Carbōlsäure
ist der noch jetzt im
Handel sowie in der Heilkunde gebräuchliche
Name für
Phenol (s. d.). Für
Pflanzen,
Tiere und
Menschen ist die Carbolsäure
ein heftiges
Gift (s.
Carbolvergiftung), wirkt aber fäulniswidrig auf Fleisch
und andere tierische
Stoffe, indem sie die Fäulniskeime tötet. Sie ist deshalb ein ausgezeichnetes Antiseptikum z. B.
beim
Einbalsamieren, in den Leimfabriken, ein vortreffliches Desinfektionsmittel für
Schlachtfelder,
Aborte, Stallungen, Käfige
und zum Räuchern von
Krankenzimmern und Schiffsräumen, endlich ein gutes Konservationsmittel für Holz
[* 3] (Bauholz und Eisenbahnschwellen).
Für Desinfektionszwecke ist die Verwendung der reinen Säure in den seltensten Fällen nötig, meistens genügt dazu die
rohe Säure. Die Desinfektionspulver sind meist nur Mischungen von Carbolsäure
mit
Gips,
[* 4]
Kieselgur, Korkabfällen, Pulvern, Sägespänen
u. dgl.; sie heißen dann im
Handel gewöhnlich
Phenolith. (S.
Desinfektion.)
[* 5] Die wichtigste Anwendung hat
die reine Carbolsäure
in der
Chirurgie nach dem Vorgange von
Lister gefunden. Bei diesem
Verfahren werden die
Operationen so ausgeführt,
daß das ganze Gebiet des
Eingriffs während der
Operation mit einem Nebel von fein zerstäubter Carbolsäur
elösung (2‒3
Proz.) umgeben und die Wunde mit carbolsäur
ehaltigem Material (s.
Carbolgaze) bedeckt wird.
Hierdurch werden alle Krankheitserreger, die in der Luft verbreitet sind, vernichtet, und infolgedessen heilt die Wunde ohne
Entzündung, ohne Eiterbildung in kürzester Zeit. (S. Wunde.) Doch erfordert auch die äußerliche Anwendung der Carbolsäure
auf
Wunden gewisse Vorsichtsmaßregeln, weil ohne Beachtung der letztern unter Umständen leicht Vergiftungserscheinungen auftreten
können. Sie ist deswegen neuerdings vielfach durch aseptische Vorsichtsmaßregeln ersetzt worden. (S.
Chirurgie.) Carbolsäure
sollte aber in keinem Wochenzimmer mehr fehlen, da durch ihre Anwendung der Eintritt
des
Kindbettfiebers verhütet werden kann.
Auch gegen chronische
Hautkrankheiten
[* 6] hat sich die Carbolsäure
vorzüglich bewährt. Das aus Steinkohlenteeröl dargestellte
Kreosot
ist nichts anderes als Carbolsäure.
Dieses ist von dem Buchenteerkreosot (s.
Kreosot) wesentlich verschieden. – Verflüssigte Carbolsäure
(Acidum carbolicum liquefactum) ist nach dem
Arzneibuch für das
Deutsche Reich
[* 7] eine Mischung aus 100
Teilen Carbolsäure
und 10
Teilen Wasser. Der flüssigen Form halber ist die Verwendung bequemer als die der festen
Carbolsäure.
Es ist eine ätzende Flüssigkeit.