Titel
Bulgarien
,
[* 2] selbständiges, aber tributpflichtiges
Fürstentum in der europäischen Türkei
[* 3] unter der
Suzeränität des
Sultans, durch den
Vertrag von
Berlin
[* 4] vom dazu erhoben (s.
Karte
»Türkisches Reich« und
»Rumänien«).
Nach
Artikel 2 desselben verläuft die
Grenze Bulgariens
von der Mündung des
Timok längs des rechten Donauufers bis östlich
von
Silistria, von da in gerader (nach der spätern Festsetzung mehrfach sich krümmender)
Linie nach der
Küste des
Schwarzen
Meers südlich von
Mangalia, dann längs der
Küste des
Schwarzen
Meers bis südlich von Fyndykly, im
Thal
[* 5] des
Baches, an welchem die
Dörfer Hodschaköj, Selamköj, Aiwadschyk etc. liegen, aufwärts, schneidet den
Deli
Kamtschyk unweit
oberhalb seiner Mündung und folgt dann im allgemeinen in westlicher
Richtung dem
Kamm des Chodscha-Balkans bis zum Gipfel
Kozitza.
Von dort zieht sie in südwestlicher
Richtung, Ichtiman und Banja aus-, Nowichan und
Samakow einschließend,
nach dem Kopetnik-Balkan, folgt dessen
Kamm nach
SW., zieht dann östlich, schneidet den
Struma nördlich von
Dschuma, schließt
Köstendil ein und läuft endlich in vielfach aus- und eindringenden
Winkeln zwischen 22° 20' und 22° 50' östl. L. v. Gr.
nach N., bis sie bei dem Wachtturm Smiljawa Tschuka die alte serbische
Grenze erreicht. Der Hauptsache
nach liegt Bulgarien
danach zwischen
Donau und
Balkan, umfaßt aber im
SW. noch das Quellgebiet des
Isker und der
Struma und reicht dort
bis fast an den 42. Breitengrad, im W. bis 22° 13' östl. L. v. Gr.,
im N. bis 44° 12' nördl.
Br., im O. bis 28° 37' östl. L. v. Gr. Im W. grenzt
es an
Serbien, im N. an
Rumänien, im O. an das
Schwarze Meer, im
S. an
Ostrumelien und die Türkei.
Das Hauptgebirge des
Landes ist der
Balkan (s. d.), dessen Nordabhang zu Bulgarien
gehört.
Im
SW. greift es über denselben hinüber und umschließt außerdem den einzeln über
Sofia zu 2300 m ansteigenden Witosch
und weiter südlich den
Rilo (s. d.). Die
Flüsse
[* 6] des
Landes gehören mit wenigen Ausnahmen dem Donaugebiet an, so namentlich
Cibritza, Ogust, Skit,
Isker (s. d.),
Wid (s. d.),
Osma,
Jantra (s. d.) und
Lom. Zum
Schwarzen
Meer fließen
der
Prawadi
Su und der
Kamtschyk (s. d.). Außerdem umschließt Bulgarien
das Quellgebiet
der
Struma (zum Ägeischen
Meer) und des
Timok (durch
Serbien zur
Donau).
Von Seen findet sich außer einigen Sumpfseen längs der Donau nur der Dewno westlich von Warna. Das Land ist zur größern Hälfte gebirgig und hügelig. An Ebenen sind namentlich das Thalbecken von Sofia zu nennen und die Lößterrasse, welche unmittelbar südlich von der Donau 20-130 m senkrecht ansteigt und, ältere Gesteine [* 7] (Kreide, [* 8] kristallinische und eruptive Formationen) in großer Mächtigkeit überlagernd, sich weit südlich nach dem Balkan hin erstreckt. In dieselbe haben die im Sommer und Herbst wasserarmen Donauzuflüsse sich ihre Betten tief eingegraben. Über die Geologie, [* 9] welche noch sehr der nähern Erforschung bedürftig ist, und für welche wichtige Beiträge von Professor Toula zu erwarten sind, vgl. Balkan.
Das
Klima
[* 10] Bulgariens
ist, vom
Gebirge abgesehen, mild. Selbst im
August steigt das
Thermometer
[* 11] selten über
37° C., und im
Winter erreicht die
Kälte noch seltener -22° C. Die Nordseite des
Balkans und der ganze
Westen desselben haben
rauheres
Klima und frühe
Winter. Die höchsten Gipfel sind mitunter schon im
Oktober beschneit und bilden dann einen herrlichen
Kontrast zu der noch in voller
Frische prangenden
Vegetation der
Thäler und
Hochebenen. Auf den Lößplateaus
freilich erstirbt
im
Sommer das pflanzliche
Leben. Das
Klima ist im ganzen gesund, und der
Fremde akklimatisiert sich leicht;
nur die Donauniederungen bei
Widdin und
Silistria sind in der heißen
Jahreszeit berüchtigte Fieberherde.
