Titel
Bürgerlicher
Tod (franz. Mort civile), Verlust der persönlichen Rechtsfähigkeit. Das römische Recht ließ einen solchen infolge einer capitis deminutio maxima eintreten, d. h. durch den Verlust der Freiheit, welcher den in feindliche Gefangenschaft Geratenen oder zu besonders schwerer Strafe Verurteilten traf. Eine Minderung der Rechtsfähigkeit, nämlich der Verlust des römischen Bürgerrechts, trat bei der capitis deminutio media ein, welche ebenfalls die Folge gewisser Verurteilungen war. An jene römisch-rechtlichen Bestimmungen knüpfte das ältere französische Recht an, indem es mit der Verurteilung zu gewissen lebenslänglichen Freiheitsstrafen die Rechtlosigkeit des also Bestraften verband.
Nach verschiedenen Schwankungen der französischen
Gesetzgebung in Ansehung dieses Rechtsinstituts wurde der bürgerliche
Tod in der
Napoleonischen
Gesetzgebung als die
Folge der
Verurteilung zum
Tod, zu lebenslänglichem Zwangsarbeit und zur
Deportation
sanktioniert. Die
Erbschaft des Verurteilten wurde hiernach eröffnet, gleich als ob er nicht nur bürgerlich
,
sondern auch physisch tot wäre; seine etwanige
Ehe galt als aufgelöst, er konnte keine anderweite rechtsgültige
Ehe abschließen,
konnte nicht vor
Gericht auftreten und keine
Rechtsgeschäfte abschließen.
Indessen sind in neuerer Zeit Milderungen in diesem
System eingetreten. Das
Gesetz vom läßt jedoch für die zu
lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurteilten immer noch die
Erwerbs- und Testierunfähigkeit eintreten. Das
Gesetz vom über
die nach
Neukaledonien
[* 2] Deportierten enthält mildere Bestimmungen. Aus dem französischen
Recht war die
Nebenstrafe des bürgerlichen
Todes vielfach auch in die
Gesetzgebung andrer
Länder
Europas, ja selbst
Amerikas übergegangen, namentlich auch in die
Strafgesetze einzelner deutscher
Staaten und in das österreichische
Strafrecht.
Indessen ist der bürgerliche
Tod dort allenthalben wieder beseitigt. Das ältere
deutsche Recht kannte eine direkte Vernichtung
der Persönlichkeit (consumtio famae) in seiner
Friedlosigkeit (s. d.), welche die
Folge der
Oberacht war. Das heutige deutsche
Strafrecht kennt nur noch gewisse Verminderungen
der Rechtsfähigkeit, welche infolge strafbarer
Handlungen eintreten und sich als eine Schmälerung der bürgerlichen
Ehrenrechte darstellen. Das
Reichsstrafgesetzbuch macht
in dieser Hinsicht folgende Unterscheidungen:
1) dauernde Unfähigkeit zum Dienst in dem Reichsheer und der Marine und zur Bekleidung öffentlicher Ämter als gesetzliche Wirkung der Verurteilung zur Zuchthausstrafe;
2) Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte in Gemäßheit richterlichen Erkenntnisses auf 2-10 Jahre neben
jeder Zuchthausstrafe und auf 1-5 Jahre neben
Gefängnisstrafe von mindestens 3
Monaten in
Fällen, wo das
Gesetz dies ausdrücklich
zuläßt oder
Gefängnisstrafe wegen mildernder Umstände an die
Stelle der Zuchthausstrafe tritt, womit auf die Dauer der
Verlust aller öffentlichen
Ämter und
Würden sowie auf die im
Urteil bestimmte Zeit die Unfähigkeit zum
Tragen der Landeskokarde, zum
Eintritt in
Heer oder
Marine, zur Erlangung öffentlicher
Ämter und
Würden, zur Ausübung politischer
Rechte, zur Zeugenschaft bei
Aufnahme von
Urkunden und zur Übernahme einer
Vormundschaft oder gerichtlichen Beistandsleistung
verknüpft ist;
3) bloße Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf 1-5 Jahre neben Gefängnisstrafe, neben welcher die bürgerlichen Ehrenrechte hätten aberkannt werden können;
4) Zulässigkeit von Polizeiaufsicht neben Freiheitsstrafe in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen.