Cambacérès
(spr. kangbasserähs), Jean Jacques Régis de, Herzog von Parma [* 2] und Erzkanzler des französischen Reichs unter Napoleon I., geb. als Sprößling einer alten Juristenfamilie zu Montpellier, [* 3] wurde als Nachfolger seines Vaters 1772 Steuerrat und 1791 Präsident des Kriminalgerichts daselbst. 1792 in den Konvent gewählt, trat er hier mit großer Mäßigung auf, erwirkte dem gefangenen König einige Freiheiten und stimmte für dessen Tod nur in dem Fall, daß seine Befreiung vom Ausland mit den Waffen [* 4] erzwungen werden sollte.
Dabei war er für Organisation der Rechtspflege thätig. Auf seinen Vorschlag vom wurde der Wohlfahrtsausschuß gebildet. Als Mitglied desselben klagte er den General Dumouriez 20. März des Hochverrats an. Durch sein »Projet de Code civil et discours préliminaire«, das als Grundlage zum spätern Code Napoléon diente, erwarb er sich das größte Verdienst um sein Vaterland und erhielt mit Merlin aus Douai den Auftrag, alle in Frankreich bestehenden Gesetze zu revidieren und sie in Einem Gesetzbuch zu vereinigen.
Nach den
Stürmen des 9.
Thermidor, woran Cambacérès
nicht beteiligt war, wurde er
Präsident des
Wohlfahrtsausschusses
und beschleunigte die
Friedensschlüsse mit
Preußen
[* 5] und
Spanien,
[* 6] geriet aber in den
Verdacht, als suche er eine
Diktatur oder
die
Monarchie herzustellen, weshalb er nicht in das
Direktorium gewählt ward. Als Mitglied des
Rats der
Fünfhundert widmete er sich vornehmlich legislativen
Arbeiten und wurde im
Oktober 1796 zum
Präsidenten erwählt, mußte aber
aus Verlangen des
Direktoriums austreten. Nach
Sieyès'
Eintritt in letzteres wurde er auf dessen
Antrag Justizminister, nach
dem
Staatsstreich vom 18.
Brumaire von
Bonaparte zum Zweiten
Konsul und nach
Napoleons I. Thronbesteigung zum
Erzkanzler des
Reichs und 1808 zum
Herzog von
Parma ernannt. Bei dem großen Vertrauen, das
¶
mehr
Napoleon ihm schenkte, übte er aus den Gang
[* 8] der innern Angelegenheiten den größten Einfluß aus; besondere Verdienste erwarb
er sich fortwährend um die Entwickelung des französischen Rechts und die Redaktion des Code Napoléon. Er bewies seine Mäßigung
und Weisheit auch unter Napoleon, indem er ihn von dem russischen Feldzug und andern Unternehmungen zurückzuhalten
suchte. Als Napoleon 1813 gegen die Verbündeten zog, ward Cambacérès
Präsident des Regentschaftsrats und folgte der Kaiserin nach
Blois, von wo aus er seine Zustimmung zur Abdankung des Kaisers einsandte.
Während der Hundert Tage übernahm er auf Napoleons Bitte das Justizministerium und das Präsidium der Pairskammer. Nach
der zweiten Restauration kehrte er nach Paris
[* 9] zurück und lebte da in Zurückgezogenheit, bis er als angeblicher Königsmörder 1816 des
Landes verwiesen ward. Er hielt sich in Brüssel
[* 10] und Amsterdam
[* 11] auf, bis er in alle bürgerlichen und politischen
Rechte wieder eingesetzt ward. Er lebte seitdem in Paris zurückgezogen und starb Außer dem
genannten »Projet de Code civil« (Par. 1796) erschien von Cambacérès
noch: »Code français, ou Collection par ordre de matières de
lois de la république« (das. 1797). - Sein Titel ging auf einen Neffen, Marie Jean Pierre Hubert de Cambacérès
, über, der unter
dem zweiten Kaiserreich Großzeremonienmeister war.