Bulgarien
, das im ganzen dem frühern türkischen
Tuna-Wilajet entspricht, umfaßt ein
Areal von 63,972 qkm (1161,8
QM.) mit einer
Bevölkerung
[* 12] von 1,998,983 Einw. (nach der ersten Zählung vom wovon höchstens
ein Sechstel in
Städten wohnt. Die
Einteilung des
Landes hat seit der russischen
Okkupation schon drei- bis viermal gewechselt.
Zuerst zerfiel in 5
Gouvernements und 31
Kreise,
[* 13] dann wurde es Anfang 1881 in 21
Kreise (Okružie) und 59
Arrondissements
(Okolijas) geteilt, von letztern Anfang April 1881 neun eingezogen, Anfang Mai aber eins davon wieder errichtet. Am hat
der
Staatsrat die bisherigen 21
Kreise auf 14 und die
Arrondissements auf 56 reduziert; dieselben nebst
ihrer für 1882 geschätzten (?)
Bevölkerung sind:
Kreise | Bewohner | Kreise | Bewohner |
---|---|---|---|
Sofia (8 Arrond.) | 226490 | Rasgrad (3) | 121412 |
Tirnowo (5) | 216731 | Lom-Palanka (3) | 102983 |
Schumna (5) | 178725 | Silistria (3) | 101225 |
Warna (5) | 169270 | Widdin (3) | 99926 |
Wratza (4) | 160503 | Sewliewo (3) | 119254 |
Köstendil (4) | 143172 | Swischtow (2) | 76680 |
Rustschuk (4) | 132613 | Plewna (4) | 155039 |
Zusammen: | 2004023 |
Davon waren nach den vorläufigen Zählungsresultaten 51,2 Proz. männlichen
und 48,8 Proz. weiblichen
Geschlechts; auf 1 qkm kommen 36
Menschen. Die Zahl der Haushaltungen wurde zu 349,905, die der
Häuser
zu 339,870 angegeben. Die
Auswanderung ist in den letzten
Jahren besonders unter den
Bekennern des
Islam
stark gewesen; über
Warna sollen in den ersten fünf
Monaten 1883 über 100,000
Personen ausgewandert sein. Von den 1387
Gemeinden
Bulgariens
sind die volkreichsten und wichtigsten: Rustschuk mit 26,867,
Warna mit 24,649,
Schumen oder Schumla mit 22,921 und
Sofia, die Hauptstadt, mit 20,541 Einw.;
9 haben zwischen 20,000 und 10,000, 3 zwischen 10,000 und 8000, 10 zwischen 8000 und 6000, 4 zwischen 6000 und 5000 Einw. Der Nationalität nach befinden sich unter je 1000 Einw. im Durchschnitt 667 Bulgaren, 306 Türken, 13 Rumänen, 5 Griechen, 5 Juden, 3 Deutsche. [* 14]
In den Kreisen Trn und Wratza gibt es nur Bulgaren, im westlichen Balkan machen sie über 94 Proz. der Gesamtbevölkerung aus; Türken finden sich namentlich in den östlichen Kreisen Eski Dschumaja (79,4 Proz.) und Silistria (75 Proz.) und bilden mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Schumen, Prowadia, Rasgrad und Rustschuk; Rumänen finden sich namentlich im Kreis [* 15] Rahowo. Der Religion nach sind unter 1000 Einw. 688 Christen (fast durchweg griechisch-orientalische), 307 Mohammedaner und 5 Juden. Ein Teil der Bulgaren im Kreis Lowetsch, die sogen. Pomaken, bekennt sich zum Islam. Weiteres s. Bulgaren.
