Titel
Buchhandel
wird diejenige Erwerbsthätigkeit genannt, welche sich mit der Herstellung und dem Vertriebe litterar.
Erzeugnisse befaßt. Er umfaßt den eigentlichen Buchhandel
, den
Musikalienhandel (s. d.), Kunsthandel (s. d.)
und Landkartenhandel (s. d.) und teilt sich 1) in Verlagsbuchhandel
(s. d.),
welcher sich mit dem Ankauf und mit der
Vervielfältigung litterar. und künstlerischer Erzeugnisse beschäftigt;
2) in Kommissionsbuchhandel (s. d.), welcher die Vermittelung des geschäftlichen Verkehrs zwischen den Buchhändlern betreibt;
3) in
Sortimentsbuchhandel (s. d.),
Reisebuchhandel (s. d.) und Kolportagebuchhandel
(s.
Kolportage), welche den Vertrieb litterar. Erzeugnisse an das Publikum besorgen;
4) in Antiquariatsbuchhandel (s. d.), welcher im gewöhnlichen Handel nicht mehr erhältliche ältere und seltene Erzeugnisse der Buchdruckerkunst, oder auch gebrauchte Bücher erwirbt und vertreibt. In früherer Zeit waren alle oder mehrere der genannten Geschäftszweige zugleich mit der technischen Herstellung von Büchern u.s.w. in einer Hand [* 2] vereinigt, jetzt vollzieht sich mit der zunehmenden Produktion und Konsumtion, der wachsenden Konkurrenz eine immer weitergehende Specialisierung auf diesen Gebieten.
A. Der Betrieb des Buchhandel
, welcher früher von
Konzessionen, in
Preußen
[* 3] sogar von einer Prüfung und dem
Besitze eines bestimmten
Kapitals abhängig war, ist durch die Gewerbeordnung für das Deutsche
[* 4]
¶
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Reich ein freies Gewerbe geworden. In einigen andern Staaten ist der Betrieb aller Zweige des Buchhandel
noch jetzt an eine besondere
behördliche Konzession gebunden.
Die höchst eigenartige Vermittelung des buchhändlerischen Verkehrs im Deutschen Reiche, in Österreich
[* 6] und der Schweiz
[* 7] ist
in der Weise organisiert, daß jeder Buchhändler (Verleger, Sortimenter und Antiquar) in Leipzig,
[* 8] als dem
Centralpunkt des Buchhandel
, einen Vertreter bestellt, den Kommissionär (s. Kommissionsbuchhandel). An diesen gelangen die für den
Sortimentsbuchhandel bestimmten Ankündigungen des Verlegers über neue Erscheinungen, durch diesen auch die Büchersendungen
sämtlicher Verleger gesammelt an den empfangenden Sortimenter oder Antiquar, durch diesen in der Regel die Remittenden
(s. d.) und die Zahlungen (s. Buchhändlermesse) des Sortimenters an den Verleger.
Verleger wie Sortimenter und Antiquare haben sämtliche Sendungen aneinander, wenn sie über den Kommissionsplatz Leipzig senden,
franco Leipzig zu liefern, sämtliche Zahlungen franco Leipzig in deutscher Münze zu leisten. Die großen Vorzüge dieser Organisation
sind ihre Zuverlässigkeit und Billigkeit, weshalb die Einrichtung vorbildlich für den Buchhandel
manches andern
Landes geworden ist. Der weitaus größte Teil aller innern buchhändlerischen Korrespondenz im Deutschen Reich, Österreich und
der Schweiz geht durch Vermittelung der Leipziger Kommissionäre an die 1842 vom Verein der Buchhändler zu Leipzig gegründete
«Bestellanstalt für buchhändlerische Geschäftspapiere», die sich im
Deutschen Buchhändlerhause (s. Börsenverein) befindet, und wird von dieser an die buchhändlerischen Adressaten befördert.
Das offizielle Organ des deutschen Buchhandel ist das 1834 begründete, seit 1867 wöchentlich sechsmal erscheinende, ausschließlich für die Berufsgenossen bestimmte «Börsenblatt für den Deutschen und die verwandten Geschäftszweige». Außerdem existieren eine Reihe weiterer buchhändlerischen Fachzeitungen, z. B. die «Österreichisch-ungarische Buchhändler - Korrespondenz», das 1860 gegründete wöchentlich erscheinende «Amts- und Anzeigeblatt des 1859 gegründeten Vereins der österr.-ungar. Buchhändler», der «Anzeiger für den Schweizerischen Buchhandel » u.a.m.
