Titel
Cádiz.
1) Die südlichste
Provinz
Spaniens im ehemaligen Königreich Sevilla,
[* 2] wird im
S. und W. vom
Meer. im N. von den
Provinzen Huelva
und Sevilla, im O. von Malaga
[* 3] begrenzt, hat 7342 qkm, (1887) 429872 (218917 männl., 210955
weibl.) E.,
d. i. 58 auf 1 qkm, darunter 2856
Ausländer (288844 konnten nicht lesen) und 14 Gerichtsbezirke. Ihr Hauptfluß
ist der Guadalete. Der untere Guadalquivir bildet die Nordwestgrenze. Cádiz
ist teilweise sehr fruchtbar und liefert
berühmte, schwere
Weine,
Olivenöl und Getreide,
[* 4] ferner viel Seesalz und Fische,
[* 5] welche schon
Strabo rühmt.
2) Cádiz
(portug.
Cadix), Hauptstadt der
Provinz Cádiz
, eine der wichtigsten Handelsstädte
Spaniens und Festung
[* 6] ersten Ranges, unter
36° 27' 40" nördl.
Br. und 6° 12' 19" westl. L. von Greenwich, an der Linie Sevilla-Cádiz
der Andalus. Eisenbahn,
hat (1887) 62531 E.
Lage und Bauten. Cádiz
liegt am äußersten Ende einer schmalen felsigen
Landzunge (8 km), die den nordwestl.
Ausläufer der durch den
Kanal
[* 7] Santi Petri vom Festlande getrennten
Insel
Leon bildet. (S.
Situationsplan.) Diese
Landzunge nähert
sich dem gegenüber liegenden Küstenvorsprung, dem
Trocadero, wo sich die wichtigsten Docks befinden, auf 800 m und schließt
so die innere seichte
Bucht von Puntales ab, während außerhalb im
NO. der Stadt sich die geräumige
Bai
von Cádiz
ausdehnt, in die unterhalb der Stadt Puerto de Sta. Maria der Guadalete mündet.
Die gesicherte Lage an der bastionierten Felsküste ist durch die Anlage großartiger Festungswerke verstärkt. Auf der Landzunge selbst liegen die Forts San Sebastian, Puntales und Cortadura de San Fernando sowie die Redoute [* 8] Glorieta. Gegenüber die Forts Sta. Catalina und Matagorda, das mit Puntales die Einfahrt in die innere Bucht beherrscht, und zum Schutze der Verbindung mit dem Festlande die befestigte Zugbrücke Puente Suazo. Auf der Insel Leon liegt der wichtige Ort San Fernando (s. d.) mit dem Arsenal La Carraca.
Die Stadt ist nach dem Brande von 1596 fast völlig neu angelegt und seit 1786 bedeutend erweitert und verschönert worden. Unter den zahlreichen, mit Promenaden gezierten Plätzen ist die Plaza San Antonio, von der die Hauptstraße Calle Ancha ausläuft, zu nennen. Unter den Gebäuden, von denen viele auf den platten Dächern kleine Türme (Miradores) tragen, sind bemerkenswert: die 1597 wiederhergestellte alte Kathedrale, die neue, 1720 - 69 erbaute Kathedrale mit merkwürdiger Krypta, die Kirche Sta. Catalina des ehemaligen Kapuzinerklosters mit herrlichen Gemälden von Murillo, das Hospiz, die Torre de Vigia oder de Tavira, 34 m hoch, welcher Turm [* 9] eins der schönsten Aussichtsbilder Europas gewährt, die Ruhmeshalle berühmter Seeleute und das Douanengebäude. Außerhalb der Stadtwälle liegen die Dampfmahlmühle, der Leuchtturm im Fort San Sebastian auf einem nach W. auslaufenden Felsenriff und die schöne doppeltürmige Kirche San José auf dem Isthmus, an dessen flachem Strande sich sehr besuchte Seebäder befinden, sowie Salinen und Weingärten. Ein Übelstand ist der Mangel an gutem
[* 1]
^[Abb: Cadiz
[* 10]
(Situationsplan)].
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
Trinkwasser. Zwar ist jedes Haus mit einer Cisterne versehen, doch muß das frische Wasser von Puerto de Sta. Maria herbeigeschafft
werden. Die Extreme der Temperatur sind + 6° und 27° C. Obgleich nur 3 - 18 m über der See gelegen, gilt Cádiz
doch für eine
gesunde Stadt, wozu ihre durch den Gezeitenwechsel geförderte Reinlichkeit, die solide Bauart sowie
die schönen Anlagen längs der See nicht wenig beitragen. Die Spanier nennen sie in ihrer überschwenglichen Art wohl «la
perla del Océano». Doch ist die Blütezeit Cádiz'
unwiederbringlich vorüber, was sich auch in dem Rückgange
der Bevölkerung,
[* 12] die 1860 noch 75000 betrug, ausspricht.
