Brockhaus
,
F.
A., Verlagsbuchhandlung mit Buckdruckerei und andern graphischen Zweigen in
Leipzig
[* 2] nebst Zweigniederlassungen
in
Berlin,
[* 3]
Wien,
[* 4]
Paris
[* 5] und
London.
[* 6] Sie wurde von
Friedrich
Arnold Brockhaus
, (s. d.) in
Amsterdam
[* 7] als Verlags-
und Sortimentsbuchhandlung gegründet unter der Firma «Rohloff & Comp.»,
die 1807 in «Kunst- und Industriecomptoir» geändert wurde. 1811 wurde
nach Verkauf des Sortiments der Verlag nach
Altenburg
[* 8] verlegt und seit dafür die Firma «F.
A.
Brockhaus» gewählt.
Ostern 1818 fand die Übersiedelung nach Leipzig statt und Anfang desselben Jahres wurde mit dem Geschäft eine Buchdruckerei verbunden, die wegen der Innungsverhältnisse zunächst die Firma «Zweite Teubnersche Buchdruckerei» führte. Die Thätigkeit in Holland bestand in der Herausgabe der Holland. Litteraturblätter «De Ster» («Der Stern») und «Amsterdamsch Avond-Journal», die beide unterdrückt wurden, der deutschen Monatsschrift: Cramers «Individualitäten» (1806-7),
der franz. Vierteljahrsschrift: «Le [* 9] Conservateur» (1807-8),
im Verlag von Werken der strengen Wissenschaft, Politik und schönen Litteratur, z. B. von Sprengel, Villers, Massenbach, Baggesen, Öhlenschläger.
Zum Hauptunternehmen des Hauses wurde das
«Konversations-Lexikon» (s. d.), das Brockhaus
, 1808 während
eines Besuches der
Leipziger
Messe gekauft hatte. Es war 1796 von Dr. Löbel und
Advokat Francke begonnen
worden, dann nach und nach an vier weitere
Besitzer übergegangen, ohne aber über den
Buchstaben S hinaus gebracht worden
zu sein. Brockhaus
, beendete
die erste
Auflage 1809-11 mit Hinzufügung zweier Supplementbände.
Gleich im folgenden Jahre begann er
eine neue gänzlich umgearbeitete
Auflage des Werkes herauszugeben, die er selbst redigierte.
Der Erfolg war überraschend; es folgten zu seinen Lebzeiten noch vier weitere
Auflagen;
Umfang und Zahl der
Bände wurden immer
größer. Das Verdienst Brockhaus
,' besteht darin, daß er in dem verunglückten Unternehmen seiner Vorgänger den
Stoff zu einem Volksbuch erkannte und es durch seine
Energie und geschickte Leitung auch wirklich zu einem
solchen machte. Das
«Konversations-Lexikon» ist seitdem zu einem der wichtigsten
Typen des Büchermarkts aller
Länder geworden.
Seit seiner Übersiedelung nach
Deutschland
[* 10] verlegte Brockhaus
, ferner: das
Taschenbuch
«Urania» (seit 1810);
die «Deutschen Blätter» bis Mai 1816);
die «Zeitgenossen» (seit 1816);
Okens «Isis» [* 11] (seit 1817);
«Hermes, [* 12] oder kritisches Jahrbuch der Litteratur» (seit 1819),
seit 1820 von A. selbst redigiert;
das ebenfalls von ihm herausgegebene «Litterarische Konversationsblatt» (seit 1820, die Fortsetzung des von Kotzebue 1818 begründeten «Litterarischen Wochenblattes», seit 1826 «Blätter für litterar. Unterhaltung» [s. d.]);
außerdem noch eine große Anzahl von Werken aus
fast allen Zweigen der Litteratur von Ebert, Ersch, Hasse, Hormayr, Krug, W.
