Grünhagen und
Korn, Regesta episcopatus Vratislaviensis (das. 1864, Teil 1).
2) Herzogtum, der mittlere Teil
Schlesiens, stand seit 1163 unter der Herrschaft eines piastischen
Hauses, das 1179 auch Niederschlesien
(Liegnitz)
[* 17] erwarb. Während in der
Folge die mächtigste
Linie der
Herzöge von Niederschlesien immer in
LiegnitzHof
[* 18] hielt, wurde Breslau bei den vielfachen
Teilungen der
Piasten mehrmals Sitz einer Seitenlinie, so 1241-90 und 1311-1327.
In letztem Jahr verkaufte
HerzogHeinrich VI. von Breslau sein Land an König
Johann vonBöhmen.
[* 19] MitBöhmen kam
es 1526 unter österreichische Herrschaft und 1742 im
Frieden von an
Preußen (s.
Schlesien, Geschichte).
[* 3] (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der
preuß.
ProvinzSchlesien und des gleichnamigen Regierungsbezirks (s.
unten), dritte königliche
Residenz, liegt unter 51° 7' nördl.
Br. und 17° 2' östl. L. v. Gr., 111 m
(Höhe am
Unterpegel der Oder) über der
Ostsee in einer weiten, fruchtbaren
Ebene, zu beiden Seiten der Oder, welche hier die Ohle aufnimmt
und mehrere
Inseln
(Sandinsel, Bürgerwerder etc.) bildet. Breslau, das unter den
Städten des
DeutschenReichs nach
Berlin u.
Hamburg
[* 20] die dritte
Stelle, unter denen der preußischen
Monarchie somit die zweite einnimmt, besteht aus der innern
Stadt (früher
Alt- und
Neustadt)
[* 21] und fünf Vorstädten: der
Ohlauer Vorstadt im SO., der
Schweidnitzer im S., der Nikolaivorstadt
im W., der Oder- und der Sandvorstadt im N., welch letztere aus den ehemaligen Vorstädten
Sand- und Dominsel zusammengesetzt
ist.
Der Bürgerwerder und andre Oderinseln sind der Odervorstadt in administrativer Beziehung zugeteilt.
Seit sind sieben Ortschaften mit zusammen 14,417 Einw. der Stadt einverleibt worden.
Die früher vorhandenen sechs
Thore sind gegenwärtig, nachdem die Festungswerke seit 1813 in schattige Spaziergänge umgewandelt
worden, nur noch teilweise an den Brückenübergängen kenntlich, welche aus der Innenstadt in die Vorstädte
führen. Die
Ufer der Oder und der
Inseln sind durch 10 eiserne, 5 hölzerne und 3 steinerne
Brücken
[* 22] verbunden. Außerdem bestehen 3 große
Eisenbahnbrücken, 5
Brücken über den Stadtgraben und 4
Brückennur für den Personenverkehr.
Die Zahl der öffentlichen
Plätze,
Straßen und Wege der Stadt beträgt 290. Von den
Plätzen verdient vor allen Erwähnung der ziemlich quadratische Hauptmarkt oder der
»Ring«, zugleich
Zentrum der Stadt, auf
welchem das alte, mit
Erkern und bilderreichen
Simsen gezierte
Rathaus, das neue Stadthaus, einige
Reihen von Privatgebäuden
und zahlreiche Verkaufsstellen (ständige
»Bauden«) sich befinden. Vor dem Stadthaus steht die Reiterstatue
Friedrichs d. Gr. (von
Kiß, seit 1842), an der Westseite desselben die Reiterstatue
FriedrichWilhelms III. (ebenfalls von
Kiß,
seit 1861), an der Ostseite des
Rathauses die sogen. Staupsäule (einst
Pranger).
