Titel
Campe
,
Halle

* 2
Halle.1) Joachim Heinrich, vielseitig thätiger philanthropischer Pädagog und Schriftsteller, geb. zu Deensen bei Holzminden, studierte in Helmstedt und Halle [* 2] Theologie, erhielt 1773 eine Feldpredigerstelle in Potsdam, [* 3] war 1774-76 Erzieher der Brüder Wilhelm und Alexander v. Humboldt und wurde 1776 Prediger der Heiligengeistkirche in Potsdam. Von hier folgte er, ergriffen von Basedows Idee einer philanthropischen Reform des Schulwesens, noch in demselben Jahr einem Ruf nach Dessau [* 4] als Edukationsrat und Lehrer am dortigen Philanthropen.
Die Anstalt hob sich wesentlich unter Campes
Leitung; doch brachten ihn Streitigkeiten mit
Basedow schon im
Herbst 1777 zu
dem Entschluß, seine
Stelle niederzulegen und zu
Billwerder, in der
Nähe von
Hamburg,
[* 5] selbst ein Erziehungsinstitut zu gründen.
Hier entstanden seine ersten berühmten
Jugendschriften:
»Robinson der jüngere« (1779) und »Die
Entdeckung
von
Amerika«
[* 6] (1781). Angegriffene
Gesundheit bewog ihn, 1783 mit seiner Anstalt aufs Land nach
Trittau überzusiedeln und 1786 dieselbe
an
Trapp abzutreten. Campe
zog nun nach
Braunschweig,
[* 7] wo er nach dem
Wunsch des
Herzogs
Karl
Wilhelm
Ferdinand eine gründliche Reorganisation
des
Schulwesens durchführen sollte.
Spottiswoode - Sprache

* 8
Sprache.
Der
Herzog ernannte ihn 1787 zum
Kanonikus, später (1805) zum
Dechanten des
Stiftes St. Cyriaci. Aber die
Reform scheiterte im
ersten Beginn an dem
Widerspruch der kirchlichen und ständischen
Körperschaften; Campe
übernahm daher die braunschweigische
Schulbuchhandlung und -Druckerei und lebte seitdem ganz der Schriftstellerei, besonders der Ausarbeitung
seines
»Wörterbuchs der deutschen
Sprache«
[* 8] (Braunschw. 1807-11, 5 Bde.)
und des
»Wörterbuchs der
Erklärung und Verdeutschung der unsrer
Sprache aufgedrungenen fremden
Ausdrücke« (das. 1801, 2. Aufl.
1813). Bei einer
Reise nach
Paris
[* 9] in
Begleitung W. v.
Humboldts 1789 wurde er, hingerissen von den
Ideen der
Revolution, französischer
Bürger, was ihm später viele
Angriffe zuzog.
Deutschland. Fluß- und

* 10
Deutschlands.
Größere
Reisen unterbrachen noch öfters sein sonst stilles und zurückgezogenes
Leben. Im J. 1809 ernannte ihn die theologische
Fakultät zu Helmstedt ehrenhalber zum
Doktor. Er starb nach langem Siechtum Warme
Liebe zur
Jugend,
verbunden mit
streng sittlicher, nach der rationalistischen
Weise des
Zeitalters auch frommer
Gesinnung, mit der
Gabe beredter
Darstellung und gleichmäßig würdevoller
Haltung, machte ihn zu einem erfolgreichen
Erzieher und zum hochgeachteten
Mann in
seiner jedesmaligen Umgebung. Selbst sein allzu nüchterner, dem Nützlichen zugewandter
Sinn, in
dem er unter anderm den Entdecker
der
Kartoffel und den Erfinder des
Spinnrades über den Dichter der
»Ilias« und der
»Odyssee« stellte, hat
ihm bei der Mitwelt weniger geschadet als bei der Nachwelt, die ihm jedoch im ganzen auch ihrerseits ein ehrendes Andenken
bewahrt hat. Seine »Sämtlichen
Kinder- und
Jugendschriften« umfassen 37 Bändchen (4. Aufl., Braunschw.
1832) und haben ihrer Zeit große Verbreitung und viel
Nachahmung gefunden. Am bekanntesten darunter sind
heute noch der weit über
Deutschlands
[* 10]
Grenzen
[* 11] hinaus verbreitete
»Robinson Crusoe der jüngere« (109. Aufl., Braunschw.
1884) und die »Geschichte der
Entdeckung von
Amerika« (26. Aufl., das. 1881). Von Bedeutung für ihre
Zeit waren auch Campes
theoretische
Schriften pädagogischen, sprachlichen und populär-philosophischen
Inhalts. Unter
ihnen ragen hervor: »Theophron, oder der erfahrene Ratgeber für die unerfahrene
Jugend« (1783, 2
Tle.; 11. Aufl. 1843; neu
bearbeitet von
Krause, Berl. 1873) und »Väterlicher
Rat an meine Tochter« (1789, 10. Aufl. 1832) sowie die unvollendete »Schulencyklopädie«
und das von 1785 bis 1791 als
»Revision des gesamten Erziehungswesens« in 15
Bänden erschienene Werk,
welches außer guten
Kritiken namhafter Schulmänner auch Übersetzungen der pädagogischen
Schriften
Lockes und
Rousseaus enthält.
Die philosophischen
Schriften Campes
, als: »Philosophische Gespräche über die unmittelbare Bekanntmachung der
Religion und
über einige unzulängliche Beweisarten derselben« (Berl. 1773),
»Die Empfindungs- und Erkenntniskraft der menschlichen Seele« (Leipz. 1776),
»Über Empfindsamkeit und Empfindelei« (Hamb. 1779),
»Kleine Seelenlehre für Kinder« (das. 1780; 9. Aufl., Braunschweig 1830),
»Moritz, ein Beitrag zur Erfahrungsseelenkunde« (das. 1789) u. a.,
vertreten auf dem Gebiet der
Religions- und
Sittenlehre die
Rechte des gesunden Menschenverstandes. In seinen reformatorischen
Bestrebungen auf dem Gebiet der deutschen
Sprache ging Campe
von einem höchst ehrenwerten nationalen
Gesichtspunkt
aus, beachtete aber dabei die damals noch wenig bekannte geschichtliche
Entwickelung der
Sprache nicht genugsam; doch bleibt
sein reichhaltiges großes
Wörterbuch immerhin ein bedeutendes Werk.
Vgl.
Hallier, J. H. Campes
Leben und Wirken (2. Aufl.,
Soest
[* 12] 1862);
Leyser, Joach. Heinr. Campe
(Braunschw.
1877, 2 Bde.).
Die Campesche
Buchhandlung
ging an den
Gatten seiner einzigen Tochter,
Fr.
Vieweg, über und blüht unter
dessen
Namen noch heute.
Campeador - Campenon

