Titel
Canning
,
1)
George, berühmter brit. Staatsmann, geb. zu
London
[* 2] aus einer wenig bemittelten
Familie, verwaiste
früh und ward von seinem Oheim, einem angesehenen
Kaufmann, erzogen.
Schon zu
Eton erregte Canning
durch einige Gedichte Aufsehen.
In
Oxford,
[* 3] wo er seit 1787 studierte,
schloß er mit
Lord
Liverpool
[* 4]
Freundschaft und lernte auch
Pitt kennen.
Nach beendigten Universitätsstudien ließ er sich als
Rechtsanwalt in
London nieder und trat auf
Pitts Betrieb 1793 für den
Flecken
Newport ins
Parlament.
Obwohl seine
Jungfernrede 1794 über den
Krieg mit
Frankreich wenig Beifall gefunden hatte und Canning
auch in der nächsten Zeit
nicht sehr hervorgetreten war, ernannte ihn
Pitt 1796 zum
Unterstaatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten,
und er wurde durch seine Wirksamkeit in diesem
Amt sowie durch seine Mitarbeiterschaft an der 1797 begründeten
Zeitschrift
»The
Anti-Jacobin, or Weekly Examiner«, die aus Cannings
Feder viele
Satiren gegen den französischen Republikanismus enthielt,
eine kräftige
Stütze der
Politik
Pitts.
Als dieser 1801 einem
Ministerium
Addington weichen mußte, verließ auch Canning
seinen
Posten und trat in die
Reihen der
Opposition.
In
Pitts zweiter
Verwaltung 1804-1806 übernahm Canning
das Schatzamt der
Flotte, trat nach dem
Tod seines
Gönners in die
Opposition
zurück und wurde 1807 in dem nach
Fox Hinscheiden gebildeten
Kabinett des
Herzogs von
Portland
Minister des
Auswärtigen. Das
Bombardement von
Kopenhagen
[* 5] sowie die Wegnahme der dänischen
Flotte mitten im
Frieden und das 1809 mit der
spanischen
Junta geschlossene
Bündnis waren sein Werk. Im
Herbst d. J. entzweite er sich mit dem Kriegsminister
Lord
Castlereagh
infolge des Mißlingens der von diesem angeordneten Expedition nach
Walcheren; es kam zu einem
Duell, in
welchem Canning
verwundet wurde; die
Folge war der
Austritt beider aus dem
Ministerium.
Das ihm 1812 von Lord Liverpool angebotene Ministerium des Äußern lehnte ab. Nachdem er seit 1814 als Gesandter zu Lissabon [* 6] fungiert hatte, kehrte er Anfang 1816 nach England zurück, trat nach einer höchst stürmischen Wahl für Liverpool ins Parlament und noch 1817 als Präsident des indischen Departements ins Ministerium, verließ aber 1820 wegen des berüchtigten Ehebruchsprozesses gegen Königin Karoline, mit der er von früher her befreundet war, England, brachte die Zeit des Prozesses zumeist in Frankreich zu und legte nach seiner Rückkehr noch vor Ablauf [* 7] des Jahrs sein Amt nieder.
Bald darauf wurde ihm von den
Direktoren der
Ostindischen
Kompanie wegen seiner trefflichen
Verwaltung des indischen Kontrollamts
der
Posten eines
Generalgouverneurs von
Indien angeboten; allein eben im
Begriff anzureisen, übernahm Canning
nach dem
Selbstmord
Castlereaghs 1822 aufs neue das
Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten, brach nun völlig mit den damals in
Europa
[* 8] herrschenden absolutistischen und reaktionären
Tendenzen und begünstigte namentlich den
Aufstand
¶
mehr
der spanischen Kolonien in Südamerika.
[* 10] Nach Liverpools Erkrankung (Februar 1827) trat er an die Spitze des Ministeriums, welches
mit Whigs, wie Landsdowne, Holland, Brougham, anstatt R. Peels und Wellingtons besetzt wurde. Damit begann Cannings
langwieriger
Kampf gegen die Aristokratie, der mit dem Sieg seines Systems endigte. Die britische Politik ward unabhängig
von der Kabinettspolitik der Heiligen Allianz, der Welthandel erhielt neue Lebenskraft durch die allmähliche Beseitigung des
Prohibitivsystems.
