Carmĭna
burāna, eine Sammlung mittellat. (auch deutscher und deutschlat.)
Lieder, die in einer Handschrift des 13. Jahrh. in der oberbayr.
Abtei
Benediktbeuern gefunden wurden.
Sie sind größtenteils Erzeugnisse von «Fahrenden Leuten» (s. d.),
Klerikern des 11. und 12. Jahrh., die etwa unsern
Studenten entsprachen und ein unstetes, lockeres Wanderleben führten.
In den
Carmina burana
, die, immer frisch, oft keck,
Perlen unserer
Lyrik sind, mischen sich christl. Frömmigkeit mit heidn.-naiver
Sinnlichkeit,
Klosterschulwitz und antik-gelehrter Prunk mit der altnationalen Spruchweisheit und den schlichten
Tönen
des Naturliedes.
Die Formen sind meist moderne Liedmaße mit
Endreim, wie bei den lat. kirchlichen
Hymnen. Die Carmina burana
sind die
Vorläufer unserer
Studentenlieder und der burschikosen
Lyrik V. Scheffels, der sie bewußt nachahmte. Auswahl der lat.
Texte (nebst verwandten)
von Gröber (anonym): «Carmina clericorum. Edidit domus quaedam vetus» (7. Aufl., Lpz.
1890);
«Gaudeamus! Carmina vagorum selecta» (2. Aufl., ebd. 1879);
deutsche Übersetzung von Laistner, «Golias» (Stuttg. 1879);
von Pernwerth von Bärnstein mit Urtext, «Carmina burana
selecta»
(Würzb. 1879);
die vollständige Sammlung gab Schmeller (Stuttg. 1847; 2. Aufl., Bresl. 1883) heraus. –
Vgl. Giesebrecht, Die Vaganten oder Goliarden und ihre Lieder (in der «Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Litteratur», Braunschw. 1853);
Hubatsch, Die lat. Vagantenlieder des Mittelalters (Görlitz [* 2] 1870);
K. Francke, Zur Geschichte der lat. Schulpoesie des 12. und 13. Jahrh. (Münch. 1879);