bei den Vögeln die vom Muttertier oder andern Tieren bewirkte Zuführung von Wärme zu den Eiern behufs der
Entwickelung des Embryos; im weitern Sinn auch die nämliche Erwärmung durch leblose Gegenstände. Das Brüten wird gewöhnlich
vom Weibchen, bei manchen Vögeln abwechselnd von beiden Geschlechtern oder nur vom Männchen besorgt;
es dauert bei den Kolibris nur 11-12 Tage, bei den Straußen 7-8 Wochen. Die Großfußhühner verscharren ihre Eier in eigens dazu
angehäuftem Moder, dessen Zersetzung die nötige Wärme hervorruft.
Bei vielen Reptilien leistet der von der Sonne erhitzte Sand die gleichen Dienste. Da die Eier, welche außerhalb
des mütterlichen Organismus zur Entwickelung gelangen, zu dieser Entwickelung im wesentlichen nur Wärme und für die Atmung
des jungen Tiers Luft bedürfen, die durch die Schale eindringt, so hat man sehr früh versucht, die mütterliche Wärme durch
künstliche zu ersetzen. Schon die alten Ägypter benutzten mit gutem Erfolg Brütöfen; auch in China
ist das Verfahren seit langem bekannt, und an andern Orten hat man die gleichmäßige Wärme des sich zersetzenden Mistes dazu
benutzt. Daß man auf solche Weise Vogeleier ausbrüten könne, war auch den Griechen
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und Römern bekannt. Im vorigen Jahrhundert wurde das künstliche in Frankreich und England wieder aufgenommen, und kurz vor der
französischen Revolution benutzte Bonnemain einen mit Wasserheizung versehenen Brütapparat und versorgte den Markt von Paris
mit vortrefflichem Federvieh in Jahreszeiten, wo sonst keine jungen Hühner zu haben waren. Im J. 1825 gelang
es d'Arcet, zu Vichy Hühnchen und Täubchen mittels der dasigen heißen Mineralwässer künstlich ausbrüten zu lassen. Er
legte die Eier in einen kleinen Korb, hing diesen in einem durch das heiße Mineralwasser erwärmten Badezimmer auf und drehte
die Eier alle Tage einmal um. Man hat seitdem sehr zahlreiche Apparate (Brütmaschinen) konstruiert, welche
dem Zweck mehr oder weniger vollkommen entsprechen.
Ein brauchbarer Apparat muß den Eiern während der ganzen Brütezeit eine konstante Wärme durch direkte Berührung, um der
durch Ausdünstung sonst entstehenden Trockenheit vorzubeugen, von oben mitteilen; die Eier müssen sich in einer feuchten Atmosphäre
befinden und hinlänglich mit frischer Luft versehen werden; man muß sie ohne Mühe jederzeit wenden
und untersuchen können, und schließlich muß der Apparat, welcher möglichst einfach sein soll, Räume für die ausgeschlüpften
Küchlein enthalten, die anfangs noch einer erhöhten Wärme bedürfen.
Versieht man die Brütmaschine mit einem Thermostat (s. d.), so werden sie unabhängig von der
Sorgsamkeit des Wärters. Manche von den vorgeschlagenen Apparaten funktionieren sicher und billig. Baumeyer in Dresden hat
besonders günstige Resultate erzielt. Er läßt warmes Wasser in Gummischläuchen zirkulieren und legt die Eier unmittelbar
unter letztere. Kleine Brütapparate werden mit Petroleum, größere mit Koks oder Braunkohle geheizt. Auch die Aufzucht der
jungen Hühner ist ihm gelungen.
Dieselben eignen sich für den Markt und auch für die fernere Zucht ebenso gut wie von Hennen ausgebrütete Küchlein. Trotz
aller Erfolge aber sind bisher nur wenig Brütmaschinen in der Praxis benutzt worden, weil die Aufzucht ohne Mutter stets viel
schwieriger ist. Man hat die Brütapparate hauptsächlich in zoologischen Gärten für wissenschaftliche
Zwecke und, in besondern Fällen, zum Ausbrüten seltener Rassentiere benutzt; aber in großen Hühnerzüchtereien zog man
immer noch das Ausbrüten durch Hennen vor und bediente sich dazu, um die Hühner nicht vom Eierlegen abzuhalten, der Truthennen,
welche zwei, drei, selbst vier Portionen Hühnereier hintereinander ausbrüten.
