Carbonari,
s. Karbonari.
801 Wörter, 5'823 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
s. Karbonari.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
(ital., «Köhler»), bedeutendster und verbreitetster der vielen ital. Geheimbünde dieses Jahrhunderts. Ihre Hauptwirksamkeit entfalteten die Carbonari seit 1808 im Königreich Neapel. Schwankend und zweideutig traten sie hier 1814/15 erst gegen Murat, hierauf für ihn und endlich wieder gegen ihn und für König Ferdinand I. ein. Die Kurie suchte sie später im Bunde mit den Sanfedisten (s. d.) im Kirchenstaat zu unterdrücken; ebenso begünstigte Ferdinands berüchtigter Polizeiminister Canosa in Neapel die Calderari (s. d.) gegen sie. Nachdem sie sich, gestützt auf die allgemeine Unzufriedenheit, in allen Schichten des Volks verbreitet und G. Pepe (s.d.) ihre militär.Organisation und Läuterung von schlechten Elementen durchgeführt, brach der schon im April 1820 geplante Militäraufstand 2. Juli 1820 aus, und Ferdinand I. wurde von den Carbonari zur Verkündigung der span. Verfassung von 1812 gezwungen. Ebenso rührig waren sie im Kirchenstaat, wo sie, schon 1814 (s. Pacca) als eine Art Freimaurerorden verfolgt, 25. Juli 1817 den Aufstand von Macerata erregt hatten, der jedoch niedergeworfen wurde. In Piemont, wo Karl Albert irrtümlich als Carbonaro galt, hatten sie sich ebenfalls verbreitet und durch die Erhebung von 1821 die Verkündigung der span. Verfassung von 1812 veranlaßt. In den zu Österreich gehörenden Gebietsteilen Italiens hatten sie infolge der Wachsamkeit der Polizei am wenigsten Verbreitung gefunden. Metternich sah in den Carbonari, welche sowohl freiheitliche staatliche Einrichtungen als besonders Abschüttelung der Fremdherrschaft anstrebten, die Hauptgefahr für die Stellung Österreichs in Italien und verfolgte deshalb nicht nur den Bund im eigenen Gebiet aufs strengste, sondern unterstützte auch Ferdinand I. und Karl Felix durch Truppensendungen aufs wirksamste bei Niederwerfung der Bewegung, wodurch zugleich Kaiser Franz II. seine thatsächliche Oberherrschaft über Neapel und Piemont wiederherstellte. Österreich schlossen sich Pius VII. und Leo XII. in der Verdammung der Carbonari an (13. Sept. 1821 und 13. März 1825); letzterer und Gregor XVI. verwendeten seit 1830 hauptsächlich die Gegensekte der Carbonari, die Sanfedisten, wider sie. In die durch Verfolgung und massenhafte Auswanderung sehr verminderte, mit der franz. Charbonnerie in enger Beziehung stehende Carbonaria hatten sich nach und nach zu viele Elemente aus den untersten Ständen einqeschlichen, weshalb Mazzini ihr 1833 das Junge Italien (s. d.) an die Seite stellte. - Die Charbonnerie, welche sich in Frankreich um 1820 aus den Geheimbünden zur Zeit der Restauration herausbildete, trat nach Niederwerfung der Carbonari an die führende Stelle. Diese hatten ihren Mittelpunkt in Paris und entfalteten eine besonders rege Thätigkeit während des Spanisch-Französischen Krieges, bearbeiteten aber auch 1824 nach dem Siege der Reaktion in Spanien die Massen in revolutionärem Sinne. Nach der Julirevolution (1830) schlossen sich die bedeutendsten Mitglieder des Vereins der Regierung Ludwig Philipps an, während die Entschiedensten sich aufs neue in der Charbonnerie démocratique zusammenschlossen, um Babeufs (s. d.) socialistisch-republikanische Gleichheitsideen zu verwirklichen. An der Spitze der Verbindung standen Teste, Buonarroti und d'Argenson. Die letzten Spuren einer Carbonaria wurden 1841 in Südfrankreich entdeckt; dann verschwand der Geheimbund. An den Revolutionen von 1848 hatte er keinen Anteil mehr. - Namen und Einrichtung sind den Carbonari und der Charbonnerie gemeinsam; sie erinnern bei ihren pantheistisch-religiösen Anschauungen und ihrer Schwärmerei für Tugend und Menschenbeglückung an die der Freimaurer, von denen sie jedoch die ausgesprochen polit. Freiheitsbestrebungen und die Rücksichtslosigkeit in der Wahl ihrer Mittel scheiden. Wie die Freimaurer von der Maurerzunft, so nahmen die Carbonari von den Köhlern ihre Gebräuche und Benennungen an. Die Carbonari («fendeurs», Holzhauer) nannten sich gegenseitig «buoini cugini» (bons cousins, gute Vettern), Nichtzugehörige hießen «pagani» (Heiden); ihre Versammlungsgebäude nannten sie «barraca» (Hütte), ihre Zusammenkünfte «vendita» (Markt, die Loge, loggia der Freimaurer); die Vereinigungen der Frauen («Gärtnerinnen») hießen «Gärten»; der Platz außerhalb der Venditen war
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der «Wald», in welchem die «Wölfe», d. h. die gewaltthätigen Fürsten hausten. Eine größere Anzahl von Hütten bildete eine Provinz; so bestanden in Unteritalien die salernitanische und die neapolitanische; in Frankreich zählte man 20 Provinzen. Die Gesamtheit dieser bildete in den einzelnen Ländern die «Republik». Die Aufnahme geschah unter eigentümlichen Gebräuchen und stufenweise; es gab Lehrlings-, Gehilfen- und Meisterabteilungen; die höchsten Grade erlangten nur wenige, und alle übrigen Mitglieder waren eidlich zur Verschwiegenheit, Treue und zu unbedingtem Gehorsam gegen die Obern verpflichtet. Der Ursprung der Carbonari ist dunkel; Botta hält sie für ursprünglich unteritalisch; andere, wie Colletta, leiten sie von den Freimaurern und Illuminaten (s. d.) her und denken an Einführung aus der Schweiz, Deutschland oder Frankreich (s. Philadelphen). Die Zahl der Carbonari war zwischen 1815 und 1820 in Italien jedenfalls sehr beträchtlich; angegeben werden bis zu 600000. Für die europ. Polizei waren sie lange das Schreckgespenst, aber auch ganz gegen ihren Willen die besten Verbündeten bei der Niederhaltung der Völker, vor allem Italiens. - Vgl. (S. Bartholdy) Denkschriften über die geheimen Gesellschaften im mittäglichen Italien und insbesondere über die Carbonari (anonym, Stuttg. u. Tüb. 1822); Del governo austriaco, società segrete e polizia (Capolago 1850); Greco, Il tentativo dei Carbonari di Calabria citeriore nel 1813 (Cosenza 1866).