Das Petersburger Protokoll vom verpflichtete England und Rußland zu einer für Griechenland
[* 11] günstigen Vermittelung,
und der Londoner Traktat vom mit Rußland und Frankreich zu gunsten Griechenlands geschlossen,
konnte als der Vorläufer der Seeschlacht von Navarino und der Befreiung Griechenlands angesehen werden. Canning
leitete die Aufhebung
der britischen Korngesetze ein und erklärte sich für die freilich erst später durchgesetzt Emanzipation der Katholiken.
Seine Gesundheit erlag aber den übermäßigen Anstrengungen und den Angriffen der Tories, die ihn als einen Abtrünnigen betrachteten. Er starb in Chiswick bei London und wurde in der Westminsterabtei neben Pitt beigesetzt. Für seine große Uneigennützigkeit spricht die Thatsache, daß er trotz der hohen und einträglichen Stellen, die er bekleidete, arm starb, so daß das Parlament seiner Witwe im Januar 1838 eine jährliche Pension von 3000 Pfd. Sterl. bewilligte.
Vgl. »Speeches and memoir of George Canning«
(Lond. 1845, 6 Bde.);
R. Bell, Life of Canning (das. 1846);
Stapleton, and his times (Oxf. 1859);
Pauli, Aufsätze zur englischen Geschichte (Leipz. 1869).
Mehrere von Cannings Gedichten und prosaischen Aufsätzen aus dem »Microcosm« und »Anti-Jacobin« stehen in Redes »Memoirs of the life of G. Canning« (Lond. 1828, 2 Bde.).
2) Charles John, Graf, Sohn des vorigen, geb. zu Brompton bei London, studierte in Oxford, kam 1836 für Warwick in das Unterhaus, erbte aber schon 1837 die Peerswürde seines Vaters und schloß sich im Oberhaus der gemäßigt konservativen Partei an. Unter dem Ministerium Peel war er von 1841 bis 1846 Unterstaatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten, dann einige Monate Oberkommissar der Wälder und Forsten. Den Eintritt in das von Lord Stanley zu bildende Kabinett (Februar 1851) lehnte er als Gegner der protektionistischen Ideen ab. Bei der Weltindustrieausstellung von 1851 fungierte E. als Präsident der Jury. Im Dezember 1852 ward er im Ministerium Aberdeen [* 12] Generalpostmeister, trat im Februar 1855 als Ausschußmitglied in den Geheimen Rat für Volksunterricht und ward im März 1856 zum Generalgouverneur und 1858 zum Vizekönig von Britisch-Indien ernannt.
Unter Canning vollzog sich der Übergang des englischen Reichs in Indien aus dem Besitz der Ostindischen Kompanie an die Krone; er trat dem Aufstand der Sipoys in Hindostan (1857) mit Umsicht und Energie, aber auch mit Mäßigung und Versöhnlichkeit entgegen und harrte trotz des unverdienten Tadels, den Lord Ellenborough ihm wegen seines strengen, aber höchst staatsmännischen Einschreitens in Audh (s. d.) erteilte, auf seinem schwierigen Posten aus, bis die Ruhe hergestellt war. Die Stadt Kalkutta [* 13] beschloß die Errichtung seiner Statue, beide Häuser des Parlaments sprachen ihm einstimmig ihren Dank aus. Schon länger kränkelnd, kam er tm April 1862 nach England zurück und starb schon 17. Juni d. J. in London.
3) Sir Samuel, Ingenieur, geb. zu Ogbourne St. Andrew in Wiltshire, beschäftigte sich seit 1852 mit Anfertigung und Legung von unterseeischen Telegraphenkabeln und nahm an fast allen größern Expeditionen dieser Art in den letzten Jahren thätigen Anteil. Als Hauptingenieur der Firma Glaß, Elliott and Comp. und der Telegraph [* 14] Construction and Maintenance Company leitete er die Anfertigung der englisch-amerikanischen Kabel von 1865 und 1866, vervollkommte den Legungsapparat und leitete die Expedition von 1866, deren günstiger Erfolg wesentlich sein Verdienst ist. In Anerkennung seiner Leistungen erhielt er 1866 von der Königin den Ritterschlag und wurde 1867 von der amerikanischen Handelskammer zu Liverpool durch Verleihung der goldenen Medaille ausgezeichnet.
4) Sir Stratford, engl. Diplomat, s. Stratford de Redcliffe, Viscount.