Titel
Brüssel
[* 1] (franz. Bruxelles, hierzu der Stadtplan), die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Belgien, [* 2] zugleich die Hauptstadt der Provinz Brabant sowie der ehemaligen österreichischen, früher spanischen Niederlande, [* 3] liegt 15 m ü. M., unter 50° 51' 10'' nördl. Br. und 4° 22' 13'' östl. L. v. Gr., an der Senne, einem Nebenflüßchen der Schelde, aus welchem der mitten in der Stadt von vier Bassins ausgehende schiffbare Kanal [* 4] von Willebroek in die Rupel führt, wodurch die Stadt mit der Schelde und folglich auch mit Antwerpen [* 5] in Verbindung steht, während ein andrer Kanal nach Charleroi geht und in die Sambre mündet.
Das Klima [* 6] ist feucht und veränderlich, die mittlere Jahrestemperatur 9,94° C. (im Winter 2,87°), die mittlere Regenhöhe 71,2 cm. Die Stadt liegt in fruchtbarer und gut angebauter Gegend, beinahe in der Mitte des Landes und besteht aus einem nordwestlichen untern Teil, welcher von mehreren Armen der Senne und von Kanälen durchschnitten ist, und einem südöstlichen obern Teil, welcher die aus dem Thal [* 7] der Senne sanft ansteigende Höhe bedeckt. Sie hat einen Umfang von fast 8 km; als Einfassung ziehen sich ringsherum mit doppelter Reihe von Bäumen besetzte Boulevards, die ehemaligen Wälle.
Jenseit derselben breiten sich die volkreichen Vorstädte mit regelmäßigen und breiten Straßen aus, an die sich weiter hinaus eine Anzahl (7) industrieller Dörfer und Gemeinden anschließen, die allmählich mit der Stadt verschmelzen. Rechts und links des Sennebettes laufen breite, gewölbte Kanäle zur Aufnahme der städtischen Kloaken; das Sennebett selbst ist in neuerer Zeit ebenfalls überwölbt und über demselben ein die Unterstadt in ihrer ganzen Breite [* 8] durchziehender Boulevard angelegt worden. Die beiden Hauptteile der Stadt sind durch Charakter und Bevölkerung [* 9] durchaus verschieden.
Die Oberstadt, der schönste und gesündeste Teil, wird von der Adels- und Geldaristokratie bewohnt; hier sind die Paläste des Königs und der Kammern, die stattliche, aber einförmige Rue Royale, die Rue de la Loi und die Rue Ducale mit den Büreaus der Ministerien, die Place Royale mit dem 1848 aufgestellten Reiterstandbild Gottfrieds von Bouillon (von Simonis), den großen Gasthöfen und dem Palast des Grafen von Flandern, das neue, glänzende Quartier Léopold etc.; Sprache [* 10] und Sitte sind größtenteils französisch.
Die noch vielfach enge und winkelige Unterstadt ist dagegen der Sitz des Handels und der Gewerbe und charakterisiert sich durch vlämische Sprache und Sitte. Bezeichnend ist für sie und ihre alte Bedeutung der große Marktplatz (Grande Place), der mit seinem prächtigen Rathaus, den imposanten Zunfthäusern und seinem sonstigen Reichtum an mittelalterlicher Architektur einen Anblick von höchstem Interesse gewährt. Auch die Unterstadt erhält, zumal nach der Anlage der neuen Boulevards, immer mehr ein modernes Gepräge.
Ober- und Unterstadt sind unter andern durch die viele glänzende Läden enthaltende Rue de la Madeleine verbunden. In der Mitte der Oberstadt liegt der von Maria Theresia angelegte große Park von 13 Hektar Flächeninhalt, mit prachtvollen Laubgängen, Wasserbecken und Marmorstatuen, in den Septembertagen 1830 ein Hauptkampfplatz. Andre Plätze sind: die Place de la Monnaie;
die Place des Martyrs mit dem Denkmal der im September 1830 gefallenen Freiheitskämpfer, von einer (von Geefs modellierten) befreiten Belgia gekrönt;
die Place St.-Joseph und Place de l'Industrie;
die Place du Grand-Sablon und die du Petit-Sablon, auf welcher das Denkmal der Grafen Egmont und Hoorn steht (das sich früher auf der Grande Place befand, s. Tafel »Bildhauerkunst [* 11] X«, [* 12] Fig. 9), inmitten schöner Gartenanlagen, welche von einem eisernen, mit Bronzestatuen geschmückten Gitter umgeben sind;
die Place des Barricades mit dem Standbild des Anatomen Vesalius;
endlich die Place du Congrès mit der 1859 errichteten, das Standbild Leopolds I. (von Geefs) tragenden dorischen Konstitutionssäule (45 m hoch).
Von Kirchen verdienen Erwähnung: in der Oberstadt die gotische Kathedrale zu St. Gudula und St. Michael, die bedeutendste Kirche der Stadt, eine Art Basilika [* 13] aus dem 13.-15. Jahrh., mit Chorumgang und tiefen, kapellenartigen Seitennischen, zwei schönen, aber unvollendeten Türmen auf der Westseite und zwei Kapellen (das Ganze 1848-56 restauriert);
ferner die im antiken Stil 1776-85 erbaute Kirche St.-Jacques auf dem Coudenberg (Kaltenberg) an der Place Royale, mit Säulenhalle und den Standbildern Moses' und Davids (zur Zeit des Konvents Tempel [* 14] der Vernunft);
die Kirche Notre Dame des Victoires (aus dem 14.-16. Jahrh., auch Notre Dame de Sablon genannt, gegenwärtig restauriert) und die gotische Kirche Notre Dame de la Chapelle (aus dem 13.-15. Jahrh.) mit ¶
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wertvollen Wand- und Ölgemälden;
in der Unterstadt die neuerbaute St. Katharinenkirche;
die Eglise du Béguinage (mit einer Kolossalstatue Johannis des Täufers von Puyenbroek);
die durch ihr schönes Portal ausgezeichnete Kirche Notre Dame de Finisterre;
die Kirche Notre Dame de Bon Secours (1621 nach der Santa Casa von Loreto in Italien [* 16] auf Veranlassung der Infantin Isabella aufgeführt);
die neue prächtige Kirche der heiligen Jungfrau (im romanischen Stil mit achteckiger Grundform nach den Plänen von Ovenstraeten erbaut) mit schlanken, durchbrochenen Türmen;
die Kirche St. Joseph (im Renaissancestil, 1849 erbaut und von den Redemptoristen benutzt) mit einem Altarbild von Wiertz u. a. Die von der niederländischen Regierung dem evangelischen Kultus eingeräumte Augustinerkirche (aus dem 17. Jahrh.) dient gegenwärtig als Hauptpostamt.
Einige protestantische Kapellen sind unansehnlich; eine neue Synagoge ist 1878 von de Keyser erbaut.
In der Oberstadt sind die bemerkenswertesten Profanbauten: der königliche Palast, am Park, ein wenig ausgezeichnetes Bauwerk aus dem vorigen Jahrhundert, das kürzlich durch einen neuen Flügel vergrößert wurde (es enthält im Innern eine Sammlung von Gemälden von zum Teil hervorragendem Kunstwert);
der frühere Palast des Prinzen von Oranien (Palais Ducal), jetzt Eigentum des Staats, mit einer Sammlung von Gipsabgüssen und den Sitzungssälen der Akademie der Wissenschaften;
der Nationalpalast, von Maria Theresia 1779-83 für die alte Ratsversammlung von Brabant erbaut, 1817 bis 1830 Palais der Etats Généraux, jetzt Sitzungslokal der belgischen Kammern, nach dem Brand von 1883 neuerbaut (mit einer Statue König Leopolds von Geefs).
An der Place du Musée steht der »alte Hof«, [* 17] der von 1731 an, nach Einäscherung des alten Palastes, Residenz der österreichischen Statthalter war, jetzt die berühmte Gemäldesammlung (Musée) und ein Naturalienkabinett enthält. Daran stoßen das Musée de l'industrie nebst Industrieschule und die kostbare königliche Bibliothek (s. unten) mit einer Kupferstichsammlung (im Hof des Palastes steht das 1846 errichtete Denkmal des österreichischen Generalstatthalters Karl von Lothringen, von Jehotte).
Noch sind hervorzuheben: das Universitätsgebäude (der ehemalige Palast des Kardinals Granvella) mit dem Standbild Verhaegens, eines Mitbegründers der Universität;
der herzoglich Arenbergsche Palast (1548 erbaut, einst die Wohnung des Grafen Egmont) mit Gemäldesammlung;
das Gefängnis Les Petits-Carmes (1847 im englisch-gotischen Stil nach dem Zellensystem erbaut auf der Stelle eines 1811 niedergerissen Karmeliterklosters, in dessen Nähe ehemals das gräflich Kuylenbergsche Haus, der Versammlungsort der aufständischen niederländischen Edelleute unter Philipp II., stand);
ferner der neue Justizpalast, ein Bau von kolossalen Verhältnissen nach den Plänen des Architekten Poelart, und das zierliche Blindeninstitut, mit halbgotischem Glockenturm (von Cluysenaar erbaut).
