Titel
Carracci
(Caracci, spr. -ráttschi), ital. Malerfamilie aus Bologna, Begründer der bis ins 18. Jahrh. einflußreichen Schule der bolognesischen Eklektiker.
1)
Lodovico, geb. zu
Bologna, ist der
Gründer der
Schule. Er widmete sich erst in seiner Vaterstadt unter P.
Fontana,
dann in
Venedig,
[* 3]
Florenz,
[* 4]
Parma,
[* 5]
Mantua
[* 6] und wieder in
Venedig gründlichen
Studien nach
Tizian,
Tintoretto,
A.
del
Sarto,
Correggio u. a. Nach
Bologna zurückgekehrt, stiftete er mit seinen
Vettern
Agostino und Annibale Carracci
die Accademia
degli Incamminati (»der auf den rechten Weg Gebrachten«),
und es gelang ihnen, trotz der erbitterten Rivalität der alten
Maler die junge aufstrebende Künstlerschaft
Bolognas in ihr
Atelier zu locken und dieselbe durch gründliche
Unterweisung auszubilden. Die Carracci
wiesen auf die großen alten
Meister, namentlich auf
Correggio, hin, wobei sie sich bestrebten,
die Vorzüge derselben zu verbinden, ohne daß es ihnen völlig gelungen wäre. Trotz dieses Eklektizismus war aber
Lodovico
ein bedeutender
Maler; ein sorgsames
Studium, kräftige
Farbe und oft eine überraschende Feinheit des Gefühlsausdrucks
charakterisieren ihn.
Freilich arbeitete er mit derbern
Effekten als die großen Alten, und die pathetische
Richtung des 17. Jahrh. ist zum großen
Teil auf ihn zurückzuführen. Die meisten seiner Gemälde, in
Öl und Fresko, finden sich noch in
Bologna (darunter
die sieben großen Fresken im
Kloster
San
Michele in
Bosco, Fresken im
Dom zu
Piacenza).
Sein letztes
Bild war die
Verkündigung Mariä
im
Dom zu
Bologna; der
Gram über einen daran zu spät entdeckten Fehler soll ihm den
Tod gebracht haben Die Gemälde
in
San
Michele erschienen zweimal gestochen unter den
Titeln: »Il claustro di
San
Michele in
Bosco, descritto
da Carracci
Malvasia ed intagl. da G. Giovannini«
(Bologna 1696) und »Il medesimo claustro ecc., descr. ed illustr.
da G. P. Zannotti« (das. 1776).
Vgl. Bolognini-Amorini, Le
[* 7] vite di
Lodovico,
Agostino, Annibale ed altri dei Carracci
(Bologna
1840);
Janitschek in Dohmes »Kunst und Künstler«.
2)
Agostino,
Maler und Kupferstecher, geb. zu
Bologna, war zum Goldschmied bestimmt, widmete sich dann aber aus Zureden
seines Oheims
Lodovico der
Malerei, die er unter
Fontana erlernte, worauf er sich durch
Reisen in die
Lombardei und
Venedig weiter
ausbildete. Dabei versäumte er aber auch das
Studium der
Wissenschaften und der
Dichtkunst nicht, so daß
seine Lehrthätigkeit in der
Akademie nach dieser Seite hin besonders sich geltend machte. Als die
Kartäuser in
Bologna einem
Bild Carraccis:
die
Kommunion des heil.
Hieronymus, den Vorzug vor den Leistungen der Mitbewerber, worunter sein
Bruder Annibale, zusprachen, soll ihn dieser aus
Eifersucht beredet haben, sich ausschließlich dem
Stich zu widmen.
Später malte Carracci
gemeinschaftlich mit dem
Bruder an den Fresken des
Pal.
Farnese in
Rom;
[* 8] der Eifersüchtige soll ihn hier wieder
von der
Arbeit verdrängt haben, als
Agostinos
Arbeiten besser gefielen als die seinigen.
Gebrochenen
Herzens
begab sich Carracci
zum
Herzog Ranuccio nach
Parma, den er zweimal porträtierte. Im
Palazzo del Giardino malte er für den
Fürsten
noch die Fresken der himmlischen, der irdischen und der käuflichen
Liebe, die er bis auf eine
[* 1]
Figur vollendet hatte, als
ihn der
Tod wegraffte.
Seine Hauptbedeutung liegt auf dem Gebiet des Kupferstichs. Der Niederländer Carracci
Cort hatte damals in
Italien
[* 9] durch seine feste
und energische
Manier großen Einfluß gewonnen, und Carracci
nahm ihn sich zum
Muster, wobei zugleich
Ch.
