Carbonari
bedeutendster und verbreitetster der vielen ital.
Geheimbünde dieses Jahrhunderts.
Ihre
Hauptwirksamkeit entfalteten die Carbonari
seit 1808 im Königreich Neapel.
[* 2] Schwankend und zweideutig
traten sie hier 1814/15 erst gegen
Murat, hierauf für ihn und endlich wieder gegen ihn und für König Ferdinand I. ein.
Die Kurie suchte sie später im
Bunde mit den Sanfedisten (s. d.) im Kirchenstaat zu unterdrücken; ebenso
begünstigte Ferdinands berüchtigter Polizeiminister
Canosa in Neapel die
Calderari (s. d.) gegen sie.
Nachdem sie sich, gestützt auf die allgemeine Unzufriedenheit, in allen Schichten des
Volks verbreitet und G.
Pepe (s.d.)
ihre militär.Organisation und Läuterung von schlechten Elementen durchgeführt, brach der schon im April 1820 geplante
Militäraufstand aus, und Ferdinand I. wurde von den Carbonari
zur Verkündigung der
span.
Verfassung von 1812 gezwungen. Ebenso rührig waren sie im Kirchenstaat, wo sie, schon 1814 (s.
Pacca) als eine Art Freimaurerorden verfolgt, den
Aufstand von Macerata erregt hatten, der jedoch niedergeworfen
wurde. In Piemont, wo
Karl
Albert irrtümlich als Carbonaro galt, hatten sie sich ebenfalls verbreitet
und durch die
Erhebung von 1821 die Verkündigung der span.
Verfassung von 1812 veranlaßt.
In den zu
Österreich
[* 3] gehörenden Gebietsteilen
Italiens
[* 4] hatten sie infolge der
Wachsamkeit der Polizei am wenigsten
Verbreitung
gefunden. Metternich sah in den Carbonari
, welche sowohl freiheitliche staatliche Einrichtungen als besonders Abschüttelung
der Fremdherrschaft anstrebten, die Hauptgefahr für die
Stellung
Österreichs in
Italien
[* 5] und verfolgte
deshalb nicht nur den
Bund im eigenen Gebiet aufs strengste, sondern unterstützte auch Ferdinand I. und
Karl Felix durch Truppensendungen
aufs wirksamste bei Niederwerfung der
Bewegung, wodurch zugleich
Kaiser
Franz II. seine thatsächliche Oberherrschaft über
Neapel und Piemont wiederherstellte.
Österreich schlossen sich
Pius VII. und
Leo XII. in der Verdammung der Carbonari
an und letzterer und
Gregor
XVI. verwendeten seit 1830 hauptsächlich die Gegensekte der Carbonari
, die Sanfedisten, wider sie. In die durch Verfolgung
und massenhafte
Auswanderung sehr verminderte, mit der franz.
Charbonnerie in enger
Beziehung stehende
Carbonaria
hatten sich nach und nach zu viele Elemente aus den untersten
Ständen einqeschlichen, weshalb Mazzini ihr 1833 das
Junge Italien
(s. d.) an die Seite stellte. - Die
Charbonnerie, welche sich in
Frankreich um 1820 aus den
Geheimbünden zur Zeit der Restauration
herausbildete, trat nach Niederwerfung der Carbonari
an die führende
Stelle.
Diese hatten ihren Mittelpunkt in
Paris
[* 6] und entfalteten eine besonders rege Thätigkeit während des Spanisch-Französischen
Krieges, bearbeiteten aber auch 1824 nach dem
Siege der Reaktion in
Spanien
[* 7] die
Massen in revolutionärem
Sinne. Nach der Julirevolution
(1830) schlossen sich die bedeutendsten Mitglieder des
Vereins der Regierung
Ludwig Philipps an, während
die Entschiedensten sich aufs neue in der
Charbonnerie démocratique zusammenschlossen, um
Babeufs (s. d.) socialistisch-republikanische
Gleichheitsideen zu verwirklichen. An der
Spitze der
Verbindung standen
Teste,
Buonarroti und d'Argenson. Die letzten
Spuren einer
Carbonaria wurden 1841 in Südfrankreich entdeckt; dann verschwand der Geheimbund. An den Revolutionen
von 1848 hatte er keinen Anteil mehr. -
Namen und Einrichtung sind den Carbonari
und der
Charbonnerie gemeinsam; sie erinnern bei
ihren pantheistisch-religiösen
Anschauungen und ihrer Schwärmerei für
Tugend und Menschenbeglückung an die der Freimaurer,
von denen sie jedoch die ausgesprochen polit.
Freiheitsbestrebungen und die Rücksichtslosigkeit in der
Wahl ihrer
Mittel scheiden. Wie die Freimaurer
von der Maurerzunft, so nahmen die Carbonari
von den
Köhlern ihre Gebräuche und Benennungen an. Die Carbonari
(«fendeurs»,
Holzhauer) nannten sich gegenseitig «buoini cugini» (bons cousins, gute
Vettern),
Nichtzugehörige hießen «pagani» (Heiden);
ihre Versammlungsgebäude nannten sie «barraca» (Hütte),
ihre Zusammenkünfte «vendita» (Markt, die Loge, loggia der Freimaurer);
die Vereinigungen der Frauen («Gärtnerinnen») hießen «Gärten»;
der Platz außerhalb der Venditen war
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
der «Wald», in welchem die «Wölfe», d. h. die gewaltthätigen Fürsten hausten. Eine größere Anzahl von Hütten [* 9] bildete eine Provinz; so bestanden in Unteritalien die salernitanische und die neapolitanische; in Frankreich zählte man 20 Provinzen. Die Gesamtheit dieser bildete in den einzelnen Ländern die «Republik». Die Aufnahme geschah unter eigentümlichen Gebräuchen und stufenweise; es gab Lehrlings-, Gehilfen- und Meisterabteilungen; die höchsten Grade erlangten nur wenige, und alle übrigen Mitglieder waren eidlich zur Verschwiegenheit, Treue und zu unbedingtem Gehorsam gegen die Obern verpflichtet.
Der Ursprung der Carbonari
ist dunkel; Botta hält sie für ursprünglich unteritalisch; andere, wie Colletta, leiten sie von den
Freimaurern und Illuminaten (s. d.) her und denken an Einführung aus der Schweiz,
[* 10] Deutschland
[* 11] oder Frankreich (s. Philadelphen).
Die Zahl der Carbonari
war zwischen 1815 und 1820 in Italien jedenfalls sehr beträchtlich; angegeben werden bis zu 600000. Für
die europ. Polizei waren sie lange das Schreckgespenst, aber auch ganz gegen ihren
Willen die besten Verbündeten bei der Niederhaltung der Völker, vor allem Italiens. -
Vgl. (S. Bartholdy) Denkschriften über
die geheimen Gesellschaften im mittäglichen Italien und insbesondere über die Carbonari
(anonym, Stuttg. u. Tüb. 1822);
Del governo austriaco, società segrete e polizia (Capolago 1850);
Greco, Il tentativo dei Carbonari
di Calabria citeriore
nel 1813 (Cosenza 1866).