Britisch
-Birma
,
blühende
Provinz des indobrit. Kaiserreichs, in
Hinterindien,
[* 2] ist gebildet aus ehemaligen Teilen
des
Reichs
Birma, nämlich aus den bereits 1826 erworbenen Küstendistrikten
Arakan und
Tenasserim, und dem dazwischenliegenden, 1852 den
Birmanen
abgenommenen
Bezirk
Pegu (s.
Karte
»Hinterindien«),
und erstreckt sich längs des Ostrandes der Bai von Bengalen von 10 bis 20½° nördl. Br., dann in wechselnder Breite [* 3] zwischen 92 und 99° östl. L. v. Gr. Die Grenzstaaten sind im O. Birma, dann bis zum Sitang Karenien und von da an Siam. Alle Gebirge haben die Richtung nach S. Die Berge des Küstendistrikts Arakan setzen sich bis zum Kap Negrais fort; die Pegu-Yomanberge ziehen, bis 670 m sich erhebend, schroff und steil zwischen Irawadi und Sitang und erstrecken sich in ihren Ausläufern bis Rangun; [* 4] ein Zweig des Punlung-Grenzgebirges ist zwischen Sitang und Salwen vorgeschoben.
Unter den
Flüssen ist der Koladin der nördlichste; er mündet bei
Akyab ins
Meer und ist an 82 km fahrbar für
Schiffe
[* 5] von
300-400
Ton. Der
Irawadi ist mit
Dampfern fahrbar bis
Bhamo, weit über das britische
Gebiet hinaus; sein
Lauf auf englischem Gebiet beträgt 386 km. Das
Thal
[* 6] wird zu einer breiten, überaus fruchtbaren
Ebene. Oberhalb Henzadah beginnt
die
Gabelung und Deltabildung;
Bassein liegt am westlichen,
Rangun am östlichen
Arm des
Delta.
[* 7] Der
Sitang hat einen reißenden
Lauf und viele
Untiefen; herabgeschwemmte Baumstämme machen ihn schon für
Boote schwierig, für
Dampfschiffe
ganz
unfahrbar.
Dazu kommt, daß die Einfahrt vom Meer durch die heftige Bore erschwert wird, welche durch das Zusammentreffen der Flut von SW. vom Indischen Ozean her und von SO. der Tenasserimküste entlang entsteht und an 60 km weit bis Swegyen sich fühlbar macht. Die Küste ist mit einer fruchtbaren Alluvialschicht, untermischt mit Sand, dunklem Sandstein, Gneis, Schieferthon, weiter südlich mit Basalt bedeckt;
nur stellenweise ist sie rauh und arm an Häfen. In Arakan sind die wichtigsten Hafen- und Seeplätze Akyab und Kyukpyu;
in Tenasserim Maulmain, Amherst, Tavoy, Mergui.
Das Klima [* 8] ist warm, feucht und erschlaffend, aber längs der Küste nicht ungesund.
Die Regenmenge beträgt 6,5 m in Sandowai an der Küste von Arakan, aber nur 1, 2 m in Prome am Irawadi im Innern von Pegu; die mittlere Jahrestemperatur längs der Küste ist 26,2-26,8° C. Ein Drittel des Landes wird als kultivierbar betrachtet; hiervon steht etwas mehr als ein Zehntel in wirklicher Kultur. Die Hauptprodukte sind: Reis, Gemüse, ölhaltige Sämereien, Gewürz, Tabak, [* 9] Baumwolle, [* 10] Zucker; [* 11]
Indigo [* 12] wird wenig gebaut;
der Anbau von Thee ist in Arakan mit gutem Erfolg versucht worden.
Groß ist der Reichtum des Landes an Fruchtbäumen und Nutzhölzern, besonders an Teakholzwäldern, die streng forstmännisch behandelt werden. Die Provinz besitzt auch ergiebige Zinnbergwerke im Merguidistrikt (Tenasserim), welche aber zur Zeit noch wenig ausgebeutet werden.
Die Provinz zählte 1881 auf 231,024 qkm (4195,6 QM.) 3,736,771 Einw. Eine außerordentlich große Zahl neuer Ansiedler kam unter der englischen Herrschaft ins Land: 1 Mill. aus dem unabhängigen Birma, um sich dem großen Druck ihres Königs zu entziehen;
337 aus dem Deutschen Reich, 52 aus Österreich-Ungarn, [* 13] 388 aus Italien, [* 14] 408 aus Schweden [* 15] und Norwegen, 11,314 aus China. [* 16]
Die einheimische
Bevölkerung
[* 17] besteht zum allergrößten Teil aus Birmanen
, ferner aus
Karen,
Schan etc. Der
Religion nach zählte man
3,251,584 Buddhisten, 88,177
Hindu, 168,881 Mohammedaner, 84,219
Christen (darunter 6808
Europäer), 143,581 Fetischanbeter, 204
Juden, 83
Parsi.
Die Birmanen
werden als ein nicht unschöner Menschenschlag geschildert, mit Gesichtszügen, die denen der
Chinesen ähnlich
sind; ihre durchschnittliche
Größe beträgt 1,65 m. Sie sind offenen
Charakters, gastfreundlich und lieben
die
Musik.
Der Anzug entspricht dem Klima: ein langes Stück Zeug, das um die Hüften und Beine geschlungen wird, ist das unentbehrlichste Kleidungsstück;
je nach Stand und Beschäftigung trägt man außerdem Röcke von Musselin oder Seide; [* 18]
bei Wohlhabenden ist der Anzug reich und Schmuck aller Art (bei Armen Tand) angebracht.
