Don, Infant von
Spanien,
[* 2] ältester Sohn Philipps Ⅱ., ward zu
Valladolid geboren. Seine
Mutter, Maria
von
Portugal, starb vier
Tage nach der Entbindung. Frühzeitig entwickelte sich in dem stets schwächlichen
Knaben ein bis zur
Unbändigkeit heftiges und eigensinniges
Temperament, und weder
die erste Erziehung durch seines
Vaters
Schwester Juana noch die folgende durch den gelehrten
Humanisten Honoratus de
Juan war geeignet, ihn zu bessern. Als Philipp
nach seiner Rückkehr aus dem
Kriege (1559) plötzlich mit äußerster
Strenge eingriff, entwickelte sich zwischen
Vater und
Sohn ein feindlicher Gegensatz, der immer tiefere
Wurzeln schlug.
Daß zwischen Carlos und seiner Stiefmutter Isabella (Elisabeth von
Valois, der dritten Gemahlin Philipps), die einst ihm selbst
als
Braut zugedacht war, ein sträfliches Liebesverhältnis bestanden habe, ist eine Erfindung; aber die gegenseitige wohlwollende
Zuneigung beider, die eine
Thatsache ist, war nicht angethan, jenen feindlichen Gegensatz zu mildern.
Carlos hatte 1560 von den
StändenCastiliens als Thronerbe die Huldigung empfangen: 1561 bezog er, zugleich mit seinem jugendlichen
Oheim
Don Juan d'Austria (s.
Johann von
Österreich)
[* 3] und mit seinem Vetter
AlexanderFarnese, die
UniversitätAlcalá.
Eine lebensgefährliche
Krankheit, die er sich daselbst 1562 zuzog, führte auf kurze Zeit eine äußerliche
Versöhnung zwischen
Vater und Sohn herbei. Carlos erlangte 1564 die
Teilnahme an den Sitzungen des
Staatsrats, aber die längere
Zeit beabsichtigte
Verlobung mit
Anna, der Tochter
Kaiser Maximilians Ⅱ., wurde ihm fort und fort vorenthalten.
Bald traten
neue Zerwürfnisse ein, die seit 1565 durch dieKonflikte Philipps mit den
Niederlanden, deren Statthalterschaft
dem Infanten von Kindheit an verheißen worden, wesentlich geschürt wurden.
Trotz der angewandten Zuchtmittel war Carlos in seinem ganzen
Denken und
Wollen, in
Sitten und Grundsätzen zum Gegenbilde seines
Vaters gediehen und brachte daher auch den Vertrauten desselben, wie dem
Herzog von
Alba,
[* 4] dem Minister Ruy
Gomez (Fürsten von
Eboli) und dem Großinquisitor Kardinal Espinosa, eine unüberwindliche
Abneigung entgegen. Er bezeigte
sich, obwohl Verehrer des Papstes, mehrfach als ein Gegner der Geistlichkeit und der
Inquisition sowie der
Beichte und der
Messe, und schien auch im Gegensatz zu seinem streng absolutistisch gesinnten
Vater die polit.
Hebung
[* 5] des
Adels und der
Städte zu begünstigen. Deshalb erachtete Philipp diesen seinen einzigen Sohn für unfähig, nach ihm die
Zügel
der Regierung zu übernehmen. Er trug sich bereits mit dem
Gedanken, ihn zu enterben, einzusperren und die eventuelle Erbfolge
seinem Neffen, dem Erzherzog
Rudolf, zu übertragen, als der
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
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niederländ. Aufruhr 1567 die Katastrophe beschleunigte. Carlos forderte, daß ihm die Sendung nach Flandern anvertraut werde;
statt dessen wurde Alba dorthin gesendet. Die Ernennung zum Präsidenten des Staats- und Kriegsrats und das trügerische Versprechen
des Königs, ihn alsbald selbst nach den Niederlanden zu führen, hielten die Katastrophe nur wenig auf.
Des steten Mißtrauens sowie der bevormundenden Gewalt seines Vaters überdrüssig und ahnend, daß Anschläge gegen seine
Person im Werke seien, wollte sich Carlos dem allem durch die Flucht entziehen. Zunächst war er bemüht, seinen
Oheim und Freund Don Juan d'Austria zur Teilnahme an der Flucht zu bestimmen. Dieser aber verriet den Plan
dem König, und letzterer schritt jetzt sofort zum Äußersten. Am um 11 Uhr
[* 7] abends vollzog er selbst, an der Spitze
seiner Vertrauten, die Verhaftung des Carlos, entschlossen, ihn von der Thronfolge auszuschließen und für den Rest seines Lebens
gefangen zu halten.
