Burschentag
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s. Burschenschaft (S. 778 a).
Burschentag
6 Wörter, 43 Zeichen
Burschentag,
s. Burschenschaft (S. 778 a).
Unter dem erhebenden Eindruck des Befreiungskriegs gründeten Jenenser Studenten, deren viele Mitkämpfer dieses Kriegs gewesen waren, gegenüber den in überlebten Formen, kleinlichen Streithändeln und vielfach in Roheit und Unsittlichkeit befangenen Landsmannschaften am eine allgemeine Burschenschaft von christlich-deutschem Charakter. Dieselbe nahm rasch an Zahl der Mitglieder so zu, daß sie die Herrschaft in der Studentenschaft gewann.
Durch ihren guten Einfluß auf das sittliche Verhalten der Studenten erwarb sie die Gunst der meisten Professoren und der Regierung. Andre Universitäten folgten mit ähnlichen Gründungen. Namentlich waren es die von Jahn angeregten Turnerkreise, welche sich überall der Burschenschaft anschlossen, aber auch einen gewissen übermütig bramarbasierenden Ton in dieselbe brachten. Mit der wachsenden Verstimmung zwischen den für Einheit und Freiheit Deutschlands [* 3] schwärmenden Patrioten und den von Metternich beherrschten deutschen Regierungen trat auch in einem Teil der Burschenschaft die deutsche Begeisterung in scharfen Gegensatz gegen die Polizeimaßregeln der Regierungen.
Dieser Gegensatz trat am Schluß des übrigens in durchaus gesetzmäßige Weise zum Andenken der Reformation und der Leipziger Schlacht fromm und fröhlich gefeierten Wartburgfestes deutscher Burschen hervor, indem eine Anzahl unpopulärer Schriften, darunter auch v. Kamptz' »Kodex der Gendarmerie«, feierlich auf Anlaß einiger Hitzköpfe ohne Wissen des leitenden Ausschusses verbrannt wurde. Die Anzeige des Geheimrats v. Kamptz hierüber veranlaßte eingehende Untersuchungen, von denen trotz des im allgemeinen günstigen Ausganges starkes Mißtrauen bei den Regierungen der Großmächte zurückblieb.
Die Spannung wurde verschärft durch die am auf der Wartburg erfolgende Gründung der Allgemeinen deutschen Burschenschaft, die Katastrophe herbeigeführt durch die Ermordung des russischen Staatsrats v. Kotzebue durch G. ^[richtig: C.] L. Sand Sand hatte zwar für sich allein gehandelt, aber unleugbar die Anregung zu seiner That aus einem unter Karl Follenius' Leitung stehenden Kreis [* 4] der »Schwarzen« oder »Unbedingten« empfangen, der, dem größten Teil der Burschenschaft völlig unbekannt, doch auf dem Boden derselben erwachsen war. Es folgten die bekannten Beschlüsse der geheimen Ministerkonferenz der größern deutschen Staaten in Karlsbad (6.-31. Aug. 1819), welche der Bundestag 20. Sept. d. J. sich aneignete, und demgemäß tief ergreifende Maßregeln zur Beschränkung der Preßfreiheit, Aufhebung der Studentenverbindungen und namentlich der allgemeinen Burschenschaft, Überwachung der Universitäten, endlich Einsetzung der Bundeskommission zur Überwachung und Untersuchung demagogischer Umtriebe in Mainz. [* 5] Während die zahlreichen Untersuchungen nur wenig Bedeutendes ergaben, griffen sie und die überstrengen Urteile, mit denen sie zu enden pflegten, tief in das Geschick vieler tüchtiger und patriotisch gesinnter junger Männer ein. Die Erbitterung wuchs, und alle Maßregeln hinderten nicht, daß bald unter anderm Namen (»Jugendbund« oder »Jünglingsbund« seit 1821), bald geradezu als Burschenschaft der aufgelöste Verein ¶
im stillen wieder zusammentrat. Selbst allgemeine Burschentage
wurden öfters gehalten. Neuen Anstoß gab der Sache der Burschenschaft das
erregte Jahr 1830; zugleich schieden sich aber in jener Zeit nach längern, namentlich in Jena
[* 7] ausgetragenen Streitigkeiten
die Richtungen der Arminia und der Germania
[* 8] deren erstere nur im allgemeinen die Begeisterung
ihrer Mitglieder für Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes pflegen wollte, während diese die Burschen zur thätigen
Teilnahme an allen auf dieses Ziel gerichteten Bestrebungen verpflichtete und demgemäß wiederholt politische Verbindungen
bedenklicher Art (selbst nach Polen und Frankreich hin) anknüpfte.
