Titel
Buße
im religiösen
Sinne ist jede von dem
Menschen zur Sühnung einer Schuld und zur Versöhnung der beleidigten Gottheit
übernommene Leistung. Solche Buße
kannten schon die heidn.
Religionen. Das großartigste
Beispiel ist das ind. Büßerwesen
mit seinen furchtbaren Selbstpeinigungen. Auch die
Juden betrachteten die religiöse Buße
als eine Genugthuung,
die der
Sünder Gott zu leisten habe; sie brachten
Sünd- und Schuldopfer dar, verrichteten lange Gebete, fasteten, zogen Säcke
oder schlechte Kleider an, ließen sich das Haupt mit
Asche bestreuen, geißelten einander u. a. m. Aber schon bei den
Propheten
und in zahlreichen Psalmen wird ein reumütiges Sündenbekenntnis als das beste
Mittel, Gott zu versöhnen,
bezeichnet.
Schon hiermit ist der äußerlich-juridische Bußbegriff im Princip überschritten, wenn auch der rituelle
Teil des hebr. Bußwesens
bestehen blieb und in der nachexilischen Zeit wieder zur Hauptsache wurde. Der Übergang vom alttestamentlichen zum neutestamentlichen
Standpunkte wird durch die Bußpredigt
Johannes des
Täufers bezeichnet. Das Sündenbekenntnis und die
Wassertaufe als
Sinnbild der innern Herzensreinigung weisen
schon auf die neue christl.
Heilsordnung hin. Doch legte
Johannes
auf ascetische
Übungen und
Entsagungen Gewicht. Die Bußpredigt Jesu beseitigte diese ganz. Nach dem
Geist des
Christentums
besteht die Buße
nicht in äußern Werken und Leistungen, sondern allein in der innerlichen Erneuerung
des ganzen
Menschen, welche in der Abwendung von dem bisherigen sündigen Lebenswege und in der Hinwendung an den durch
Christus
neu eröffneten Heilsweg
(Glauben und Wiedergeburt) besteht.
Die neutestamentliche
Anschauung über das Wesen der Buße
wurde aber seit der
Entwicklung eines christl.
Gemeindelebens bald durch eine andere
Vorstellung durchkreuzt. Man unterschied zwischen der mit der
Taufe verbundenen und der
Buße
der nach der
Taufe in schwere
Sünden gefallenen
Christen (der sog. zweiten Buße
).
Schon das
Neue Testament hatte den Fall vorgesehen,
daß
Glieder
[* 2] der christl. Gemeinde selbst in
Sünden verfielen und daher ausgeschlossen würden, und hatte
als den Weg der Buße
für sie eine aufrichtige,
vor der Gemeinde beurkundete Reue bezeichnet, der Gemeinde aber die gemeinsame
Fürbitte für die Gefallenen und die förmliche Wiederaufnahme derselben nur unter der
Bedingung nachweislicher Reue zur
Pflicht gemacht.
Von den Exkommunizierten wurden daher außer dem Reueschmerze und dem Glauben auch die Zuthat der Werke, besonders des Gebets, des Fastens, der versöhnlichen Sinns, des Almosens und der Bluttaufe (des Märtyrertodes) in Anspruch genommen. (S. Absolution.) Namentlich in den Zeiten der Verfolgung, als viele vom Glauben abtrünnig wurden, bildeten sich allmählich gewisse Bußstationen oder Bußgrade (gradus, stationes poenitentiae) aus, welche von mehrern Kirchenversammlungen bestätigt wurden. (S. Kirchenbuße.)
Wie aber die kirchliche
Absolution mit der göttlichen
Sündenvergebung, so wurden auch die als
Bedingung der
Absolution kirchlich
auferlegten Bußleistungen mit der Buße
im neutestamentlichen
Sinne frühzeitig vermischt und als ein wesentliches
Stück der
letztern betrachtet. Nach kath.
Lehre
[* 3] gestaltete sich die kirchliche
Bußordnung zu einem besondern (vierten)
Sakrament
(Bußsakrament) noch neben der
Taufe. Die
Sünde nach der
Taufe wird nach vorhergegangener Reue (poenitentia, contritio
cordis) und
Beichte
(confessio oris oder auricularis,
Ohrenbeichte) von dem Priester wirklich vergeben im
Namen
Gottes und unter
Auferlegung guter, durch das Verdienst Christi genugthuender Werke (satisfactio).
Eingesetzt hat Gott in Christo dieses
Sakrament nach der
Auferstehung, aber für die
Sünden nach der
Taufe ebenso unumgänglich
notwendig gemacht, als die
Taufe für die
Sünden
vor der
Taufe. Hierin liegt zugleich der Unterschied für das
Sakrament der
und der
Taufe. Die Materie der Buße
sind die Thätigkeiten des Büßenden selbst, nämlich die Reue
(contritio), d. h. die vollkommene Reue, für die jedoch auch die unvollständige, die
Attrition (s. d.) genügt, das
Bekenntnis
(s.
Beichte) und die Genugthuung, wobei der
Glaube (im Gegensatz zur prot.
Lehre) nicht als
Teil der Buße
, sondern als vorhergehend
betrachtet wird. Allein
vor der Genugthuung tritt nach der innern Ordnung des
Sakraments der zweite
Teil
desselben, seine Form ein, welche in der
Absolution (s. d.) von seiten des Priesters besteht. Diese priesterliche
Sündenvergebung umfaßt auch die
Todsünden, nur muß
¶
mehr
der Priester von der Kirche dazu beauftragt sein, im Ernste (serio) handeln und seine Befugnisse nicht überschreiten, sofern dem Papste und den Bischöfen gewisse Fälle der Absolution vorbehalten sind. Nur im Notfall darf jeder Priester von jeder Sünde absolvieren. Da aber die priesterliche Absolution nur die Schuld und die ewigen Strafen vergiebt, nicht aber die zeitlichen (penae canonicae, temporales), so hat die Kirche das Recht und die Verpflichtung, dem absolvierten Sünder Büßungen aufzuerlegen. Die griech.-kath. Kirche denkt wesentlich ebenso.
