Caen
1)
Arrondissement im franz. Depart.
Calvados, hat 1102,92 qkm, 188 Gemeinden, (1891) 119848 E. und zerfällt in die 9 Kantone:
Bourguébus (141,63 qkm, 7663 E.), Caen-Est
(70,47 qkm, 27631 E.), Caen-Ouest (17,65 qkm, 23900 E.), Creully (130,90 qkm, 9325 E.),
Douvres (104,07 qkm, 12250 E.), Evrecy (160,16 qkm, 9674 E.),
Tilly-sur-Seulles (139,50 qkm, 10205 E.),
Troarn (196,84 qkm, 10705 E.),
Villers-Bocage (141,70 qkm, 8495 E.). - 2) Hauptstadt des
Arrondissements Caen
und des Depart.
Calvados, liegt 15 km vom
Meere, an den Linien Mantes-Cherbourg, Dozulé-Caen
(24 km), Mayenne-Domfront-Caen, Caen-Aunay-Vire der
Franz. Westbahn und der anschließenden Lokalbahnlinie Caen
-Courseulles-sur-Mer (31 Km),
am Einfluß
des Odon in die hier schiffbare Orne, welche nebst einem 5 m tiefen und 50 m breiten
Kanal
[* 2] das geräumige Hafenbassin (für
Seeschiffe bis zu 300 t) mit dem Vorhafen bei dem Dünendorf Quistreham an der
Rade de Caen
in
Verbindung setzt. Caen
hat (1891)
37184, als Gemeinde 45201 E., in Garnison das 5. Infanterieregiment.
Anlage und Bauten. Die Stadt ist architektonisch interessant durch die aus der Zeit Wilhelms des Eroberers stammende Kirche von St. Etienne, eine der schönsten der Normandie, mit zwei 90 m hohen Türmen (s. Tafel: Französische Kunst II, [* 1] Fig. 3 u. 4), und die Dreifaltigkeitskirche (im roman. Stil) der gleichnamigen Frauenabtei, mit drei Türmen, 1066 von Wilhelms Gemahlin, Mathilde, gegründet, deren 1819 restauriertes Grab sie in der Krypta enthält. Andere Kirchen sind: die got. St. Peterskirche mit dem 78 m hohen Turm; [* 3] die Kirche St. Jean, ein spätgot.
Bau; St. Sauveur mit sehenswerter
Apsis aus dem 16. Jahrh.; die Benediktinerkirche mit prachtvollem
Glockenturm
und die Schloßkirche. Unter den öffentlichen Plätzen zeichnen sich aus die Place de la République mit dem Rathaus, der
Bronzestatue
Ludwigs XIV. und dem
Denkmal
Aubers; die Promenaden an der von vier
Brücken
[* 4] überspannten Orne, die belebten Quais
am
Hafen; unter den
Gebäuden die
Universität mit den
Statuen von
Malherbe und Laplace, die
Präfektur, der
Justizpalast (13. Jahrh.) und die
Börse (ehemals Hôtel de
Valois, aus dem 16. Jahrh.). Die Befestigungen des alten Schlosses
(jetzt Artilleriekaserne) stammen von Wilhelm dem Eroberer, sind aber später erweitert und umgebaut worden. Von
den alten Stadtmauern ist fast nichts mehr zu sehen. Auf dem rechten Ufer der Orne befindet sich die
Kirche von Vaucelles
(15. und 16. Jahrh.); 1 km östlich von Caen
Ruinen der
Maison des Gendarmes, einer
Burg aus dem Beginn des 16. Jahrh.
Behörden und Anstalten. Caen
ist Sitz der Departementsbehörden, eines
Appellhofs mit
Assisen für drei Departements,
eines Gerichtshofs erster Instanz, zweier Friedensgerichte, eines Handelsgerichts, Handelskammer, Gewerberats, Filiale der
Bank von Frankreich, Remontedepots und des 12. Infanterie-Brigadekommandos. Die
Universität, welche an
Stelle der 1431 von
den Engländern gegründeten, später eingegangenen getreten ist, hat eine jurist., mathem.-naturwissenschaftliche, philos.
Fakultät, eine mediz.-pharmaceutische Schule und eine
Bibliothek (33510
Bände). Außerdem bestehen eine
öffentliche
Bibliothek (80000
Bände und 250 Manuskripte), Gemäldegalerie, botan.
Garten
[* 5] und ein Naturalienkabinett mit den
Sammlungen von Dumont d'Urville und Deslongchamps; ein Lyceum in der ehemaligen
Abtei St.
Stephan, hydrogr. Schule,
Handels-
und Gewerbeschule, Lehrerseminar, eine
Ackerbau-, Zeichen-,
Bau- und Bildhauerschule, Taubstummenlehranstalt,
Korrektionshaus,
Irrenanstalt und ein großes
Krankenhaus,
[* 6] ferner eine
Akademie der Wissenschaften und Künste, ein Konservatorium
für
Musik, die Gesellschaft der normann. Altertumsforscher mit Museum und andere
Vereine; endlich bestehen ein
Theater
[* 7] und
drei
Zeitungen. Caen
ist Geburtsort von
Tanaquil Faber
(Lefèbre),
Pierre Huet,
Auber,
Malherbe und Segrais.
Industrie und Handel. Die Gewerbthätigkeit erstreckt sich auf Obst- und Blumenzucht, Verfertigung berühmter Blonden und Spitzen, Baumwoll-
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
und Wollspinnerei, Fabrikation von Watte, Stickereien, damasciertem Leinen, Strumpfwaren, Seife und buntem Papier, Eisen- und
Kupfergießerei, Ölraffinerie, Seilerei, Schiffbau. Es besteht eine 15tägige Messe. Täglich gehen Dampfer nach Havre.
[* 9] Eingeführt
werden hauptsächlich Bauholz aus Norwegen,
[* 10] Steinkohlen, Mastvieh, Getreide,
[* 11] Salz
[* 12] und Kolonialwaren; ausgeführt dagegen: Granit
und Bausteine (Pierres de Caen
), Cerealien, nach England besonders Geflügel, Butter, Eier
[* 13] und Früchte.
Geschichtliches. Caen
ist von Wilhelm dem Eroberer angelegt, war Hauptstadt der Normandie und hat mehrfache Belagerungen erfahren,
besonders in den engl. Kriegen des 14. und 15. Jahrh. und zur Zeit der Hugenottenkriege, wo es bald die Katholiken,
bald die Reformierten besetzt hielten. Die Engländer besaßen die Stadt 1417 - 50. Nach dem Sturze der
Girondisten (1793) wurde von aus ein Aufstand gegen die Jakobiner versucht, der jedoch unglücklich endete. -
Vgl. Lavalley,
Caen
, son histoire et ses monuments (Caen 1877);
A. de Bourmont, La fondation de l'université de Caen
(ebd. 1883);
Carel, Histoire de la ville de Caen
depuis Philippe-Auguste jusqu'à Charles IX (Par. 1886);
ders., Histoire de la ville de
Caen
sous Charles IX, Henri III et Henri IV (Caen
1887).