* 13
Seite 3.768. 2)
August, Buchhändler,
Neffe des vorigen, geb. 1773 zu Deensen, lernte in seines Oheims Schulbuchhandlung das
Geschäft und
gründete 1800 mit seinem
Bruder
Friedrich (s. unten) eine Buchhandlung in
Hamburg, übernahm aber kurz
darauf die Leitung der Buchhandlung seines Schwiegervaters
Hoffmann, die, 1781 gegründet, nunmehr unter der
Firma
»Hoffmann
u. Campe«
ihre bereits bedeutenden
Geschäfte immer mehr ausdehnte und namentlich im deutschen, französischen und englischen
Sortiment viel leistete. 1823 trat er diese
Handlung an seinen
Bruder
Julius ab, behielt sich jedoch sämtlichen
Verlag vor, den er unter seinem
Namen vertrieb. Er starb
¶
mehr
- Seine geistig begabte Gattin Elisabeth, geborne Hoffmann, nahm an den politischen Angelegenheiten lebhaften Anteil und war auch mehrfach (anonym) als Schriftstellerin thätig. Sie veröffentlichte unter anderm: »Zur Erinnerung an F. L. W. Meyer, den Biographen Schröders« (Braunschw. 1847, 2 Bde.). Sie starb
3) Friedrich, Bruder des vorigen, geb. 1777 zu Deensen, erlernte ebenfalls in Braunschweig den Buchhandel,
studierte dann in Königsberg
[* 14] und etablierte sich mit dem vorigen 1800 in Hamburg. Später gab er diese Geschäftsverbindung
auf und gründete eine große Buch- und Kunsthandlung in Nürnberg.
[* 15] Er brachte den gesunkenen Nürnberger Bilder- und Landkartenhandel
in neuen Schwung und kaufte viele wertvolle Gemälde auf, die teilweise noch jetzt eine Zierde Nürnbergs
sind. Auch eine Druckerei brachte er an sich. 1825 gab er den Hauptanstoß zur Stiftung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler,
dessen erster Vorsteher er wurde. Campe
starb 1846. Er schrieb: »Reliquien von Albrecht Dürer« (Nürnb. 1827)
und ein »Malerlexikon« (das. 1833).
Italien

* 16
Italien. 4) Julius, Bruder der vorigen, geb. erlernte bei seinem Bruder August den Buchhandel und übernahm, nachdem er unter
den Lützowschen Jägern den deutschen Befreiungskrieg mitgekämpft, sodann auch eine mehrjährige Reise durch Italien
[* 16] unternommen
hatte, 1823 die Sortimentsbuchhandlung »Hoffmann u. Campe«
, mit der er in der Folge einen starken Verlag
vereinigte. Die Werke der ersten belletristisch-politisch-satirischen Talente, eines Heine, Wienbarg, Gutzkow, Börne, Anast,
Grün, Hoffmann von Fallersleben etc., fanden an ihm einen Verleger; selbst Drohungen und Maßregeln von benachbarten Regierungen,
wie 1841 das Verbot Preußens
[* 17] gegen den gesamten Hoffmann-Campeschen Verlag etc., vermochten Campe nicht einzuschüchtern.
Daneben erschienen auch streng wissenschaftliche Werke unter seiner Firma. Er starb worauf die Firma an seinen
Sohn Julius Campe überging.
5) Asche Burchhard Karl Ferdinand von, braunschweig. Minister, geb. zu Wickensen im Herzogtum Braunschweig, studierte zu Göttingen [* 18] die Rechte und trat 1827 in den Justizdienst. 1837 wurde er Assessor beim Landgericht in Wolfenbüttel, [* 19] 1845 Direktor des Kreisgerichts in Braunschweig, zog sich 1849 auf sein Gut Deensen zurück, trat aber 1851 als Kreisgerichtsdirektor in Holzminden wieder in den Staatsdienst, 1856 als Chef des Justizdepartements in das Ministerium, wurde bald darauf Vorsitzender desselben, übernahm auch die auswärtigen Angelegenheiten und ward 1862 zum Staatsminister ernannt. Er verwaltete sein Amt mit Gerechtigkeit und Einsicht, überwand 1866 geschickt die großen Schwierigkeiten der Lage Braunschweigs und ward 1867 Bevollmächtigter beim Bundesrat. Er starb