Unter dem erhebenden Eindruck des Befreiungskriegs gründeten Jenenser Studenten, deren viele Mitkämpfer
dieses Kriegs gewesen waren, gegenüber den in überlebten Formen, kleinlichen Streithändeln und vielfach in Roheit und Unsittlichkeit
befangenen Landsmannschaften am 12. Juni 1815 eine allgemeine Burschenschaft von christlich-deutschem Charakter. Dieselbe
nahm rasch an Zahl der Mitglieder so zu, daß sie die Herrschaft in der Studentenschaft gewann.
Durch ihren guten Einfluß auf das sittliche Verhalten der Studenten erwarb sie die Gunst der meisten Professoren und der Regierung.
Andre Universitäten folgten mit ähnlichen Gründungen. Namentlich waren es die von Jahn angeregten Turnerkreise,
welche sich überall der Burschenschaft anschlossen, aber auch einen gewissen übermütig bramarbasierenden Ton in dieselbe brachten.
Mit der wachsenden Verstimmung zwischen den für Einheit und Freiheit Deutschlands schwärmenden Patrioten und den von Metternich
beherrschten deutschen Regierungen trat auch in einem Teil der Burschenschaft die deutsche Begeisterung in scharfen
Gegensatz gegen die Polizeimaßregeln der Regierungen.
Dieser Gegensatz trat am Schluß des übrigens in durchaus gesetzmäßige Weise zum Andenken der Reformation und der Leipziger
Schlacht fromm und fröhlich gefeierten Wartburgfestes deutscher Burschen 18. Okt. 1817 hervor, indem eine Anzahl unpopulärer
Schriften, darunter auch v. Kamptz' »Kodex der Gendarmerie«, feierlich auf Anlaß einiger Hitzköpfe ohne
Wissen des leitenden Ausschusses verbrannt wurde. Die Anzeige des Geheimrats v. Kamptz hierüber veranlaßte eingehende Untersuchungen,
von denen trotz des im allgemeinen günstigen Ausganges starkes Mißtrauen bei den Regierungen der Großmächte zurückblieb.
Die Spannung wurde verschärft durch die am 18. Okt. 1818 auf der Wartburg erfolgende Gründung der Allgemeinen
deutschen Burschenschaft, die Katastrophe herbeigeführt durch die Ermordung des russischen Staatsrats v. Kotzebue durch G. ^[richtig: C.]
L. Sand 23. März 1819. Sand hatte zwar für sich allein gehandelt, aber unleugbar die Anregung zu seiner That aus einem unter
Karl Follenius' Leitung stehenden Kreis der »Schwarzen« oder »Unbedingten« empfangen, der, dem größten
Teil der Burschenschaft völlig unbekannt, doch auf dem Boden derselben erwachsen war. Es folgten die bekannten Beschlüsse der geheimen
Ministerkonferenz der größern deutschen Staaten in Karlsbad (6.-31. Aug. 1819), welche der Bundestag 20. Sept. d. J. sich aneignete,
und demgemäß tief ergreifende Maßregeln zur Beschränkung der Preßfreiheit, Aufhebung der Studentenverbindungen
und namentlich der allgemeinen Burschenschaft, Überwachung der Universitäten, endlich Einsetzung der Bundeskommission zur Überwachung
und Untersuchung demagogischer Umtriebe in Mainz. Während die zahlreichen Untersuchungen nur wenig Bedeutendes ergaben, griffen
sie und die überstrengen Urteile, mit denen sie zu enden pflegten, tief in das Geschick vieler tüchtiger
und patriotisch gesinnter junger Männer ein. Die Erbitterung wuchs, und alle Maßregeln hinderten nicht, daß bald unter
anderm Namen (»Jugendbund« oder »Jünglingsbund«
seit 1821), bald geradezu als Burschenschaft der aufgelöste Verein
mehr
im stillen wieder zusammentrat. Selbst allgemeine Burschentage wurden öfters gehalten. Neuen Anstoß gab der Sache der Burschenschaft das
erregte Jahr 1830; zugleich schieden sich aber in jener Zeit nach längern, namentlich in Jena ausgetragenen Streitigkeiten
die Richtungen der Arminia und der Germania (28. Jan. 1840), deren erstere nur im allgemeinen die Begeisterung
ihrer Mitglieder für Einheit und Freiheit des deutschen Vaterlandes pflegen wollte, während diese die Burschen zur thätigen
Teilnahme an allen auf dieses Ziel gerichteten Bestrebungen verpflichtete und demgemäß wiederholt politische Verbindungen
bedenklicher Art (selbst nach Polen und Frankreich hin) anknüpfte.
Das Überwiegen dieser politisierenden Richtung veranlaßte in den 30er Jahren eine neue Folge der Untersuchungen
und Bestrafungen (vgl. Reuter, Ut mine Festungstid); indessen bestanden an mehreren Universitäten, namentlich in Jena, die Burschenschaften,
bald vereint, bald in verschiedene Richtungen gespalten, fort und haben sich bis heute erhalten. Seit 1848, wo die gegen die
Burschenschaften verhängten Maßregeln überall aufgehoben wurden, ist nirgends mehr politisch Bedenkliches
in ihnen hervorgetreten; anderseits haben sie aber auch von dem alten Nimbus verloren, da die Pflege patriotischer Begeisterung
an den Universitäten namentlich seit 1866 und 1870 ganz allgemein in Deutschland als Aufgabe des akademischen Lebens anerkannt
wird.
Eine engere Verbindung der Burschenschaften untereinander besteht seit längerer Zeit in dem sogen.
Allgemeinen deutschen Kartell, welchem nach Aschersons »Deutschem Universitätskalender 1882/83« an deutschen Universitäten 40 Burschenschaften
angehören, während außer denselben noch 6 einzelne derartige Verbindungen sich finden. Die mit einer großartigen Jubelfeier
verbundene Weihe des Denkmals für die alte in Jena zog 1882 noch einmal die allgemeine Aufmerksamkeit auf
deren Geschichte.
Seit etwa 1840 bildeten sich neben den Burschenschaften die verwandten Progreßverbindungen, welche sich ebenfalls die Aufgabe
stellten, die studentischen Sitten von dem Ballast überlebter Gebräuche und Gesetze zu reinigen und namentlich das Duell entweder
ganz abzuschaffen, oder doch auf wirkliche Ehrenhändel zu beschränken. Doch fehlte diesen Vereinen meist
die ausgesprochen vaterländische Richtung, was wohl hauptsächlich ihr allmähliches Verschwinden seit 1848 veranlaßte.
Ähnliche Einflüsse, wie der Stiftung der Burschenschaft seiner Zeit zu Grunde lagen, riefen unter dem Eindruck des Kriegs von 1870/71 die
Vereinigung deutscher Studenten ins Leben, welche jedoch bei der antiliberalen Grundrichtung und der antisemitischen
Tendenz ihrer Führer übrigens wenig Analogie mit der Burschenschaft aufweist. Neuerdings hat sich eine Deutsche Reformburschenschaft mit
acht Verbindungen an deutschen Universitäten gebildet, die aber mit der alten deutschen Burschenschaft nur wenig Berührung zu haben scheint.
