Britannia
,
der antike
Name für das heutige England und
Schottland.
Aristoteles führt sowohl diese
Insel unter dem
Namen
Albion (s. d.) als die westliche unter dem
Namen Hierne (bei den
Römern Hibernia, s. d., jetzt
Irland) als bretannische
Inseln
an, ein
Name, der sich bei ihm zuerst findet.
Die erste
Kunde von Britannia
hatten die Phönizier, die von ihren
span. Pflanzstädten Tartessus und
Gades aus nach den
Cassiterides insulae (s. d.) und nach
Cornwall fuhren, um daselbst Kassiteros,
d. i. Zinn, von den Eingeborenen einzutauschen.
Ende des 6. Jahrh.
v. Chr. gab ein griech. Seefahrer, dessen
Schrift in der lat.
Übersetzung des
Avienus
noch erhalten ist, im 5. Jahrh. der Karthager Himilko, um 320 der Massilier Pytheas Nachrichten von Britannia
, das
sie besucht hatten. Als die Karthager den Seeweg nach der
Insel aus Handelseifersucht sperrten, schlugen die massilischen
Kaufleute den Landweg durch
Gallien ein, fuhren über den
Kanal
[* 2] nach der
Insel
Ictis (jetzt Wight), und brachten
von dort aus das Zinn in ihre
Heimat.
Die Unterstützung, welche brit.
Völker ihren kelt. Stammgenossen in
Gallien gegen Julius
Cäsar gewährt hatten, gab diesem
Anlaß, 55
v. Chr. nach Britannia
mit Heeresmacht überzusetzen; bei seinem zweiten Zuge im folgenden Jahre überschritt
Cäsar die
Themse und nötigte den Häuptling
Cassivellaunus zur Unterwerfung: doch führte
Cäsar seine
Truppen wieder aus Britannia
weg,
zwischen dessen Bewohnern und den
Römern seitdem bloß Handelsverkehr bestand. Erst seit 43 n. Chr. betrieben die
Feldherren des
Kaisers
Claudius und später die des Nero mit glänzendem Erfolge die Unterwerfung B.s.
Ein furchtbarer
Aufstand der Briten 61 n. Chr., an dessen
Spitze die rachgierige
¶
mehr
Königin Boadicca stand, wurde durch die Härte der röm. Verwaltung und den Wucher der röm. Bankiers veranlaßt. 70000 Römer
[* 4] wurden ermordet; doch gelang es dem Statthalter Suetonius Paullinus, die Briten nach verzweifeltem Kampfe wieder zu unterwerfen.
Durch siegreiche Kämpfe mit den Völkern im Norden
[* 5] und in Wales befestigten Petilius Cerealis (70-74)
und Julius Frontinus (74-77) die röm. Herrschaft. Cn. Julius Agricola, der 78-85 unter Vespasian und Domitian Britannia
verwaltete,
dehnte sie bis zu den Meerbusen des Clyde und Forth in Schottland aus, der nördlichsten Grenze, die sie überhaupt erreicht
hat; doch blieb innerhalb dieser Grenzen
[* 6] die größere Hälfte von Wales unter ihm, wie unter seinen
Nachfolgern von der röm. Herrschaft frei.
Hadrian gab jene Grenze militärisch auf und zog als solche 122-124 zwischen dem Solwaybusen und der Tynemündung eine Festungskette,
deren Reste noch jetzt bestehen. Die Mäaten im südl. Schottland, welche die Kette durchbrachen, wurden von dem Statthalter
Lollius Urbicus besiegt, der die alte Grenze des Agricola durch einen nach dem Kaiser Antoninus Pius benannten
Erdwall befestigte und so 142 n. Chr. das römische Britannia
von Britannia barbara
oder Caledonia schied. Gegen die Bewohner des letztern, die Caledonier, war stete Wachsamkeit der Statthalter nötig. Einfälle
derselben veranlaßten den Kaiser Septimius Severus, 208 selbst nach Britannia
zu gehen, wo er, nachdem er den
Wall Hadrians neu verstärkt und beinahe ganz Schottland erobert hatte, 211 zu Eboracum (York) starb. Doch wurden nach seinem
Tode die neuen Erwerbungen wieder aufgegeben.
