Buddha
,
s. Buddhismus.
Buddha
4 Seiten, 3'142 Wörter, 21'457 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Buddha,
s. Buddhismus.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Buddha
und Buddhismus. Buddha
, der Stifter der nach ihm Buddhismus benannten Religion, wurde geboren um die Mitte des 6. Jahrh.
v. Chr. in dem begüterten Adelsgeschlechte der Sakja in der Stadt Kapilavatthu, im Vorlande des nepalesischen Himalaja. Sein
Vater hieß Suddhōdana, seine Mutter Mājā oder Mājādēvī, er selbst erhielt den Namen Siddhattha. Der Zweig der Sakja,
aus dem er stammte, führte den Namen Gõtama, und so wird Buddha
häufig von seinen Zeitgenossen genannt,
in buddhistischen Schriften selbst samaṇō Gōtamō, «der Asket Gōtama».
Buddha
, «der Erwachte», «der
Erleuchtete», ist sein kirchlicher Name, den er erst später annahm. Die Mutter starb sieben Tage nach der Geburt des Knaben,
und er wurde von seiner Tante Mahāpadschāpati aufgezogen in aller Üppigkeit eines vornehmen ind.
Geschlechts. Er heiratete frühzeitig und es wurde ihm ein Sohn Rāhula geboren, der später in den geistlichen Stand trat.
Mit 29 Jahren wurde ihm sein bisheriges Leben zum Ekel, er verließ Weib und Kind und zog als Bettler in die weite Welt.
Die Lehrer, die er aufsuchte, sowie die sechs Jahre lang fortgesetzten Kasteiungen brachten ihm nicht
die gewünschte Erleuchtung; endlich nach sieben Jahren des Kämpfens und Suchens kam sie ihm unter einem Feigenbaum, für
den die Buddhisten den noch heute bei Buddha
Gajā stehenden, uralten Feigenbaum halten. Von dieser Zeit an datiert seine
Lehrthätigkeit; seine erste Predigt hielt er bei Benares vor fünf Mönchen, die er schon früher getroffen
hatte und die jetzt seine ersten Schüler wurden.
Die Zahl seiner Anhänger wuchs schnell; unter ihnen sind zu nennen seine Lieblingsschüler Sāriputta und Moggallāna, sowie
der König von Magadha, Bimbisāra, der während seines ganzen Lebens ein eifriger Freund und Beschützer
des Buddha
blieb; auch Bimbisāras Sohn Adschātasattu, der den Vater ermorden ließ, trat später zum Buddhismus über. Predigend
und Anhänger werbend zog Buddha
im Lande umher unter mancherlei Fährlichkeiten, unter denen besonders das Schisma seines Vetters
Dēvadatta, des Verräters unter den Jüngern, zu nennen ist. 80 J. alt starb Buddha
in dem Dorfe Beluva
um das Jahr 480 v. Chr. an dem Genusse von fettem Schweinefleisch, das ihm einer seiner Anhänger vorgesetzt hatte.
Die spätere Tradition, namentlich der nördl. Buddhisten, hat sein Leben märchenhaft ausgeschmückt
mit Zeichen und Wundern aller Art. Dem ist es zuzuschreiben, daß man auch in Europa
[* 2] die Glaubwürdigkeit
der Nachrichten über sein Leben in Zweifel ziehen und sie für Sonnenmythen erklären konnte (Senart, Essai sur la légende
du Buddha
, 2. Aufl., Par. 1882). Andere, wie Kern, suchten Buddhas
Leben astronomisch zu deuten. Die alten Texte (s. Pali) erweisen
die Irrigkeit solcher Versuche.
Aus ihnen ergiebt sich, daß Buddha
nur einer unter vielen Lehrern war, die damals gegen den Brahmanismus
im östl. Indien auftraten, und daß er alle seine Rivalen in den Schatten
[* 3] stellte, auch den bedeutendsten unter ihnen, den
Dschina oder Mahāvīra, den Stifter der Dschain. Er verwarf die Autorität der Veden und die Kasten, soweit
sie ein Hindernis waren, um ein Schüler des Buddha
zu werden, und wenn auch sein nächster Kreis
[* 4] sich vorzugsweise aus den
obern Ständen zusammensetzte, so finden sich doch auch Leute niedriger und verachteter Herkunft unter seinen Jüngern.