Behörden und Anstalten. Cádiz
ist Sitz eines Bischofs und der Provinzialbehörden und hat drei Hospitäler, ein Armen-, Irren-
und Korrektionshaus, ein Findelhaus, mehrere Theater
[* 13] und einen Stiergefechts-Cirkus mit Raum für 11000 Zuschauer. An Unterrichtsanstalten
giebt es, außer vielen Elementarschulen und Colegios für beide Geschlechter, eine Marineakademie in der Vorstadt
San Carlo, chirurg.-mediz., nautische, mathem. Schulen, eine Zeichen- und Malerschule, Handelsschule und ein Priesterseminar.
Auch bestehen verschiedene gelehrte Gesellschaften, Bibliothek, Kunst- und Naturhistorisches Museum, eine Akademie der schönen
Künste, vortrefflich eingerichtete Sternwarte
[* 14] bei San Fernando und ein hydrogr. Depot.
Handel und Verkehr. Der heutige Handel ist nur ein Schatten
[* 15] vom vergangenen und leidet durch die Versandung
der Bucht und die Unmöglichkeit industrieller Entwicklung infolge der topogr. Lage immer mehr unter der Konkurrenz von Huelva
und Malaga. Der Gesamtwert der Einfuhr war (1888) 51835940 M., der der Ausfuhr 63098674
M. Unter den Ausfuhrartikeln steht Wein, vor allem Xereswein (Sherry), nach England obenan (241892 hl im
Werte von 23,28 Mill. M.); doch befinden sich die großen Lager
[* 16] nicht in Cádiz
selbst; dann folgen Olivenöl (49142 Ctr.), silberhaltiger
Bleiglanz und Blei
[* 17] (84156 Ctr. im Werte von 2,72 Mill. M.).
Wichtig ist das Salz,
[* 18] das in den zahllosen Salinen der Bai von Cádiz
erzeugt, zumeist nach Südamerika
[* 19] ausgeführt
wird (1771398 Ctr. im Werte von 2,08 Mill. M.). Ebendorthin gehen auch Fächer,
[* 20] Spielkarten und Korkstöpsel. Andere Artikel
sind Feigen, Öl, Apfelsinen, Citronen, Mandeln, Kichererbsen, Quecksilber und Branntwein. Eingeführt werden Steinkohlen aus England
(494976 Ctr.), Stockfische, Tabak
[* 21] aus Manila, Cuba und Virginien (22236 Ctr.), Bauholz, Sprit, Eisen,
[* 22] holstein.
Butter und Gewebe.
[* 23] Fast alle Artikel weisen einen Rückgang gegen das Vorjahr auf.
Im Schiffsverkehr (1888 liefen 9461 Schiffe,
[* 24] darunter 3572 Dampfer, mit insgesamt 3 Mill. t ein und aus) spielt die Küstenschiffahrt
eine hervorragende Rolle. Regelmäßige Verbindung besteht mit Barcelona,
[* 25] Sevilla, Santander, Malaga, Bilbao,
[* 26] Lissabon,
[* 27] London,
[* 28] Bremen,
[* 29] Hamburg
[* 30] und den baltischen Häfen Rußlands. Dreimal wöchentlich gehen Schiffe nach Tanger. Die Bucht ist auch wichtige
Station der Kriegsschiffe aller Nationen. Konsulate haben in Cádiz:
Argentinien, Bolivia,
[* 31] Chile, Columbia,
[* 32] Costa-Rica, Dänemark,
[* 33] das
Deutsche Reich,
[* 34] Frankreich, Griechenland,
[* 35] Großbritannien,
[* 36] Guatemala,
[* 37] Honduras,
[* 38] Italien,
[* 39] Mexiko,
[* 40] Nicaragua,
[* 41] Niederlande,
[* 42] Österreich-Ungarn,
[* 43] Peru,
[* 44] Portugal,
[* 45] Rußland, Salvador,
[* 46] Schweden
[* 47] und Norwegen, die Türkei,
[* 48] Uruguay, Venezuela und
die Vereinigten Staaten
[* 49] von Amerika
[* 50] und die von Brasilien.
[* 51]
Geschichte. Cádiz
, phöniz. Gaddir oder Gader, d. h. Mauer, von den Griechen Gadeira, von den Römern Gades, seit Cäsar Julia Augusta
Gaditana genannt, wurde schon um 1100 v. Chr. von Phöniziern gegründet. Nach dem ersten Punischen Kriege
kam die Stadt in die Gewalt der Karthager, denen sie 206 v. Chr. durch die Römer
[* 52] entrissen wurde. Cäsar machte 49 v. Chr. alle
ihre Bewohner zu röm. Bürgern. Die Stadt folgte im Range nach Rom,
[* 53] hatte 500 Ritter (equites) und große Reichtümer.