Vgl. Oken, Studentenfrieden auf der Wartburg (»Ilis« 1817);
Kieser, Das Wartburgfest am 18. Okt. 1817 in seiner
Entstehung, Ausführung und Folgen (Jena 1818);
Haupt, Landsmannschaft und Burschenschaft (Leipz. 1820);
Wesselhöft, Deutsche Jugend in weiland
Burschenschaften und Turngemeinden (Magdeb. 1828);L. Bechstein, Wollen und Werden, Deutschlands und Burschenleben (Halle 1850);
Rich. u. Rob. Keil, Die Gründung der deutschen Burschenschaft (Leipz. 1865);
Dieselben, Geschichte des jenaischen Studentenlebens
1548-1858 (das. 1858);
Schmid, Das Wesen der Burschenschaft (2. Ausg., Münch. 1880), Bayer, Die Entstehung der deutschen Burschenschaft
(Berl. 1883);
Raumer, Geschichte der Pädagogik, Bd. 4. Lebendige Anschauungen aus den ersten Zeiten der Burschenschaft gewähren zahlreiche autobiographische
Aufzeichnungen, wie z. B. außer den angeführten von Raumer, Reuter etc. die von K. A. Hase (»Ideale und
Irrtümer«),
H. Leo u. a.
früher gleichbedeutend mit Studentenschaft gebraucht, seit 1815 Name einer bestimmten Richtung studentischer
Korporationen. Der erste burschenschaftliche Verein wurde zum Teil von solchen Studierenden, die in den
deutschen Befreiungskriegen mitgefochten hatten, 1815 zu Jena geschaffen. Auf Veranlassung von Fichte, Jahn und den Studenten
K. H. Scheidler aus Gotha, H. A. Riemann aus Ratzeburg und Karl Horn aus Neustrelitz und unter Förderung der Jenaer Landsmannschaften,
insbesondere der Vandalia, wurde von 113 Studierenden am 12. Juni im Gasthaus zur Tanne in Camsdorf bei Jena
die Burschenschaft als vaterländischer Burschenbund gegründet zu dem Zwecke, die landsmannschaftliche Zersplitterung
und Rivalität der Studierenden zu beseitigen und das ziemlich rohe Studentenleben zu bessern sowie die Liebe zum allgemeinen
deutschen Vaterlande zu heben.
Karl Horn war ihr erster Sprecher. Zum Wahlspruch wählte sie «Ehre, Freiheit, Vaterland», zum Symbol die Farben
der in der Burschenschaft aufgegangenen Vandalia Schwarz-Rot-Gold, die laut der Burschenschaftskonstitution die Mitglieder mahnen sollten,
daß bei den jugendlichen Freuden auch stets der Ernst des Lebens, die Bedeutung des gemeinsamen Strebens zu bedenken seien.
Andere haben die Farben der Burschenschaft mit der Uniform der Lützower in Verbindung gebracht. Diese Farben trug auch die erste jetzt noch
vorhandene Fahne, die 31. März 1816, dem zweiten Jahrestage der Einnahme von Paris, von Frauen und Jungfrauen Jenas der dortigen
Burschenschaft überreicht wurde.
Ähnliche Verbindungen entstanden bald darauf in Berlin, Halle, Heidelberg, Kiel u. s. w. Als sich immer
deutlicher herausstellte, daß die in den Befreiungskriegen gehegten Erwartungen der deutschen Nation unerfüllt bleiben sollten,
kam die Mißstimmung besonders auch bei der akademischen Jugend zum Vorschein. Dies zeigte sich schon bei dem von der Burschenschaft zu
Jena ausgeschriebenen Wartburgfeste (s. d.) 18. Okt. 1817. Aus
der «freien Burschengemeinde», mit der 19. Okt. das Fest schloß, ging die
Idee einer Allgemeinen
mehr
deutschen Burschenschaft hervor, die sich über alle Hochschulen Deutschlands verbreiten sollte. Über deren Grundlagen einigte man sich
schon Ende März 1818 auf einem zu Jena gehaltenen «Burschentage», an dem die Abgeordneten von neun Universitäten teilnahmen,
indem Liebe zu Volk und Vaterland und Weckung und Erhaltung volkstümlicher Sitte als Grundgedanke dieser
allgemeinen Vereinigung ausgesprochen wurde. Auf einem weitern Burschentage in Jena berieten und beschlossen Abgeordnete der
Burschenschaft von 14 Universitäten 18. Okt. 1818 die Konstitution der Allgemeinen deutschen Burschenschaft als «der freien Vereinigung der gesamten wissenschaftlich
auf der Hochschule sich bildenden deutschen Jugend zu einem Ganzen, gegründet auf das Verhältnis der
deutschen Jugend zur werdenden Einheit des deutschen Volks», indem sie «Einheit, Freiheit und Gleichheit aller Bursche untereinander,
Gleichheit aller Rechte und Pflichten, und christlich-deutsche Ausbildung einer jeden geistigen und leiblichen Kraft zum Dienste
des Vaterlandes» als ihre Ziele und Grundsätze aufstellten.