Von seinen Rivalen unterscheidet er sich namentlich dadurch, daß er alle Askese verwarf. Er predigte in der Volkssprache, schwerlich in Päli, das später die heilige Sprache [* 5] des buddhistischen Kanons wurde, hat aber schriftlich nichts hinterlassen, und seine Predigten waren gewiß in Form und Inhalt verschieden, je nachdem er zu dem Volke oder seinen Mönchen sprach. Er liebte Gleichnisse und Erzählungen einzuflechten, die er dem Zwecke anpaßte und die uns in dem Jātaka (s. d.) gesammelt vorliegen.
Buddha
war nicht bloß ein Lehrer des Volks, er war philosophisch gebildet und suchte seine Lehre
[* 6] auch wissenschaftlich zu begründen.
Er hat sicher einen Unterschied zwischen Eingeweihten und Laien gemacht, wie dies namentlich die neuern Untersuchungen über
das Nirwāna (s. d.) ergeben. Buddhas
gesamte Lehre beruht auf den sog. «vier heiligen Wahrheiten».
Diese sind: das Leiden,
[* 7] die Entstehung des Leidens, Aufhebung des Leidens und der Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt;
mit andern Worten: alles was existiert ist dem Leiden unterworfen, dieses Leiden hat seine Ursache in den menschlichen Leidenschaften, die Befreiung von den Leidenschaften befreit vom Leiden, der Weg zur Befreiung ist der «heilige achtgliederige Weg».
Durch die erste Wahrheit erweist sich der Buddhismus als Pessimismus; die zweite konstatiert als Ursache
des Leidens «den Durst», d. h. das Hängen
an den Freuden des Lebens, das Verlangen nach Dasein und sucht das Entstehen des Durstes durch eine schwer
verständliche Formel, «die Formel vom Kausalnexus» zu begründen, die nur für Eingeweihte bestimmt war. Wer die Leidenschaften
besiegt, der erlangt das Nirwāna, das Endziel der Lehre des Buddhismus. Die vierte Wahrheit, der Weg zur Aufhebung des Leidens,
umfaßt die Ethik des Buddhismus, und sie ist es, die am tiefsten ins praktische Leben eingreift und uns
die Größe Buddhas
erkennen läßt.
Für alle Buddhisten sind fünf Gebote bindend: du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht unkeusch leben, du sollst nicht lügen, du sollst nicht berauschende Getränke trinken. Unter diese werden alle Pflichten des Laien eingeordnet, und zu den Verboten treten die Forderungen weitgehender Nächstenliebe, die sich auch auf die Tiere erstreckt, und unbegrenzter Freigebigkeit. Der Mönch hat noch eine Anzahl anderer Gebote zu beachten, die für den Laien nicht obligatorisch, ader verdienstlich sind, wie das Schlafen auf einer Matte auf dem Erdboden, nicht Guirlanden zu tragen und nicht Parfums zu gebrauchen u. dgl., ebenso ist nur für den Mönch bestimmt die religiöse Versenkung, deren es mehrere Stufen giebt, wie auch Laien und Mönche in bestimmte Rangstufen eingeteilt werden. In alter Zeit waren vom Eintritt in die Gemeinde nur Leute ausgeschlossen, die mit schweren körperlichen Gebrechen oder Krankheiten behaftet waren, schwere Verbrecher, Verschuldete und alle die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu andern standen. Sonst konnte jeder vom 20. Lebensjahre an Mitglied werden und jeder, auch der Mönch, ohne weiteres wieder austreten. Der Mönch verpflichtete sich zu absoluter Keuschheit und Armut, und die alte Gemeinde hatte strenge Vorschriften über Nahrung, ¶
Kleidung und Wohnung. Den Mönchen untergeordnet waren die Nonnen, die Buddha
nur sehr widerwillig und nach langem Zögern
zugelassen hatte. Da der Buddhismus keinen Gott kennt, so fordert er auch keinen Kultus. In ältester Zeit fanden nur bestimmte
Versammlungen der Mönche statt, in denen die Beichtformel verlesen wurde und die Mönche etwaige Vergehen
sühnten. Schon frühzeitig scheinen sich aber Reliquiendienst und Wallfahrten zu heiligen Stätten herausgebildet zu haben,
die später gang und gäbe sind.