Bildung. Bis 1878
gab es in Bulgarien
nur
Schulen privaten
Charakters, deren erste 1835 errichtet worden war. Seit 1879 gibt
es einen eignen Unterrichtsminister. Dem
Prinzip nach ist der Schulbesuch vier Jahre lang obligatorisch; doch da es keine
bezüglichen Spezialgesetze gibt, so kommt vieles auf den guten
Willen der
Bevölkerung an. Unter dem
Minister stehen 16
Schulinspektoren
für ebenso viele Schulbezirke. Im Schuljahr 1878/79
gab es 1088 bulgarische
Volksschulen, 1880/81 schon 1365 mit 1580
¶
mehr
Lehrern und 180 Lehrerinnen. Die Bildung steht im Osten höher als im Westen; am weitesten zurück sind die Gebirgsthäler zwischen Berkowitza und Sofia, die Gebiete um Iskretz, Bresnik, Radomir, Köstendil und die Umgebung der Hauptstadt. Dem Schulbesuch der Mädchen stehen besondere Hindernisse und Vorurteile entgegen; nur 17 Proz. erhalten Unterricht. Die Unterhaltung der Schulen geschieht größtenteils durch Gemeindesteuern, dann durch einen Teil der Einkünfte der Pfarrkirchen und durch ihnen vermachte und geschenkte liegende Gründe.
Behufs Erbauung neuer Schulhäuser (1878-82 fast 400) zahlt der Staat jährlich 300,000 Frank an die Gemeinden. Die Lehrer (76
Proz. zwischen 17-24 Jahren), meist zugleich Dorfschreiber und Kirchensänger, werden größtenteils auf
ein Jahr von den Gemeinden gemietet. Außer den bulgarischen gibt es noch türkische (sehr schlecht), jüdische, armenische,
griechische, rumänische, eine amerikanische und eine französische Schule, die gleichfalls der Staatsaufsicht unterstehen.
An Mittelschulen besitzt Bulgarien
12: ein Gymnasium in Sofia, eine theologische Lehranstalt im Kloster Ljaskowatz, 4 Realschulen
in Lom-Palanka, Köstendil, Warna und Gabrowo, 2 höhere Mädchenschulen in Sofia und Tirnowo, 2 pädagogische Lehranstalten in
Wratza und Schumen und 2 Unterrealschule in Silistria und Tzaribrod. An denselben erteilen 65 Lehrer und 11 Lehrerinnen Unterricht
an 1910 Schüler (davon 267 Mädchen). 411 Schüler erhalten Staatsunterstützung.
Von Fachschulen ist nur eine Ackerbauschule in Rustschuk in Vorbereitung. Auch wird sich binnen kurzer Zeit die Eröffnung einer Hochschule, namentlich für Juristen, nötig machen, da der Mangel an solchen sehr fühlbar ist. Inzwischen studiert auf Kosten der einzelnen Ministerien eine Anzahl junger Leute an fremden Universitäten. An andern Anstalten zur Verbreitung von Bildung sind zu nennen die 1880 errichtete Staatsdruckerei und eine Nationalbibliothek (12,000 Bände) nebst Anfängen eines Museums, beides in einer Moschee zu Sofia untergebracht. An vielen Schulen finden sich schon botanische und mineralogische Sammlungen, an fünf Gymnasien meteorologische Stationen. Die Bulgarische Litterarische Gesellschaft gibt seit Mai 1882 eine Zeitschrift heraus, die zur Kenntnis des Landes viel zu bringen verheißt.
Ackerbau. Die Bulgaren sind meist Bauern, die fest an ihren althergebrachten Gebräuchen und Gesetzen und ihren demokratischen
sozialen Einrichtungen halten. Große Grundbesitzer, eine Aristokratie, hat es nie gegeben. Meist ist der Einzelne Eigentümer
des Ackers, den er bebaut, und des Gehöfts, das er bewohnt. Doch kommt auch ein Pachtsystem vor, wobei
der Eigentümer Saatkorn, mitunter auch Ochsen oder Büffel, seltener Ackergeräte stellt und dafür vom Pachter einen von 40-80
Proz. wechselnden Anteil an dem Erträgnis erhält. Im westlichen Bulgarien
besitzt wie in Serbien und Kleinrußland die Gemeinde ihren
ganzen Grund und Boden gemeinsam, und die Familienhäupter teilen ihn zu bestimmten Terminen unter sich
durch das Los.
Gebaut wird wenig mehr, als der eigne Bedarf erfordert, und der größte Teil des fruchtbaren Bodens liegt unbenutzt da. Bulgarien
könnte
leicht die dreifache Bevölkerung ernähren. Zwei Drittel des Ackers werden mit Mais bestellt, der Rest
mit Weizen, Korn, Reis, Tabak,
[* 17] Baumwolle
[* 18] und Wein; von Gemüsen sind die häufigsten: Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch. Besonders geschickt
sind die Bulgaren im Drainieren. Ansehnlich ist die durch das Klima begünstigte Seidenzucht. Viehzucht
[* 19] spielt überhaupt fast
eine größere Rolle als Ackerbau, der erst neuerdings größern Aufschwung nimmt.