Endlich enthält die Oberstadt auch noch den Überrest der ehemaligen Befestigung, die Porte de Hal am Ende der Rue haute (1381 erbaut und kürzlich restauriert), die zu Albas Zeit als Kerker diente, jetzt eine Waffen- und Altertümersammlung enthält.
Die Unterstadt enthält die vorzüglichsten ältern Bauwerke Brüssels.
Hier prangt an dem 110 m langen, 68 m
breiten Marktplatz das herrliche Rathaus (Hôtel de Ville), das merkwürdigste Gebäude Brüssels.
Es bildet ein Viereck
[* 18] von 60 m
Länge und 50
m Tiefe, das einen Hof mit zwei Marmorbrunnen umschließt, und kehrt seine Fronte (im gotischen Stil 1402-43 erbaut)
dem Markt zu. Auf der Vorderseite, doch nicht in der Mitte, erhebt sich ein schöner, 114 m hoher Turm,
[* 19] den als Wetterfahne die 5 m hohe
[* 15]
Figur des Erzengels Michael aus vergoldetem Kupfer
[* 20] krönt.
Auch die andern Seiten des Marktes zeigen, wie erwähnt, mehrere sehr ansehnliche und interessante mittelalterliche Gebäude, namentlich die alten Zunfthäuser (das Haus der Brauer, der Bogenschützen, der Schiffer, der Zimmerer etc.) und das uralte sogen. Brothaus (auch Maison du Roi genannt), in welchem Egmont und Hoorn in der Nacht vor ihrer Hinrichtung, die aus dem Marktplatz stattfand, gefangen saßen. Andre hervorragende Gebäude der Unterstadt sind: das Theater [* 21] (1817 erbaut, im Innern nach dem Brand von 1855 ganz umgeändert) mit einem Portikus von acht ionischen Säulen [* 22] und mit herrlichem Giebelrelief (von Simonis);
die königliche Münze;
die neue Börse (im Renaissancestil nach dem Plan des Baumeisters Suys);
das St. Johannishospital (in einfach edlem, aber großartigem Stil, mit Raum für 600 Kranke) etc.
Prächtig ist die Galerie oder Passage St.-Hubert, ein 1847 angelegter, mit Glas
[* 23] gedeckter, 213 m langer, 8 m
breiter und 18 m hoher Gang,
[* 24] der den Marché aux Herbes mit der Rue de l'Ecuyer verbindet und die glänzendsten Kaufläden, Cafés
etc. enthält. Auch mehrere überdeckte Gemüse- und Fruchtmärkte (marchés couverts) besitzt Brüssel
(den ersten, Marché
de la Madeleine, seit 1848) sowie seit 1842 große Abattoirs oder Schlachthäuser. Ein anderer bedeckter Markt für Lebensmittel
(Halles centrales) ist neuerdings vollendet worden.
Auch die große Kaserne Petit-Château und das Entrepôt Royal (Warenlager und Zollamt) sind noch zu erwähnen. In den Straßen befinden
sich 30 Springbrunnen, darunter auf einem Eckbrunnen hinter dem Rathaus das Wahrzeichen Brüssels
, der sogen.
Manneken-Pis, der für die Brüsseler
ein Gegenstand besonderer Verehrung ist. Es ist ein nicht ganz 1 m hoher, 1619 nach
einer Zeichnung von Dusquesnoy ausgeführter Cupido, der nach altem Herkommen an hohen Festtagen bekränzt und bekleidet wird
und dazu acht Anzüge (darunter einen Napoleonshut) besitzt; Ludwig XV. hat ihm sogar das Ludwigskreuz
verliehen.
Die Bevölkerung Brüssels
hat seit der Selbständigkeit Belgiens stark zugenommen; sie betrug 1824: 84,000, 1846: 123,874,
1856: 152,828, 1866: 157,905, 1876: 161,816 und 1884: 168,029 Einw., mit den sieben angrenzenden
Gemeinden (Etterbeek, Ixelles, St.-Gilles, Anderlecht, Molenbeek, Schaerbeek und St.-Josseten Noode) 1882:
388,781 Einw. In der Stadt selbst stieg die Dichtigkeit der Bevölkerung pro Hektar von (1846) 139 Einw. auf (1881) 185. Die
Bewegung der Bevölkerung betrug 1882:
Brüssel |
Vororte | |
---|---|---|
Lebendiggeborne | 5809 | 7452 |
Totgeborne | 369 | 322 |
Trauungen | 1729 | 1911 |
Ehescheidungen | 50 | 47 |
Todesfälle | 4808 | 4244 |
Von den Lebendiggebornen waren in Brüssel
selbst 28,5 Proz.