Andre Marktplätze sind: der Blücherplatz (früher Salzring) mit dem ehernen Standbild
Blüchers (von
Rauch, seit 1827), an der
südlichen Seite von dem alten
Börsengebäude, welches jetzt Gesellschaftszwecken dient, begrenzt;
der
Neumarkt (zweitgrößter Marktplatz der Stadt) mit dem Standbild
Neptuns (vom
Volk Gabeljürge genannt) in einem
Springbrunnen;
der
Berliner
[* 24] Platz mit großer
Fontane, der Platz am Zentralbahnhof, der Königsplatz, Ritterplatz, der Lessingplatz mit dem
neuen Regierungsgebäude und großer Turnhalle, der Domplatz mit dem
Dom und Parkanlagen, der große Schießwerderplatz (zu Ausstellungszwecken),
der Platz »am Wäldchen«, der infolge weiterer
Zuschüttung des Ohlebettes gewonnene Platz »am Ohlau-Ufer«, der schöne Matthiasplatz mit Parkanlagen und großem Springbrunnen
u. a. Die Straßen der innern Stadt sind bis auf wenige regelmäßig, nur etwas schmal, die der Vorstädte dagegen breit und
schön. Unter ihnen sind besonders hervorzuheben: die Schweidnitzer, Ohlauer, Albrechts-, Reusche-, Nikolaistraße und Schmiedebrücke
in der innern Stadt sowie die Tauenzien-, NeueTaschen-, Garten-, Friedrich-Wilhelms-, KaiserWilhelm-, Palmstraße und die Straßen
am Stadtgraben entlang in den Vorstädten. Für Beleuchtung
[* 29] wird durch drei der Stadtgemeinde gehörige Gasanstalten gesorgt.
Durch die Abdämmung der Ohle, die jetzt oberhalb der Stadt in die Oder mündet, und die 1881 vollendete
Schwemmkanalisation ist der Gesundheitszustand Breslaus sehr verbessert. Außer dem ältern Wasserhebewerk (durch Wasserkraft
getrieben) versorgt seit 1871 ein Dampfwasserwerk die Stadt mit filtriertem Flußwasser.
[Gebäude.]
hat 11 evang. Kirchen (darunter 5 ohne Parochialrechte), 1 altlutherische, 1 reformierte, 16 katholische
(inkl. 3 Kloster- und 3 Anstaltskirchen), 1 altkath. Kirche, Versammlungslokale für Dissidenten, Herrnhuter etc. und 13 Synagogen.
Unter den katholischen Kirchen sind bemerkenswert: der Dom zu St. Johannes dem Täufer, der um 1148 in gotischem Stil begonnen,
gegen Ende des 15. Jahrh. vollendet, später im Renaissancestil des 17. und 18. Jahrh.
erweitert und 1873-75 im Innern renoviert wurde, mit zwei Türmen (seit dem Brand von 1759 ohne Spitze), vielen Kapellen (darunter
die prachtvolle Elisabethkapelle, 1680 erbaut), großen Reichtümern (z. B. einem Hochaltar aus gediegenem Silber) und prachtvollen
Werken der Malerei und Bildnerei;
die 1883 vollendete Nikolaikirche,
ein Neubau an Stelle der alten, während der Belagerung von 1806 niedergebrannten Kirche;
endlich die neue St. Michaeliskirche,
ein zierlicher gotischer Bau (1871 vollendet).
Von den evangelischen Kirchen ist die erste und größte die Hauptkirche zu
St. Elisabeth (1253 gegründet, im 14. und 15. Jahrh. neu erbaut und 1857 restauriert)
mit 91 m hohem Turm
[* 32] (vor 1529, als die Spitze desselben herabstürzte, noch bedeutend höher), der größten GlockeSchlesiens
(110 metr. Ztr. schwer), vielen ausgezeichneten Kunstdenkmälern,
berühmter Orgel, Glasmalereien und einem 16 m hohen steinernen Sakramentshäuschen (vom Jahr 1455); die zweite evangelische
Hauptkirche, von der die Reformation 1523 für und einen großen Teil Schlesiens ausging, ist die zu St.
MariaMagdalena, nach dem Muster des Doms im 14. Jahrh. gebaut, mit zwei durch eine hohe Brücke
[* 33] verbundenen
gotischen Türmen,
vielen Denkmälern und neuem, prachtvollem Glasgemälde.
Ferner sind zu nennen: die St. Barbarakirche (seit 1740 zugleich Garnisonkirche) mit Tafelmalereien aus
dem 14. und 15. Jahrh.;
die Bernhardinkirche mit kunstvoll gemalter Hedwigstafel, 1453 gegründet, in ihrem jetzigen Bau 1502 vollendet.
Ganz neu ist die in gotischem Stil von der Stadt erbaute Salvatorkirche. Unter den Synagogen ist die neue
am Schweidnitzer Stadtgraben nächst der in Berlin die schönste und größte Deutschlands
[* 34] (1872 vollendet).