Das Land ist reich an Pferden, Ochsen, beide von kleinem Schlag, Büffeln, die zum Ziehen benutzt werden,
Schafen, Ziegen und
Federvieh. Sehr reich an Wild (Rehe, Hirsche,
[* 20] Füchse, Bären, Wölfe, Wildschweine) ist namentlich der Zentral-
und Westbalkan. Bulgarien
ist reich an Mineralquellen und besitzt große Metallschätze, die aber noch kaum berührt
sind (Eisen,
[* 21] Gold,
[* 22] Steinkohle, Torf). Berühmt sind die Eisenlager von Samakow; die Kohlenlager von Pernik und Kalkas, 3 Stunden
von Sofia, sind neuerdings in Angriff genommen worden. Salpeter wird bei Owtscha Mogila und Stischarow gewonnen. Für die Industrie
und selbst für das Kunsthandwerk hat der Bulgar entschiedene Vorliebe; nur der politische Druck, der auf
dem Land lastete, hat deren Entwickelung bis jetzt gehindert. Ausgezeichnetes leistet er im Häuser- u. Brückenbau sowie in der
Herstellung von Silber- und Eisen arbeiten, Teppichen, Stickereien, Musselinen, Holzschnitzereien etc.
Über den Handel Bulgariens
(Aus- und Einfuhr) ist 1883 der erste Bericht veröffentlicht worden. Danach ist
im Zeitraum 1879-81 die Einfuhr von 32,137,800 auf 58,467,100 Frank, die Ausfuhr von 20,092,854 auf 31,819,900 Fr. und der
Steuerertrag von 2,771,953 auf 4,995,567 Fr. gestiegen. An der Einfuhr beteiligten sich in Millionen Frank:
1880: | 1881: | 1880: | 1881: | ||
---|---|---|---|---|---|
Österreich-Ungarn | 6.2 | 14.7 | Italien | 2.1 | 5.8 |
England | 4.3 | 13.5 | Frankreich | 1.0 | 3.0 |
Rumänien | 6.3 | 8.5 | Serbien | 0.7 | 2.0 |
Türkei | 2.8 | 6.5 | Rußland | 0.5 | 1.2 |
Deutschlands [* 23] Anteil am Import stieg von 50,150 Fr. in 1880 auf 286,875 Fr. in 1881. Österreich [* 24] importiert namentlich Getränke, Zucker, [* 25] Gewebe, [* 26] Metallwaren, Papier, Chemikalien;
England: Baumwoll- und Eisenwaren, Kupfer; [* 27]
Rumänien: Salz, [* 28] Bauholz, Fische; [* 29]
die Türkei: Wein, Früchte, Öl, Seife;
Frankreich: Manufakte, Gewebe, Kaffee;
Serbien: Leinwand, Felle und Getränke.
Ausgeführt werden Cerealien aller Art, Mehl, [* 31] Früchte, Vieh etc.
Die Verfassung ist denen der europäischen konstitutionellen Staaten nachgebildet; danach ist Bulgarien eine erbliche, konstitutionelle Monarchie mit Volksvertretung, aber der Hohen Pforte tributär. Staatsreligion ist die orthodoxe griechische Konfession; doch sind sämtliche Kulte erlaubt, und es darf niemand wegen religiöser Unterschiede vom Genuß bürgerlicher und politischer Rechte, von Ämtern und Ehrenstellen ausgeschlossen werden. Alle in Bulgarien gebornen, nicht unter fremdem Schutz stehenden Personen sind bulgarische Unterthanen. Alle bestehenden Handels- und Schiffahrtsverträge, Konventionen etc. zwischen den fremden Mächten und der Pforte gelten auch für Bulgarien, das keinen Transitzoll erheben darf. Fürst ist seit Alexander I. (s. d.), Landeshauptstadt Sofia.