Müller, Puchelt, F.
von
Raumer («Geschichte der Hohenstaufen»),
A. Schopenhauer, Johanna Schopenhauer, Steffens, Voß' Shakspeare-Übersetzung u. a.
Nach dem
Tode des Gründers (1823) übernahmen das
Geschäft seine
Söhne
Friedrich Brockhaus
,, geb. in Dortmund,
[* 13] Leiter der
Buchdruckerei schon seit 1819, gest. in
Dresden,
[* 14] und
Heinrich Brockhaus
,, anfangs gemeinsam (bis Ende
1849), dann
Heinrich Brockhaus
, allein. Letzterer, geb. in
Amsterdam, erwarb sich vorwiegend durch unermüdliches Selbststudium
und auf zahlreichen und weiten
Reisen eine umfassende
Bildung und praktische Weltkenntnis. Er war 1842-48 Mitglied der sächs.
Zweiten Kammer als
Vertreter
¶
mehr
der Stadt Leipzig und gehörte 1850 zu den sog. «Renitenten», welche sich weigerten, in die reaktivierte Kammer wieder einzutreten. Im Aug. 1858 ward er gelegentlich des 300jährigen Jubiläums der Universität Jena [* 16] zum Doktor der Philosophie honoris causa ernannt. Seiner über 50jährigen Leitung hatte die Firma ihre steigende Bedeutung und weitere Entwicklung wesentlich zu verdanken. Auch um die allgemeinen Angelegenheiten des Buchhandels erwarb er sich Verdienste. Er wurde 1872 Ehrenbürger von Leipzig, wo er starb.
Unter der gemeinschaftlichen Leitung von Friedrich und Heinrich in den J. 1823-49 wurde der größte Teil der Geschäftszweige begründet, namentlich aber das Verlagsgeschäft bedeutend erweitert. Dem bis 1848 in der siebenten bis neunten Auflage umgestalteten «Konversations-Lexikon» wurden als Nebenwerke beigegeben: «Konversations-Lexikon der neuesten Zeit und Litteratur» (4 Bde., 1832-34),
«Konvesations-Lexikon der Gegenwart» (4 Bde.,
1838-41) und «Die Gegenwart» (12 Bde.,
1848-56). Ein «Bilder-Atlas zum Konversations-Lexikon» (enthaltend 500 in Stahl gestochene Blätter) wurde
1844-49 geschaffen. Andere periodische Unternehmungen waren: das «Histor. Taschenbuch» (seit 1830 von F.
von Naumer herausgegeben,
bis 1892 62 Jahrgänge);
«Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste» von Ersch und Gruber (1818 fg., bis 1890 167 Bde.) und «Allgemeines Bücher-Lexikon» von Heinsius (1812 fg., bis 1890 18 Bde.);
von 1837 bis 1879 die «Leipziger Allgemeine Zeitung», seit 1843 «Deutsche [* 17] Allgemeine Zeitung» genannt;
«Der Neue Pitaval» (1842-91 60 Bde.).
1837 erfolgte die Gründung einer Buchhandlung für deutsche und ausländische Litteratur in Leipzig und Paris unter der Firma «Brockhaus & Avenarius», welche 1850 mit dem Leipziger Geschäft vereinigt wurde.