Das Überwiegen dieser politisierenden Richtung veranlaßte in den 30er Jahren eine neue Folge der Untersuchungen und Bestrafungen (vgl. Reuter, Ut mine Festungstid); indessen bestanden an mehreren Universitäten, namentlich in Jena, die Burschenschaften, bald vereint, bald in verschiedene Richtungen gespalten, fort und haben sich bis heute erhalten. Seit 1848, wo die gegen die Burschenschaften verhängten Maßregeln überall aufgehoben wurden, ist nirgends mehr politisch Bedenkliches in ihnen hervorgetreten; anderseits haben sie aber auch von dem alten Nimbus verloren, da die Pflege patriotischer Begeisterung an den Universitäten namentlich seit 1866 und 1870 ganz allgemein in Deutschland [* 9] als Aufgabe des akademischen Lebens anerkannt wird.
Eine engere Verbindung der Burschenschaften untereinander besteht seit längerer Zeit in dem sogen. Allgemeinen deutschen Kartell, welchem nach Aschersons »Deutschem Universitätskalender 1882/83« an deutschen Universitäten 40 Burschenschaften angehören, während außer denselben noch 6 einzelne derartige Verbindungen sich finden. Die mit einer großartigen Jubelfeier verbundene Weihe des Denkmals für die alte in Jena zog 1882 noch einmal die allgemeine Aufmerksamkeit auf deren Geschichte.
Seit etwa 1840 bildeten sich neben den Burschenschaften die verwandten Progreßverbindungen, welche sich ebenfalls die Aufgabe stellten, die studentischen Sitten von dem Ballast überlebter Gebräuche und Gesetze zu reinigen und namentlich das Duell entweder ganz abzuschaffen, oder doch auf wirkliche Ehrenhändel zu beschränken. Doch fehlte diesen Vereinen meist die ausgesprochen vaterländische Richtung, was wohl hauptsächlich ihr allmähliches Verschwinden seit 1848 veranlaßte.
Ähnliche Einflüsse, wie der Stiftung der Burschenschaft seiner Zeit zu Grunde lagen, riefen unter dem Eindruck des Kriegs von 1870/71 die Vereinigung deutscher Studenten ins Leben, welche jedoch bei der antiliberalen Grundrichtung und der antisemitischen Tendenz ihrer Führer übrigens wenig Analogie mit der Burschenschaft aufweist. Neuerdings hat sich eine Deutsche [* 10] Reformburschenschaft mit acht Verbindungen an deutschen Universitäten gebildet, die aber mit der alten deutschen Burschenschaft nur wenig Berührung zu haben scheint.
Vgl. Oken, Studentenfrieden auf der Wartburg (»Ilis« 1817);
Kieser, Das Wartburgfest am in seiner Entstehung, Ausführung und Folgen (Jena 1818);
Haupt, Landsmannschaft und Burschenschaft (Leipz. 1820);
Wesselhöft, Deutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden (Magdeb. 1828);
L. Bechstein, Wollen und Werden, Deutschlands und Burschenleben (Halle [* 11] 1850);
Rich. u. Rob. Keil, Die Gründung der deutschen Burschenschaft (Leipz. 1865);
Dieselben, Geschichte des jenaischen Studentenlebens 1548-1858 (das. 1858);
Schmid, Das Wesen der Burschenschaft (2. Ausg., Münch. 1880), Bayer, Die Entstehung der deutschen Burschenschaft (Berl. 1883);
Raumer, Geschichte der Pädagogik, Bd. 4. Lebendige Anschauungen aus den ersten Zeiten der Burschenschaft gewähren zahlreiche autobiographische Aufzeichnungen, wie z. B. außer den angeführten von Raumer, Reuter etc. die von K. A. Hase [* 12] (»Ideale und Irrtümer«),
H. Leo u. a.