Titel
Cambridge
Cambridge (Stadt in En

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1) Cambridge
(Cambridgeshire oder
Cambs),
Grafschaft im südöstl. England, zwischen Lincoln im N.,
Northampton,
Huntington und
Bedford im W., Hertford im S., Essex,
Suffolk und Norfolk im O., zählt auf 2124 qkm (1891) 188862 E. Die Hauptflüsse
sind die kanalisierte Nene an der Nordgrenze und die von W. nach O. fließende Ouse mit
Cam und Lark. Der nördl.
Teil gehört zum flachen korn- und viehreichen Fenn-Distrikt, ist fast durchweg drainiert und wird
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von Kanälen und Dämmen durchzogen. Im N. der Ouse führt der Landstrich (nach der Stadt Ely, s. d.) den Namen der Elyinsel
(Isle of Ely). Das südliche Cambridge
ist ein aus Kreide
[* 3] und Grünsand bestehendes Hügelland. Nur ein Drittel der
Grafschaft enthält Ackerboden, das übrige ist Grasland, namentlich das Nenethal fast nur Wiesen-
und Weideland. Bei Upware sind Lager
[* 4] von Koprolithen, die wegen ihres reichen Gehaltes an Phosphaten als künstlicher Dünger
dienen. Die Haupterwerbszweige sind Ackerbau und Viehzucht.
[* 5] Die Grafschaft schickt drei Mitglieder in das Parlament. In alter
Zeit war Cambridge
Wohnsitz der Iceni. Es fehlt nicht an Überresten röm. Altertümer.
2) Hauptstadt der Grafschaft Cambridge
, alte Municipalstadt, Parlamentsborough und nächst Oxford
[* 6] die bedeutendste engl.
Universitätsstadt, liegt an dem schiffbaren, hier zwölfmal überbrückten Cam in flacher Gegend, an 4 Bahnlinien, zählt
(1891) 36983 E. und hat mit ihren engen unregelmäßigen ältern Stadtteilen, den herrlichen alten Bäumen (besonders in den
Backs hinter den Colleges), den Wiesen und Spielplätzen den halb-mittelalterlichen, idyllischen
Charakter bis heute gewahrt.
Industrie und Manufaktur fehlen fast gänzlich; die Universität ist die Hauptnahrungsquelle der Einwohner. Cambridge
besitzt an Sehenswürdigkeiten
die Universitätskirche St. Mary the Great, die Bibliothek, die älteste, drittgrößte Englands (400000 Werke und über 6500 Handschriften,
darunter der Codex Bezae, ein neues Testament von etwa 500 n. Chr.), das stattliche Fitzwilliam Museum (mit
wertvollen Kunstsammlungen), das Senate House, die Pitt Press (Universitätsdruckerei), Addenbrooke's Hospital sowie die 1101 eröffnete
altertümliche Round Church (Kirche des Heiligen Grabes) im frühnormann. Stil. - Cambridge
, als Cair Grant eine Niederlassung der Briten,
hieß zur Römerzeit Camboritum, im spätern Mittelalter Grantebrigge oder Cantebrigge.
3) Die Universität bildet ein Gemeinwesen für sich und hat der Stadt gegenüber mehrere alte Privilegien, z. B. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Disciplin und Handhabung eines Teils der Sittenpolizei, die Überwachung der Häuser, in denen Studenten wohnen dürfen (licensed lodgings), das Verbot des Besuchs gewisser Geschäfte, welche der Verschwendungssucht der Studenten Vorschub leisten (Discommuning), zäh bewahrt. Über ihren Ursprung fehlt es an urkundlichen Nachrichten.
Paris

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Paris.Sie wurde, gleich Oxford, nach dem Muster der Universität Paris [* 7] zu Anfang des 13. Jahrh. eingerichtet und entwickelte sich vermutlich aus dem Unterricht, den Geistliche der Diöcese Ely hier bereits im 12. Jahrh. erteilten. Der Anteil, den am geistigen Leben der Nation genommen, war nie bedeutender als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh., seitdem durch zwei königl. Kommissionen (1850 und 1872) und unter Beihilfe von Mitgliedern der Universität die größtenteils aus der Zeit Elisabeths stammende Verfassung im Geiste der Neuzeit umgestaltet wurde.