Die Finanzen Bulgariens befanden sich von Anfang an nicht in Ordnung; das erste Budget (1880) weist 23,114,000 Fr. Einnahmen gegen 27,306,267 Fr. Ausgaben auf, das folgende 28,154,280 Fr. Einnahmen gegen 29,141,814 Fr. Ausgaben. Letztere verteilen sich (in Franken) folgendermaßen:
1880: | 1881: | |
---|---|---|
Minister. des Äußern u. Kultus | 677000 | 644528 |
Unterrichtsministerium | 1372120 | 1691700 |
Justizministerium | 1404200 | 1881520 |
Finanzministerium | 3697400 | 3553652 |
Kriegsministerium | 11250000 | 11249999 |
Ministerium des Innern | 8860367 | 8807815 |
Zivilliste und Hofhaltung | - | 1300000 |
Ministerrat | - | 12600 |
Für 1883 waren die Einnahmen auf 30,568,280 Fr., ¶
mehr
die Ausgaben auf 31,502,427 Fr. veranschlagt; also ein Defizit von 934,147 Fr. Die Währung ist die französische. Nach dem Gesetz vom Juni 1880 gibt es Goldmünzen zu 20 und 10 Fr. (mit dem Kopf des Fürsten), Silbermünzen zu 5, 2, 1 und ½ Fr. und Kupfermünzen zu 10, 5 und 2 Centimes, welch letztere nur das Landeswappen tragen. An Silber sollen pro Kopf der Bevölkerung 6 Fr. ausgegeben werden. Bulgarien ist der internationalen Post- und Telegraphenkonvention beigetreten. 1882 bestanden 52 Postanstalten, durch welche 1,645,094 Briefe und Karten, 26,741 Warenproben und 861,337 Zeitungen befördert wurden. Von Eisenbahnen besteht die Linie Rustschuk-Warna, 224 km lang. Die Länge der Telegraphenlinien betrug 1883: 2117 km.
Bulgarien ist in zwei Militärbezirke, Sofia und Warna, geteilt, deren jeder 12 Bataillone zu 4 Kompanien (Rota) Infanterie umfaßt; außerdem existieren 1 Regiment Kavallerie, 1 Garde-Eskadron, 6 Feld-, 2 Gebirgs- und 2 reitende Batterien mit 80 Geschützen und 3 Kompanien technischer Truppen; zusammen 16,000 Mann. Die Nationalgarde, an deren Übungen alle Männer bis zu 45 Jahren teilnehmen müssen, ist eine Art militärisch organisierter Schützenvereine ^[richtig: Schützenverein].
Die Dienstzeit beträgt 12 Jahre, davon 4 Jahre (bis 1884 nur 2) im aktiven Heer, 4 in der Reserve, 4 in der Landwehr. Die Infanterie führt das Berdan-Gewehr, die Kavallerie den Berdan-Karabiner, die Artillerie 8 und 9 cm Gußstahl- und 4pfündige Bronzekanonen. Arsenale befinden sich in Rustschuk und Rasgrad, in Sofia eine Junker- und eine Feldscherschule. Bulgarien unterhält eine Flottille aus 5 kleinen Dampfern mit je 1-3 Geschützen und 6 Torpedo-Dampfbarkassen; das Personal derselben besteht aus 4 Offizieren und 162 Mann. Staatswappen ist ein goldener Löwe im dunkelbraunen Schild. [* 33] Unter dem Namen Alexanderorden (s. d.) besteht seit 1879 ein Militärverdienstorden in fünf Klassen. Die Flagge ist eine längsgestreifte weiß-grün-rote Trikolore (s. Tafel »Flaggen [* 34] II«). [* 35]
Geschichte.
Die frühsten Bewohner Bulgariens waren die Thraker, ein arisches Volk, welches, in zahlreiche Stämme geteilt, von den Römern zu Anfang der Kaiserzeit unterworfen wurde. Nach dem kleinen Stamm der Mösier, welcher unter den Eingebornen zuletzt die Hegemonie behauptet hatte, wurde die römische Donauprovinz Mösia genannt. Nachdem die untern Donauländer durch die Völkerstürme der Goten und Hunnen furchtbar verwüstet worden waren, drang ein von Serben und Russen verschiedenes slawisches Volk, das sich selbst Slowenen (Σθλοβενοι, Sclaveni) nannte, und dessen (allerdings nicht unvermischte) Nachkommen die jetzigen Bulgaren sind, von Norden [* 36] in das alte Dacien (Siebenbürgen und Walachei) ein und begann in das entvölkerte Römerland jenseit der Donau Einfälle zu unternehmen.
