Titel
Castelli
,
1) Ignaz Franz, Dichter, geb. zu Wien, [* 2] studierte daselbst die Rechte und ward 1801 Praktikant bei der landständischen Buchhaltung. Schon frühzeitig hatte er sich auch mit poetischen Arbeiten befaßt und namentlich eine entschiedene Neigung zum Theater [* 3] entwickelt. Sein beifällig aufgenommenes, nach dem Französischen bearbeitetes Lustspiel »Tot und Lebendig« begründete 1803 seinen Ruf. Zwei Jahre später, beim Einrücken der Franzosen, begab er sich als ständische Lieferungs- und Etappenkommissar nach Purkendorf, wo er durch sein entschlossenes, dabei launiges Wesen gute Dienste [* 4] leistete.
Als die Vorbereitungen zum Krieg von 1809 getroffen wurden, suchte er durch Wehrmannslieder und Aufrufe auf Soldaten und Volk zu wirken, und sein »Kriegslied für die österreichische Armee«, das in aller Mund war, schien der französischen Regierung so gefährlich, daß der »Moniteur« ihn mit H. v. Collin in die Acht erklärte und im Betretungsfall vor die Kriegsgericht stellte. Als darauf die Franzosen Wien bedrohten, sorgte die Regierung dadurch für seine Sicherheit, daß sie ihn nach Ungarn [* 5] sandte, von wo er erst nach Abschluß des Wiener Friedens zurückkehrte. Im J. 1811 wurde er infolge seiner Oper »Die Schweizerfamilie«, die, von Weigl komponiert, über alle deutschen Bühnen ging, vom Fürsten Lobkowitz zum Hoftheaterdichter des Kärntnerthor-Theaters ernannt, gab aber 1814, als Graf Pálffy die Leitung übernahm, diese Stellung wieder auf. Im folgenden Jahr ging er als Sekretär [* 6] des Grafen Cavriani sowie später des Freiherrn von Münch-Bellinghausen nach Frankreich und bereiste 1819 und 1822 Süddeutschland und Oberitalien. [* 7]
Auf einer spätern
Reise durch Norddeutschland (1839) wurde er von der
Universität
Jena
[* 8]
honoris causa zum
Doktor ernannt. Nach 40jähriger Thätigkeit bald darauf pensioniert, lebte Castelli
seitdem teils in
Wien, teils auf seinem Landhaus
bei
Lilienfeld. Im J. 1848 machte er noch einmal von sich reden, indem mehrere von ihm verfaßte politische
Flugschriften,
z. B. »Was ist denn jetzt in
Wien geschehen?« und »Der
Bauer kommt vom
Reichstag zurück«, binnen wenigen
Tagen einen
Absatz von vielen
Tausend
Exemplaren fanden. Er starb in
Wien, der »letzte Vertreter der alten
Wiener Gspäßikeit«.
Auf der
Bühne haben sich von seinen einst sehr gern gesehenen
Lustspielen und spezifisch wienerischen
Possen nur etwa das Dialektstück
»Die
Schwaben« und die Münchhauseniade »Der Lügner
und sein Sohn« erhalten. Sonst sind von seinen Theaterstücken, die in den »Dramatischen
Sträußchen«
(Wien 1809 ff., 18 Jahrgänge) gesammelt erschienen, etwa noch zu erwähnen das eine
Zeitlang (seit 1829) allerorten gegebene
Drama »Die Waise und der
Mörder« und eine nicht unglückliche
Travestie der Schicksalstragödien
Müllners und
Houwalds, betitelt: »Der Schicksalsstrumpf«. In Castellis
Bühnenstücken
geben sich anerkennenswerte Erfindungsgabe,
Bonhomie und
Laune kund, doch leiden sie an Oberflächlichkeit und ermangeln der
höhern künstlerischen Bedeutung gänzlich. Das beste seiner Erzeugnisse dürften die »Gedichte
in niederösterreichischer
Mundart«
(Wien 1828) sein, womit er die österreichische Dialektpoesie
(Seidl,
Stelzhamer,
Kaltenbrunner)
anregte. Sonst veröffentlichte er noch: »Poetische Kleinigkeiten«
(Wien 1816
¶
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bis 1823, 5 Bde.);
»Wiener Lebensbilder« (das. 1828, 2 Bde.; 2. Aufl. 1835);
»Bären. Eine Sammlung Wiener Anekdoten« (das. 1825-32, 12 Hefte);
»Neue Wiener Bären« (das. 1844);
»Erzählungen in allen Farben« (das. 1840, 6 Bde.) u. v. a., abgesehen von mehreren Taschenbüchern (z. B. »Huldigung der Frauen«, 1822-48),
seinen zahlreichen kleinen Aufsätzen, Sprichwörtern, Rätseln, Scharaden, Logogriphen, Schnurren etc. Auch die Redaktion mehrerer Journale führte er, so namentlich des »Allgemeinen musikalischen Anzeigers« (1829-40).
Eine Ausgabe seiner Werke in strenger Auswahl erschien Wien
1844, 16 Bde.; neue Folge, das. 1858, 6. Bde. Auch
gab er ein »Wörterbuch der Mundart in Österreich
[* 10] unter der Enns« (Wien 1847) heraus sowie »Memoiren meines
Lebens. Gefundenes und Empfundenes« (das. 1861, 4 Bde.).
Castelli
war nebenbei passionierter Sammler. Er hinterließ eine Sammlung von 12,000 Schauspielen in 3000 Bänden, ferner Sammlungen
von Porträten aller bekannten Schauspieler und Theaterdichter, von Tabaksdosen sowie fast aller Wiener Theaterzettel seit 1600 (jetzt
im Besitz der k. k. Hofbibliothek).
2) Alessandro, ital. Maler, geb. 1810 zu Rom, [* 11] widmete sich ohne Anleitung der Landschaftsmalerei und wurde 1849 wegen Beteiligung an revolutionären Umtrieben und 1859 abermals aus Rom verbannt. Er ging 1860 nach Paris, [* 12] dann nach England und kehrte erst 1868 wieder nach Florenz [* 13] und 1870 nach Rom zurück. Von seinen stimmungsvollen Landschaften ist in Deutschland [* 14] eine mit einer figurenreichen Darstellung der Kreuzigung Christi durch die Berliner [* 15] Kunstausstellung von 1881 bekannt geworden.