Aus den Untersuchungen der ersten Kommission gingen die Statuten von 1858 hervor. Da die Änderungen alsbald nicht mehr genügten, wurden durch die zweite Kommission die Reformen weiter geführt, in der Universities of Oxford and Cambridge Act (1877) festgelegt und 1882 durch die Bestätigung der Königin rechtskräftig. Die wichtigsten Änderungen waren die Abschaffung des Monopol der engl. Hochkirche (abolition of religious tests, 1871) auf Ämter und Einkünfte der Universität und der Colleges sowie auf viele Stiftungen, welche jetzt auch Dissenters erringen können, die Umgestaltung der Einrichtungen betreffend Fellowships (Fellows dürfen jetzt heiraten und erhalten ihre Fellowship meist nur auf 6-7 Jahre), die Heranziehung der Colleges zu Beiträgen für Universitätszwecke, die Umgestaltung älterer und Einrichtung neuer Studienzweige sowie die Zulassung von Studentinnen für die höchsten Studien und Prüfungen.
Verwaltung und Einkünfte. Die Universität ist völlig selbständig in Bezug auf Verwaltung, Aufstellung von Lehrplänen, Prüfungsordnungen und Anstellung ihrer Beamten. Sie erhält keinerlei Staatszuschüsse und hat zwei besondere Abgeordnete im Parlament. Die Verwaltungsbehörde wird gebildet durch sämtliche Doctors und Masters der Faculties, welche in ihrer Gesamtheit als Senate bezeichnet werden, und deren Zahl (1892) 6774 beträgt. Die Gesamtzahl aller Angehörigen der Universität beläuft sich auf 13044. Ein engerer Ausschuß wird gebildet durch etwa 500 in Cambridge ansässige Senatsmitglieder, meist Universitäts- und Privatlehrer, auch Fellows der Colleges, welche, unter gewissen Bedingungen, ausgedehntere Rechte, besonders Wahlrechte, haben.
Man nennt sie Graduates on the Electoral Roll. Aus ihnen bildet die Universität wieder eine Reihe von Ausschüssen für die verschiedenen Verwaltungs- und Lehrzwecke. Nach außen wird die Universität vertreten durch den Chancellor, den High Steward und Deputy High Steward, die, den gewöhnlichen Geschäften fernstehend, hauptsächlich repräsentieren. Praktisch steht an der Spitze der meist alle 2 Jahr wechselnde Vice-Chancellor, welcher stets Master eines Colleges sein muß.
Spottiswoode - Sprache

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Sprache.Ihm zur Seite stehen der Registrary (Archivar), Commissary, Librarian, Counsil (Rechtsbeistand), 2 Esquire Bedells sowie der Public Orator (der im Namen der Universität öffentliche Reden in lat. Sprache [* 8] hält). Die innere Verwaltung und Disciplin liegt in den Händen von Comittees. Die wichtigsten Fragen der Verfassung und Verwaltung berät der Council, ein Rat aus 16 regelmäßig wechselnden Vertrauensmännern (außer dem Kanzler und Vicekanzler). Die Finanzen verwaltet der Financial Board, dessen Bericht alljährlich im «University Reporter» veröffentlicht wird; die Disciplin wird gehandhabt von den Sex Viri (für Graduates), vom Court of Diciplin (6, für Undergraduates).
Die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Straßen und die Sittenpolizei besorgen die 2 Proctors und 4 Pro-Proctors mit ihren Pedellen. Eine wichtige Rolle spielen auch die 17 Heads of Colleges sowie der Censor der Non-Collegiate Students. Die oberste Studienleitung liegt in den Händen des General Board of Studies, in welchem die einzelnen Fächer [* 9] durch je einen Abgeordneten vertreten sind. Für die Sonderinteressen der Einzelfächer bestehen Special Boards of Studies, welche teilweise den deutschen Fakultäten entsprechen.