Zu diesem Zwecke wurde eine Untersuchungskommission (nicht die Inquisition) in Thätigkeit gesetzt, aber
nur wenige Monate lebte Carlos noch im Kerker; starb er. Ob sein rasches Ende dadurch herbeigeführt worden, daß
man dem Verzweifelnden immer neue Aufregungen bereitete und dadurch seine Gesundheit untergrub, oder ob man durch künstliche
Veranstaltungen, wie manche behaupten, den Tod beschleunigte, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Die
Frage nach dem Charakter des Carlos ist von den Geschichtsforschern vielfach, in verschiedenem Sinne, behandelt worden; ehedem
stellte man sich Carlos keineswegs als einen wahnsinnigen oder gar blödsinnigen Menschen vor, sondern vielmehr als eine zwar
unbändige, aber originelle Persönlichkeit von scharfem Verstande. In neuerer Zeit hat Büdinger in seinem
Werk nachzuweisen versucht, daß Carlos mit erblichem Irrsinn behaftet gewesen ist.
Allgemein wurde der Tod des Carlos in Spanien betrauert. Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. wurde Carlos zum Gegenstand eines
span. Dramas von Montalvan gemacht; 1672 erfuhr er durch Saint-Réal eine romanhafte Behandlung, die die
Unterlage für die Dramen von Campistron, Lefèvre, Schiller, Alfieri und Russell bildete. –
Vgl. außer den ältern Forschungen
von Llorente, Ranke und Raumer besonders Prescott, History of the reign of Philip the Second, Bd. 2 (Boston
[* 8] 1856 u. ö.);
Gesandtschaftsberichte
und Briefe des Freiherrn von Dietrichstein (in Kochs «Quellen zur Geschichte Kaiser Maximilians Ⅱ.», Lpz. 1857);
Gachard, DonCarlos et Philippe Ⅱ (2 Bde., Brüss.
1863);
Don Carlos Maria José Isidoro von Bourbon, span. Kronprätendent, geb. zweiter Sohn
König Karls Ⅳ. von Spanien, Bruder König Ferdinands Ⅶ., mußte auf Napoleons Gebot 1808 mit seinem
Bruder der Thronfolge entsagen und dann bis 1814 die Gefangenschaft desselben in Valençay teilen. Da auch die zweite Ehe Ferdinands
Ⅶ. kinderlos blieb, so eröffnete sich dem Infanten Aussicht auf die Thronfolge, und nach Herstellung der Konstitution 1820 ward
C. ^[] Mittelpunkt aller Bestrebungen
und Verschwörungen, die auf die Wiedereinführung des Absolutismus
hinausliefen.
Die Gegner des Don Carlos aber vermochten den kinderlosen König, als seine dritte Gemahlin 1829 verstorben war, sich mit Maria
Christina (s. d.), der Schwägerin des Infanten Don Francisco da Paula, zu vermählen und für den Fall einer bloß weiblichen
Nachkommenschaft eine Pragmatische Sanktion zu erlassen, durch die das erlassene
Salische Gesetz des bourbonischen Hauses aufgehoben wurde. Am wurde die Infantin Maria Isabella geboren und somit
Carlos' Aussicht auf die nächste Thronfolge vernichtet.
Zwar gelang es seiner Partei, den kranken König im Sept. 1832 zur Wiederherstellung des Salischen Gesetzes
zu bewegen; als dieser aber wieder genesen war, erklärte er das Dekret für erschlichen und die Pragmatische Sanktion von 1830 für
wiederhergestellt. Da C. dagegen Protest erhob, verwies ihn der König nach Portugal, und als er sich von hier aus weigerte,
der Huldigung der Prinzessin von Asturien (der spätern Isabella Ⅱ.) beizuwohnen, nach dem Kirchenstaate.
Noch aber hatte sich Carlos nicht nach Italien
[* 10] eingeschifft, als Ferdinand Ⅶ. starb. Der Infant betrachtete sich
nun als rechtmäßigen Herrscher von Spanien und wurde als solcher (Karl Ⅴ. von Spanien) nicht nur von seiner
Partei, die jetzt den Namen der Karlisten erhielt, sondern auch von DomMiguel in Portugal anerkannt, sodaß ihn die Königin-Regentin 16. Okt. für
einen Rebellen erklärte. Don Carlos schiffte sich nach England ein, wo er beharrlich die Vorschläge der Königin-Regentin
auf einen bedeutenden Jahrgehalt zurückwies.
