Bulle
,
Goldene,
Urkunde mit angehängtem goldenen
Majestätssiegel, insbesondere das deutsche Reichsgrundgesetz, das
vom
Kaiser
Karl IV. auf dem
Reichstag zu
Nürnberg
[* 2] vorbereitet und auf dem
Reichstag zu
Metz
[* 3] vollendet
und veröffentlicht wurde. Es umfaßt 30
Kapitel in zwei Hauptabschnitten, von denen der erste von der
Wahl des
Kaisers und den
Kurfürsten, der zweite von der Beschränkung des
Faustrechts handelt. Folgendes sind die Hauptpunkte
des ersten Teils: Die
Wahl des Reichsoberhaupts vollziehen unter Vorsitz des
Erzbischofs von
Mainz
[* 4] drei
Monate nach Erledigung
des
Throns zu
Frankfurt
[* 5] die sieben
Kurfürsten, nämlich die
Erzbischöfe von
Mainz,
Trier
[* 6] und
Köln,
[* 7] der König
von
Böhmen,
[* 8] der
Pfalzgraf am
Rhein, der
Herzog von
Sachsen-Wittenberg und
der
Markgraf von
Brandenburg.
[* 9]
Die von der Mehrheit vollzogene Wahl hat dieselbe Gültigkeit wie die durch Einstimmigkeit zu stande gebrachte. Jedem Kurfürsten ist ein besonderes Erzamt (d. h. ein Ehrendienst bei feierlichen kaiserlichen Hoflagern) zuerkannt. Die drei geistlichen Kurfürsten sollen das Gebet bei der kaiserlichen Tafel verrichten und als Erzkanzler die Siegel führen, der König von Böhmen soll als Erzschenk, der Kurfürst von der Pfalz als Erztruchseß, der Kurfürst von Sachsen [* 10] als Erzmarschall, der Kurfürst von Brandenburg als Erzkämmerer fungieren.
Die Kurfürsten sollen den Vorrang vor allen Reichsfürsten haben und ihre Personen ebenso unverletzlich sein wie die des Kaisers; ihnen soll das Jus de non evocando zustehen (d. h. die ihren Gerichten unterworfenen Stände sollen nicht, außer im Fall verweigerter Justiz, an den Kaiser appellieren dürfen); sie erhalten die vollen Hoheitsrechte und Regalien. Alle Jahre, vier Wochen nach Ostern, sollen sie mit dem Kaiser über Reichsangelegenheiten beraten.
Während der Erledigung des Throns sollen der Kurfürst von der Pfalz im südlichen Deutschland [* 11] (oder in den Landen am Rhein, in Schwaben und den Landen schwäbischen Rechts) und der Kurfürst von Sachsen im nördlichen Deutschland (oder in den Landen sächsischen Rechts) Reichsverweser (provisores imperii) sein. Die Kurwürde selbst beruht auf dem wirklichen Besitz des Kurlandes, welches unteilbar und reichslehnbar sein und (in den weltlichen Kurfürstentümern) nach dem Rechte der Erstgeburt vererbt werden soll.
Der zweite Teil der
Goldenen Bulle, der das
Faustrecht betraf, verbot nur, wie schon früher geschehen,
die Befehdungen, die nicht drei
Tage vorher angekündigt worden waren, sowie eigenmächtige, die öffentliche
Ruhe störende
Verbindungen der
Städte und einzelner
Personen. Nachdem dieses in lateinischer
Sprache
[* 12] ausgefertigte
Reichsgesetz zu
Metz unter
vielem Gepränge bekannt gemacht worden war, übergab
Kaiser
Karl IV. jedem
Kurfürsten eine
Abschrift desselben
mit angehängter goldener Bulle
, welche auf der einen Seite
Karl IV. mit den
Reichsinsignien auf dem
Thron
[* 13] sitzend, unter Beifügung
seiner
Wappen
[* 14] und
Titel, auf der andern Seite das
Bild der Stadt
Rom
[* 15] mit den
Worten: Aurea
Roma
[* 16] und der Umschrift:
Roma caput
mundi regit orbis fraena rotundi zeigte.
Das bekannteste
Original der
Goldenen Bulle ist das zu
Frankfurt a. M. im
Römer
[* 17] aufbewahrte. Gedruckt wurde sie zuerst in
Nürnberg 1474. Sie
findet sich auch bei Olenschlager,
»Neue
Erläuterung der
Guldenen Bulle«
(Frankf. 1766). Einen
Auszug derselben geben
Pütters
»Historische
Entwickelung der heutigen
Staatsverfassung des
Deutschen
Reichs«, Teil 1
(Götting. 1786),
und
Pfisters »Geschichte der
Deutschen«, Bd. 3 (Hamb.
1831). Am vollständigsten für die Wahlfragen ist das urkundliche
Material herbeigezogen von
Phillips (»Die deutsche Königswahl
bis zur
Goldenen Bulle«
,
Wien
[* 18] 1858).