Der Verleger gewährt in den meisten Kulturländern dem Sortimenter einen längern Kredit als der im Warenhandel übliche. Im Deutschen Reich, in Österreich und der Schweiz beträgt er durchschnittlich 9 Monate (3-15 Monate). Der Verleger im Gebiet des Börsenvereins liefert seine Bücher entweder auf feste Rechnung oder à condition (s. Konditionsgut). Auf der Ausdehnung [* 9] der letztern Lieferungsart beruht die Möglichkeit der Einsichtnahme seitens des Publikums der gesamten civilisierten Welt in die wissenschaftliche und schönwissenschaftliche Litteratur und damit hängt wieder zusammen der verhältnismäßig große Absatz dieser Litteratur in deutscher Sprache. [* 10]
Nach dem «Adreßbuch des deutschen Buchhandel» gehörten dem deutschen
Buchhandel im J. 1893 an 7893 Firmen, davon dem Verlagshandel, einschließlich des Zeitungsverlags, 2531, dem Sortiments
handel
5169, dem reinen Antiquariatshandel 193 (Antiquariat in Verbindung mit Sortiment betrieben noch 1758 Handlungen),
dem Kommissionsbuchhandel 289 Firmen. (S. auch Deutschland
[* 11] und Deutsches Reich.) Über die Gesamtzahl der Buchhändler in andern
Staaten existieren keine
zuverlässigen Nachweise. Sämtliche Handlungen des deutschen und die mit demselben in Verbindung
stehenden außerdeutschen Buchhandlungen verteilen sich folgendermaßen:
Länder | Städte 1893 | Handlungen 1893 |
---|---|---|
Deutsches Reich | 1204 | 6104 |
Österreich-Ungarn | 239 | 772 |
Schweiz | 55 | 219 |
Übriges Europa | 135 | 650 |
Englisch-Amerika | 19 | 86 |
Spanisch-Port.-Amerika | 23 | 39 |
Afrika | 4 | 8 |
Asien | 7 | 9 |
Australien | 5 | 6 |
^[Additionslinie]
Summa: | 1691 | 7893 |
---|---|---|
An Unterstützungsanstalten besitzt der deutsche Buchhandel den 1836 von George Gropius in Berlin [* 12] gegründeten «Unterstützungsverein deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen» mit dem Sitze in Berlin. Das Kapital setzt sich zusammen aus freiwilligen jährlichen Beiträgen, Geschenken, Legaten und einem jährlichen Zuschuß von 11000 M. vom Börsenverein (Mitgliederzahl Ende 1892: 2226 Prinzipale, 1333 Gehilfen). Ferner besteht seit 1872 ein «Allgemeiner deutscher Buchhandlungsgehilfen-Verband» mit dem Zwecke, die Mitglieder gegen einen jährlichen Beitrag von 24 M. in Krankheitsfällen zu unterstützen und für die Hinterbliebenen zu sorgen (1893: 2164 ordentliche Mitglieder, darunter 399 Firmeninhaber, und 413 außerordentliche Mitglieder).
Der französische hat seinen Hauptsitz in Paris. [* 13] In den Departements, besonders in Nancy, [* 14] Tours, [* 15] Toulouse, [* 16] Lille, [* 17] Lyon [* 18] u. s. w., erscheint zwar eine nicht unbedeutende Anzahl von Büchern, doch beschränkt sich die Produktion daselbst mehr auf Werke, welche von vorwiegend lokalem Interesse sind und ihren Absatz innerhalb der Departements finden, wie Schulbücher und Bücher religiösen Inhalts, sowie Werke der Specialgeschichte und Archäologie. Alle übrigen gelehrten und populären Werke erscheinen in Paris, wo allein die Möglichkeit vorhanden ist, sie allgemeiner bekannt zu machen.
Infolge der großen Verbreitung der franz. Sprache ist der Export franz. Bücher ein sehr bedeutender. Auch Bücher in span. und portug. Sprache, welche teils in Paris verlegt, teils nur daselbst gedruckt und nach dem span. Amerika [* 19] und Brasilien [* 20] versandt werden, bilden einen nicht unwesentlichen Teil des franz. Bücherexports. Den geschäftlichen Mittelpunkt des französischen Buchhandel bildet der «Cercle de la librairie» in Paris, als dessen Organ die «Bibliographie de la France» erscheint.