unehelich, in den Vororten nur 15 Proz. Der natürliche Zuwachs der Bevölkerung betrug in Brüssel
0,5 Proz., in den Vororten 1,3
Proz. Auf 1000 Einwohner kamen in der Stadt 29 Todesfälle, in den Vororten noch nicht 20. In der Stadt selbst gab es 1880:
17,643 bewohnte Häuser (1866: 17,641) mit 44,784 Haushaltungen (1866: 44,116). Die
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Bevölkerung ist fast ausschließlich katholisch; es gibt nur ca. 6000 Protestanten und wenige Juden. Von Ausländern sind etwa
12,000 Deutsche
[* 26] und 4000 Engländer. Brüssel
ist eine Fabrik- und Handelsstadt von großer Bedeutung. Unter den Fabrikationszweigen
steht obenan die Spitzenklöppelei (Brabanter oder Brüsseler
Spitzen), die von mehreren Tausend Familien in und
um Brüssel
betrieben wird und das Vollendetste in dieser Art Arbeit liefert; der Flachs dazu wächst bei Hal (der beste bei dem Ort
Rebecque).
Den zweiten Rang in der Fabrikation behaupten die Wollzeug- (Tuch, Decken, Coatings, Kalmucks, Borys, Kirseys, Kamelotts, gewirkte
Tapeten) und Baumwollwaren (Kattune, Pikees, Musseline, Siamoisen etc.). Ausgebreiteten Ruf genießen auch
die Brüsseler
Spielkarten, die dortigen Papierfabrikate und mehr noch die Wagen und Kutschen. Außerdem fabriziert man Seife,
Talg- und Wachslichte, Hüte, Gold- und Silberwaren, Nadeln,
[* 27] Porzellan, Fayence,
[* 28] Glas, Zucker,
[* 29] Band,
[* 30] Posamentier- und Galanteriewaren,
Borten, Leder etc. Der Handel Brüssels
beschäftigt sich nicht allein mit den angeführten Fabrikaten und
den reichen Produkten der Umgegend, Getreide,
[* 31] Klee-, Lein- und Rübsamen, Flachs, Bausteinen etc., sondern die Stadt nimmt von
Antwerpen aus auch bedeutenden Anteil an Handelsunternehmungen zur See, welcher Verkehr durch den aus dem 16. Jahrh. herrührenden
Kanal über Vilvorde zur Schelde, der zugleich den Hafen von Brüssel
bildet, und den über Hal zur Sambre sehr begünstigt
wird.
Hauptlebensadern sind ihm in neuerer Zeit die Eisenbahnen geworden, deren sechs (von Antwerpen, Ostende,
[* 32] Lille,
[* 33] Charleroi, Namur
[* 34] und Lüttich)
[* 35] hier zusammentreffen. Zu seiner Unterstützung und Förderung dienen außerdem in Brüssel
eine Börse, mehrere Banken
(darunter die Nationalbank, seit 1850, mit einem Kapital von 50 Mill. Frank, das noch vermehrt werden kann,
einer Filiale in Antwerpen und zahlreichen Zweigkontoren und Agenturen) sowie sehr frequente Märkte. Die Versorgung der Stadt
mit Gas, welche 1842 einer englischen Gesellschaft übertragen war, ist 1875 in den Besitz der Stadt selbst übergegangen.
Unter den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten verdienen vornehmlich Erwähnung: das Institut für Taubstumme und Blinde;
das St. Johannishospital;
das Hospice des vieillards, ein Verpflegungshaus für 600 Greise, mit eigner Kirche;
das reichdotierte, 1568 gestiftete Findelhaus und die Hospitäler St. Peter und St. Gertrud.
Unter den öffentlichen Anstalten für Wissenschaft und Kunst steht die 1834 gegründete sogen. freie Universität mit vier Fakultäten und 1881/82: 1232 Studenten obenan (vgl. Vanderkindere, L'université de Bruxelles 1834-84, Brüss. 1884). Die polytechnische Schule (seit 1873) zählte 1881/82: 109 Hörer. Vorbereitungsanstalt für dieselbe ist ein königliches Athenäum; in den Vororten Ixelles, wo gegenwärtig ein Athenäum errichtet wird, und Schaerbeek gibt es je eine höhere Knabenschule.