Die Leitung der Geschäfte wurde in die Hände einer einzelnen jährlich neu zu erwählenden Burschenschaft, für 1818 in
die Hände der Jenaer, für 1819 in die der Berliner gelegt. Bis zum Frühjahr 1819 bestanden bereits Burschenschaft auf fast allen deutschen
Hochschulen. In mehrern Burschenschaft bildeten sich engere Vereinigungen, und in diesen kleinern und abgeschlossenen Kreisen war es um
so leichter möglich, daß sich bei einzelnen die polit. Aufregung bis zu einem gewissen Fanatismus steigerte.
Nach der Ermordung Kotzebues durch Sand 23. März 1819 wurde, obgleich die an der Mordthat ihres ehemaligen Mitgliedes in keiner
Weise beteiligt war, infolge der Karlsbader Beschlüsse vom Bundestage 20. Sept. 1819 die Burschenschaft verboten und unterdrückt.
Überall wurde sie aufgelöst; in Jena 26. Nov. 1819, wobei von der an ihren bisherigen Gönner und Schützer Großherzog Karl August
als Ausdruck der Dankesgefühle und als Rechtfertigung vor der deutschen Geschichte eine Adresse beschlossen wurde und Binzers
Lied «Wir hatten gebauet u. s. w.» entstand.
Auf fast allen deutschen Universitäten wurden weitläufige Untersuchungen wegen sog. demagogischer Umtriebe
geführt. Aber schon ein Jahr nach Vollziehung der auf die Karlsbader Beschlüsse gegründeten Bundesbeschlüsse bildeten
sich im stillen die frühern Verbindungen an vielen Orten wieder und nahmen nun erst, da sie nicht mehr öffentlich hervortreten
durften, auf mehrern Hochschulen den Charakter geheimer und eigentlich polit. Verbindungen an. So entstand
z. B. der Jünglingsbund (s. d.). Wiederholte Verbote und geschärfte Strafandrohungen
hatten auch diesmal keinen Erfolg.
Schon 1827 wurde ein neuer Verband der Allgemeinen deutschen Burschenschaft, mit dem Endziel der zu erstrebenden Einheit Deutschlands, ins
Leben gerufen. Derselbe Gegensatz, der sich schon in der Entstehung der engern Vereine innerhalb der größern
Verbindungen offenbart hatte, trat jetzt schärfer hervor. Während es der Partei der Arminen, mit ihren christlich-german.
Ideen, zunächst nur um ideale Einheit des Vaterlandes und, als Mittel zum Zweck, um ihre eigene wissenschaftliche, sittliche
und körperliche Ausbildung für den Dienst des Vaterlandes zu thun war, verfolgte die Partei der Germanen
eine mehr praktisch-polit.