Solcher Special Boards besitzt Cambridge 12, nämlich für Divinity, Law, Medicine, Classics, Medieval und Modern Languages, Oriental Studies, History and Archæology, Moral Science (Philosophie und Volkswirtschaftslehre), Mathematics, Physics and Chemistry, Biology and Geology und für Music. Alle Professoren und ältern Docenten sind Mitglieder der Special Boards, von den jüngern Lehrkräften nur eine beschränkte Anzahl. Alle Lehrpläne, Prüfungsordnungen, An-
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Seite 53.869.^[Artikel, die man unter C vermisst, sind unter K aufzusuchen.] ¶
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stellungen, Verleihungen von Doktorgraden geschehen auf seine Anregung durch den General Board oder durch Senatsbeschluß.
Wichtige Neuerungen werden ein- oder mehreremal vor dem Senat öffentlich erörtert und oft an den Special Board zurückverwiesen.
Durch offizielle Aufnahme eines vom Council und Senate gebilligten Reformvorschlags in den «University Reporter» wird derselbe
Gesetz. Während einzelne Colleges sehr reich sind, ist die Universität selbst verhältnismäßig arm.
Ihre Einnahmequellen sind: Pachtzins von jetzt stark entwertetem Grundbesitz, gesetzlich geregelte Beiträge der Colleges (1891: 17414 Pfd.
St.), Matrikulations-, Prüfungs- und Gradgebühren, regelmäßige Beiträge aller Senatsmitglieder und gelegentliche Schenkungen.
Ihr Einkommen belief sich 1890 auf 45899 Pfd. St., während Trinity College 103863
Pfd. St. und St. Johns (das zweitgrößte) 50161 Pfd. St. Einkommen besaß.
Docenten. Der Lehrkörper besteht (Anfang 1894) aus 43 Professoren (21 Professuren sind seit 1800 gegründet, die älteste Stiftung besteht seit 1502; die mit den Professuren verbundenen Lehrpflichten und Gehälter sind außerordentlich verschieden), 6 Readers, 34 University Lecturers. Die beiden letztern Grade entsprechen etwa den deutschen außerord. Professoren und sind erst seit 1884 für solche Fächer geschaffen, in denen die Universitätsmittel die Errichtung ord.
Professuren nicht ermöglichten. So giebt es 80 fest angestellte und besoldete Universitätsdocenten, welche meist zugleich Fellows von Colleges sind. Zu diesen gesellen sich etwa 50 Teachers, Superintendents, Demonstrators, Curators; den University Lecturers treten zahlreiche College Lecturers und Private Tutors zur Seite. Zur Verwaltung von Universitätsanlagen sowie zur Beratung gelegentlicher Fragen bestehen ferner eine Anzahl sog. Syndicates, z. B. Library Syndicate, Press-, Senate House-, Museums and Lecture Rooms, Local Examinations and Lectures und Teachers Training Syndicate. Viele Graduates sind auch Governors of Schools oder Examinatoren und überwachen als solche eine Reihe der ersten Schulen des Landes. Die Disciplin über Studenten und Bachelors (persons in statu pupillari) liegt in den Colleges in den Händen der Tutors, auf den Straßen in denen der Proctors.
Halitsch - Hall (Städt

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Hall.Colleges. Cambridge besitzt 17 Colleges und 2 sog. Hostels. Unter den erstern sind Trinity, St. John's und King's College die schönsten. Das älteste ist St. Peter's College (meist Peterhouse genannt), das 1257 nach dem Vorbilde von Merton College zu Oxford gegründet und 1284 durch Charter anerkannt wurde. Dann folgen: Clare (1326), Pembroke (1347), Gonville and Caius, Trinity Hall [* 11] (1350), Corpus Christi (mit wertvoller Bibliothek, 1352), King's- (1441) und Queen's College (1448 und neubegründet 1465), dessen Gebäude die ältesten sind, und an dem Erasmus von Rotterdam [* 12] jahrelang lehrte, St. Catherine's (1473), Jesus (1496), Christ's (1505), St. John's (1511), Magdalen (1519) und das 1546 durch Heinrich VIII. aus verschiedenen ältern Colleges gebildete Trinity College, das weitaus bedeutendste in Cambridge und in England überhaupt. Es zählt im J. 1894 614 Studenten und im ganzen 3681 Mitglieder; ferner Emmanuel (1584), Sidney Sussex (1594) und nach zweihundertjähriger Pause Downing College (1800). In neuester Zeit sind gegründet worden: 2 Hostels, das strengkirchliche, billige Selwyn College (1882) sowie Ayerst' Hostel für ärmere Studenten (1884). In Ridley Hall (1881) bereiten sich Theologen nach beendeter Studienzeit auf ihr Amt vor. Zu diesen kommen die außerhalb Cambridge gelegenen Frauencolleges: Girton College (1873 gegründet, stark aufblühend mit etwa 110 Studentinnen) und Newnham College (1875 eröffnet, mit jetzt 3 Halls und 140 Studentinnen).