Ferner bestehen in Brüssel
eine Akademie der Wissenschaften und schönen Künste (Académie royale de Bruxelles, 1774 gegründet),
eine höhere Militärschule, eine Industrieschule, das bischöfliche Institut St.-Louis (Seminar), eine Akademie für Malerei, Bildhauerei
und Architektur, ein Konservatorium für Musik, eine Veterinärschule, eine treffliche Sternwarte
[* 36] (1830-74, unter Quételets Direktorium),
ein botanischer Garten
[* 37] (1830 eröffnet). Der Volksunterricht steht noch auf niedriger Stufe, obwohl im
letzten Jahrzehnt dank den Fortbildungsschulen und Volksbibliotheken ein
großer Fortschritt zu bemerken ist.
In der Nähe des ehemaligen zoologischen Gartens steht, in Form einer künstlichen Ruine, das Musée Wiertz, ehemals Landhaus und Atelier des gleichnamigen Künstlers, das nach dessen Tod (1865) in den Besitz der Regierung überging und eine Reihe seiner interessantesten Bilder, zum Teil auf die Wand gemalt, enthält. Unter den übrigen Kunstsammlungen, deren schon oben gedacht wurde, ist das Musée de peinture im Alten Hof, welches ca. 400 Bilder von ältern Meistern enthält (darunter 12 von Rubens, andre wertvolle Schöpfungen von Weenix, Cuyp, Joh. van Eyck, Rembrandt, van Dyck etc.), die bedeutendste; eine besondere Abteilung davon bildet das Musée moderne (mit de Keysers Schlacht von Worringen, der Abdankung Karls V. von Gallait und dem Kompromiß von 1565 von Bièfve).
Die königliche Bibliothek besteht aus zwei Abteilungen: der der Handschriften, welche im wesentlichen die berühmte Bibliothèque de Bourgogne, von Philipp dem Guten von Burgund im 15. Jahrh. gestiftet, umfaßt und an 22,000 Nummern zählt, und der Abteilung der gedruckten Bücher, die etwa 400,000 Bände stark ist. Außerdem besitzt die Bibliothek eine Kupferstichsammlung von ca. 100,000 Blättern und eine Medaillensammlung von etwa 12,000 Stück. Auch zahlreiche Gesellschaften und Vereine, welche teils wissenschaftliches Zusammenwirken, teils künstlerische Ausbildung bezwecken (z. B. die Medizinische und Naturforschende Gesellschaft, die Gesellschaft zur Aufmunterung der schönen Künste, die Musikalische Gesellschaft und neuerdings die Geographische Gesellschaft), bestehen in Brüssel. Es ist Vaterstadt vieler in Wissenschaften und Künsten ausgezeichneter Männer und Frauen, z. B. des berühmten Anatomen Andreas Vesalius, des Geschichtschreibers H. Hugo, des Naturforschers J. B. ^[Johan Baptista] van Helmont, des Mathematikers Fr. Aguillon. Brüssel ist Sitz der höchsten Staatsbehörden und eines Provinzialgouverneurs sowie der fremden Gesandtschaften und eines deutschen Konsuls. Was die Finanzen betrifft, so waren 1885 veranschlagt die Einnahmen mit 31,312,402, die Ausgaben mit 31,153,054 Frank, wovon 10½ Mill. außerordentliche. Fast 10 Mill. waren für öffentliche Arbeiten bestimmt. Die Verzinsung der Stadtschuld erforderte nur 250,000 Fr.
Unter den Spaziergängen sind außer den Boulevards die Avenue Louise und das Bois de la Cambre zu erwähnen, die an schönen Sommerabenden von Besuchern zu Roß, zu Wagen und zu Fuß wimmeln, endlich die 1707 angelegte Allée verte, eine vierfache Lindenallee, die längs des Scheldekanals ca. 4 km sich hinzieht und ehedem ebenfalls ein Hauptsammelpunkt der vornehmen Welt war, jetzt aber ziemlich verlassen und verrufen ist. Von da aus führt der Weg nach Laeken (s. d.).
Geschichte.
Im 7. Jahrh. gründete der heil. Gerald, Bischof von Cambrai, auf einer Insel der Senne, der jetzigen Place St.-Gery, eine Kapelle, um welche sich eine Ortschaft bildete, die schon 900 einen Markt hielt, ein Kastell hatte und Bruxella oder Bruchsella genannt wurde; es war damals eine kaiserliche Pfalz und gehörte dann den von den Herzögen von Lothringen lehnsabhängigen Grafen von Löwen, [* 38] die den Titel Grafen von Brüssel annahmen. Seit der Mitte des 11. Jahrh. war die Stadt Residenz der Herzöge von Niederlothringen und Brabant. Herzog Johann III. erweiterte die Stadt 1361 und verstärkte ihre Befestigung. Die Kastellane des Schlosses von Brüssel hießen Burggrafen, später Vikomten. ¶