Callot
(spr. -lo),
Jacques, franz. Zeichner, Kupferstecher und Radierer, geb. 1594 zu
Nancy,
[* 2] zeigte früh einen unwiderstehlichen Drang nach künstlerischem
Schaffen, der im
Atelier des Glasmalers
Claude Henriet
am
Hoflager von
Nancy
Nahrung fand. Da der
Vater, Wappenherold von
Lothringen und
Bar, ihn für ein Staatsamt
bestimmt hatte, entfloh Callot
, kaum zwölf Jahre alt, dem Vaterhaus und schloß sich einer Zigeunerbande an, die
nach
Italien
[* 3] zog. Die
Eindrücke, welche die abenteuerlichen Gestalten und das eigentümliche
Leben derselben auf Callot
machten,
haben sich später in vielen seiner
Darstellungen ausgeprägt und ihm insbesondere den
Stoff zu den vier
Blättern geboten, auf welchen er die Bohémiens verewigte. In
Florenz
[* 4] verließ er die
Bande.
Ein
Offizier nahm sich des
Knaben an, übergab ihn dem Remigio Canta-Gallina, einem gewandten Federzeichner, der ihn besonders
die
Radiernadel beherrschen lehrte, und stattete ihn auch mit dem Reisegeld nach
Rom
[* 5] aus.
Dort traf er Kaufleute
aus
Nancy, die ihn durch die
Vorstellung von dem
Kummer der Seinigen zur Heimkehr bewogen. Nach zwei
Jahren floh Callot
wiederum
aus dem Vaterhaus, wohin er dann nochmals zurückkehrte, bis der
Vater ihn endlich zur Erlernung seiner
Kunst nach
Rom schickte.
Callot
begann hier seine
Studien bei dem
Maler
Julius Parigi, fühlte aber bald einen stärkern
Beruf zum Kupferstecher
als zum
Maler und wurde daher ein
Schüler von
Philipp
Thomassin aus
Troyes. 18
Blätter, die er ungefähr bis zum 20. Lebensjahr
vollendete, zeugen von rascher
Ausbildung seines
Talents.
Hierauf ging er nach
Florenz, wo ihm
Großherzog
Cosimo II. einen Jahrgehalt, freie
Wohnung und andre Vorteile
verschaffte. Zu seinen besten Leistungen aus dieser Zeit gehören: eine
Madonna nach
A. del
Sarto; 20
Stiche,
Schlachten
[* 6] und
Siege
der
Medici darstellend, und die sieben
Todsünden nach
Bernardino
Poccetti. Einer raschen und durchaus selbständigen
Produktion
zuliebe griff Callot
jetzt zur
Radiernadel und zu der Ätzkunst. Die prachtvollen Rittermummereien,
Turniere,
Karusselle etc. am glänzenden
Hofe von
Florenz veranlaßten in rascher
Folge die Entstehung von 4 Blättern Hoffeste und 6 Blättern
Schauspiele und
Ballette, denen 4
Blätter
Schiffe
[* 7] und
Galeeren des
Herzogs, ein Skizzenbuch für junge
Maler und mehrere größere
Werke, wie der Märtyrertod
der unschuldigen
Kinder, der
Markt bei dem
Bilde der
Madonna del Imprunetta
(Messe
von
Florenz genannt), die
Versuchung des heil.
Antonius etc., folgten.
Nach
Cosimos II.
Tod kehrte Callot
nach
Nancy zurück und fand dort bei
Herzog
Heinrich wie bei den
Seinen den freundlichsten Empfang.
Von der Unzahl
Blätter aus dieser Zeit erwähnen wir: 392
Heiligenbilder, ein
Martyrologium für den
Kardinal
Richelieu, viele kleine
Blätter aus dem
Leben der heiligen
Familie, die
Passion in zwei verschiedenen Reihenfolge,
Kapricen- und
Maskendarstellungen;
besonders aber ist das große Karussell und die große Straße, in welcher dasselbe vorging, 10 Blätter, eins seiner schönsten Werke. In seinen spätern Arbeiten wird ein erheblicher Fortschritt im Gebrauch der Radiernadel und eine häufigere Verbindung derselben mit dem Grabstichel sichtbar.
Werke dieser Art sind seine Bettler, Zigeuner etc., eine Sammlung von 25 Blättern, die er unter dem Titel: »Capitano de Baroni« herausgab;
ferner 18 große und 7 kleine Blätter: »Misères de la guerre«, seine Phantasien etc. Für die Statthalterin der spanischen Niederlande, [* 8] Klara Eugenia Isabella, stach er die Belagerung von Breda;
Ludwig XIII. berief ihn an seinen Hof [* 9] und übertrug ihm die Darstellung der Befreiung der Insel Ré und der Eroberung von La Rochelle.
Als aber der König einen Familienzwist mit seinem
Bruder
Gaston von
Orléans
[* 10] und dessen
Verbindung mit der lothringischen Fürstenfamilie benutzte, um 1633
Nancy zu erobern und
das Herzogtum dem französischen
Reich einzuverleiben, bat Callot
, der vom König an den
Hof geladen und aufgefordert worden war,
die
Eroberung von
Nancy zum Gegenstand einer
Darstellung zu machen, unumwunden, ihn mit so entehrenden Aufträgen
zu verschonen,
denn er sei ein Lothringer und werde nie die
Hand
[* 11] anlegen zur Abbildung der Schmach seines
Fürsten und Vaterlandes.
Zu seinem patriotischen
Gram gesellten sich auch noch Körperleiden. Er starb »Callots
Kunststreben war ohne allen Aufschwung zum
Idealen lediglich der treuen Auffassung der
Natur zugewendet.
Diese suchte er wiederzugeben, wie er sie fand und um sich sah, aber ebenso durch überraschende
Wahrheit und Innigkeit zur
Kunst erhoben. Darum sind auch diejenigen seiner
Schöpfungen, welche der heiligen Geschichte angehören, von geringerm Kunstwert
als diejenigen, welche sich auf dem profanen Gebiet bewegen. Hier aber
ist er ganz eigentlich zu
Hause,
und das
Charakteristische seines
Genius,
Humor, Keckheit,
Spott,
Ironie, selbst ein reichlicher Zusatz von Bizarrerie und vom
Gespenster- und Dämonenartigen leuchten überall hervor.« Callots
vorzüglichste
Stärke
[* 12] lag in der gewandten Bewältigung
der
Massen.
Frisch und eigentümlich
ist er immer, sowohl in seinen
Phantasien als in seinen aus dem
Leben genommenen
Darstellungen; selbst das Gemeinste im Alltagsleben umgibt er mit einem romantischen Schimmer und spricht kräftig und
wunderbar zu jedem für phantastische Gebilde empfänglichen
Gemüt. Die Anzahl seiner
Blätter beträgt weit über 1000. Ein
kritisch genaues Verzeichnis gibt E. Meaume,
Recherches sur la vie et les ouvrages de
Jacques Callot
(Nancy
1860, 2 Bde.).
Vgl. auch
Thausing, Le
[* 13] livre d'esquisses de J. J. Callot
(Wien
[* 14] 1881), und die
Biographien von
Dumast
(Nancy 1875),
A.
Houssaye (Par. 1875) und
Kinkel in
Dohmes
»Kunst und
Künstler«.