Von andern öffentlichen Gebäuden sind bemerkenswert: das großartige, neuerdings renovierte Rathaus im spätgotischen Stil,
dessen Bau sich von der Mitte des 14. bis zum 16. Jahrh. hingezogen, innen
und außen reich an Bildhauerarbeit, mit berühmtem Fürstensaal und mit dem nach einem ehemals dort ausgeschenkten Bier benannten
SchweidnitzerKeller;
das an der Nordwestseite des Rathauses liegende, 1862 vollendete Stadthaus enthält den Sitzungssaal,
die Konferenzzimmer und Büreaus der Stadtverordnetenversammlung, die städtische Sparkasse und die Stadtbibliothek;
dann die Bahnhofsgebäude der Freiburger und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn sowie im SO. der 1857 im gotisierenden
Burgstil erbaute Oberschlesische oder Zentralbahnhof;
das neuerbaute Trinitatishospital (mit eigner Kirche);
die von der Stadt erbaute königliche
Gewerbe (Oberreal-) Schule.
Unter den Privatgebäuden zeichnet sich besonders das ganz mit Freskogemälden
bedeckte Haus zu den sieben Kurfürsten am Ring aus. Eine der schönsten Zierden Breslaus bildet die sogen. Liebichshöhe, ein
der Stadt von den Kaufleuten G. und A. Liebich geschenktes, aus der Taschenbastion errichtetes Belvedere, das eine weite Rundsicht
gestattet.
Die EntwickelungBreslaus wird durch die Zunahme der Bevölkerung charakterisiert.
Die Zahl der Zivileinwohner betrug im J. 1756: 54,774, zur Zeit des Siebenjährigen Kriegs (1763) nur 42,114, 1790
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mehr
wieder 51,219, 1811: 62,504, 1840: 92,305, 1852: 116,235, 1867: 167,229 (und 4697 Militärpersonen), 1880: 268,310 (und 4592 Militärpersonen),
am Schluß des Jahrs 1884: 295,300 Gesamtbevölkerung. Der Konfession nach entfallen von der Einwohnerzahl etwa 58 Proz. auf
Protestanten, 36 Proz. auf Katholiken und 6 Proz. auf Juden.
Der Handel ist überwiegend teils Transit-, teils Exporthandel in Landesprodukten. Unter letztern sind
Hauptartikel: Wolle (jährlich 40-50,000 metr. Ztr.), Getreide,
[* 39] Ölfrüchte,Berg- und Hüttenprodukte (besonders Steinkohlen),
Kalk, Eisen,
[* 40] Zink, Gewebe,
[* 41] Spiritus, Zucker,
[* 42] Butter etc. und die Erzeugnisse der städtischen Industrie. Sehr umfangreich war bisher
auch das Fonds- und Effektengeschäft. Altberühmt ist der jährliche Wollmarkt. Außerdem bestehen noch
ein in neuerer Zeit zu großer Bedeutung gekommener Maschinenmarkt, 3 Jahrmärkte, 5 Roß- und Viehmärkte, ein Flachs-, Leder-,
Zuchtvieh-, Leinsaat-, Honigmarkt, tägliche Getreidemärkte etc. Die Oderschiffahrt leidet
an dem Mangel eines größern Oderhafens, doch sind neuerdings Schienengleisverbindungen mit dem Stromufer und Verladevorrichtungen
getroffen worden.
Infolge der zum großen Teil ausgeführten Oderregulierung hat sich der Schiffsverkehr in den letzten
Jahren sehr gehoben. An Geldinstituten bestehen in Breslau eine Reichsbankhauptstelle, eine städtische Bank, der Schlesische Bankverein,
eine Diskontobank, eine Wechslerbank, eine Handels- und Entrepotgesellschaft; ferner eine Provinzialhilfskasse, ein Konsumverein, 6 Sparkassen,
verschiedene Vorschußvereine, eine ständische Darlehnskasse und die Generallandschaft. Der Etat des Stadthaushalts
für 1884 schloß in Einnahme und Ausgabe mit über 8 Mill. Mk. ab.
