Doch hatte er lange zu kämpfen, um die unruhigen
GroßenLothringens zu unterwerfen, und wurde auch wiederholt zur bewaffneten
Einmischung in die französischen Thronstreitigkeiten genötigt. Gleichzeitig unterstützte er
Otto in der Reichsregierung
und übte namentlich auf die Besetzung derBistümer maßgebenden Einfluß aus. Auf einem neuen Besuch
in
Frankreich, um seine hadernden
Neffen zu vergleichen, starb er 11. Okt. 965 in
Reims.
[* 6]
SeinLeben beschrieb
Ruotger in der
»VitaBrunonis« (abgedruckt in
Pertz'
»Monumenta Germaniae historica,
Scriptores«, Bd. 4; deutsch von
Jasmund, Berl. 1851).
Giordano (JordanusBrunus), berühmter
Philosoph, geboren um 1550 zu
Nola im
Neapolitanischen
(daher Bruno Nolanus), trat seiner freimütigen
Ansichten wegen 1580 aus dem Dominikanerorden,
dem er seit
Jahren angehörte, aus
und entfloh nach Genf;
[* 15] da er dort gleiche Unduldsamkeit und starre
Orthodoxie antraf, weiter nach
Lyon,
[* 16]
Toulouse
[* 17] und endlich 1582 nach
Paris, wo er mit Beifall philosophischeVorträge hielt, aber bald mit den Anhängern des
Aristoteles in
heftigen Streit geriet.
Hier gab er auch seine an mutwilligen Einfällen und komischen, oft cynischen
Zügen reiche
Komödie »Candelajo« (»Der
Lichtzieher«) heraus sowie einige philosophische
Schriften, größtenteils Bearbeitungen der
Logik und
Mnemonik des
Lullus. Bedrängt
von den Aristotelikern, begab er sich 1583 nach
London,
[* 18] wo er von dem französischen
GesandtenMichel de
Castelnau,
Herrn de la Mauvisière, wohlwollend aufgenommen wurde.
Dort schrieb er seinen
»Spaccio della bestia trionfante« (Par.
1584; engl. von
Toland, 1713; franz.
Auszug u. d. T.: »Le
[* 19] ciel réformé«
vom
AbbéLouisValentin de Vaugny, 1750),
drei Gespräche, in welchen die
Tugenden durch die
Laster, beide
als himmlische
Konstellationen dargestellt, vom
Firmament verjagt werden, mit satirischen
Anspielungen auf die
Hierarchie; »La
cena delle ceneri«, in welcher er als Verteidiger des kopernikanischen
Weltsystems und mit der Behauptung von der Mehrheit
bewohnter Weltkörper auftrat, und seine wichtigsten Werke:
»Della causa, principio ed uno« (Vened. 1584;
deutsch von
Lasson, Berl. 1873) und
»Del infinito universo e mondi« (Vened. 1584). Seine
Neigung zum unsteten
Leben trieb ihn 1585 abermals
nach
Paris, 1586 nach
Wittenberg,
[* 20] 1588 nach
Prag,
[* 21] wo er seine »Articuli centum et sexaginta contra mathematicos et philosophos«
und seine
Schrift
»De specierum scrutinio et lauripode combinatoria Raym. Lulli« herausgab, hierauf nach
Helmstedt, wo er eine Professur mit
Gehalt erhielt, die er aber schon im nächsten Jahr wieder aufgab, weiter nach
Frankfurt
[* 22] a. M. (1590),
Padua
[* 23] (1592) und endlich nach
Venedig,
[* 24] wo er 1598 von der
Inquisition ergriffen und nach
Rom ausgeliefert ward.
WegenAbfalls von der katholischen
Kirche und
Bruches der Ordensgelübde zum
Tod verurteilt, ward er in
Rom auf dem
Campo dei Fiori lebendig verbrannt.
SeinenRichtern rief er zu, sie fällten mit größerer
Furcht das
Urteil, als
er es empfange. Das befreite
Italien errichtete ihm als
Märtyrer der freien Überzeugung eine
Statue zu
Neapel,
[* 25] vor welcher
Studenten die päpstliche
Encyklika vom verbrannten.
Brun-Rollet - Bruns
* 26 Seite 3.523.