Um 207 n. Chr., oder wahrscheinlich schon 197, teilte Severus in zwei Provinzen, eine westliche und östliche,
ihrer Lage nach «Ober-» und «Unterbritannien»
genannt. Später hieß dann Unterbritannien «Britannia
Prima», Oberbritannien
«Britannia
Secunda». Der Menapier Carausius (s. d.) nahm 287 den Kaisertitel in an und herrschte kraftvoll 7 Jahre
lang, bis ihn sein Präfekt Allectus tötete, der selbst durch Constantius Chlorus 296 besiegt ward. Britannia
Prima wurde damals (297) von Diocletian in drei neue Provinzen zerteilt, von denen die nördliche Maxima Caesarensis, die
südliche Flavia Caesarensis hieß; der mittlern verblieb der Name Britannia
Prima. In Eboracum, wo Chlorus 306 starb, ward
dessen Sohn Flavius Constantinus d. Gr. zuerst zum Cäsar ausgerufen.
Unter des letztern Regierung genoß Britannia
noch der Ruhe, aber bald nach seinem Tode begannen die räuberischen
Einfälle der Picten (s. d.) und Scoten aus Irland und Schottland. 368 erfocht Theodosius über beide Völker einen großen Sieg:
es gelang ihm, dem scotischen Stamm der Voluntii, die Wales besetzt gehalten hatten, einen großen Teil ihrer Eroberungen
abzunehmen. Das neugewonnene Land ward unter dem Namen Valentia als Provinz eingerichtet, sodaß Britannia
Secunda von jetzt
an in der Hauptsache auf die Halbinsel Cornwall beschränkt blieb. Bald wiederholten die Barbaren ihre Einfälle, sodaß Kaiser
Honorius die röm. Herrschaft über Britannia
ganz aufgab, nachdem er noch einmal 421 eine
Legion den Briten zu Hilfe gesendet hatte. Als der röm. Feldherr Aëtius 446 ihnen den Beistand verweigerte,
suchte diesen ein brit. Fürst in Kent, Vortiger, bei den Sachsen,
[* 7] die nun verbunden mit den Angeln in der zweiten Hälfte des 5. Jahrh.
Selbst ihre Herrschaft in Britannia
gründeten. (S. Angelsachsen.)
Die gemeinsame Benennung der Völker, die bis gegen Caledonien wohnten und dem kelt. Völkerstamm angehörten, war Britanni oder Britones. Unter den einzelnen Stämmen sind namentlich die Cantii, deren Name sich im heutigen Kent erhalten hat, die Trinobanten, in deren Gebiet Londinium (London) [* 8] lag, und wegen tapferer Gegenwehr gegen die Römer die Brigantes im Norden, die Ordovici und Silures in den westl. Gebirgen und die Dumnonii im Südwesten zu erwähnen. Mit den übrigen Kelten (s. d.) gemeinsam war den Britannen ein eigentümlicher Priesterstand in den Druiden.
In der Hörigkeit des Priesterstandes, der Häuptlinge und der Ritter befand sich schon zu Cäsars Zeit, wie in
Gallien, die Masse des übrigen Volks; auch die Könige waren durch den Adel beschränkt und hatten nur im Kriege, bei dem man
sich der Streitwagen
[* 9] (Essedae) bediente, freiere Gewalt. Viehzucht,
[* 10] Jagd, Bergbau,
[* 11] Getreidebau und Tauschhandel mit den Produkten
trieben die Einwohner von alter Zeit her. Unter den Römern, bei deren Abzug noch 28 Städte nebst vielen
Kastellen und kleinen Orten in der röm. Provinz bestanden, vervollkommneten sie sich bald in den Künsten des Friedens; auch
das Christentum verbreitete sich früh, schon zu Ende des 2. Jahrh., in Britannia.
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Vgl. Wright, The Celt, [* 12] the Roman, and the Saxon (4. Aufl., Lond. 1885);
Guest, Origines Celticae (2 Bde., ebd. 1883);
Scarth, Roman Britain (ebd. 1883).