Albertis malerischere Behandlung
des
Stichs auf ihn einwirkte. Er gewann eine größere
Freiheit und Mannigfaltigkeit in den Strichlagen,
als alle Frühern hatten, und zeichnete dabei in fester und großartiger
Manier. Seine Schraffierungen, mit kraftvoller
Hand
[* 10] geführt, drücken stets die Form richtig aus. Carracci
ist ein wichtiges Mittelglied zwischen den
Stechern des 16. Jahrh. und denen
der Rubensschen
Schule; obwohl noch nicht so malerisch wie die letztern, hat er ihnen doch den Weg gebahnt.
Die Zahl seiner
Blätter beziffert sich auf
ca. 270; sie sind zum
Teil nach seinen eignen
Erfindungen, zum
Teil nach italienischen
Meistern des 16. Jahrh. ausgeführt.
3) Annibale,
Bruder des vorigen, geb. zu
Bologna, ursprünglich zum
Schneider bestimmt, erlernte
die
Malerei unter
Lodovico Carracci.
In
Parma, wo er von 1580
an drei Jahre lang verweilte, studierte er
Correggio aufs eifrigste, dann
in
Venedig
Tizian,
Tintoretto und besonders
Paolo
Veronese. Nach
Bologna zurückgekehrt, entfaltete er hier eine große Thätigkeit,
malte in Fresko mit
Lodovico und
Agostino in den
Palästen
Fava, Magnani, in
Kirchen etc. und vollendete zugleich
viele
Ölgemälde.
Von dem
Kardinal
Farnese nach
Rom (1600) berufen, führte er in dessen
Palast mythologische Fresken aus, wobei er sich
Michelangelos
Sixtinafresken zum Vorbild nahm, durch edle
Komposition, gediegene
Zeichnung und prachtvolles
Kolorit sein Hauptwerk. Durch
die
Studien nach den
Kompositionen
Raffaels und
Michelangelos hatte er sich einen größern
Stil angeeignet.
Acht Jahre lang arbeitete er mit
Hilfe seines
Bruders und seiner
Schüler an diesen Fresken. Der niedrige
Preis von 500 Skudi
für die
Arbeit stürzte Carracci
, dem die höchste
Anerkennung der kunstgebildeten
Welt zu teil wurde, in
Schwermut und
Krankheit,
der er nach einem kurzen Aufenthalt in
Neapel,
[* 11] wo er sich zu erholen gedachte, 14. oder in
Rom erlag. Er fand seine Ruhestätte im
Panthéon an der
Sette
Raffaels.
Gemälde von ihm finden sich zahlreich in
Bologna,
Rom,
Neapel,
Paris,
[* 12]
London,
[* 13]
Dresden,
[* 14]
Berlin,
[* 15]
Wien
[* 16] u. a. O. Carracci
hat auch
in
Kupfer
[* 17] gestochen; anfangs bediente er sich des
Grabstichels, später aber radierte er verschiedene
Blätter, die in ihrer
Zartheit und doch zugleich kräftigen
Wirkung zu den köstlichste Erzeugnissen der
Radiernadel gehören. Carracci
war, ungleich seinem
Bruder, ein Mann von geringer
Bildung, aber ein echter
Künstler, der das Hauptverdienst um die Eklektikerschule
hat; die Kühnheit und Sicherheit seiner
Zeichnung ist zu bewundern, und so reflektiert, akademisch und roh er manchmal erscheint,
so überrascht er doch oft durch eine glückliche
Naivität und eine fast
Correggios würdige Färbung. Es ist nach ihm sehr
viel gestochen worden, namentlich auch nach seinen zahlreich vorkommenden
Zeichnungen. S. Guillain radierte
unter
Beihilfe
Algardis die Ausrufer von
Bologna: Le arti di
Bologna, in 78 Blättern
(Rom 1646, spätere Ausg. 1740);
dieselben auch G. M. Mitelli (Bologna 1660).
Die
Galerie
Farnese ist oft erschienen (von Carracci
Cesio, P.
Aquila u. a.), außerdem: Elementi
del disegno di
A. Carracci
intagliate da Poilly, 30
Blätter.
4) Antonio Marziale, Maler, natürlicher Sohn Agostino Carraccis, geb. 1583 zu Venedig, lernte bei seinem Vater und bei Annibale in Rom, begab sich dann mit Sisto Rosa nach Bologna, von da aber bald wieder nach Rom, wo er die durch Annibales Tod verwaiste Schule der Carracci wieder erwecken wollte. Er starb 1618 in Rom. Seine Gemälde sind sehr selten, die meisten in Rom; sein Bildnis im Alter von neun Jahren befindet sich in Dresden. ¶