Titel
Bylinen
(Sing. Bylina, Plur. Byliny) ist die Bezeichnung der eigentlichen Heldenlieder der großrussischen
epischen Volkspoesie (die ebenfalls epischen Charakter zeigenden geistlichen Lieder heißen «Duchovnyje
stichi»). Diese Volksepik hat sich im nördl. Großrußland, namentlich
im Gouvernement
Olonez und dem benachbarten Gouvernement
Archangel bis auf den heutigen
Tag erhalten. Im 18. Jahrh. sammelte
der Kosak Kirscha
Danilow 61 Bylinen
(hg. von Kalajdowitsch: «Drevnija russkija stichotvorenija»,
1818, nachdem bereits 1804 26 der Lieder unter demselben
Titel erschienen waren).
Bedeutendere Sammlungen fallen in die neueste Zeit: die von Rybnikow (4 Bde., Mosk., Petersb. u. Petrozawodsk 1861‒67),
von Kirjejewskij (Mosk. 1868‒74; 10 Lieferungen), von Hilferding, («Onežskija byliny»),
Petersb. 1873). Die Bewahrer und Verbreiter dieser epischen Lieder sind namentlich Leute
sitzender Lebensweise, Schneider, Schuhmacher, die in den Bauernhäusern zeitweise arbeiten; die Zahl der Lieder, welche
diese Rhapsoden kennen, ist oft sehr bedeutend. Die Bylina hat stets eine bestimmte Versform; der
Inhalt
zerfällt in zwei Hauptbestandteile, einen typischen, der vom Sänger nicht verändert wird und die
Beschreibung wie die Reden
der
Helden enthält, und einen veränderlichen, der den
Gang
[* 2] der Handlung darstellt. Die
Helden der Bylinen
heißen Bogatyri
(Sing.
Bogatyr, entlehnt aus dem türkisch-persischen bahader, «tapfer,
Held»). Man hat die Bylinen
nach Zeitperioden
(in welche die einzelnen
Helden fallen oder fallen sollen) und nach Ortscyklen eingeteilt:
1) ältere Helden ¶
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der vorwladimirschen Zeit; zu ihnen gehören namentlich Woljga, Swjatogor, Mikula;
2) kiewsche, jüngere Helden der Zeit Wladimirs; zu ihnen gehört der Hauptheld des russ. Epos, Ilja von Murom (Ilja Muromez, s. d.), ferner Dobrynja Nikititsch, Aljoscha Popowitsch u. v. a.; sie bilden, was man wohl die «Wladimirsche Tafelrunde» genannt hat;
3) Cyklus von Nowgorod;
5) Zeit Peters d. Gr.;
6) das 18. Jahrh.;
7) unsere Zeit. –
Vgl. A. Rambaud, La Russie épique (Par. 1876);
W. Wollner, Untersuchungen über die Volksepik der Großrussen (Lpz. 1879).
Den Versuch einer Art Übersetzung und Nachdichtung damals bekannter Bylinen
enthält: «Fürst
Wladimir und dessen Tafelrunde» (Lpz. 1819).