Canzōne
(vom lat. cantio),
Name der ältesten Form der ital.
Lyrik, in der provençal. (canso) und altfranz.
(chanson)
Dichtung ebenfalls vorhanden. Man nennt sie auch Canzone
Petrarchesca oder
Toscana, im Gegensatze zu den spätern
Formen der Canzone
Pindarica und Anacreontica. Sie ist ein lyrisches Gedicht von mehrern
Strophen (stanze), die sich in Verszahl,
Versart und Reimstellung genau entsprechen, und meist mit einer kürzern
Strophe schließen. Petrarca hat
keine Canzone
unter 5 und über 10
Strophen; neuere Canzone
gehen bis auf 20, 40, ja 80
Strophen.
Die Zahl der Verse jeder Strophe wechselt bei Dante und Petrarca zwischen 9 - 20. Die Strophe zerfällt meist in zwei Hälften, deren erste fronte (Stirn), aber, falls wieder geteilt, piedi (Füße), deren zweite sirima (Schleppe) oder, falls neu geteilt, volte (Wendungen) hieß; die zweite Hälfte verband man gern durch eröffnenden Reim mit dem letzten Vers der ersten (concatenatio). Die Folge der Reime war anfänglich frei; später wurde die Dantes und noch mehr die Petrarcas Gesetz.
Die Verse sind bei ernsten Gegenständen meist elfsilbig, mit einigen wenigen siebensilbigen gemischt; bei heiterm und leichterm Inhalte überwiegen letztere. Die Schlußstrophe, ripresa (Wiederaufnahme), commiato (Geleit), congedo (Abschied), licenza (Entlassung), tornata (Wiederkehr) oder bloß chiusa (Schluß) genannt, gewöhnlich eine Anrede des Dichters an das Gedicht, entspricht der provençal. Sitte und fehlt bei Dante und Petrarca selten. Die Reimstellung ist bei ihr meist die der sirima oder ähnlich.
Neben dieser regelmäßigen Form der Canzone
gab es schon in der frühesten Zeit die Canzone distesa (ausgedehnte)
oder Canzone
di
stanza continua, wo jede
Strophe für sich reimlos war, jeder
Vers aber mit dem entsprechenden der übrigen
Strophen reimte. Spätere Dichter gaben diese künstelnde Form auf. Ende des 16. Jahrh.
fing man an, von der Form der Canzone
Petrarchesca abzuweichen.
Schon
Tasso brachte zur
Verbindung der
Strophen verschiedene
Spielereien an, die er catene
(Ketten) und monili (Halsbänder) nannte.
Noch willkürlicher verfuhr Chiabrera, dessen canzone
nartige Gedichte, von ihm Canzonette genannt, in
kürzern Versen und
Strophen mit willkürlicher Reimstellung geschrieben, den Weg zu der Anacreontica bahnen, die nach
Anakreons
Gesängen ein anmutiges Lied in kurzzeiligen
Strophen darstellt.
Pindar wurde im 16. Jahrh. die bald aufgegebene Canzone
Pindarica
oder alla greca nachgebildet, die man bei
Alamanni,
Trissino, Minterno und besonders bei Chiabrera findet.
Sie besteht aus ein- oder mehrmaliger
Kombination von 3
Strophen: strofa, antistrofa und epodo, von denen die ersten im
Bau
übereinstimmen. Die
Canzone a ballo oder Ballata (nicht mit der nordischen
«Ballade» zu verwechseln) ist ebenso alt wie die
Canzone
Petrarchesca und wohl volkstümlichen Ursprungs, wennschon ganz dieselbe Form noch in der Provence
und Nordfrankreich üblich war. Sie wurde beim Tanze gesungen; die ersten Verse (ripresa) sang der
Chor, die folgende
Strophe
oder
Strophen eine
Stimme, worauf wieder der
Chor einfiel u.s. w.; die
Strophe schließt der
Endreim der ripresa. Die Ballata,
läßt jede Art von Versen zu und liebt die Rimalmezzo
(Binnenreime). Die
Canzone a ballo war besonders
zu Ende des 15. Jahrh. beliebt im
Kreise
[* 2]
Lorenzos de' Medici; eine besondere Art hieß Frottola (s. d.).
Über die altitalienische
Canzone
lehrte schon 1332
Antonios da
Tempo
«Summa artis rithmici» (hg. von Grion,
Bologna 1869) und um 1350 Gidino da
Sommacampagna in «Trattato dei ritmi volgari» (hg. von
Giuliari, ebd. 1870). -
Über die sämtlichen
Arten der Canzone
vgl.
Blanc,
Grammatik der ital.
Sprache
[* 3]
(Halle
[* 4] 1844).