Den Studentinnen wird aber trotz der letzten Prüfungsresultate der akademische Grad nicht erteilt. Seit 1869 können Studenten (1894: 107), auch ohne sich einem College anzuschließen, als Non-Collegiate Students in licensed lodgings unter der Aufsicht eines Censor wohnen und genießen, bei billigerm Leben, die Rechte der andern Studenten. Alle Colleges sind völlig selbständige Internate mit eigenen Gesetzen. Sie sind aus verschiedenen Anlässen historisch erwachsene, von der Universität anerkannte Anstalten, in denen die Studenten leben, beaufsichtigt und in ihren Studien gefördert werden.
Die alten Colleges (auch Houses oder Halls, lat. aulae genannt) bestanden aus dem Head (Master, Provost, President) und den Scholars. Letztere teilten sich später in Fellows (die ältern, Graduierten) und Scholars (die Undergraduates). Der Master, die Fellows und die Scholars beziehen noch jetzt Stipendien vom College. Neuerdings zerfallen die Angehörigen eines Colleges in den Head (fast immer Master genannt), Fellows (meist in senior und junior geschieden), Graduates, welche nicht Fellows sind, Fellow-commoners (nur noch sehr wenige), Bachelors (of arts, etc.), Scholars (Stipendiaten, die besten Studenten), Pensioners (die große Mehrzahl zahlender Studenten) und Sizars (ärmere Studenten). Die Verwaltung liegt in den Händen des Masters sowie des Governing body der ältern Fellows. Jedes College besetzt aus der Zahl seiner Fellows die Stellen des Masters, Dean, Bursar, Librarian und Tutor. (S. College.)
Studenten. Die Studenten (Undergraduates) bleiben meist 3, selten 4 Jahre in Cambridge. Sie heißen im ersten Jahre «Freshman», im zweiten «Junior Soph», im dritten «Senior Soph». Sie besuchen nicht nach deutscher Weise mehrere Universitäten. Sie gehören fast alle irgend einem College an. Ihre Anzahl beläuft sich (1891) auf 3029 (darunter nur 156 Non-Collegiate Students), die der Studentinnen auf etwa 250. Sie sind ungleichmäßig vorgebildet und haben jährlich mindestens eine Prüfung zu bestehen.
Geschichtskarten von D

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Deutschland.Ihre Studien werden weniger frei und selbständig betrieben als in Deutschland, [* 13] viele nehmen neben den Vorlesungen regelmäßig Privatstunden, welche von Privatlehrern und den meisten jüngern Docenten erteilt werden. Die vorgeschriebene Tracht bei Vorlesungen ist für Lehrer wie Schüler Barett und Talar (cap and gown). Der Talar der Studenten ist kurz, der der Masters lang herabwallend und nach Grad und Profession verschieden. Nachmittags zwischen 2 und 5 Uhr [* 14] wird ausschließlich den verschiedenen Sports gehuldigt. Abends werden oft Klubs, seltener Theater [* 15] und Konzerte besucht. Kneipenbesuch und Mensuren sind völlig unbekannt. Die Kosten eines akademischen Jahres (3 terms, etwa 23 - 25 Wochen) sind erheblich höher als in Deutschland. Sie belaufen sich auf 150 - 250 (oder 300) Pfd. St. Meist gilt 200 Pfd. St. für ausreichend. Durch sehr zahlreiche Stipendien (Scholarships, Exhibitions, Prizes) können die Kosten erheblich vermindert werden.
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K auszusuchen.] ¶