Buddha
hat bei seinem Tode keinen Nachfolger eingesetzt, ja direkt abgelehnt, dies zu thun. So konnten Reibungen unter den
Mönchen und Spaltungen in der Gemeinde nicht ausbleiben; bis zum Anfange des 3. Jahrh.
nach Buddhas Tode sollen sich nicht weniger als 18 Sekten mit eigenen Klöstern abgesondert haben. Der Tradition nach soll kurz
nach Buddhas Tode ein Konzil stattgefunden haben, in welchem unter dem Vorsitze des Mahākassapa die beiden ältesten, nach
andern gar alle drei Sammlungen der buddhistischen Lehre, der Tipitaka (s. d.), festgesetzt worden seien.
Dieses Konzil ist, wie es scheint, unhistorisch, oder jedenfalls nur ein örtlich beschränktes gewesen, wie das zweite Konzil unter König Kālāçōka um 380, das einige Mißbräuche beseitigte. Zur Staatskirche wurde der Buddhismus unter König Açōka. Wir wissen aus seinen Inschriften, daß er nach seinem Übertritt eigene kirchliche Beamte einsetzte, um Zucht und Ordnung in der Kirche aufrecht zu erhalten. Trotzdem drängten sich viele schlechte Elemente in die Klöster, und das dritte Konzil brachte die Anschauung des Moggalīputta zur Geltung, der damals das Kathāvatthu, einen Teil des Abhidhammapiṭaka, verfaßt haben soll.
Bis auf den heutigen Tag folgen die Singhalesen der Regel des Moggalīputta, während die nördl. Buddhisten der damals, wie es scheint, unterlegenen Partei des Upagupta folgen. Von diesem Konzil an datiert die Missionsthätigkeit des Buddhismus nach außerind. Ländern; es ist daher in der Geschichte desselben von höchster Wichtigkeit. Moggalīputta wählte eine Anzahl Älteste aus, die nach Kaschmir, [* 9] nach den Ländern am Kabul und am Himalaja, nach dem westl. Dekan und nach Hinterindien [* 10] gingen; Açōkas eigener Sohn Mahindō ging nach Ceylon. [* 11]
Von diesem Konzil an beginnt faktisch die Scheidung zwischen südl. und nördl. Buddhismus, die sich dann im Laufe der Jahrhunderte verschärfte. In seinem Mutterlande Indien ging der Buddhismus allmählich durch Verfolgungen und Spaltung in Sekten gänzlich zu Grunde; in Ceylon hielt er sich rein, im Norden [* 12] entartete er durch Einflüsse mannigfachster Art. Zum südl. Buddhismus gehören heute vorzugsweise Ceylon und Hinterindien, zum nördlichen die Länder am Himalaja, besonders Nepal, dann Tibet, China, [* 13] Japan, die Mongolei.
Um 24 v. Chr. eroberten die Yuei-tschi oder Çakās, ein Nomadenstamm tibetan. Herkunft, einen großen Teil Indiens, und ihr mächtigster Fürst Kanischka, der sich 78 n. Chr. krönen ließ, trat zum Buddhismus über. Er berief das vierte Konzil nach Kaschmir, wo nach der Annahme der nördl. Buddhisten die heiligen Texte neu festgestellt und alle echten Schriften gesammelt wurden. Jedenfalls wurde hier der Kanon der nördl. Buddhisten festgestellt, der im Unterschiede zu dem in Pāli geschriebenen Kanon der südlichen in Sanskrit verfaßt wurde; und zwar zeigen die ältesten poet. Teile, die sog. Gāthās, ein sehr entartetes, deutlich aus einer Volkssprache übertragenes Sanskrit. So trennt fortan auch die Sprache der heiligen Schriften südl. und nördl. Buddhisten.