Richtung im Sinne einer polit. Einigung Deutschlands. Der Streit zwischen beiden Parteien kam im Sept. 1827 auf dem Burschentage
in
Bamberg zur Sprache und bildete bis zu dem in Frankfurt im Sept. 1831 den Hauptgegenstand der Verhandlungen. Hier blieben
wie auf spätern Burschentagen die Arminen in der Minderheit, wurden sogar zeitweilig mit Verruf belegt. Das Princip der Burschenschaft war
damit aufgegeben. In den unruhigen Jahren von 1830 ab nahmen an den Volksversammlungen, patriotischen Vereinen u. dgl. zahlreich
teil, beteiligten sich am Hambacher Feste und endlich auch 1833 an dem Frankfurter Attentat (s. d.). Es
wurde infolgedessen vom Bundestage durch Beschluß vom 20. Juni 1833 die sog. Centraluntersuchungsbehörde eingesetzt,
auf allen deutschen Universitäten eine allgemeine strenge Untersuchung eingeleitet und viele Mitglieder der in den großen
Kriminalprozeß mit hineingezogen. Im Laufe der nächsten Jahre ergingen in den einzelnen deutschen Staaten
gegen Hunderte von Studenten Strafurteile, die vieljährige Zuchthaus- und Festungsstrafen, Verlust der Anstellungsfähigkeit
u. s. w., ja sogar in einigen Fällen die Todesstrafe verhängten.
Diese wurde allerdings nicht vollzogen, sondern in Freiheitsstrafen verwandelt; aber erst die in Preußen 1840 erteilte vollständige
Amnestie gab endlich auch den dort am härtesten Betroffenen die Freiheit zurück. Trotz aller Unterdrückungsmaßregeln
der Regierungen und des Bundestags bestand aber die Burschenschaft im geheimen fort. In der Bewegung von 1848 trat die und überhaupt die
Studentenschaft wenig hervor; eine Versammlung von etwa 1500 Studierenden von 16 Hochschulen faßte im Juni 1848 zu Eisenach
Resolutionen über Umgestaltung der Universitäten und ließ sie der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt
durch eine Deputation überreichen. Nur die Universität zu Wien hat an den Ereignissen von 1848 in größerm Umfange teilgenommen
(s. Akademische Legion). Seit dem Sturze des Metternichschen Systems dürfen auf allen deutschen Hochschulen, wie die studentischen
Verbindungen überhaupt, so auch die burschenschaftlichen offen und frei sich regen und entfalten.
Für die polit. Ziele der heutigen Burschenschaft sind die Jahre 1866 und 1870 nicht ohne Einwirkung geblieben. In der
durch Herstellung des Deutschen Reichs erlangten polit. Einheit ist die eine Seite der alten burschenschaftlichen Bestrebungen
erfüllt. Es scheint aber auch der alte burschenschaftliche Geist verschwunden zu sein, was vielleicht
eine Folge des Umstandes ist, daß die einzelnen Burschenschaft nicht wie die Korps einen ununterbrochenen Bestand hatten; denn von den 50 jetzt
bestehenden Burschenschaft datiert nur eine auf 1817 zurück, 2 auf das Jahrzehnt 1830-40, 12 auf das 1840-50, 11 auf
das 1850-60 und 9 auf das 1860-70. Mit der Zeit entwickelte sich neben der germanistischen und arministischen
Richtung noch eine dritte, die teutonistische, die zum landsmannschaftlichen Wesen neigte, ohne die burschenschaftlichen
Principien mehr aufzugeben als die andern Richtungen.
Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, die deutschen Burschenschaft zu vereinigen, gelang es 20. Jan. 1870, die
sog. Eisenacher Konvention zu gründen, nach deren Auflösung (1872) 10. Nov. 1874 in Eisenach der noch jetzt bestehende A. D. C.,
d. h. der Allgemeine Deputierten-Konvent, gegründet wurde, der allerdings erst 20. Juli 1881 von allen Burschenschaft anerkannt
ward. Eine innerhalb des A. D. C.-Verbandes bestehende enge Vereinigung, das sog. Süddeutsche Kartell, bilden
die Burschenschaft Alemannia in Heidelberg, Germania
mehr
in Tübingen, Teutonia in Jena und Teutonia in Kiel. Da indes das Princip der unbedingten Satisfaktion (s. d.)
angenommen, das Turnen nicht mehr Zwang ist und die wissenschaftlichen Abende durch Kneipabende verdrängt sind, da Bestimmungsmensuren
sogar unter den Mitgliedern der Burschenschaft eingeführt sind, so haben die meisten jetzigen Burschenschaft mit
der alten allgemeinen Burschenschaft nichts weiter als den Namen gemein.
