Bulgaren
,
ursprünglich eine osteurop. Völkerschaft, gehörig zum Hunnenvolke, von welchem zahlreiche Stämme in den Steppen Südrußlands zurückgeblieben waren, höchst wahrscheinlich türk. Ursprungs. Ihr Name wird während der Völkerwanderung seit 482 öfters im Donaugebiet erwähnt. Ein geringer Teil hatte sich den Avaren in Ungarn [* 2] angeschlossen, die Mehrzahl blieb in Bessarabien, von wo aus sie 559 an dem Zuge der pontischen Hunnen gegen Konstantinopel [* 3] teilnahmen.
Unter
Kaiser Heraklios erhielt deren Anführer Kubrat als Bundesgenosse gegen die
Avaren den
Titel eines byzant.
Patriciers.
Dessen Sohn Asparuch oder Isperich benutzte die Einschließung
Konstantinopels von den
Arabern unter
Kaiser
Konstantin IV. Pogonatos
zu Einfällen nach
Mösien, welche um 680 zur Gründung des
Reichs der Donau-Bulgaren
führten. (S.
Bulgarien,
[* 4] Geschichte.) Sie verloren dort bald ihre Nationalität und
Sprache
[* 5] und nahmen dafür die ihrer Unterworfenen an. Der
Teil der
Bulgaren
, der im alten Stammlande zurückgeblieben war, zog später, durch die
Chasaren gedrängt, nach der obern Wolga und
Kama,
wo er, zum
Islam übertretend, das im Mittelalter berühmte
Reich der Wolga-Bulgaren
gründete, von dem
die
Araber, die Glaubensgenossen der Bulgaren
, gelegentlich Mitteilung machen.
Die Ruinen der von den
Arabern gepriesenen Stadt
Bulghar liegen bei dem Dorf
Bolgary unterhalb der Mündung des
Kama, an der
linken Seite der Wolga, und die Überreste der alten Wolga-Bulgaren
dürften in den heutigen
Tschuwaschen
zu suchen sein, deren
Land der Mönch Joannes de Plano Carpino (1246) Großbulgarien nennt Die heutigen Bulgaren
sind ein slaw.
Volksstamm, der nur den
Namen seiner ehemaligen Beherrscher türk. Herkunft trägt, diese selbst aber in sich aufgesogen
hat.
Sie können als eine
Abteilung des südl. Zweiges der slaw. Nation
angesehen werden.
Ihre
Verbreitung erstreckt sich auch heute noch über einen beträchtlichen Raum: vom
Flusse
Timok an der serb.
Grenze und den Mündungen der Donau im N. bis Saloniki
[* 6] und den Grenzen
[* 7]
Albaniens im S., also das ganze alte
Mösien,
Thracien
und Macedonien; in Rumelien reichen bulgar.
Ansiedelungen fast bis an
Konstantinopel heran. Das
Christentum
fand erst nach langen Kämpfen Eingang und mit ihm erhielt das bulgar. Mischvolk im 9. Jahrh.
das Cyrillische
Alphabet. Der türk. Druck nötigte die Bulgaren
vielfach zu
Auswanderungen; größere
Kolonien finden sich in
Rumänien,
Rußland, kleinere in Siebenbürgen und
¶
mehr
718 im Banat. Die Zahl der Bulgaren
ist früher sehr überschätzt worden; sie dürfte nicht viel mehr als 4 Mill. insgesamt
betragen, von denen etwa 2326000 auf Bulgarien und Ostrumelien kommen. Der Rest verteilt sich auf die Türkei,
[* 9] Rußland, Rumänien
und Österreich.
[* 10] Der Religion nach gehört die Mehrzahl der Bulgaren
der griech.-orthodoxen Kirche an, weiter
rechnet man unter ihnen 30000 Unierte, 50000 röm. Katholiken (meist um Philippopel und bei Temesvár), 5000 Protestanten und 300000
Mohammedaner.
Letztere wohnen insbesondere im Rhodopegebirge und tragen den Beinamen der Pomaken. Der Bulgare ist intelligent, mäßig, sparsam, gastfreundlich; er besitzt Familienliebe und Sittlichkeit, ist aber mißtrauisch, habgierig und ränkesüchtig. Die Frömmigkeit, wenigstens in den äußern Formen, ist allgemein verbreitet.
Vgl. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme (Münch. 1837);
Schafarik, Slaw. Altertümer (deutsch von Mosig von Ährenfeld, 2 Bde., Lpz. 1843–44);
Rösler, Roman. Studien (ebd. 1871);
Jireček, Geschichte der Bulgaren
(Prag
[* 11] 1876);
ders., Das Fürstentum Bulgarien (ebd. 1891);
Kanitz, Donau-Bulgarien (3 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1879/80).