Cabet
(spr. -bäh), Etienne, franz. Kommunist, geb. zu Dijon, [* 2] studierte Pädagogik und war eine Zeitlang Gymnasiallehrer. Später studierte er Medizin, endlich die Rechte und ließ sich in seiner Vaterstadt als Advokat nieder. Nach der Restauration schloß er sich den radikalen Republikanern an. Wegen Teilnahme an politischen Demonstrationen mehrmals von der Praxis suspendiert, wandte er sich nach Paris, [* 3] beteiligte sich daselbst lebhaft am Karbonarismus und wurde Mitglied des obersten Ausschusses dieser geheimen Gesellschaft. An der Julirevolution nahm er thätigen Anteil. 1831 im Departement Côte d'Or in die Kammer gewählt, gehörte er hier der äußersten Linken an. Er schrieb eine »Geschichte der Revolution von 1830« (Par. 1832) und gründete in Paris das radikale Sonntagsblatt »Le [* 4] Populaire«.
Wegen eines
Artikels in demselben im März 1834 zu zweijähriger
Haft verurteilt, floh er nach
London
[* 5] und
griff von dort in heftigen
Pamphleten die französische
Regierung
an. Cabet
war bis dahin nur radikaler
Republikaner gewesen, der
in der roten
Republik mit der
Verfassung von 1793 sein Staatsideal verwirklicht sah, und schrieb in dieser
Gesinnung die
»Histoire
populaire de la révolution française de 1789 à 1830« (Par. 1840, 4 Bde.; 2. Aufl.
1845-47). In
England aber wurde er durch das
Studium kommunistischer
Schriften (von
Morus,
Campanella,
Morelly,
Buonarroti etc.)
zum Kommunisten, aber zu einem Kommunisten, der im
Gegensatz zu den Babeufisten die friedliche Verwirklichung des
Kommunismus
verteidigte.
Seine kommunistischen
Ideen entwickelte er in der
»Voyage en Icarie, roman philosophique et sociale« (Par.
1842, 5. Aufl. 1848; deutsch von Hippler, das. 1848). In der romanhaften
Reisebeschreibung wollte er das
Beispiel einer großen
Nation, die in
Gütergemeinschaft lebt, der
Welt vor
Augen stellen. (Über
den
Inhalt s.
Kommunismus.) Nach Abfassung dieses Werkes kehrte Cabet
, 1839 amnestiert, nach
Frankreich zurück,
agitierte dort für seine
Ideen, gründete kommunistische
Vereine und fand zahlreiche Anhänger, die sich »communistes icariens«
nannten. 1847 beschloß er, mit seinen Anhängern nach
Texas auszuwandern, um dort eine kommunistische
Kolonie zu gründen.
Die
Februarrevolution von 1848 verzögerte die Ausführung des
Plans, Cabet
hoffte nach ihr in
Frankreich selbst seine
Ideen verwirklichen zu können. Nach der Junischlacht gab er aber diese
Hoffnung auf und schiffte sich mit 44 Genossen nach
Texas ein.
Letztere fanden sich aber bald sehr enttäuscht und klagten Cabet
sogar wegen
Betrugs in Bezug auf das zusammengeschossene
Vermögen von mehr als 200,000
Frank an, und das
Zuchtpolizeigericht der Seine verurteilte Cabet
während seiner
Abwesenheit zu zweijähriger
Haft und fünfjährigem Verlust des
Bürgerrechts. Cabet
kehrte indessen nach
Frankreich
zurück, stellte sich im Juni 1851 als Gefangener und brachte seine
Sache vor das Appellationsgericht, das ihn freisprach.
Nach dem Staatsstreich vom siedelte er nach der von ihm gegründeten »ikarischen« Niederlassung Nauvoo am Mississippi (Illinois) über und übernahm hier Anfang 1856, durch neue Ankömmlinge unterstützt, die Diktatur. Bald aber durch einen Aufstand gestürzt, floh er nach St. Louis in Missouri, wo er starb. Von 1843 bis 1848 hatte er außer zahlreichen Flugschriften einen »Almanach Icarien« herausgegeben.
Vgl. Nordhoff, Communistic societies of the United States (Lond. 1875).