-, Unglücksfall;
casus foederis, Bündnisfall, der (den Verträgen zufolge)
einen Bund
mehr
zum gemeinsamen Handeln veranlaßt;
casus fortuitus oder improvisus, ein unvorhergesehener Fall;
casus invitabilis, ein unvermeidlicher
Fall;
casus insolitus, ein ungewöhnlicher Fall;
casus in terminis, ein mit dem vorliegenden ganz übereinstimmender Fall;
casus merus,
ein reiner Zufall;
casus necessitatis, Notfall;
casus pro amico, Fall, in welchem die Rücksicht auf einen Freund
obwaltet;
casus providentiae, ein von der Vorsehung veranlaßter Fall;
casus reservatus, Vorbehaltungsfall, ein solches Vergehen,
von dem, außer in Todesgefahr, nur die eigentlichen Inhaber der kirchlichen Jurisdiktion, der Papst oder der Bischof oder der
Ordensgeneral, absolvieren können, z. B. schwere Todsünden (atrociora et graviora crimina);
casus solitus, ein gewöhnlicher
Fall;
casus tragicus, ein trauriger Fall;
casu, durch Zufall, zufällig;
casu substrato, in praesenti, in hoc,
in nostro casu, im vorliegenden Fall;
in casum, auf den Fall;
in casum casus, auf den Fall des Falles, d. h. des Eintretens gewisser
Eventualitäten.
In der Rechtswissenschaft versteht man unter Casus einen Nachteil, welcher unverschuldeterweise eintritt,
daher die Rechtsregeln: a nullo praestatur, für den Zufall hat niemand einzustehen;
casum sentit dominus, den zufälligen
Schaden hat der Eigentümer, Besitzer der von dem zufälligen Schaden betroffenen Sache zu tragen.
(lat.), Fall, Zufall, Vorfall, Begebenheit; juristisch die Gefahr (s. d.) des Zufalls, der zufälligen
Beschädigung oder des zufälligen Unterganges, Verlustes, z. B. einer geschuldeten Sache. Darauf bezieht
sich die nicht für alle Fälle richtige Regel casum sentit dominus, d. h. die Gefahr des Untergangs hat der Eigentümer zu
tragen;
oder die umgekehrte Regel casus non (a nullo) praestatur, d. h. für den Zufall wird nicht
gehaftet. Im andern Sinn ist Casus ein Rechtsfall, daher: Casus
belli (s. d.),
Kriegsfall;
Casus conscientiae, Gewissensfall (s. Kasuistik);
Casus dabĭlis, ein gegebener, angenommener Fall;
Casus emergens, ein Umstand, durch welchen ein anhängiger Prozeß auf einmal eine andere Wendung nimmt;
Casus fatalis, Schicksals-,
Unglücksfall;
Casus foederis (s. d.), Bündnisfall;
Casus fortuītus oder improvīsus, ein unvorhergesehener Fall;
Casus in termĭnis,
ein mit dem vorliegenden übereinstimmender (bereits entschiedener oder gesetzlich geregelter) Rechtsfall;
Casus merus, reiner Zufall;
Casus reservātus, ein vorbehaltener Fall, namentlich in Bezug auf geistliche Absolution.
Casu, durch
Zufall, zufällig;
casu substrāto, im vorliegenden Fall;
in praesenti casu, im gegenwärtigen Fall;
in hoc casu, in diesem
Fall;
in nostro casu, in unserm Fall;
in casum casus, auf den Fall der Verwirklichung gewisser Möglichkeiten.
(lat.) werden in der Grammatik die Formen genannt, die ein Nomen (Substantiv und Adjektiv) oder Pronomen zum Ausdruck
der verschiedenen Beziehungen im Satze (Objekt, Subjekt, Ort, Mittel u. s. w.) annehmen kann. Die meisten Casusformen lassen
sich zerlegen in den Wortstamm und die Casusendung, welche die geforderte Beziehung ausdrückt, z. B.
im lat. servus, servum ist servu-, älter servo-, der Stamm, -s die Casusendung (Casussuffix) des Nominativs, -m die des Accusativs.
Ohne Casusendung war von Anfang an der singularische Vokativ, z. B. serve, pater, was
nichts Auffallendes hat, als dieser Casus, als bloßer Anruf, außer syntaktischer Beziehung zu den andern
Gliedern des Satzes steht, also eigentlich gar kein Casus ist. Aber auch einige wirkliche Casusformen entbehrten von jeher
des Suffixes, wie die singularischen Nominative lat. equa (= altind. açvā) und pater (= grch.
πατήρ), der griech. Accusativ ἐμέ «mich», der lat. Nominativ-Accusativ mare u. a. Die Gesamtheit
der Casus nennt man die Flexion oder Deklination (s. d.) des Nomens und
Pronomens.
Die indogerman. Sprachen haben ursprünglich acht Casus; doch haben mehrere dieser Sprachen Verluste von Casus erlitten, sodaß z. B.
die deutsche nur vier hat, die griechische fünf, die lateinische sechs. Neuere sehr abgeschliffene Sprachen, wie das Französische,
haben der Form nach fast gar keinen Casus mehr, sondern bedienen sich entweder der Präpositionen
(z. B. agneau de dieu «Lamm Gottes», lat. buchstäblich agnus de deo) oder die Stellung des Wortes deutet genügend sein Verhältnis
im Satze an. Die Casus der lat. Sprache sind: Nominativ, Genetiv, Dativ, Accusativ, Vokativ und Ablativ;
ursprünglich
gab es im Indogermanischen dazu noch einen Lokativ (Casus des Ortes, Wo-Casus) und einen Instrumental (C.der Gemeinsamkeit [als
solcher auch Sociativ genannt] oder des Mittels), die noch in den heutigen slaw. und litauischen Sprachen existieren.
Man teilt
die Casus ein in casus recti oder unabhängige, Nominativ und Vokativ, die zu andern Satzteilen
nicht in einem untergeordneten Verhältnisse stehen, und
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
mehr
in Casus obliqui oder abhängige, die sich in einem untergeordneten Verhältnis zu andern Teilen des Satzes befinden; zu ihnen
gehören alle übrigen Casus.
Die Grundbedeutung der Casussuffixe in unsern indogerman. Sprachen etymologisch festzustellen ist nicht mehr möglich. Ein
Teil der Casus zeigt lokale Bedeutung, und es ist wahrscheinlich, daß ihnen diese Bedeutung
von jeher innewohnte, z. B. dem Locativus und dem Ablativus. Dagegen bringen der Nominativus
und der Accusativus kein räumliches Verhältnis zur Vorstellung, sondern drücken eine rein grammatische Beziehung des Nomens
zu einem andern Satzteil aus. Auch für diesen Casus hat man lokale Grundbedeutung in Anspruch genommen (lokalistische Casustheorie).
–
Vgl. Hübschmann, Zur Casuslehre (Münch. 1875);
Holzweißig, Wahrheit und Irrtum der lokalistischen
Casustheorie (Lpz. 1877);
Whitney, General considerations on the Indo-European case-system (in «Transactions of American Philological
Association», Bd. 13, 1882).
(lat.), in der Moraltheologie konkrete (wirkliche oder erdichtete) Vorfälle, auf welche die Grundsätze der Moraltheologie
angewendet werden.
Erscheint die Behandlung solcher Casus in der Moraltheologie als Hauptsache, so heißt
diese Kasuistik (s. d.).