Dies geschieht besonders mit sehr gutem Erfolg in Frankreich. Wenn beim Brüten 1-2 Tage über die normale Brütezeit verstrichen
sind, so kann man die Eier, um sie zu prüfen, in lauwarmes Wasser legen. Diejenigen, welche lebende Junge enthalten, zeigen
dann eine hüpfende Bewegung und müssen sofort der Brüterin oder der Maschine wieder untergelegt werden.
Vgl. Öttel, Der Hühner- oder Geflügelhof (6. Aufl., Weim. 1879);
Derselbe, Über künstliche Brut von Hühnern etc. (das.
1874);
Krantz, Praktische Anleitung zur künstlichen Ausbrütung (2. Aufl., Berl.
1874);
Baumeyer, Das künstliche Ausbrüten und die Hühnerzucht (Hamb. 1876, 2. Aufl. 1887);
Grünhaldt, Die künstliche
Geflügelzucht (2. Aufl., Dresd. 1880).
nennt man die Einwirkung des elterlichen Organismus auf das aus den Geschlechtsorganen
ausgestoßene Ei, wovon die Entwicklung desselben zu einem selbständigen Organismus abhängt. Es kommt diese Einwirkung bei
den verschiedensten Tieren vor, bei den niedern meist in der Weise, daß die Eier dem Körper der Mutter bis zur vollständigen
Entwicklung der Jungen entweder angeheftet bleiben oder sogar in besondern Taschen verwahrt werden. So schleppen
die Wolfsspinnen ihre Eier in einem gesponnenen Sacke am Hinterleibe mit sich, während bei vielen Krebsen dieselben an fadenförmigen
Fußfortsätzen angeklebt sind.
Dann kommen aber bei Quallen, Seeigeln, Seesternen, Holothurien, Ringelwürmern, vielen Krebstieren, bei einigen Fischen,
ja selbst bei Kröten (Pipa) und Fröschen (Notodelphys) besondere Taschen vor, in welchen die Eier ihrer
Entwicklung harren, oder es werden auch anderweitige Organe, wie z. B. die äußern Kiemenblätter
der Flußmuscheln (Unio), zu diesem Zwecke benutzt. Bei einigen Tieren sind es ausnahmsweise die Männchen, die diesem Geschäft
vorstehen. So wickelt sich die männliche Geburtshelferkröte (Alytesobstetricans Wagl.)
die Eierschnüre um die Beine, und die männlichen Seepferdchen (Hippocampus) haben einen Beutel, die Seenadeln (Syngnathus)
Gruben mit Hautfalten außen am Bauche, worin sie die Eier ausbrüten.
Bei den niedern Tieren ist der Zweck der Brutpflege teils der Schutz der Nachkommenschaft, oft aber auch die Herbeiführung
von Nahrungsstoffen, Luft oder Wasser, in welchem die sich entwickelnden Eier oder Larven atmen. So können
sich z. B. die Eier vieler Krebse nur in stark strudelndem Wasser entwickeln, das ihnen durch die beständige Bewegung der mütterlichen
Bauchfüße, an welche die Eier geheftet sind, zugeführt wird.
Bei den höhern Tieren scheint durch die Brütung
namentlich die Erhaltung eines gleichmäßigen höhern Wärmegrades beabsichtigt.