Eine Centralleitung schuf auch das vierte Konzil nicht; die Spaltung in Sekten ging weiter. Um 194 n. Chr. gründete der Gelehrte Nāgārdschuna eine neue Schule, die unter den nördl. Buddhisten bald großen Anklang fand und sie in zwei Lager [* 14] teilte. Die Lehre des Nāgārdschuna pries sich als das beste Fahrzeug an über den Strom der Existenz in den rettenden Hafen des Nirwāna, nannte sich Mahājāna, «das große Fahrzeug», und alle die sich ihr nicht anschlossen, wurden als Anhänger des Hīnajāna, «des kleinen Fahrzeugs», bezeichnet.
In dem Lehrbuche der Mahajanisten, dem Prajñāpāramitāsūtra, findet sich die Lehre entwickelt, die man früher für den echten Buddhismus hielt, daß nichts existiert und man an allem zweifeln muß, der denkbar schärfste Skepticismus. Die Mahajanaschule ist es gewesen, die zuerst den buddhistischen Kultus auf Äußerlichkeiten leitete und dem Buddhismus Götter gegeben hat. Die drei sog. Dhjānibōdhisattvās, die heute in der nördl. Kirche ganz die Rolle von Göttern haben, Avalōkitēçvara (chines. Kwan shi yin), Mundschuçrī (spr. -schrī, chines. Wen shu) und Badschradhara oder Vadschrapāni sind der Mahajanaschule entsprungen. Außer ihnen wird in China noch besonders verehrt Samantabhadra (chines. Phu-hien). Die letzte Phase, die der Buddhismus durchmachte, war die des Mysticismus und der Magie, des Jōgātschāra, «Ausführen von Zauber», dessen Stifter Arjāsanga ist und der durch Verquickung mit der çivaïtischen Tantralehre entstand.
Bereits 2 v. Chr. nahm eine Gesandtschaft eines indoscythischen Königs buddhistische Bücher nach China für den Kaiser A-ili mit und 61 n. Chr. soll Kaiser Ming-ti infolge eines Traumes nach Indien Boten geschickt haben, um buddhistische Bücher und Lehrer zu holen. Der Inder Kāçjapa ging mit den Boten nach China und soll eine wichtige Schrift, «das Sūtra der 42 Abschnitte», ins Chinesische übersetzt haben. Von da an verbreitete sich der Buddhismus in China schnell, und im 4. Jahrh. n. Chr. wurde er Staatsreligion; am Anfange des 5. Jahrh. sollen die heiligen Schriften ins Chinesische übersetzt worden sein.
Die folgenden Jahrhunderte brachten dem Buddhismus große Gönner, aber auch Feinde und Verfolgungen. Als die mongol. Dynastie 1206 in China zur Herrschaft kam, wurde er sehr begünstigt, und von dieser Zeit an bis heute finden wir in China zwei Schulen oder Kirchen nebeneinander, die der Foisten oder Hō-schang und die der Lamas. Fo ist chines. = Buddha, Lama ist tibetan. bLama und bedeutet «Oberer», Lamaismus ist also die Form des Buddhismus, die er in Tibet angenommen und in der er zu den Mongolen und mit diesen nach China kam.