Die Karen sind kleiner und schmächtiger, aber von Gestalt wohlgebildet und, wie alle Bergbewohner, sehr behend; ihre Gesichtsfarbe ist blaßgelb. Sie tragen einen weiten, weißen Rock aus Baumwolle ohne Ärmel, die Männer darunter Hosen, [* 19] die Frauen meist blaue Röcke; das Haar [* 20] ist, wie bei den Birmanen, bei beiden Geschlechtern lang und in Knoten geschürzt oder mit Bändern verflochten. Die Schan sind von untersetzter [* 1] Figur und ohne Zweifel von derselben Abstammung wie die andern Reste von Urbewohnern im nördlichen Hinterindien; sie sind geborne Handelsleute. Die Sprache [* 21] ist, wie die Bevölkerung, keine einheitliche; in Pegu ist das Birmanische vorherrschend, in Arakan hört man daneben Bengali und Hindostani, in Tenasserim Taling, in den Häfen außerdem Englisch, südindische Sprachen und Chinesisch. ¶
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Das Land ist eingeteilt in 4 Divisionen: Arakan, Pegu, Irawadi, Tenasserim, die in 19 Distrikte zerfallen;
es gab 1882: 15,857 Städte und Dörfer.
Hauptstadt ist Rangun mit (1881) 134,176 Einw.; die nächstgrößten Orte sind: Maulmain (53,107 Einw.), Akyab (33,989 Einw.), Prome (28,813 Einw.), Bassein (28,147 Einw.). Der Anbau des Bodens ist bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit sehr lohnend; der kleine Bauer beackert durchschnittlich 3-4 Hektar mit sehr unvollkommenen Geräten. Alle zehn Jahre wird sein Besitz neu vermessen und versteuert; inzwischen ist alles Land steuerfrei, welches er durch Kultivierung mit seinem Besitztum in Verbindung gebracht hat.
Die nennenswertesten Industrieerzeugnisse sind Seidenfabrikate in der Provinz Pegu und Lackwaren. Der Land- wie Seehandel beschäftigt sich im Export vorwiegend mit den Naturprodukten und mit europäischen Fabrikaten. Der Wert der Ein- und Ausfuhr war 1860: 5 Mill., 1883: 23 Mill. Pfd. Sterl.; 93 Proz. aller Einfuhr an Manufakturen, Salz [* 23] etc. gehen über Rangun, ebenso 60 Proz. der Ausfuhr. Der Binnenverkehr findet vorwiegend auf den zahlreichen schiffbaren Flüssen und ihren Verzweigungen statt. Für Wege ist erst im letzten Jahrzehnt viel geschehen; die erste, 261 km lange Eisenbahn wurde im Mai 1877 zwischen Rangun und Prome eröffnet. Dampfschiffe gehen auf dem Irawadi über die Landesgrenze weiter bis Bhamo (s. d.), ferner zwischen Bassein und Rangun. Alle Küstenhafenorte sind unter sich mit Dampferlinien verbunden.
An der Spitze der Verwaltung steht ein Chief-Commissioner in Unterordnung unter den Generalgouverneur zu Kalkutta. [* 24] 159 Gerichte sprechen Recht, die Landbevölkerung zieht jedoch den Schiedsspruch ihrer Dorfältesten der länger ausstehenden Entscheidung vor den ordentlichen englisch-indischen Gerichten vielfach vor. Aus der Verbrecherstatistik ist hervorzuheben, daß Frauen nur 3 Proz. der Gefängnisbevölkerung stellen. Die Polizeimannschaft zählt 6830 Mann (Eingeborne mit wenigen Europäern als Oberoffizieren); die Armee besteht aus einer Division von 4066 Mann (105 Offiziere, 1572 Mann Europäer, 2389 Sipoys) in 5 Garnisonen (Maulmain, Swegyen, Rangun, Thaetmyo, Tongu); die Truppen sind Infanterie und Artillerie (310 Mann).
Die Finanzeinnahmen weisen bei der außerordentlichen Zunahme der Bevölkerung und des Handels jährlich Steigerung nach. Die Einnahmen fließen aus Grundsteuer, Kopfsteuer, Accise, Zöllen, Waldungen und noch andern Quellen; sie betrugen 1883: 2½ Mill. Pfd. Sterl.; Zuschuß aus Zentralfonds findet nicht statt. Für Erziehung ist hier unter dem Entgegenkommen der Bevölkerung, welche von buddhistischen Mönchsschulen seit Jahrhunderten regelmäßig Unterricht erhält, viel geschehen; es gab 1883: 3863 Schulen mit 107,037 Schülern.
Der religiöse Glaube ist der Buddhismus; der Birmane ist weder fanatisch religiös noch irreligiös, er wendet sich vertrauend an die Gottheiten. Die Priester stehen in großem Ansehen, leben zurückgezogen und mischen sich nicht in öffentliche Angelegenheiten; sie werden nicht einmal zu Geburts-, Heirats- und Beerdigungsfeierlichkeiten beigezogen. Die Verehrung von Wald-, Strom- und Berggottheiten ist noch nicht verschwunden. Die Tempel, [* 25] Klöster und Denkmäler der Buddhisten sind prachtvolle hohe Gebäude mit reichen Verzierungen;
der chinesische Stil herrscht vor;
Höhe und Zahl der Dächer, Art und Menge der Verzierungen haben allegorische Bedeutung. Im J. 1883 waren 399 Geistliche (Europäer und Eingeborne) im christlichen Interesse thätig;
christliche Kirchen gab es 517.
Vgl. »The British Burma Gazetteer« (Rangun 1879, 2 Bde.);
Bowers, Bhamo-Expedition (a. d. Engl. von Merzdorf, Berl. 1871);
Forbes, British Burmah and its people (Lond. 1878).