Größere Unternehmungen der Firma unter der Leitung von Heinrich und seinen Söhnen Heinrich Eduard und Heinrich Rudolf in den J. 1850-74 sind: die zehnte bis zwölfte Auflage des «Konversations-Lexikon»;
«Unterhaltungen am häuslichen Herd», hg. von Karl Gutzkow (1852-64);
«Deutsches Museum», hg. von N. Prutz (1853-66);
«Kleineres Brockhaussches Konversations-Lexikon für den Handgebrauch» (1. Aufl., 4 Bde., 1854-56; 2. Aufl., 1861-64);
«Staats-Lexikon» von Rotteck und Welcker (3. Aufl., 14 Bde., 1856-66);
«Unsere Zeit» (1857-91);
«Illustriertes Haus- und Familien-Lexikon» (7 Bde., 1860-65);
«Schiller-, Goethe-, Lessing-, Shakespeare-Galerie» (1859-76);
eine Bibliotbek der deutschen Nationallitteratur, vom Mittelalter bis auf die neueste Zeit (1864 fg., bis 1890 96 Bde.);
eine Bibliothek ausländischer Autoren in den Originalsprachen: italienisch, spanisch, portugiesisch, polnisch u. s. w. (1860 fg., bis 1890 gegen 180 Bde.);
eine neue Übersetzung der Shakespeareschen Dramen von Bodenstedt, Gildemeister, Herwegh u. a. (9 Bde., 1867-71);
das «Deutsche Sprichwörter-Lexikon» von Wander (5 Bde., 1867-80);
das «Bibel-Lexikon» von Schenkel (5 Bde., 1869-75);
«Illustrierte Bibel» [* 18] von Bendemann, Schnorr von Carolsfeld u. a. (3. Aufl., 1874-75);
«Internationale wissenschaftliche Bibliothek» (1873 fg., bis 1890 68 Bde);
«Bilder-Atlas» (2. Aufl., 8 Bde. Tafeln und 2 Bde. Text, 1869-75).
Außerdem Werke von Ahn, Benfey, Fredrika Bremer, Freiherrn von Bunsen, Carriere, K. G. Carus, Diessenbach,
Eckermann, J. H. Fichte,
[* 19] Kuno Fischer, Gottschall,
Gregorovius, Gutzkow, J. Hammer,
[* 20] Koenig, Lassalle,
Martens, Prutz, F.
und K. von Naumer, Rellstab, Renan, Reumont, von Rönne, Schlagintweit, A. Schopenhauer, Schücking, K. Schwarz,
L. von Stein, D. F.
Strauß,
[* 21] Sturm, Tieck, Tischendorf, Varnhagen von Ense, K. Vogt, Wheaton u. a. 1864 wurde eine Filiale in Wien, 1871 in
Berlin errichtet.
Nach dem Tode von Heinrich Brockhaus
, (1874) ging das Geschäft in den Besitz seiner beiden, der Firma bereits seit bez. angehörenden
Söhne über. Heinrich Eduard Brockhaus
,, geb. zu Leipzig, besuchte die Universitäten zu Leipzig, Heidelberg
[* 22] und Berlin, promovierte 1850 als
Doktor der Philosophie und widmete sich dann dem Buchhandel; 1871-78 Mitglied des Deutschen Reichstags (für
den 20. sächs. Wahlkreis), gehörte er daselbst der nationalliberalen Partei an. Er verfaßte
eine Biographie seines Großvaters, ist seit 1880 Vorsitzender des Vereins der Buchhändler zu Leipzig, seit 1889 zweiter, seit 1892 erster
Vorsteher des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler (s. d.) und war längere Zeit Vorsitzender des Deutschen
Buchdruckervereins (s. d.) und der Deutschen Buchdrucker-Berufsgenossenschaft (s. d.). Heinrich Rudolf Brockhaus
,, geb. zu
Leipzig, erlernte den Buchhandel und die Buchdruckerei im väterlichen Geschäft sowie in Wien, London und Paris. Am trat
der älteste Sohn von Heinrich Eduard Brockhaus
,, Albert Eduard Brockhaus
,, geb. am der älteste Sohn
von Heinrich Rudolf Brockhaus
,, Rudolf Heinrich Brockhaus
, jun., geb. als Mitbesitzer
in die Firma ein.