Die Foisten sind trotz mancher Begünstigung durch die Fürsten stets nur eine geduldete Gemeinschaft geblieben ohne hierarchische Verfassung und höhere Geistlichkeit. Der Lamaismus dagegen stellt auch in China, wie in Tibet und der Mongolei, eine streng geschlossene Korporation dar mit einem Vertreter der Kirche bei Hofe und der Regierung. Er ist herrschend in den chines. Provinzen, die an Tibet und die Mongolei grenzen. Im eigentlichen China ist der Buddhismus jetzt gegen die Religion des Confucius in den ¶
Hintergrund getreten. Das gelobte Land des Buddhismus ist Tibet. Hier allein hat sich auch ein Oberhaupt aufgeworfen, wie der Katholicismus es im Papste besitzt. Die Geschichte des Buddhismus in Tibet ist wesentlich eine Geschichte der Entwicklung der Hierarchie. Er kam nach Tibet in völlig entwickelter, und zwar in seiner spätesten Gestalt, und die Lehre selbst hat dort wesentliche Veränderungen nicht erfahren, wohl aber der Kultus. Eingeführt wurde er in Tibet durch Schrong tsan gan po (tibetan. Shrong bTsan sGan po), einen gewaltigen und klugen Fürsten, der 629 n. Chr. zur Regierung kam, und besonders gefördert durch dessen Hauptgemahlinnen, die später heilig gesprochen wurden.
Unter seinem fünften oder sechsten Nachfolger wurden die heiligen Schriften ins Tibetanische übersetzt; sie führen den Namen Kandschur (tibetan. bKā' gyur, d. h. «Übersetzung der Worte», nämlich des Buddha) und umfassen 104 Folianten mit 1083 Werken. Dazu kommt noch eine viel umfangreichere, aber nicht kanonische Sammlung in 225 Folianten, der Tandschur (tibetan. bsTan 'gyur, «Übersetzung der Lehre»),
die die Kommentare zu den heiligen Schriften, aber auch eine große Anzahl von Übersetzungen profaner Sanskritwerke enthält. Der eigentliche Gründer der buddhistischen Hierarchie ist Ral pa tschan oder Thi de schrong tsan (tibetan. Khri l De Shrong bTsan), der das Volk zu Gunsten der Priester hart bedrückte und auf Veranlassung seines von ihm mit Hilfe der Priester verdrängten ältern Bruders gLang dar ma ermordet wurde. gLang begann eine wütende Verfolgung des Buddhismus und soll ihn im mittlern Tibet ganz ausgerottet haben. Er wurde von einem Priester ermordet; aber erst nach fast einem Jahrhundert, im 10. und 11. Jahrh., kam der Buddhismus wieder zur vollen Blüte [* 16] und die Äbte des Klosters Schatja (tibetan. Sha sKya) schwangen sich zu Herrschern über Tibet auf und durch den mongol. Kaiser Chubilai, der zum Buddhismus übertrat, wurde um 1260 das tibetan.
Papsttum bestätigt. Das Gepräge, das sie noch heute zeigt, erhielt die tibetan. Hierarchie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. durch bTsong kha pa, der in Tibet und der Mongolei fast ebenso hoch verehrt wird wie Buddha. Er gründete die Sekte der «Gelbmützen», die der der «Rotmützen» feindlich gegenüber steht, führte den Cölibat wieder ein, beschränkte die Magie und ging in einer Anzahl einschneidender Reformen auf die alte Lehre des Buddhismus zurück. Von seiner Zeit an giebt es in Tibet zwei Päpste, den Dalai Lama, der zu Lhassa residiert und der eigentliche Regent von Tibet, der weltliche Herrscher, ist, und den Pan [* 17] tschhen Rin pō tschhē, der in Hintertibet residiert und von den Europäern gewöhnlich nach seiner Residenz Tescho Lama genannt wird, das geistliche Oberhaupt, aber wesentlich nur ein Schattenkönig. Keiner dieser Lamas stirbt je nach dem Glauben der Menge, sondern verkörpert sich sofort wieder in einem Nachfolger.
Auch das Mönchswesen und der Kultus sind im nördl. Buddhismus sehr entartet. Der einfache Bettelstab, der im südl. Buddhismus meist durch den Sonnenschirm vertreten wird, woher wohl die Mönche Talapoins heißen, ist in Tibet und der Mongolei in den Händen der Lamen dem röm. Bischofsstabe ähnlich geworden; außerdem tragen sie das Gebetscepter, ein seltsam geformtes, unsern Mörserkeulen ähnliches Instrument, und die Gebetsklingel, mit der die Gesänge und Gebete begleitet werden.