Die Reformatoren gingen auch hier von dem doppelten Hauptgedanken aus, daß der Mensch durchaus nichts zur Versöhnung seiner
Schuld dem allein wirkenden Verdienste Christi beifügen könne, und daß der einzige Weg, dieses Verdienst
zu ergreifen, der Glaube sei. Daher die Lehre der Protestanten, daß die Reue nur vom Heiligen Geiste gewirkt werde; daß das
äußere Bekenntnis der Sünden unwesentlich, das eigene Werk, die menschliche Genugthuung unzulässig und unmöglich sei;
daß nur zwei Stücke der Buße
anerkannt werden können: zuerst Reue, dann der seligmachende Glaube (fides salvifica)
an die vergebende Gnade Gottes in Christo, die durch den Priester nicht gegeben, sondern nur verkündet wird.
Hiermit ist im wesentlichen die neutestamentliche Anschauung von der Buße
wiederhergestellt und die Innerlichkeit dieses Vorgangs
anerkannt, wie sich namentlich auch in der von Luther energisch ausgesprochenen, katholischerseits entschieden
verworfenen Forderung der «täglichen Buße»
zeigt. Während Luthers Schrift von der Babylonischen Gefangenschaft (1520) und die
Apologie der Augsburgischen Konfession (1530) noch die Buße oder die Absolution als Sakrament festhält, lassen die spätern Bekenntnisschriften
nur zwei Sakramente, Taufe und Abendmahl, gelten. Nach luth. Lehre ist bei der Buße (im Gegensatz gegen Pietisten
und Methodisten) keine plötzliche Umwandlung des innern Menschen und äußerlich scharf hervortretende Bezeugung derselben
nötig (Bußkampf, Durchbruch der Gnade), und ebensowenig ein nur bedingtes Gnadenziel (terminus gratiae peremtorius), wie
die Pietisten zu Anfang des 18. Jahrh. wollten, für die Möglichkeit
der Buße anzunehmen.
Im Strafrecht ist Buße die Entschädigung, die der durch eine strafbare Handlung Verletzte wegen der ihm entstandenen Nachteile im Anschluß an das Strafverfahren verlangt. Im Ermessen des Strafrichters steht es, diesem Verlangen zu entsprechen. Geschieht es, so schließt die erkannte Buße die Geltendmachung eines weitern Entschädigungsanspruches im Civilprozeßverfahren aus, und die Entschädigungssumme selbst ist im Höchstbetrage für die einzelnen Fälle, in denen die Buße Anwendung findet, gesetzlich fixiert.
Diese Fälle sind:
1) üble Nachrede und Verleumdung (s. d.) - nicht einfache Beleidigung -, und zwar unter der Voraussetzung, daß nachteilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten entstehen. Höchstmaß: 600 M. (Deutsches Strafgesetzb. §§. 186-188);
2) Körperverletzung (s. d.), vorsätzliche und fahrläßige, gefährliche und schwere, als Folge von Vergiftung, als Folge der beim Zweikampf vorsätzlich übertretenen, vereinbarten oder hergebrachten Regeln, endlich auch Körperverletzung, begangen in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung des Amtes (§§. 231, 223-225, 229, 230, 207, 340 a. a. O.). Höchstbetrag: 6000 M.; 3) Nachdruck: Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken u. s. w., vom Gesetz, betreffend Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, vom und an Mustern und Modellen vom Gesetz, betreffend den Schutz der Photographien, vom Höchstmaß: 6000 M.; 4) Markenschutzgesetz vom §. 15. Höchstmaß: 5000 M.; 5) Patentgesetz vom §. 36. Höchstmaß: 10000 M.
Die Formen, in welchen der Anspruch auf Buße geltend zu machen ist, sind in der Strafprozeßordnung gegeben. Nach deren Vorschrift kann der Anspruch nur erhoben werden mittels der Privatklage (s. d.) oder in einem auf erhobene öffentliche Klage anhängigen Verfahren durch Anschluß der Nebenklage (s. d.). Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße kann bis zur Verkündung des Urteils erster Instanz gestellt, bis zu demselben Zeitpunkt auch zurückgenommen, aber - wenn zurückgenommen - nicht erneuert werden.
Der Betrag, welcher als Buße verlangt wird, ist anzugeben; auf einen höhern Betrag, als den verlangten, darf nicht erkannt werden. Die Erben des Verletzten können den Anspruch auf Buße nicht erheben und auch nicht fortsetzen. Zur Erhebung des Anspruches ist auch der gesetzliche Vertreter des Verletzten befugt; sind mehrere durch Eine Handlung verletzt, so hat jeder den Bußanspruch. Mehrere zur Zahlung einer Buße verurteilte Personen haften als Gesamtschuldner (Deutsche [* 5] Strafprozeßordn. §§. 443-446, 4133).
Dem Österr. Strafgesetz von 1852 ist die Buße fremd; der Entwurf von 1889 hat wesentlich gleiche Bestimmungen wie das Deutsche Strafgesetzbuch.
Vgl. Wächter, Die Buße bei Beleidigungen und Körperverletzungen (Lpz. 1874);
Dochow, Die Buße im Strafrecht (Jena [* 6] 1875);
von Weinrich, Die Haftpflicht wegen Körperverletzung und Tötung eines Menschen (Straßb. 1883);
Merklinghaus, Die Buße im Deutschen Reichs-Strafrecht (Köln [* 7] 1891).