BrunosPhilosophie ist in ihrem logischen Teil eine Wiedererweckung der »großen
Kunst« des
Lullus, die er als unfehlbare
Methode sowohl zum
Finden als zum Behalten der
Wahrheit pries; in ihrem metaphysischen
Teil eine Verschmelzung der
Theorie des
Nikolaus von Cusa (s. d.) von der Entstehung des
Endlichen durch Selbsteinschränkung
des
Unendlichen mit dem kopernikanischen
Weltsystem, die er zu einer
¶
mehr
phantastisch-pantheistischen Naturphilosophie ausbildete. Grund und Ursache von allem ist nach ihm das Eine, in welchem Alles
und das selbst in Allem ist, weder stofflose Seele noch seelenloser Stoff, sondern beseelt und beseelend, natura naturans und
natura naturata, Kleinstes, weil es im Kleinsten, und Größtes, weil alles Kleinere in ihm ist, das ins
Unendliche sich ausdehnende, raumzeitliche Universum. EinesGottes im Sinn der von ihm verachteten peripatetischen Scholastiker,
eines extramundanen Bewegers bedarf es nicht; das All ist sein eigner Beweger und sein eignes Bewegtes ohne Anfang und Ende
in der Zeit wie ohne Grenze und Mittelpunkt im Raum.
Seine endlichen Teile sind die unzählbaren nebeneinander existierenden, relativ abgeschlossenen Welten,
deren eine unser (kopernikanisch um die Sonne
[* 27] als Zentrum sich bewegendes) Sonnensystem ist; Teile jeder derselben die rotierenden
planetarischen und kometarischen Weltkörper, deren einer unsre (exzentrische) Erde ist, und die sämtlich gleich dieser beseelt
und sich selbst bewegend und ihrerseits die Wohnstätte der beseelten und lebendigen Naturkörper bis
herab zu den kleinsten nicht weiter teilbaren metaphysischen Einheiten (Monaden) der Pflanzen-, Tier- und Menschenindividuen
sind.
Jedes der letztern stellt folglich eine (engste) Konzentration des gesamten Alls (die Welt im Kleinen) sowie dieses umgekehrt
eine schrankenlose Erweiterung des Einzelnen (des Individuums im Großen, monas monadum) dar; das Endliche
ist dem Unendlichen wie dieses jenem innerlich verwandt und daher das Ganze ebenso in jedem Teil wirkend wie der Mensch als
Teil des Universums im ganzen letztern »erkennend« gegenwärtig. Dem unzerreißbaren
Zusammenhang zwischen dem Größten und Kleinsten, Entferntesten und Nächsten, der ebenso Notwendigkeit als um der
schlechthinnigen Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Universums willen Freiheit heißen darf, im Realen entspricht das
ununterbrochene Aufsteigen vom Kleinsten zum Größten, vom Nächsten zum Fernsten (vom Menschen zur Gottheit) im Idealen; wie
der wirkende Einfluß vom ersten Grunde, dem Fernsten, so hebt die erkennende Einsicht von dem Eindruck der Sinne, dem
Nächsten, an, dort, um bis zu den nächstgelegenen Wirkungen hinab-, hier, um bis zu den höchsten Vernunftfolgerungen hinaufzusteigen.
Während aber das Ganze als Ganzes stets unverändert bleibt, sind die Teile desselben (die einzelnen Welten, Weltkörper und
Weltwesen) in steter Wandlung begriffen; die ganze Fülle der Möglichkeit, die im unendlichen Raum an den
verschiedensten Orten und Individuen zugleich nebeneinander existiert, wird an und von jedem derselben in der unendlichen
Zeit nacheinander verwirklicht. Folge davon ist, daß allmählich die Pflanzen- zur Tier-, diese zur Menschenseele etc., letztere
selbst aber stufenweise vom niedersten zum höchsten Grade der (erkennenden und sittlichen) Vollkommenheit emporsteigt. Diese
an Platon und die Stoiker anklingende, auch an Leibniz (bei welchem der AusdruckMonade für die metaphysischen Einheiten wieder
erscheint) mahnende, von Bruno mehr in mystischer Seher- als nüchterner Denkerweise vorgetragene Lehre
[* 28] ist unter den Neuern zuerst
von Jacobi im Anhang zu dessen »Spinoza« (Werke, IV, Abt. 1),
dann von Schelling im »Bruno« (Berl. 1802)
und Steffens (»Nachgelassene Schriften«, das. 1816) der Vergessenheit entrissen worden. Die Originalausgaben der
SchriftenBrunos sind selten. Die italienischen sind von Wagner in den »Opere di G. Bruno« (Leipz. 1830, 2 Bde.)
mit Einleitung herausgegeben, die
lateinischen von Fiorentino (Neap. 1883 ff.),
zum Teil auch von Gfrörer
in dem »Corpus philosophorum« (Stuttg. 1834-35) gesammelt. Die Schrift »De umbris idearum« (Par. 1582), die nur noch in vier
Exemplaren existiert, hat S. Tugini neuerdings (Berl. 1868) herausgegeben.
Vgl. Bartholmeß, Jordano Bruno (Par. 1846, 2 Bde.);