Castelar
,
Emilio, span.
Politiker und Schriftsteller, geb. zu
Cadiz,
[* 2] studierte auf der
Universität in
Madrid
[* 3] zuerst
Rechtswissenschaft, dann vorzugsweise
Philosophie und Litteratur. Als Schriftsteller trat Castelar
zuerst auf dem Gebiet der
Novellistik, später auf dem der
Politik auf. Von dem
Republikaner
Orense in das politische
Leben eingeführt,
schrieb er für demokratische
Blätter, wurde dann
Professor der Geschichte und der
Philosophie an der
Universität
Madrid und
übte durch seine glänzenden
Vorträge einen großen Einfluß auf die
Jugend aus. 1864 gründete er das
Blatt
[* 4] »La Democracia«, worin er für die individuelle
Freiheit und gegen die
Willkür der Bourbonenherrschaft, aber auch gegen den
Sozialismus kämpfte.
Später verteidigte er auch in den Cortes mit enthusiastischer, hinreißender, wenngleich etwas phrasenreicher Beredsamkeit seine republikanischen Grundsätze. Oberflächlich und zur Rhetorik geneigt, ist E. doch ein edler Patriot, uneigennützig und selbstverleugnend, ehrlich und wahrhaft. Seine heftigen Angriffe auf die Regierung hatten 1865 seine Suspension zur Folge, und als er sich an dem Militäraufstand in Madrid beteiligte, mußte er fliehen und wurde in contumaciam zum Tod verurteilt. Die Septemberrevolution von 1868 rief ihn aus der Verbannung zurück, und ¶
mehr
hiermit begann für Castelar
eine neue Ära. Zum Abgeordneten für die konstituierenden Cortes gewählt, bekämpfte er jede Art von
Monarchie, verteidigte als einzig richtige Verfassungsform die Föderativrepublik und verlangte in schwunghaften Reden Religionsfreiheit.
Er schwärmte auch für ein Bündnis aller Völker romanischen Stammes und bewies seine Unkenntnis der Dinge durch
seine heftigen Angriffe auf Deutschland
[* 6] wegen des französischen Kriegs 1870/71. Nach der Abdankung Amadeus' im Februar 1873 bildete
Castelars
Freund Figueras eine neue Regierung, in der Castelar
das Auswärtige übernahm, und nun konnten die Republikaner ihr Ideal,
die Bundesrepublik, verwirklichen.
Aber die Desorganisation des Heers hatte bald eine völlige Anarchie in allen Provinzen zur Folge, und Figueras,
Piy Margall und Salmeron, die nacheinander an die Spitze des Staats traten, dankten bald ab, so daß Castelar
, der 26. Aug. zum Präsidenten
der Cortes gewählt wurde, nun die nationale Einheit, eine kräftige Regierungsgewalt, die Wiederherstellung der Ordnung und
besonders die Kräftigung der Armeedisziplin als unerläßlich forderte. Er wurde hierauf 7. Sept. zum Präsidenten
der Exekutivgewalt mit außerordentlichen diktatorischen Vollmachten gewählt, die er nun energisch anwendete, um den Karlistenkrieg
erfolgreich zu führen und die Aufstände der Föderalisten im Süden zu unterdrücken. Er scheute sich nicht, um das Vaterland
zu retten, allen seinen früher kundgegebenen Ansichten zuwiderzuhandeln. Er wurde daher von allen Republikanern
für einen Abtrünnigen gehalten, und als ein für ihn bei den Cortes nach seiner Rechenschaftsablage beantragtes
Dankesvotum nicht die Majorität fand, legte er sein Amt nieder.
Nach dem unmittelbar darauf folgenden Staatsstreich des Generals Pavia zog sich Castelar
auf längere Zeit vom
politischen Leben zurück und begab sich in das Ausland. Erst unter Alfons XII. ließ er sich wieder in die Cortes wählen, in
denen er gemäßigt republikanische Grundsätze vertrat und an der Spitze der kleinen Gruppe der Ordnungsrepublikaner (Posibilistas)
stand. Öffentlich trat er seltener für seine republikanischen Anschauungen als für die Union der romanischen
Völker auf; seinen Haß gegen Deutschland gab er wiederholt in schroffer Weise zu erkennen.
Von seinen zahlreichen Schriften erwähnen wir: »La civilisazion en los cinco primeros siglos del cristianismo« (2. Aufl., Madrid 1865);
»Questiones politicas y sociales« (1870, 3 Bde.);
»Discursos parlamentarios« (1871, 3 Bde.);
»Discursos poeticos« (1873);
»Historia del movimiento republicano en Europa« [* 7] (1874, 2 Bde.);
»Miscelanea de historia, de religion etc.« (1874);
»Estudios historicos sobre la edad media« (1875);
»Cartas sobre politica europea« (1875, 2 Bde.);
»La question de Oriente« (1876);
»Recuerdos de Italia« (deutsch von Schanz: »Erinnerungen an Italien«, [* 8] Leipz. 1876);
»El ocaso de la libertad« (1877);
»Ensayos litterarios« (1880);
»La Rusia contemporanea« (1881);
»Tragedias de la historia« (1883).
Eine Biographie Castelars
schrieb Sanchez de Real (Madr. 1874).