Bundesamt
für das Heimatswesen, eine für die Entscheidung von Heimatsachen in höchster und letzter Instanz bestimmte Verwaltungsgerichtsbehörde, welche durch das (auf Baden, Südhessen und Württemberg, nicht aber auch auf Bayern und Elsaß-Lothringen ausgedehnte) norddeutsche Bundesgesetz vom 6. Juni 1870 ins Leben gerufen worden ist. Während nämlich die Ordnung des Instanzenzugs in Ansehung der untern Verwaltungsstellen, welche in Heimatsachen und namentlich bei Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenverbänden über die Unterstützung Hilfsbedürftiger zu entscheiden haben, der Landesgesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten überlassen blieb, ist für die Entscheidung in letzter Instanz in dem Bundesamt, welches in Berlin seinen Sitz hat, eine gemeinsame Behörde gegeben, die in denjenigen Fällen zu entscheiden hat, in welchen die streitenden Armenverbände verschiedenen Bundesstaaten angehören, und in denen nicht die Organisation oder die örtliche Abgrenzung der Armenverbände Gegenstand des Streites ist. Die Landesgesetzgebung der einzelnen Staaten kann jedoch die Kompetenz des Bundesamts für das Heimatswesen auch auf Streitigkeiten zwischen Armenverbänden desselben Staats übertragen, wie dies in Preußen, Hessen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß jüngere Linie, Lippe, Lübeck und Bremen geschehen ist. Die Einrichtung dieses Amtes erfolgte namentlich mit Rücksicht darauf, daß die Gesetzgebung in Heimatsachen für das ganze Reich eine gemeinsame ist, freilich nach Art. 4 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 mit Ausnahme Bayerns, und daß es hiernach zweckmäßig erscheint, für die Entscheidung dieser Heimatsachen in letzter Instanz eine gemeinsame Stelle zu schaffen, um so auch eine einheitliche Spruchpraxis zu sichern. Das Bundesamt ist eine ständige und kollegiale Reichsbehörde, bestehend aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern. Der Vorsitzende sowohl als die Mitglieder werden auf Vorschlag des Bundesrats von dem Bundespräsidium aus Lebenszeit ernannt. Was das Verfahren vor dem Bundesamt anlangt, so muß die Berufung an dasselbe binnen einer ausschließlichen Frist von 14 Tagen, von Behändigung der angefochtenen Entscheidung an gerechnet, bei derjenigen Behörde, gegen deren Entscheidung sie gerichtet ist, schriftlich angemeldet werden. Zur Anführung und Ausführung der Beschwerden ist eine weitere Frist von vier Wochen verstattet, und eine gleiche Frist ist der Gegenpartei zur Gegenausführung, von Behändigung der Beschwerdeausführung an gerechnet, offen gelassen. Alsdann legt die betreffende Behörde die Akten dem Bundesamt vor, welches (nach Befinden nach vorgängigen Recherchen durch die Unterbehörde) in öffentlicher Sitzung und kostenfrei seine Entscheidung erteilt. Zu dieser Entscheidung ist die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern erforderlich, von denen wenigstens ein Mitglied die Qualifikation zum höhern Richteramt in dem Staate, dem es angehört, haben muß. Das Erkenntnis wird schließlich, mit Gründen versehen, durch Vermittelung der Behörde, gegen deren Beschluß es ergangen ist, den Parteien schriftlich zugefertigt. Die Entscheidungen des Bundesamts werden gesammelt und herausgegeben von Wohlers (Berl. 1873 ff.). Vgl. Wohlers, Das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz (3. Aufl., Berl. 1884).