Von den Verlagsunternehmungen der Firma seit 1874 seien genannt: «Brockbaus' Kleines Konversations-Lexikon» (3. und 4. Aufl., 2 Bde.; neue Ausgabe, mit Abbildungen und Karten, 1888);
«Brockhaus' Konversations-Lexikon» (13. Aufl., mit Abbildungen und Karten, 17 Bde., 1882-87; 14. Aufl. 1891 fg.);
«Der Neue Plutarch», hg. von R. von Gottschall, 12 Bde., 1874-88);
die fünfte und sechste Folge des «Histor. Taschenbuchs», erstere von H. W. Riehl (10 Jahrgänge, 1871-80),
letztere von W. Maurenbrecher (12 Jahrgänge, 1881-92) herausgegeben;
Bolze, «Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen» (Bd. 1-14, 1885-93);
Reise- und Forschungswerke von Avé-Lallemant, Cameron, Emin Pascha, Graf von Hübner, Johnston, von Kremer, Lenz, Nachtigal, Freiherr von Nordenskiöld, Radde, Rohlfs, Schliemann, Schweinfurth, Speke, Stanley, von den Steinen, Thomson, Tschudi, Ujfalvy, Vámbéry, Admiral von Werner, Wißmann u. a.;
Orientreise des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland, verfaßt vom Fürsten Uchtomskij. 1890 wurde eine Filiale in Paris, 1891 eine solche in London gegründet.
Im J. 1893 waren unter der Firma F.
A. Brockhaus
, nachstehende, in sechs Gebäuden verteilte Geschäftszweige vereinigt: Verlagsbuchhandlung;
deutsches und ausländisches Kommissionsgeschäft;
ausländisches Sortimentsgeschäft (mit seit 1856 monatlich erscheinender «Allgem. Bibliographie» und seit 1880 jährlich erscheinendem «Katalog ausgewählter Werke der ausländischen Litteratur»);
Antiquarium und Auktionsinstitut (mit bedeutendem Lager [* 23] in Geschichte, klassischer und moderner Philologie, Rechts- und Staatswissenschaften u. a.; Specialität: das Gesamtgebiet der Naturwissenschaften; es gab über 130 wissenschaftliche Kataloge heraus);
Buchdruckerei (mit 30 Schnellpressen, 1 Rotationsmaschine, 6 ¶
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Handpressen, 3 Satiniermaschinen [Kalander], [* 25] 4 Hilfsmaschinen;
jährlich 60 Mill. Drucke);
Schriftgießerei (mit 12 Gießmaschinen, 1 Komplettmaschine, 2 Gießöfen, 10 Bestoßzeug- und 13 Hilfsmaschinen);
Stereotypengießerei (mit 4 Trockenpressen und 4 Hilfsmaschinen);
Galvanoplastische Anstalt (mit 1 Dynamomaschine, 3 Prägepressen und 3 Hilfsmaschinen);
Schriftschneiderei und Gravieranstalt (mit 1 Fräs- und Guillochiermaschine und 1 Hobelmaschine);
Stahl- und Kupferdruckerei (mit 14 Pressen und 2 Hilfsmaschinen; jährlich etwa ½ Mill. Kunstdrucke);
Lithographische Anstalt und Steindruckerei (mit 2 Liniiermaschinen, 9 Schnellpressen, 6 Handpressen, 1 Bronziermaschine, 3 Hilfsmaschinen; jährlich etwa 10 Mill. Drucke);
Xylographische Anstalt (mit 2 Hilfsmaschinen und Zinkographie);
Buchbinderei (mit 1 Doppelfalzmaschine, 12 Drahtheftmaschinen, 9 Vergoldpressen, 12 Beschneidmaschinen, 17 Hilfsmaschinen, 6 Packpressen).
Die maschinellen Anlagen werden getrieben von einer 75pferdigen unterirdischen Dampfmaschine; [* 26] Centralheizung. Die Gesamtstärke des Geschäftspersonals der Firma, für das eine von den Prinzipalen gestiftete Hauskasse besteht, beträgt etwa 750, die Zahl der jährlich ein- und ausgehenden Briefe, Post- und Eisenbahnsendungen ungefähr 300000. -
Vgl.
Die Firma F.
A. in Leipzig.
Zum 100jährigen Geburtstage von Friedrich Arnold Brockhaus
, (als Handschrift gedruckt); Mitteilungen
von F.
A. B, (seit 1870).