Die oströmischen Kaiser vermochten kaum die Donaugrenze zu behaupten. Unter Kaiser Heraklios (610-641) überfluteten die Slawenstämme fast widerstandslos die ganze Halbinsel; die Serben und Kroaten drangen im Westen bis zum Adriatischen Meer vor, die Slowenen im Osten bis nach Griechenland [* 37] hinein und blieben im Land. Im Donaugebiet entstand noch im Lauf des 7. Jahrh. ein festes slawisches Reich, welches Byzanz sieben Jahrhunderte lang bedrohte und beunruhigte. 679 überschritt das nichtslawische Volk der Bulgaren (s. d.) die untere Donau, setzte sich zwischen der Donau und dem Balkan fest und begann von dort aus sowohl die Byzantiner als die noch unabhängigen Slowenenstämme zu bekämpfen.
Der Fürst (Chan) Boris, welcher auch die Slowenenstämme Makedoniens gewonnen hatte, empfing um 864 samt seinem Volk von griechischen Priestern die Taufe, wobei er den Namen Michael annahm, und schloß sich erst 870 dem Konstantinopler Patriarchat an. Seit der Christianisierung ging das an Zahl sehr schwache herrschende Bulgarenvolk in den unterworfenen zahlreichen, zum Teil schon früher von Konstantinopel [* 38] aus christianisierten Slowenen auf und nahm deren Sprache [* 39] und Sitten an; das Mischvolk hieß aber fortan mit dem Namen des herrschenden Stammes Bulgaren.
Des Boris Sohn Symeon (888-927) war der größte Herrscher Bulgariens. Nach einer zweimaligen Belagerung Konstantinopels, wo eben der schwache Konstantin VII., Porphyrogennetos, herrschte, unterwarf er sich den größten Teil der Halbinsel und nahm den Titel eines »Kaisers (Zesar oder Zar) der Bulgaren und Griechen« an, den die Bulgarenherrscher fortan bis zur Eroberung des Landes durch die Türken führten. Daneben erhob er den bulgarischen Erzbischof zu einem von Konstantinopel unabhängigen Patriarchen.
Symeons Reich umfaßte Donau-Bulgarien, den größten Teil von Thrakien, Makedonien, Thessalien, Epirus, Albanien und einige Gebiete jenseit der Donau; die Serben und die Byzantiner zahlten ihm Jahrgelder. Seine sowie seiner Vorgänger Residenz war in Preslaw (jetzt Eski Stambul) bei Schumen. Die Zeit Symeons ist auch die Blütezeit der altslowenischen (kirchenslawischen) Litteratur, die meist Übersetzungen und Kompilationen bietet und einen byzantinischen, theologisch-rhetorischen Charakter hat.
Symeon, in Konstantinopel erzogen, war ein Bücherfreund und selbst Schriftsteller. Unter seinem Sohn Peter (927 bis 969), einem frommen und friedfertigen Herrscher, zerfiel das große Reich. Der ganze Westen riß sich 963 los, um ein eignes Zarenreich zu bilden. Den Osten (Donau-Bulgarien und Nordthrakien) eroberte 969 der noch heidnische Russenfürst Swätoslaw auf Anstiften des Kaisers Nikephoros Phokas, wurde aber schon 971 von Kaiser Johannes Tzimisces vertrieben, welcher dann diesen Teil Bulgariens dem byzantinischen Reich einverleibte.
Dem zweiten bulgarischen Reich im Westen, dessen Hauptstadt Ochrida in Makedonien war, wollte der Zar Samuel (977-1014) die Ausdehnung [* 40] des Reichs Symeons geben, fand aber an dem byzantinischen Kaiser Basilius II., »dem Bulgarentöter«, einen ebenbürtigen Gegner. Als der letzte Zar, Johann Wladislaw, 1018 bei der Belagerung von Durazzo gefallen war, beendete Basilius II. den 40jährigen Krieg durch die vollständige Unterwerfung Bulgariens. Die Privilegien der Kirche und des Adels (der Boljaren) blieben jedoch unangetastet. Das Land wurde in byzantinische Provinzen eingeteilt und blieb trotz aller Aufstände das 11. und 12. Jahrh. hindurch den Griechen unterthan.
Während der Stürme, welche das byzantinische Reich nach dem Niedergang der Dynastie der Komnenen erschütterten, regte sich wieder der Unabhängigkeitssinn des bulgarischen Adels. 1186 erhoben sich die Bulgaren im Balkan unter Anführung zweier Edelleute, der Brüder Peter und Asên, welche den Zarentitel annahmen, und behaupteten sich durch glückliche Siege über die Armeen des Kaisers Isaak II., Angelos, in dem Land zwischen Balkan und Donau. Dadurch wurde das dritte und letzte Bulgarenreich (1186-1393) gegründet, dessen Zaren in Tirnowo, am Nordfuß des Balkans, residierten. Nach dem Tode ¶