Sehr reich ist an Wohlthätigkeits- und Versorgungsanstalten aller Art, und es beläuft sich das Kapitalvermögen aller
milden
Stiftungen auf weit über 20 Mill. Mk., das der jüdischen Stiftungen nicht eingerechnet. Besonders hervorzuheben
sind: das Waisenhaus »ad matrem dolorosam«, 3 evangelische Waisenhäuser, viele Hospitäler, teils Kranken-, teils Verpflegungsanstalten
für das dürftige Alter, darunter das allgemeine Krankenhospital zu Allerheiligen, das jährlich über 9000 Kranke verpflegt;
die evangelisch-lutherische Diakonissenanstalt Bethanien für heilbare
Kranke;
das Augustahospital für kranke Kinder armer Eltern;
das Hausarmenmedizinalinstitut, das Fränkelsche Hospital und
die Fränkelschen sowie die Selenkeschen Stiftswohnungen, das kaiserliche Kinderheim, die Bürgerversorgungs-
und Bürgerrettungsanstalt.
Außerdem gibt es viele wohlthätige Privatstiftungen, das städtische Armen- und das Arbeitshaus,
sechs Sparkassen, eine städtische Leihanstalt; ebenso sind 160 Kranken-, Sterbekassen- und zahlreiche Versicherungsagenturen
am Ort.
[Bildungsanstalten, Behörden etc.]
Von den wissenschaftlichen Anstalten ist vor allen die Universität zu nennen, die 1702 auf
Betrieb der Jesuiten vom KaiserLeopold I. für Philosophie und katholische Theologie gestiftet und Leopoldina
genannt ward. Mit ihr wurde 1811 die Frankfurter Viadrina vereinigt und eine vollständige Universität mit fünf Fakultäten
gegründet. Die Zahl der Studierenden beträgt (1884) 1481, die der Dozenten 131. Mit der Universität verbunden sind: drei
theologische Seminare, ein philologisches und ein Seminar für deutsche Philologie, desgleichen für romanische
und englische Philologie, ein historisches, ein mathematisch-physikalisches, ein juristisches und ein staatswissenschaftliches
Seminar.
Die Universität besitzt 12 verschiedene naturwissenschaftliche Institute, 6 klinische Anstalten, 3 Kunstsammlungen. Zur Universität
gehört seit 1881 ein landwirtschaftliches Institut (früher in Proskau) mit 10 Lehrern und 44 Hörern.
Dasselbe vereinigt an Zweiginstituten: ein tierchemisches, ein Veterinär- und ein technologisches Institut. Die Universitätsbibliothek
umfaßt gegen 400,000 Werke, darunter Inkunabeln (bis 1500) gegen 2400, Aldinen 250, Manuskripte 2840 Bände.
Sie entstand aus den Sammlungen der aufgehobenen Stifter und Klöster und den frühern Frankfurter und Breslauer Universitätsbibliotheken;
zu ihr gehören auch die an orientalischen gedruckten und handschriftlichen Werken reiche Bibliotheca
Habichtiana und das akademische Leseinstitut. Ferner sind zu nennen: die Sternwarte;
die Bildergalerie (meist aus den Kirchen, Klöstern
etc.), reich an altdeutschen Werken;
das Museum für schlesische Altertümer und das Staatsarchiv für Schlesien etc. hat 6 Gymnasien,
darunter 3 städtische, ferner ein kath. Schullehrerseminar, ein Konvikt für evangelische Theologen,
ein fürstbischöfliches Klerikalseminar, ein Seminar zur
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[* 3] Die Stadt zählte 1885: 299,640 Einw. (darunter 172,233 Evangelische, 108,631 Katholiken, 17,655 Juden). Zur
Litteratur: Luksch, Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Bresl. 1886);
Weiß, Chronik der
Stadt Breslau (das. 1888). - Der Regierungsbezirk
Breslau zählte 1885: 1,579,248 Einw. (darunter 904,229 Evangelische, 648.677 Katholiken, 23,010 Juden).
1) Regierungsbezirk der preuß. ProvinzSchlesien, der mittelste der Provinz, grenzt im S. an Böhmen, ist in
seinem südl. Teile, der ehemaligen GrafschaftGlatz, vollständig gebirgig (Heuscheuer 920 m, Habelschwerdter Gebirge 963 m,
Glatzer Gebirge mit dem großen Schneeberg 1424 m, ReichensteinerGebirge, Eulengebirge 1010 m, Schweidnitzer Bergland mit dem
Zobtenberge 718 m), und fällt allmählich bis zum nördlichen, seenreichen und fruchtbaren Tieflande ab, hat zahlreiche Flüsse
[* 45] (Oder, Neisse,
[* 46] Ohlau, Weistritz, Stober, Weida, Bartsch), Wiesen, Waldungen, Ackerbau, Viehzucht,
[* 47] Mineralquellen, Steinkohlenbergbau
und Industrie (Spinnerei, Weberei,
[* 48] Glasfabrikation)
[* 49] und auf 13 480,57 qkm (1890) 1 599 322 (751 413 männl., 847 909 weibl.)