Schon1. Juli verließ er heimlich England und gelangte verkleidet 10. Juli über die Grenze Spaniens, wo fortan
der Bürgerkrieg in den nördl. Provinzen aufwogte und mit abwechselndem Glück geführt wurde, bis sich der selbst ganz unfähige
Don Carlos 1839 genötigt sah, auf franz. Boden eine Zuflucht zu suchen. (S. Spanien.) Bereits 1834 war der
Infant und seine Nachkommenschaft durch fast einstimmigen Beschluß der Proceres sowohl wie der Prokuratoren von der Thronfolge
ausgeschlossen und vom span. Boden verbannt worden, welchen Beschluß die konstituierenden Cortes von 1836 bestätigt hatten.
Nachdem seine erste Gemahlin, Maria Francisca, Tochter König Johanns Ⅶ. von Portugal, mit der er seit 1816 vermählt
war, 1834 verstorben, vermählte er sich 1838 mit deren Schwester Maria Theresia, Infantin von Portugal (Prinzessin von Beira)
und Witwe des Infanten Peter von Spanien. Infolge von Spaltungen unter der karlistischen Partei entsagte Don Carlos seinen
Rechten auf den span. Thron
[* 11] zu Gunsten seines ältesten Sohnes und nahm den Inkognitotitel eines Grafen von
Molina an. Er wandte sich dann nach Österreich, wo er zu Triest
[* 12] starb.
Sein ältester Sohn, Don Carlos Luis Fernando de Bourbon, Prinz von Asturien, nach der Entsagung des VatersGraf Montemolin, geb. zu
Madrid,
[* 13] floh mit Cabrera (s. d.) aus Bourges, wo er seit 1839 mit seinem Vater lebte, nach England,
von wo aus er seine Thronrechte durch Manifeste geltend zu machen suchte. Namentlich gedachten ihm seine Anhänger, die Montemolinisten,
durch eine Vermählung mit seiner Cousine, der jungen Königin Isabella Ⅱ., auf den Thron zu verhelfen.
Allein
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
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nicht nur das Interesse Ludwig Philipps von Frankreich und die Politik Englands, sondern auch die Abneigung der span. Nation
stand einer solchen Vereinigung entgegen. Im April 1849 unternahm der Graf Montemolin den Versuch, insgeheim durch Frankreich
nach Spanien zu gehen, ward aber angehalten und nach kurzer Gefangenschaft auf der Citadelle zu Perpignan
nach England zurückgebracht. Er vermählte sich 1850 mit der neapolit. Prinzessin Maria Carolina Fernanda, Schwester König
Ferdinands Ⅱ.Während des Krieges zwischen Spanien und Marokko
[* 15] trat der Prinz mit Ortega, dem Generalkapitän der Balearischen
Inseln, zu einer Schilderhebung in Verbindung. Am landete Ortega mit 3000 Mann Truppen, die mit
den Absichten ihres Führers gänzlich unbekannt waren, bei Tortosa und rief den Grafen Montemolin als Karl Ⅵ. von Spanien aus.
Das Unternehmen mißlang völlig, und Graf Montemolin selbst, sein jüngster Bruder sowie verschiedene Parteigenossen wurden
gefangen genommen. Während Ortega den Tod erlitt, erhielten die Prinzen, nachdem sie 23. April ihren Thronansprüchen
entsagt, die Freiheit zurück. Graf Montemolin nahm zwar diese Erklärung als erzwungen zurück, aber sein Ansehen blieb vernichtet.
Er zog sich mit seinem Bruder nach Triest zurück, wo beide in wenig glänzenden Verhältnissen lebten.
Dieser Bruder, Don Fernando Maria José, der dritte Sohn Don Carlos', geb. starb am Nervenfieber zu
Brunsee, einem Schlosse der Herzogin von Berry in Steiermark.
[* 16] Nach einem Besuche, den Graf Montemolin und dessen Gemahlin dem
Bruder abgestattet, verfielen auch diese zu Triest derselben Krankheit. Der Prinz starb in der Nacht vom 13. zum 14. Jan., einige
Stunden später seine Gemahlin. Die Prätendentschaft auf den span. Thron wurde nun von dem zweiten Sohne des Don Carlos, dem Infanten
Don Juan Carlos Maria Isidoro, geb. aufgenommen, der von London
[* 17] aus seine Rechte in verschiedenen Manifesten geltend
zu machen suchte. Derselbe verzichtete infolge des Ausbruchs der span. Revolution zu Gunsten
seines Sohnes Carlos auf seine Thronrechte und starb Er war seit mit der Infantin Maria Beatrix, Erzherzogin
von Österreich-Este, Prinzessin von Modena, vermählt, aus welcher Ehe zwei Söhne entsprossen, die Infanten Carlos (s. den
folgenden Artikel) und Alfons (s. Alfons von Bourbon, Infant von Spanien).