Cancrin
,
Georg,
Graf, russ.
General und Finanzminister, geb. zu
Hanau,
[* 2] wo sein
Vater
Franz
Ludwig Cancrin
, geb. 1738, ein namentlich durch seine «Grundzüge
der
Berg- und Salzwerkskunde» (12 Bde., Frankf. a.M. 1773 -
91) bekannter Schriftsteller, in Diensten des
Erbprinzen von Hessen
[* 3] stand. 1783 von der Kaiserin
Katharina II. berufen, die
Leitung der Salzwerke zu
Staraja-Russa im Gouvernement Nowgorod zu übernehmen, starb der
Vater in
Rußland 1816. Der
Sohn studierte 1790 - 94 zu Gießen
[* 4] und
Marburg
[* 5] die
Rechte und
Staatswissenschaften und schrieb den
Roman «Dagobert, Geschichte
aus dem jetzigen
Freiheitskriege» (Hamb. 1798). Er folgte 1796 seinem
Vater nach
Rußland, als dessen
Gehilfe er zu
Staraja-Russa
eintrat. Ein Werk über «Die
Verpflegung der Truppen» wurde nächste Veranlassung seiner
Beförderung
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
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(1811) zum Adjunkten des Generalproviantmeisters. 1812 erfolgte die Ernennung zum Generalmajor und Generalintendanten der
Westarmee, als welcher er die Grundsätze durchzuführen suchte, die er in dem Werk «Über die Militärökonomie im Frieden
und im Kriege und über ihr Wechselverhältnis zu den Operationen» (3 Bde., Petersb. 1822 -
23) aufgestellt hat. Seit 1813 bekleidete Cancrin
den Posten eines Generalintendanten sämtlicher
aktiven Armeekorps und nahm bei der Rückkehr der Truppen nach Rußland den thätigsten Anteil an den Verhandlungen mit Frankreich
wegen der sog. Montierungsentschädigung im Betrage von 30 Mill. Frs.
Das günstige Resultat brachte ihm 1815 den Rang eines Generallieutenants; aber zugleich verwickelten
ihn die Intriguen der altruss. Partei in eine Untersuchung; er erhielt 1820 die erbetene Entlassung vom Posten eines Generalintendanten
und wurde zum Mitglied des Conseils des Kriegsministeriums, nachher zum Mitglied des Reichsrats ernannt. 1823 übernahm Cancrin
als
Finanzminister die Verwaltung des durch Campenhausens und Gurjews Mißgriffe gänzlich entleerten Schatzes,
die er 21 Jahre lang zwar mit Erfolg, aber nicht zum Heil Rußlands leitete.
Als Schriftsteller hatte sich Cancrin
zum Freihandelssystem bekannt, als Minister führte er sofort das strengste
Prohibitivsystem ein. Um den schlimmen Stand der russ. Finanzen zu verhüllen, half sich Cancrin
dadurch, daß er den Kreditanstalten
des Reichs die von Privaten dort niedergelegten Gelder entnahm. Da ferner Kaiser Nikolaus auf eine Herabminderung
der Armee nicht einging, half sich Cancrin
durch eine maßlose Ausgabe von «Kredit-Billets»; diese repräsentierten angeblich Gold-
und Silbermassen, die in der Citadelle von Petersburg
[* 7] niedergelegt sein sollten, in Wahrheit aber gar nicht existierten. Nachdem
er seine Entlassung oftmals gefordert, ward sie ihm im April 1844 mit der Bedingung zugestanden, daß
er als Reichsrat auch ferner an der Staatsverwaltung teilnehme. Er starb in Petersburg. Seine «Reisetagebücher 1844 -
45» wurden hg. vom Grafen Keyserling (2 Bde., Braunschw.
1865). -
Briefwechsel zwischen A. von Humboldt und Graf Georg von Cancrin
(Lpz. 1869).