E., 56 Städte mit 385,67 qkm und 597 263 (280 582 männl., 316 681 weibl.) E., 2203 Landgemeinden
und 1539 Gutsbezirke mit 13 094,90 qkm und 1 002 059 (470 831 männl., 531 228 weibl.) E.: ferner 149 056 bewohnte, 2808
¶
unbewohnte Wohnhäuser
[* 53] mit 370 044 Haushaltungen und 1532 Anstalten. Dem Religionsbekenntnis nach waren 914 043 Evangelische, 659 573 Katholiken, 3415 andere
Christen, 22 232 Israeliten und 12 823 Militärpersonen. Der Regierungsbezirk zerfällt in folgende Kreise:
[* 54]
2) Landkreis imReg. Bez. hat 750,76 qkm, (1890) 82 154 (39 179 männl., 42 975 weibl.) E., 188 Landgemeinden
und 122 Gutsbezirke.
3) Breslau, poln. Wrocław, lat. Wratislavia, Hauptstadt
der preuß. ProvinzSchlesien, des Reg.-Bez. und kath. Bistums Breslau, zweite Stadt der preuß. Monarchie, königl.
Residenzstadt und Stadtkreis, liegt 51° 7' nördl. Br. und 17° 2' östl. L. von Greenwich, in 112 m Höhe (Oderspiegel),
in einer weiten, fruchtbaren und wohlbebauten Ebene, zu beiden Seiten der schiffbaren Oder, an der Einmündung
der Ohlau in dieselbe, 567 km von der Odermündung und hat eine Ausdehnung
[* 56] von 8293 m (O. nach W.), 6768 m (N. nach S.) und 39 km
Umfang. Von der Gesamtfläche (30,35 qkm) sind 7,58 qkm mit Häusern bebaut, 4,68 qkm sind Straßen, 16,49 qkm landwirtschaftlich
benutzt und 1,61 qkm Wasserfläche. Der mittlere Luftdruck betrug (1890) 749 mm, die mittlere Jahrestemperatur
8° C. (+33° Maximum, -20° Minimum), die Niederschlagsmenge 712 mm.
Bevölkerung.
[* 57] Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1756: 54 774, 1763: 47 098, 1790: 56 628, 1811: 67 852, 1840: 97 664, 1852: 121 052,
1867: 171 926, 1880: 272 912, 1885: 299 640, 1890: 335 186 (153 698 männl., 181 488 weibl.)
E., das ist eine Zunahme (1885-90) von 35 546 (11,8 Proz.) oder durchschnittlich jährlich 7109 Personen. Dem Religionsbekenntnis
nach waren 190 761 Evangelische (569 auf 1000 E.), 125 483 Katholiken (374), 1176 sonstige Christen (4) und 17 754 Israeliten
(53). 1890 gab es 14 304 Gebäude (4520 unbewohnte) mit 6050 Einzel-, 71 445 Familienhaushaltungen und 208 Anstalten.
Von 1000 E. sind geboren in Breslau 425, im übrigen Preußen 552, im übrigen DeutschenReiche 11, im Auslande 12. Zahl der Geburten
(1890) 12 231 (430 Totgeburten), der Sterbefälle 9241, der Ehen 3146, der Zugezogenen 52 115, der Abgezogenen 47 132. In
Garnison (5285 Mann) liegen das 1. und 2. Bataillon des 10. Grenadierregiments König Friedrich Wilhelm II., 11. Grenadierregiment
Kronprinz Friedrich Wilhelm, 1. Bataillon des 51. Infanterieregiments, Leib-Kürassierregiment Großer Kurfürst, 1. und 2. Abteilung
des 6. Feldartillerieregiments von Peucker und das 6. Trainbataillon.