Im Wintersemester 1892-93 bestanden A. D. C.-Burschenschaften mit 651 Aktiven, 232 Inaktiven am Ort und 378 auswärtigen Inaktiven;
dazu kamen 40 Konkneipanten und 6 Mitglieder suspendierter Burschenschaft. - Gesamtstärke des A. D. C., nach Abrechnung der doppelt gezählten
Angehörigen mehrerer Burschenschaft: 1250 Burschenschafter. - Die an derselben Universität existierenden Burschenschaft ordnen
die gemeinschaftlichen Verhältnisse durch einen D. C., d. i. Deputierten-Konvent. Das Organ sind die «Burschenschaftlichen Blätter»,
hg. von G. H. Schneider (1.-8. Jahrg., Berl. 1886-93),
die auch ein «Handbuch für den deutschen Burschenschafter» (Berl.
1890) zusammenstellten und die Verzeichnisse alter Burschenschafter besorgen.
Am 23. Aug. 1883 wurde in Jena das Burschenschaftsdenkmal enthüllt. Seit demselben Jahre hat, von ehemaligen
Mitgliedern der Burschenschaft, besonders Dr. Konrad Küster zu Berlin, angeregt, auf dem Boden der Burschenschaft sich eine neue Bewegung gebildet,
die als Reform-Burschenschaft oder Allgemeiner Deutscher Burschenbund (A. D. B.)
das Duellwesen und den Luxus bekämpft. Doch hat diese Richtung wenig Bedeutung erlangt, weil die A. D.
C.-Burschenschaften sie nicht anerkennen, weil ihnen die alten Herren und somit auch deren pekuniäre Unterstützung fehlen,
und weil nach statutarischen Bestimmungen an keiner Universität mehr als eine solche Burschenschaft sein soll.
Auch bei ihnen hatten sich die Bestimmungsmensuren eingestellt; nicht wenige verschmolzen mit A. D. C.-Burschenschaften.
Gegenwärtig bestehen auf den deutschen Universitäten 13 Reformburschenschaften, von denen sich zur Zeit acht zum A. D. B.,
zum Allgemeinen Deutschen Burschenbunde, vereinigt haben, dessen Vertreter sich alljährlich nach Pfingsten in Berlin versammeln.
Ihr Organ ist die «Allgemeine Deutsche Universitäts-Zeitung», hg. von Dr. Konrad
Küster (1.-7. Jahrg., Berl. 1887-93),
vorher u. d. T. «Deutsche Studenten-Zeitung»
(1.-4. Jahrg., ebd. 1884-87).
Vgl. die zahlreichen Literaturnachweise über die in Pernwerth von Bärnstein, Beiträge zur Geschichte und Litteratur des
deutschen Studententums (Würzb. 1882), S. 127-136; ferner R. Hessen, Korps und Burschenschaft, fort mit dem Verruf!
(Lpz. 1886);
ders., Der 70jährige Verruf zwischen Korps und Burschenschaft (Berl.
1887);
Statuten des A. D. C. (2. Ausg. 1886);
Kalb, Die alte Burschenschaft und ihre Entwickelung in Erlangen (Erlangen 1892);
zahlreiche histor. Aufsätze in den «Burschenschaftlichen Blättern»; E. Wolff, Die neue Burschenschaft (2. Aufl., Berl.
1883);
Fahrenbruch, Die am Scheidewege (Straßb. 1884);
David, Zweck und Mittel einer einheitlichen Organisation
der deutschen Studentenschaft (Lpz. 1888).