Der Kultus wird mit großem Pompe betrieben. Außer Tempeln hat der Lamaismus noch kleinere Kapellen, oft an der Landstraße oder an Kreuzwegen oder mitten in der Steppe angelegt, dann Gebetstürme bis zu 100 und mehr Fuß, dann die sog. Manis (in Tibet und den Himalajaländern), Mauern oder Steinwände, auf denen die heilige Gebetformel Om maṇi padmē hūm eingegraben ist, die Gebetmaschinen (s. d.), Gebetfahnen, auf Bäumen und Felsen, an Häusern und Türmen angebracht und mit der heiligen Gebetformel versehen. Ferner hat der Lamaismus eine rauschende Kirchenmusik, die Ohrenbeichte, den Bilderdienst, den Rosenkranz, aus 108 Kugeln bestehend, Kerzen, Opferschalen, Weihrauch, Weihwasser; die Priester kleiden sich beim Gottesdienst mit großer Pracht, und die Zahl der Feste ist bedeutend. Der Gottesdienst des Lamaismus gleicht dem katholischen so sehr, daß kath. Missionare ihn für ein Blendwerk des Teufels erklärt haben.
Wer den Buddhismus richtig beurteilen will, darf nicht vergessen, daß dieser nie etwas anderes hat sein wollen als eine ind. Religion und daß das Denken und Lehren [* 18] seines Stifters ein durchaus indisches ist. Es ist daher verkehrt, Buddhismus und Christentum schlechthin aneinander abzumessen und über den Buddhismus den Stab [* 19] zu brechen (Spence Hardy, Christianity and Buddhism compared, Colombo [* 20] 1874). Eine andere Frage ist, ob, wie behauptet worden ist, «ein Einwirken buddhistischer Vorbilder auf die christl. Evangelienlitteratur und auf die sich zunächst anschließenden neutestamentlichen Schriften große Wahrscheinlichkeit für sich hat» (Seydel).
Unzweifelhaft finden sich im Leben Buddhas und Christi mancherlei Parallelen, wie die Erzählung von Simeon und Asita Dēvala, die Versuchungsgeschichte u. a. An eine direkte Entlehnung ist aber gewiß nicht zu denken, da die Verschiedenheiten doch außerordentlich groß sind und die wirklichen Ähnlichkeiten sich aus der gleichen Lage und Stimmung beider Religionsstifter ungezwungen ergeben. Die Versuchung z. B. kennen auch noch andere Religionen, wie die des Zoroaster. Ob eine gemeinschaftliche Quelle [* 21] vorliegt, bleibt zu untersuchen.
Litteratur. Zusammenfassende Werke sind: Fr. Koeppen, Die Religion des Buddha (2 Bde., Berl. 1857-59; in seinem zweiten Bande, der die Lamaische Hierarchie und Kirche schildert, noch heute unerreicht);
Rhys Davids, Buddhism (Lond. 1880);
Kern, Der Buddhismus und seine Geschichte in Indien (übersetzt von Jacobi, 2 Bde., Lpz. 1882-84);
I. ^[Isidor] Silbernagl, Der Buddhismus (Münch. 1891, wenig zu empfehlen).
Populär ist: Barthélemy de St. Hilaire, Le [* 22] Bouddha et sa religion (Par. 1860). Über den südl. Buddhismus gab wertvolle Aufschlüsse Hardy, A Manual of Buddhism (Lond. 1860; 2. Aufl. 1880) und Eastern Monachism (ebd. 1860). Grundlegend für die alte Zeit ist Oldenberg, Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde (Berl. 1881; 2. Aufl. 1890); gut auch Edm. Hardy, Der Buddhismus, nach ältern Pāli-Werken dargestellt (Münster [* 23] 1890). Für Birma ist anzuführen: Bigandet, Vie ou légende de Gaudama (Par. 1878);
für Siam: Alabaster, The Wheel of the law (Lond. 1871).
Für den nördl. Buddhismus sind zu nennen: Burnouf, Introduction à l'histoire du Buddhisme indien (Par. 1844; später wieder abgedruckt) und als ¶