Während die meisten Schlangen ihre Eier in Sand oder Mist legen (die Ringelnattern), rollen sich die Riesenschlangen (Python)
in einen hohlen Kegel darüber und entwickeln eine höhere Wärme. Die Vögel brüten fast allgemein, und die Brütung ist
bei ihnen fast stets mit wichtigen Veränderungen des Organismus verbunden. Es entstehen Kongestionen nach
dem Unterleibe und daher erhöhte Temperatur desselben. Zugleich fallen entweder die Federn, welche die schnelle Übertragung
der Wärme hindern würden, an gewissen Stellen (Brutflecken) aus, besonders bei den dichtgefiederten Schwimmvögeln, oder
der Vogel zieht sie sich selbst aus und verwendet sie zur Ausfütterung des Nestes (z. B. die Eiderente,
s. d.). Zugleich entwickelt sich ein so heftiger Affekt, daß das Weibchen, nur auf das Brüten bedacht, zuweilen selbst Nahrung
zu nehmen versäumt, darüber abmagert, oder auch den Eiern freiwillig in die Gefangenschaft folgt. Als Ausdruck dieser Steigerung
oder Veränderung ist es auch anzusehen, daß viele Arten Vögel während des Brüten einen hohen Grad Mut entwickeln,
der sich bei schwächern passiv zeigt, indem sie bei der Annäherung von Menschen ruhig auf den Eiern sitzen bleiben, andere
aber zur entschlossensten Verteidigung befähigt, obgleich sie sonst zu den furchtsamern und schwächern gehören.
Die bei dem Brüten der Vögel vorzugsweise einwirkende Kraft ist die Wärme des mütterlichen Körpers. Sie
ist darum nicht mit Schärfe in Graden der thermometrischen Skala anzugeben, weil sie sich keineswegs zu allen Zeiten gleich,
nicht bei allen Vögelfamilien dieselbe ist, und außerdem der Instinkt den brütenden Vogel dahin leitet, daß er die hohe
Temperatur vermindert durch eigene Entfernung auf kurze Zeit, durch Umwenden der Eier, durch Wegschieben der mittelsten nach
dem Rande des Nestes u. s. w. Im übrigen entspricht jedesmal die Festigkeit, Dichtigkeit und innere Einrichtung des Nestes
dem Grade der Brütewärme, dessen die Eier und Jungen zur gedeihlichen Entwicklung bedürfen. Im allgemeinen beträgt
die Brütwärme zwischen 36-41° C., ist in der ersten Periode des Brüten niedriger oder doch nicht notwendig so hoch wie später,
durchschnittlich aber höher bei den entwickeltern Familien, z. B. Raubvögeln, Singvögeln, als bei den weniger sensibeln,
den Wasservögeln. Es ist übrigens dafür gesorgt, daß der brütende Vogel, wenigstens im Anfang dieses
Geschäfts, die Eier einige Zeit verlassen kann, ohne daß diese hierdurch leiden.
Einmal ist Eiweiß an sich ein schlechter Wärmeleiter, und außerdem sind solche Eier, welche vermöge des einfachen Nestbaues
oder der Nähe von erkältenden Medien (z. B. die Eier vieler am Wasser brütenden Schwimmvögel) leiden könnten, mit starken,
bisweilen außen öligen oder schwammigen Schalen versehen. Die Dauer der Brütung scheint mit der Größe
des Vogels und seiner Eier, der Geschlossenheit und Wärme seines Nestes in Verbindung zu stehen; daher brüten kleine Singvögel
11-17 Tage, Pfauen 30-31 Tage, der afrik. Strauß 45-50 Tage. Nicht bei allen Vögeln versieht das Weibchen
allein das Brutgeschäft. Bei monogamischen nimmt das Männchen insofern Anteil, als es das Nest beschützt und dem Weibchen
Futter zuträgt, oder sich abwechselnd auf die Eier setzt, wie bei Tauben,
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Sperlingen, Meisen u. v. a. Bei einigen Vögeln (z. B. bei den Schnepfenformen Rhynchaea, Phalaropus) brüten die Männchen allein.
In Polygamie lebende Männchen sind aber eher ihrer Nachkommenschaft feindlich und suchen die Eier zu zertreten, was dann
das Weibchen, z. B. die Truthenne, veranlaßt, diese zu verbergen. Die meisten Vögel brüten jährlich
nur einmal und nisten gewöhnlich einzeln; wenige legen ihre Eier in ein gemeinschaftliches Nest und brüten gemeinschaftlich.