Rechnet man zu der Einwohnerzahl von (1890) 335 186 noch diejenige der im halbmeiligen Umkreis um die Stadt liegenden und
in engster Interessengemeinschaft mit ihr stehenden Vororte Kleinburg (1545 E.), Herdain (2182), Gräbschen (1734), Pöpelwitz
(3516), Rosenthal (1714), Wilhelmsruh (48), Grüneiche (458), Morgenau (155) und Dürrgoy (923), ferner
die Einwohnerzahl der noch zur sog. Agglomeration gehörigen und bei zukünftiger Einverleibung
in Betracht kommenden Ortschaften Zedlitz (49 E.), Pirscham (101),
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Schwentnig (3), Klein-Tschansch (1185), Groß-Tschansch (431), Brockau (520), Woischwitz (698), Oltaschin (642), Krietern
(858), Operau (385), Hartlieb (884), Klettendorf (620), Klein-Gandau (385), Maria Höfchen (508), Klein-Mochbern (525), Schmiedefeld
(344), Groß-Mochbern (1450), Neukirch (1483). Cosel
[* 59] (329), Oswitz (1205), Lilienthal (109), Carlowitz (440), Schottwitz (354),
Friedewalde (299), Cawallen (585), Leerbeutel (89), Schwoitsch (839), Zimpel (300), Bartheln (108) und
Bischofswalde (63) mit insgesamt 28 066 E., so ergiebt sich für das wirtschaftliche Weichbild von Groß-Breslau eine Einwohnerzahl
(1890) von 363 252.
Anlage, Straßen, Plätze, Denkmäler. Die Stadt zerfällt in die innere Stadt (Alt- und Neustadt, seit 1327 vereinigt) und fünf
von ihr durch die Oder oder den Stadtgraben getrennte Vorstädte: die Ohlauer (im SO.),
die Schweidnitzer (S.), Nikolai- (W.), Oder- (N.) und Sandvorstadt (NO.). (Hierzu ein Plan und Verzeichnis der Straßen und öffentlichen
Gebäude.)
Zahlreiche Brücken führen über die Oder, unter denen die großen eisernen Gitterbrücken (Lessing-, Dom-, Gneisenau-, Universitäts-,
Königs- und Wilhelmsbrücke) hervorzuheben sind, und über den Stadtgraben und verbinden die verschiedenen
Stadtteile miteinander und mit den durch die Oder gebildeten Inseln (Bürgerwerder, Inseln der Sandvorstadt). Die 1891 vollendete,
massive Fürstenbrücke über die alte Oder verbindet die Sandvorstadt mit den Parkanlagen in Scheitnig. An Stelle der frühern
Festungswerke, die nach 1813 durch Friedrich Wilhelm III. der Stadt geschenkt und abgetragen wurden, umschließen
den größten Teil der innern Stadt schattige Promenaden mit wohlgepflegten Blumen- und Rasenbeeten.
Glanzpunkte derselben sind der Zwinger, mit dem Kasino christl. Kaufleute, die Liebichshöhe auf der alten Taschenbastion,
ein von den Brüdern Liebich 1866 erbautes und der Stadt geschenktes Belvedere im Renaissancestil, mit
einem durch eine Victoria
[* 60] von Rauch gekrönten Turme, endlich die Ziegelbastion mit einer Büste Holteis und schöner Aussicht
auf Stadt und Fluß. Während die innere Stadt durch die zahlreichen Renaissancebauten des 16. Jahrh.
ein altertümliches Gepräge zeigt und namentlich auf der Stelle des ältern, dem jetzigen Stadtgraben
im Innern parallel laufenden, zugeschütteten Ohlegrabens zahlreiche kleine und enge Gassen hat, zeichnen sich die Vorstädte,
besonders die Schweidnitzer und Odervorstadt, durch breite Straßen und schöne Bauart aus.
Von den Straßen sind vor allem die die Stadt von S. nach N. und von W. nach O. durchschneidenden Verkehrsstraßen zu
erwähnen, in ersterer Richtung der Zug
der Kaiser Wilhelm-, Schweidnitzerstraße, Schmiedebrücke, Moltke- und Trebnitzerstraße,
von der Universitätsbrücke aus mit einer Abzweigung nach NO. in der Matthiasstraße, und jenem Zuge parallel der Zug
der NeuenTaschen-, Tuchen-, Post-, Katharinen-, Sand-, Neuen Sand-, Gneisenau- und Blücherstraße; in der Richtung von W. nach
O. die Friedrich Wilhelm-, Nikolai- und Albrechtstraße, die sich über den Dominikanerplatz in der Straße am Ohlau-Ufer fortsetzt,
und diesen parallel, beim Königsplatz beginnend, die Reusche-, Ohlauer- und Klosterstraße.