Der belgische Buchhandel ist seinen Einrichtungen nach dem französischen ähnlich. Den geschäftlichen Mittelpunkt bildet Brüssel, [* 21] wo der Buchhändlerverein «Cercle de la librairie» seinen Sitz hat und die Verlagsthätigkeit am bedeutendsten ist; doch erscheinen auch in den Provinzen viele Bücher. Das bibliogr. Organ bildet die «Bibliographie de Belgique».
Für Großbritannien [* 22] bildet London [* 23] den Mittelpunkt des Buchhandel, wenngleich auch in Edinburgh, Glasgow, [* 24] Manchester, [* 25] Dublin [* 26] sowie in den Universitätsstädten Cambridge und Oxford, [* 27] in welch letztern hauptsächlich wissenschaftliche Werke erscheinen, eine nicht unbedeutende Verlagsthätigkeit herrscht. Der Provinzialbuchhandel leidet empfindlich durch die Konkurrenz Londoner Firmen, welche ¶
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durch die großen Verkehrserleichterungen, Post und Eisenbahnen begünstigt werden. Auch die Verlagsthätigkeit wird durch die Lese- und Kauflust der Engländer gefördert, denn fast jeder, der Anspruch auf Bildung macht, ist im Besitze einer seinen Verhältnissen entsprechenden Büchersammlung. Die Preise sind für wissenschaftliche Werke hoch, besonders für die neuen Erscheinungen namhafter Autoren, für die auf Massenabsatz berechneten hingegen beispiellos niedrig. Den geschäftlichen Mittelpunkt des englischen Buchhandel bildet Stationer’s Hall in London; die litterar. Anzeigeblätter sind «The Publishers’ Circular» und «The Bookseller» in London.
Der Buchhandel Nordamerikas ist dem englischen ähnlich und beruht auf gleichen kaufmännischen Principien, was den
Büchervertrieb und den Verkehr zwischen Verleger und Sortiments
buchhändler anlangt. Die größte Verlagsthätigkeit
besteht in Neuyork,
[* 29] Philadelphia,
[* 30] Boston,
[* 31] Washington,
[* 32] Chicago, San Francisco, wo auch große Auktionen von Verlagswerken (trade-sales)
stattfinden; doch werden auch in andern Städten viele Bücher verlegt. Ein wesentlicher Teil bestand seither aus Nachdrucken
englischer und deutscher Werke, da litterar.
Verträge nicht vorhanden waren. Dieser Zustand hat nach Annahme der Copyright-Bill (1891) teilweise sein Ende erreicht. Der Import litterar. Erzeugnisse des Auslandes wurde seither durch den hohen Zoll (25 Proz. auf den Einkaufspreis) erschwert, doch ist letzterer infolge der durch das Mac-Kinley-Zolltarifgesetz am in Kraft [* 33] getretenen Bestimmungen für alle nicht engl. Bücher in Wegfall gekommen. Die Bücherpreise sind im allgemeinen hoch, was zumeist seinen Grund in den teuren Herstellungskosten hat, andererseits werden Bücher, welche für den Massenabsatz berechnet sind, sehr billig verkauft. Der bei letztern in Betracht kommende Colportagebuchhandel (canvassing trade) hat eine bedeutende Entwicklung genommen und bildet bei den großen Entfernungen und der besonders im Westen der Vereinigten Staaten [* 34] zerstreuter wohnenden Bevölkerung [* 35] ein notwendiges Mittel, denselben litterar. Erzeugnisse zuzuführen. An Fachjournalen besitzt der nordamerikanische Buchhandel «The Publishers’ Weekly» und «The American Bookseller» in Neuyork.
In Italien
[* 36] hat der Buchhandel im letzten Jahrzehnt einen großen Aufschwung genommen und die
Verlagsthätigkeit in Mailand,
[* 37] Florenz,
[* 38] Turin,
[* 39] Rom,
[* 40] Neapel
[* 41] und Bologna ist sehr bedeutend. Auch in andern Städten erscheinen
viele Bücher, von denen manche jedoch wegen der ungenügenden Organisation des ital. Buchhandels
schwer erreichbar sind. Der ital. Verleger (editore) verkehrt zumeist direkt mit dem Sortiments
buchhändler (libraio), wobei
ihm bei der Versendung die innerhalb Italiens
[* 42] bestehenden Portovergünstigungen sehr zu statten kommen.
Der ital. Verleger liefert zumeist für feste Rechnung, macht aber auch an eine Anzahl Firmen Neuigkeitssendungen. Der Kredit
ist meistens ein halbjähriger, oft auch nur ein vierteljähriger gegen Wechsel. Den geschäftlichen Mittelpunkt bildet die
von dem verdienten Verleger Giuseppe Pomba in Turin gegründete «Associazione tipografico-libraria italiana»,
deren Organ die «Bibliografia italiana» ist.