Nur die meisten Kuckucke und echten amerik. Kuhvögel oder Kuh-Trupial (Molothrus) legen ihre Eier in fremde Nester und überlassen
die weitere Sorge den Stiefeltern. Auch die Talegalla in Australien bebrütet ihre Eier nicht, bereitet
ihnen aber auf eine merkwürdige Weise eine solche Lagerstätte, welche die mütterliche Wärme vollständig ersetzt. Mehrere
Weibchen werfen nämlich durch eifriges Scharren mit den Füßen, indem sie von einem Mittelpunkte ausgehen und in stets
erweitertem Kreise fortschreiten, alles abgefallene Baumlaub und selbst angewurzelte Gräser hinter sich auf einen Haufen,
welcher endlich einen 1-1,25 m hohen und 2,5-3 m breiten, flachen Kegel bildet, wozu eine Arbeit von mehrern Wochen nötig
sein muß.
Hat nun das feuchte Laub, welches hier sich zu erhitzen beginnt, den nötigen Wärmegrad entwickelt, so öffnen die Weibchen
durch die modernden Schichten armestiefe Löcher, welche, in regelmäßiger Entfernung von 20 bis 30 cm
voneinander gestellt, zur Aufnahme der Eier dienen, die alle, mit dem stumpfen Ende nach oben gerichtet, völlig senkrecht
stehen und zuletzt sorgfältig bedeckt werden. In einem einzigen solchen Brüthaufen sollen schon 18-20 l dieser Eier gefunden
worden sein, denen Eingeborene wie Kolonisten Australiens wegen ihres Wohlgeschmacks sehr nachstellen.
Die sorgfältigste Beobachtung der während des Brüten im Ei (s. d.) vorgehenden Veränderungen ist nicht nur von allgemeinem Interesse,
sondern darum von besonderer Wichtigkeit, weil auf diesem Wege die Bildungsqeschichte des Fötus am leichtesten sich studieren
läßt und man, auf ihm vergleichend fortgehend, zu richtigen Folgerungen hinsichtlich der Bildung solcher
Fötus gelangt, deren Ausbrütung eine innerliche und darum schwerer zu verfolgen ist. Es ist daher dieser Teil der Physiologie
in neuern Zeiten mit besonderm Fleiß und Scharfsinn bearbeitet worden.
Man bedient sich zu dem Zwecke der künstlichen Ausbrütung in den physiol. und zoolog.
Laboratorien besonderer, mittels Gasfeuers in möglichst gleichmäßiger Temperatur erhaltener Maschinen,
sog. Brütmaschinen oder Brütapparate. Des ökonomischen Nutzens wegen hat man seit alten Zeiten, besonders in China und Ägypten,
Hühnereier künstlich ausgebrütet in Kammern aus Lehm, die mittels großer, aus Ziegelsteinen zusammengesetzter und in die
Erde hineingebauter Öfen (Brütofen) täglich 3-4 Stunden lang stark geheizt werden.
Die meist bloß nach dem Gefühl abgeschätzte Temperatur vermindert man nötigenfalls durch Öffnung von Luftzügen. Die
Eier liegen am Boden auf Stroh, werden alle 6 Stunden umgewendet, nach 10 Tagen untersucht und die gut befundenen in eine höhere,
wärmere Abteilung desselben Gemachs gelegt. Nach Plinius' Bericht erzielten die alten Ägypter auf solche
Weise jährlich an 100 Mill. junge Hühner. Die Vorrichtungen, welche Réaumur, Copineau u. a. erdacht, z. B.
In einem mit Mist umgebenen Fasse
Körbe mit Eiern aufzuhängen, mißglückten, ebenso ein Versuch von Bornes, der 1829 in
Paris Brütofen anlegte, die er mit kochendem Wasser heizen wollte. Seitdem man indessen die Bedingungen
der künstlichen Brütung, nämlich Erhaltung einer gleichmäßigen, der Blutwärme nahe kommenden Wärme und geregelten Zutritt
atembarer Luft, deren Sauerstoff dem im Ei sich entwickelnden Jungen nötig ist, besser studiert hat, sind auch geeignete Brütöfen
in Europa gebaut worden, und man wendet fast überall, wo Geflügelzucht im Großen betrieben wird, die
künstliche Brütung mit Erfolg an.
Vgl. Öttel, Der Hühner- oder Geflügelhof (7. Aufl., Weim. 1887);
Cantelo, über künstliche Brut von Hühnern u. s. w. (aus
dem Englischen von Öttel, ebd. 1874);
Krantz, Praktische Anleitung zur künstlichen Ausbrütung (2. Aufl., Berl.
1874).