Zur Zeit Strabos war sie die erste Seehandelsstadt des Römischen Reichs, der Hauptmarkt für den Bernstein
[* 54] der Ostsee, das Zinn Britanniens und die Fische der atlantischen Küste, der Schlüssel zu den Schätzen Andalusiens. Mit Rom
sank ihr Glanz dem aufblühenden Konstantinopel
[* 55] gegenüber. Die Überreste des Herculestempels und anderer röm. Bauten sind
noch am Meeresufer bei ruhigem Wasser zu sehen. Cádiz
wurde dann von den Goten zerstört, fiel 711 in
die Hände der Mauren, denen es 1262 von den Castiliern entrissen wurde.
Eine zweite Blütezeit brachte Cádiz
die Entdeckung Amerikas. Cádiz ward Mittelpunkt des Verkehrs zwischen beiden Welten, wo die
Edelmetalle Amerikas und die Schätze Indiens zusammenkamen, und führte das stolze Attribut «el Imperio
del Mundo». Mitten in diese Glanzzeit fällt der Überfall und die Brandschatzung durch Lord Essex Derselbe zerstörte
die ansehnliche Kriegs- und Handelsflotte im Hafen, verbrannte den größten Teil der Stadt und zog mit enormer Beute ab. Kaum
waren diese Wunden geheilt, so verlor Cádiz sein Handelsmonopol in Westindien
[* 56] und hatte nun im 17. und 18. Jahrh.
die Konkurrenz mit andern span. Häfen zu bestehen.
Immerhin überragte Cádiz noch am Anfang dieses Jahrh. alle andern und nährte eine doppelt so große Einwohnerzahl wie gegenwärtig. In der Zeit des Bündnisses zwischen Spanien und Frankreich wurde Cádiz mehrmals von den Engländern blockiert, auch einmal, jedoch ohne Erfolg, bombardiert. Seit der Revolution von 1808 war Cádiz bis zu Ferdinands VII. Rückkehr im Insurrektionszustande. Die Centraljunta der Insurgenten begab sich hierher, als franz. Truppen in Andalusien vordrangen. Sie ließ die Landzunge von Cádiz abgraben und die Brücke, [* 57] welche das feste Land mit der Insel Leon verbindet, abbrechen, wodurch die Stadt gänzlich vom Festlande getrennt ward. Da C. von der Seeseite durch Festungswerke sowie durch span. und engl. Flotten geschützt war, so war die Belagerung durch die Franzosen bis eine außerordentliche Unternehmung.
General Sebastiani blockierte sie von der Landseite. Nachdem man im März 1810 die Forts längs der Bai genommen und endlich auch das wichtige Fort Matagordo, Cádiz gegenüber, erobert hatte, wurde von hier aus die Stadt bombardiert. Vom bis in die zweite Hälfte von 1812 dauerte dieser Zustand, bis Wellingtons siegreiches Vorrücken die Franzosen nötigte, die Belagerung aufzuheben. Auch 1823 wurde Cádiz durch die Franzosen belagert. Nachdem der Herzog von Angoulême 24. Mai von Madrid [* 58] Besitz genommen, beorderte er die Divisionen Bordessoulle und Bourmont nach dem Süden, um den König von Spanien aus den Händen der Cortes zu befreien und den Fortgang der Insurrektion zu hemmen. Schon nach einem Monat stand
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
828 Bordessoulle vor Cádiz, bemüht, dessen Verbindung mit dem Lande abzuschneiden. Der Versuch eines Ausfalls, 16. Juli, mißlang mit beträchtlichem Verluste. Indes nötigte der kräftige Widerstand die Franzosen, das Belagerungsheer auf 20000 Mann zu verstärken und die Belagerung im Verein mit der Blockade unter Admiral Duperré nachdrücklicher zu betreiben. Nachdem 31. Aug. die Franzosen Trocadero sowie die Forts San Luis und San Pedro eingenommen hatten, entschied das persönliche Erscheinen des Königs Ferdinand 1. Okt. zu Puerto-Sta. Maria endlich die Auflösung der Cortes und den Fall von Cádiz, das 3. Okt. seine Thore öffnete. Cádiz war auch Ausgangspunkt der Revolution von 1868, wo 17. Sept. der Admiral Topete die Fahne der Empörung erhob und 18. Sept. den Platzkommandanten zur Ergebung nötigte. Die Marine-Infanterie wurde ausgeschifft, worauf sich auch die Artillerie des Platzes und die Bürgergarde dem Aufstande anschloß. Unter dem Vorsitze von Topete bildete sich eine Junta, und General Rivera übernahm das Kommando der Stadt. Als am folgenden Tage noch mehrere andere Generale in Cádiz eingetroffen waren, erließen sie mit Topete und Prim ein gemeinsames Manifest, in dem sie der Regierung der Königin Isabella den Gehorsam aufkündigten.