Von den zahlreichen größern öffentlichen Plätzen liegen in der Innenstadt: der ziemlich quadratische «Ring», in dessen
Mitte das Rathaus (s. unten), das neueStadthaus sowie einige Reihen Privathäuser sich befinden. Seine
vier Seiten sind: Naschmarkt (N.), Goldene Becherseite (S.), Siebenkurfürstenseite (W.), mit dem gleichnamigen Hause, einst
Absteigequartier der böhm. Könige (1500 erbaut, mit 1866 erneuerten Fresken geschmückt) und
Grüne Röhrseite (O.).
Die West- und Südseite des Ringes sind durch die ehernen Reiterstatuen Friedrichs d. Gr. (1847) und Friedrich
Wilhelms III. (1861) geziert, beide nach Modellen von Kiß, während auf der Ostseite vor dem Rathaus die 1492 errichtete
Staupsäule (Pranger) steht; der Blücherplatz (früher Salzring), mit dem von der ProvinzSchlesien 1827 errichteten ehernen
StandbildBlüchers von Rauch und der alten Börse an der Südseite (1824 von Langhans), jetzt Eigentum des
Vereins christl. Kaufleute und die Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur enthaltend;
der Neumarkt
mit dem Neptunsspringbrunnen;
der Kaiserin Augustaplatz, südlich begrenzt von der Kunst- und Kunstgewerbeschule, westlich
von dem Realgymnasium zum HeiligenGeist, in der Mitte das got. Kriegerdenkmal (1870/71);
der Lessingplatz
mit dem neuen Regierungsgebäude und den parkartig erweiterten Promenadenanlagen, der Ritterplatz, der Königsplatz und der
Palais- oder Exerzierplatz.
Von den vorstädtischen Plätzen sind zu erwähnen: im S. der Tauentzienplatz mit dem jüngst
wiederhergestellten Tauentziendenkmal (von Langhans entworfen), 1795 dem tapfern Verteidiger der Stadt (1760) gegen die Österreicher
unter Laudon errichtet;
der Museumsplatz mit dem schles. Provinzialmuseum;
der Berlinerplatz mit großer
neuer Fontäne und der Platz am Centralbahnhof;
im N. der Schießwerder-, der Roßplatz, Matthiasplatz mit Springbrunnen, Gneisenauplatz
und Domplatz;
im O. auf der Stelle der zugeschütteten Ohlau der Platz «am Ohlau-Ufer».
Kirchen. hat 16 kath., 11 evang., 1 luth., 1 reform.
Kirchen und 2 Gemeinde-Synagogen. EvangelischeKirchen sind: die zu St. Elisabeth, 1253-57 neu erbaut, im 14. und 15. Jahrh.
umgebaut, seit 1525 protestantisch, erneuert 1856-58, mit dem höchsten (102 m) Turm (1452-56 errichtet), der größten GlockeSchlesiens (11000 kg, Geschenk Friedrich Wilhelms IV.), vielen Kapellen, einer großen prächtigen Orgel,
Glasmalereien und bedeutenden Kunstwerken (Altarbild Luthers und MelanchthonsvonL. Cranach, bronzener Taufstein, spätgot.
Tabernakel von 1455, holzgeschnitzte Chorstühle u. a.);
ferner die zweitürmige Maria-Magdalenenkirche mit prachtvollen Glasgemälden,
schöner Orgel und vielen Kunstdenkmälern, von wo 1523 die Reformation für und einen TeilSchlesiens durch den Prediger Joh.
Heß von Hessenstein aus Nürnberg
[* 61] ausging;
der durch Feuer 22. bis zerstörte Helm des Nordturms mit der Armensünderglocke
ist nebst der ganzen Kirche 1888/91 wiederhergestellt worden;
die Bernhardinkirche mit einer kunstvoll gemalten Hedwigstafel,
enthaltend 32 Darstellungen aus dem Leben der Heiligen, 1453 gegründet, 1502 vollendet;
die Barbarakirche
(seit 1740 zugleich Garnisonkirche) mit Tafelmalereien aus dem 14. Jahrh.;
die neuerbaute Salvatorkirche in der Schweidnitzer
Vorstadt.
Die reformierte oder Hofkirche stammt aus dem 18. Jahrh., die Kirche zu den 11000 Jungfrauen, ein Zwölfeck mit Kuppel
von 22 m Spannung, ist 1400 gegründet und 1821 neu erbaut. Von den kath. Kirchen sind die bedeutendsten:
der Dom zu St. Johannes dem Täufer auf der rechten Oderseite, ein dreischiffiger Bau ohne
¶