Der holländische Buchhandel ist in seiner Organisation dem deutschen sehr ähnlich. Der Verleger (uitgever) liefert an den Sortiments
buchhändler
(debitant) auf Jahreskredit sowie für feste Rechnung und
à condition, und macht auch Neuigkeitssendungen. Die Abrechnung
findet am Schlusse des Jahres statt durch Zahlung des Verkauften und Remission des Nichtabgesetzten. Disponenden
(s. d.) sind nicht üblich. Die Zahlung erfolgt gewöhnlich im Februar oder März. Kommissionäre (Korrespondenten) nach Art
der deutschen giebt es jetzt nur noch wenige in Amsterdam,
[* 43] dem Centralpunkt des Holland.
Buchhandels, da seit Errichtung des «Bestelhuis» daselbst dieses die Funktionen derselben verrichtet. Auslieferungslager der Verleger bei den Kommissionären giebt es in Holland nicht und die auswärtigen Verleger senden ihre Pakete an das «Bestelhuis», welches die Weiterbeförderung besorgt. Den Mittelpunkt des Geschäftsverkehrs bildet die «Vereeniging ter bevordering van de belangen des boekhandels» in Amsterdam, deren Organ das «Nieuwsblad voor den Boekhandel» ist. Außerdem erscheint im Haag [* 44] die «Nederlandsche Bibliographie».
Der skandinavische Buchhandel, welcher ähnlich wie der deutsche organisiert ist, beschränkt sich zumeist auf die
Haupt- und Universitätsstädte der drei Staaten: Kopenhagen,
[* 45] Kristiania,
[* 46] Stockholm,
[* 47] doch giebt es auch in andern Städten,
z. B. Odense,
[* 48] Alborg, Bergen,
[* 49] Throndhjem,
[* 50] Göteborg,
[* 51] Malmö
[* 52] u.s.w., Buchhandlungen. Der Verleger, welcher
zumeist auch Sortiments
buchhändler ist, liefert in Jahresrechnung, welche im März auszugleichen ist, sowohl für feste
Rechnung wie à condition, und macht auch Neuigkeitssendungen. In jedem der drei Staaten bestehen Buchhändlervereine, deren
Hauptorgan die in Kopenhagen erscheinende «Nordist Boghandlertidende» ist.
Außerdem erscheinen in Kopenhagen die «Dansk Bogfortegnelse», in Stockholm die «Svensk Bokhandels Tidning»
und in Kristiania die «Norsk Boghandlertidende».
Der Buchhandel Spaniens und Portugals besitzt keine besondere Organisation, wie solche in andern Staaten besteht und die Interessen der Buchhändler vertritt. Die Verlagsthätigkeit beschränkt sich in Portugal [* 53] fast ausschließlich auf Lissabon [* 54] und Porto, während in Spanien außer in Madrid [* 55] und Barcelona, [* 56] den Hauptverlagsplätzen, auch noch in andern Städten viele Bücher erscheinen, die aber zum Teil aus Mangel an einer Organisation nur wenig bekannt werden und oft nur schwer zu erlangen sind. Einen großen Teil der span. Litteratur bilden Übersetzungen besonders franz. wissenschaftlicher und belletristischer Werke. Ein bibliogr. Organ erscheint jetzt in Madrid u. d. T. «Boletin de la libreria».
Die Grundlage zur Entwicklung eines russischen Buchhandel ward 1783 gegeben, als von der russ. Regierung gestattet wurde, neben den bis dahin allein bestehenden Staatsdruckereien auch Privatbuchdruckereien zu errichten, und als erster russ. Verleger kann Nowikow (s. d.) in Moskau [* 57] bezeichnet werden. Von dort kamen auch die Brüder Glasunow nach Petersburg [* 58] und errichteten daselbst 1785 die erste Buchhandlung (bis dahin hatte man Bücher nur von den Buchbindern bezogen), die noch gegenwärtig besteht. Petersburg bildete sich dann bald zum Centrum des russischen Buchhandel aus, nicht ohne Hinzuthun verschiedener ausländischer Buchhändler, namentlich Deutscher und Franzosen, die sich daselbst niederließen. Die letztern befaßten sich anfangs zwar nur mit der Einfuhr deutscher und franz. u. a. Litteratur, nahmen aber von Mitte des 19. Jahrh. an auch vielfach direkt am russischen Buchhandel als Verleger und ¶