Broglie
(spr. brollj oder brolljih), eigentlich
Broglio oder Broglia, alte piemont. Familie, aus der sich
General François
Marie
Graf von Broglie
, gest. 1656, in
Frankreich niederließ. Dessen Sohn Victor
Maurice focht mit Auszeichnung unter
Ludwig XIV.
und starb als Marschall 1727. Sein Sohn, François Marie,
Herzog von Broglie
, Marschall von
Frankreich, geb. zu
Paris,
[* 2] nahm seit 1689 an allen Feldzügen in den
Niederlanden,
Deutschland
[* 3] und
Italien
[* 4] ruhmvollen Anteil und stieg 1734 zum Marschall
auf. Im
Österreichischen Erbfolgekriege kommandierte
Broglie
das franz. Hilfsheer im
Winter 1741-42 in
Böhmen,
[* 5] verteidigte
Prag
[* 6] tapfer, erhielt an
Stelle des Marschalls Bellisle den Oberbefehl,
erwies sich aber im Laufe des
Krieges als ein wankelmütiger, unentschlossener Feldherr und zog sich schließlich durch die
Räumung
Bayerns und durch seinen Rückzug über den Rhein die
Ungnade seines
Hofes zu. Broglie
starb nachdem ihm 1742 die
erbliche Herzogswürde verliehen worden war.
Victor François,
Herzog von Broglie
, sein ältester Sohn, Marschall von
Frankreich, geb. begann
in den
Schlachten
[* 7] von Guastalla und Parma
[* 8] des poln. Thronfolgekrieges 1734 seine militär.
Laufbahn und zeichnete sich 1741 beim
Überfall von
Prag aus, focht 1746-48 in Flandern und wurde 1748 Generallieutenant. Im
Siebenjährigen
Kriege kämpfte er 1757 unter d'Estrées bei Hastenbeck und unter
Soubise bei Roßbach
[* 9] und als Oberbefehlshaber bei
Bergen.
[* 10]
Zur Belohnung für den hier erfochtenen Sieg ward er vom Kaiser zum deutschen Reichsfürsten ernannt. Nach der Erstürmung Mindens 9. Juli wurde er Marschall von Frankreich und Oberbefehlshaber der deutschen Armee. Mißhelligkeiten zwischen ihm und Soubise veranlaßten seine Zurückberufung und die Verweisung vom Hofe. Unter Ludwig XVI. wurde er 1778 wieder zum Befehlshaber der Truppen gegen England ernannt. Beim Ausbruch der Revolution ernannte ihn Ludwig XVI. 1789 zum Kriegsminister. Als jedoch der Abfall der Pariser Truppen alle seine beabsichtigten Maßregeln vereitelte, wanderte er aus. In dem Feldzuge von 1792 stand er an der Spitze einer Abteilung Ausgewanderter, und 1794 errichtete er ein Korps im brit. Dienste. [* 11] Nach der Auflösung desselben trat er 1797 in russ. Dienste, zog sich aber später ganz aus dem öffentlichen Leben zurück und starb in Münster. [* 12]
Charles François,
Graf von Broglie
, zweiter Sohn des ersten
Herzogs, geb. war seit 1752 franz. Gesandter am
Hofe
Augusts III. von
Polen, wo er im
Auftrage
Ludwigs XV. im geheimen die
Wahl des Prinzen von Conti zum König von
Polen vorbereiten
sollte. Die Änderung des polit.
Systems
Ludwigs (1756) zerstörte B.s Pläne auf eine
Verbindung mit
Sachsen
[* 13] gegen England. Er ging nun zunächst an den
Wiener
Hof,
[* 14] kehrte 1757 nach Warschau
[* 15] zurück, ohne jedoch etwas zu erreichen.
Er focht unter seinem
Bruder mit Auszeichnung in
Deutschland und wurde von
Ludwig XV. mit der Leitung seines
geheimen Ministeriums beauftragt. Obgleich er das schwierige
Geschäft mit vieler Gewandtheit führte, entstanden doch, da
dieses geheime Ministerium dem öffentlichen oft geradezu entgegenwirkte, die größten Verwirrungen. Er war deshalb vom
König der Form nach verbannt, zugleich aber insgeheim beauftragt, in der
Verbannung seine
Geschäfte wie seither fortzusetzen.
Unter
Ludwig XVI. hatte er keine Anstellung; er starb
Claude Victor, Prinz von Broglie
, der Sohn des
Herzogs Victor François von Broglie
, geb. 1757, vertrat als Mitglied der Nationalversammlung
die Ideen der Revolution. Nach der
Auflösung der Versammlung erhielt er eine Anstellung bei der Rheinarmee.
Als er sich
aber weigerte, die Dekrete vom anzuerkennen, wurde er außer Thätigkeit gesetzt, später vor das Revolutionstribunal
gefordert und guillotiniert.
¶
Broglie
(spr. brollj oder brolljih), Achille Charles Léonce Victor, Herzog von, franz. Staatsmann, Sohn des während
der Revolution hingerichteten Prinzen Claude Victor von Broglie
, geb. zu Paris, wurde während des Kaiserreichs Anditor
im Staatsrat, dann Intendant in Illyrien, später in Spanien,
[* 17] endlich Attaché bei den Gesandtschaften zu
Warschau und Wien
[* 18] und 1813 Gesandtschaftsrat in Prag. Nach der ersten Restauration erhielt er einen Sitz in der Pairskammer,
wo er gegen die Verurteilung Neys, die Ausnahmegesetze und Proskriptionen sprach. Er vermählte sich 1816 mit Albertine, der
als religiöse Schriftstellerin bekannten Tochter (geb. 1797, gest.
der Frau von Stael.
Als Gesinnungsgenosse Guizots und der Doktrinärs wurde er von der Provisorischen Regierung zum Minister des Innern, im August von König Ludwig Philipp zum Minister des Kultus und Unterrichts sowie zum Präsidenten des Staatsrats ernannt, trat aber im November bei dem Eintritt Duponts de l'Eure ins Ministerium zurück. Vom Okt. 1832 bis April 1834, dann vom Nov. 1834 bis Febr. 1836 war er Minister des Auswärtigen, seit März 1835 zugleich Conseilpräsident. In dieser Eigenschaft führte er die Verhandlungen mit England über das gegenseitige Durchsuchungsrecht zur See.
Seit 1836 wurde er wiederholt, zuletzt noch 1840, zur Bildung eines Ministeriums aufgefordert, lehnte
aber stets ab. Später entfernte er sich von Guizot und seinen frühern Meinungsgenossen und schien mehr zu Thiers hinzuneigen.
Nach der Revolution von 1848 blieb er als Anhänger der Orléans
[* 19] einige Zeit dem polit. Schauplatze fern. Erst im Mai 1849 gelangte
er in die Nationalversammlung, wo er einer der Führer der Rechten wurde und die Angelegenheit der Verfassungsrevision
eifrig betrieb. Während er hierdurch die Herstellung der Monarchie der Orléans beabsichtigte, wurde er durch Napoleons Staatsstreich
vom überrascht. Er zog sich ins Privatleben zurück, wurde 1856 zum Mitgliede der Akademie erwählt, veröffentlichte
«Écrits et discours» (3 Bde.,
Par. 1863) und starb Seine Memoiren gab sein Sohn Jacques Victor Albert als «Souvenirs du feu duc de Broglie»
(4 Bde.,
Par. 1886-87) heraus. -